FGSV-Nr. FGSV 001/27
Ort Erfurt
Datum 12.09.2018
Titel Building Information Modeling - BIM im Life Cycle Management (Teil 2)
Autoren Prof. Dr.-Ing. Markus Stöckner, M.Sc. Manuel Niever
Kategorien Kongress
Einleitung

Building Information Modeling, abgekürzt BIM, ist nicht zuletzt auch durch den Stufenplan „Digitales Bauen“ des BMVI zu einem der meistdiskutierten Themen im Bauwesen geworden. Ziel ist, einen konsequenten digitalen herstellerneutralen Informationsaustausch für den gesamten Lebenszyklus des Bauwesens zu erreichen. Während im Hochbau bereits Standards existieren, liegen für den Verkehrswegebau derzeit Teilergebnisse vor. Die dazu erforderlichen Arbeiten müssen vor dem Hintergrund eines bereits bestehenden Standards, wie ihn die Anweisung Straßendatenbank (ASB) bzw. der Objektkatalog im Straßen- und Verkehrswesen, OKSTRA®, vorgibt, gesehen werden. Letztlich stellt BIM damit eine Methode dar, die für den jeweiligen Anwendungsfall aufzubereiten ist. Für den Anwender ist aber weit wichtiger, was die Anwendung im baupraktischen Geschehen mit sich bringt, ungeachtet der großen Vorteile, die BIM zweifelsohne hat. Wird die Anwendung der BIM-Methode wie vorgesehen vertraglich relevant, sind Anforderungen an ein BIM-Niveau I zu erfüllen, was eine eingehende Beschäftigung mit Methode, Auftraggeber-Informationsanforderungen und BIM-Abwicklungsplänen mit sich bringt. Die damit verbundene Aufgabenstellung ist aber lösbar, so müssen durchgehende Prozessmodelle über den gesamten Lebenszyklus formuliert werden, damit klar ist, welche Daten über die reine Vertragserfüllung hinaus für ein Life-Cycle-Management notwendig sind und damit übergeben werden müssen. Dies wird am Beispiel des Erhaltungsmanagements von Bundesfernstraßen aufgezeigt. Gerade dieser Anwendungsbereich könnte über eine verbesserte Datenlage gerade von Daten aus der Bauausführung erheblich profitieren. Allerdings sind auf dem Weg bis dahin noch erhebliche Anstrengungen erforderlich.

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1 Einleitung

Im Zuge der Digitalisierung hat sich Building Information Modeling, abgekürzt BIM, nicht zuletzt auch durch den Stufenplan des BMVI zu einem der meistdiskutierten Themen im Bauwesen entwickelt. Zielvorstellung eines vollständig umgesetzten BIM-Modells ist, die durchgängige Nutzung eines digitalen Modells über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks sicherzustellen. Vom Entwurf, über die Planung und Ausführung bin hin zum Betrieb des Bauwerks soll die Anwendung der BIM-Methode zu einem verbesserten Datenaustausch und somit einer Steigerung der Effizienz und Effektivität aller damit verbundenen Aufgaben durch durchgängig verfügbare Informationen beitragen. Denn bei der Planung und Realisierung von Bauwerken muss eine Vielzahl von Beteiligten aus unterschiedlichen Fachdisziplinen zusammenarbeiten und somit Informationen und Planunterlage austauschen, um eine gute Abstimmung zu erreichen. Die BIM-Methode ermöglicht diesen konsequenten Informationsaustausch, indem Bauwerksinformationen in Form eines digitalen Bauwerkmodells gemeinsam erstellt und weiterentwickelt werden können (Borrmann, König et al., 2015). Die BIM-Methodik hat ihre Ursprünge im Hochbau und wird dort bereits von einigen Planungsbüros und Baufirmen erfolgreich angewendet. Die flächendeckende Einführung von BIM steht noch aus. Für den Bereich des Verkehrswegebaus besteht jedoch noch große Unsicherheit zu Art und Umfang der BIM-Methode, auch weil die Rahmenbedingungen in einem hochgradig von öffentlichen Auftraggebern dominierten Markt doch zum Hochbau nicht vergleichbar sind. Zwar bieten verschiedene Softwarehersteller bereits BIM-kompatible Software an, was an den Stellen, an denen entsprechende Standards festgelegt sind, sicherlich auch möglich ist. Doch die Anwendung der BIM-Methode ist nicht durch eine entsprechend kompatible Software sichergestellt, da diese lediglich ein bestimmtes Datenaustauschformat einhalten. Die Frage besteht vielmehr darin, welche Daten im Rahmen eines Lebenszyklus benötigt werden und in folgende Abschnitte des Lebenszyklus übergeben werden. Daher wird in diesem Beitrag den Fragen nachgegangen, was unter BIM einschließlich der Definitionen und Festlegungen im Detail zu verstehen ist, welche Aufgaben auf Auftraggeber und Auftragnehmer im Einzelnen zukommen und wie dies in den Lebenszyklus einer Verkehrsanlage sinnvoll integriert werden kann. 

2 Datenverwaltung mit Straßeninformationsbanken

Die Datenorganisation in den Straßendatenbanken oder Straßeninformationsbanken erfolgt derzeit gemäß dem ASB- bzw. OKSTRA®-Standard. Beide Begriffe werden synonym verwendet, wobei im Bundesfernstraßenbereich der Begriff Straßeninformationsbank gebräuchlich ist. Die ASB hat die Aufgabe, dass es „bei systematischer Datenaufnahme und konsequenter Fortführung möglich sein wird, hinreichend genaue und umfassende Daten verschiedener Art über die Straße und ihrer Ausstattung zu sammeln, sodass jederzeit bis ins einzelne gehende Aussagen über alle Straßen gemacht werden können. Nicht zuletzt ist es Aufgabe der Straßeninformationsbank, die erfassten Daten und ermittelten Auswerteergebnisse durch geeignete geografische Informationssysteme (GIS) grafisch darzustellen, um die Informationen allen Nutzern der Straßeninformationsbank zu visualisieren.“ [ASB, 2014a]. Mit der ASB werden die Objektstrukturen aus fachlicher Sicht beschrieben. Ergänzend dazu beschreibt der OKSTRA®-Standard als Katalog von Objekten, Sachdaten und Beziehungen die informationstechnische Modellierung. Er soll damit die Austauschbarkeit von Straßendaten zwischen verschiedenen Anwendungssystemen gewährleisten. Im aktuellen Standard der ASB wird nach sogenannten Segmenten unterschieden. Für das Life-Cycle-Management sind vor allem die Segmente Kernsystem, Netzeigenschaften, Grund- und Aufriss, Querschnitt und Aufbau von Bedeutung, da dort die Bestandsdaten hinterlegt sind. Weitere Segmente werden dann eine Rolle spielen, wenn weitergehende Erhaltungsplanungen auch im Zusammenhang mit anderen Anlagenbestandteilen z. B. im Rahmen eines Asset Managements erfolgen sollen.

Der Objektkatalog für das Straßen- und Verkehrswesen (OKSTRA®) ist unter www.OKSTRA.de abrufbar und stellt eine Sammlung von Objekten aus dem Bereich des Straßen- und Verkehrswesens dar. Als direktes Ergebnis erhält man z. B. ein gemeinsames Austauschformat für verschiedenste Softwareapplikationen aus dem Straßen- und Verkehrswesen. Zur genauen Definition werden die OKSTRA®-Objekte mit ihren Attributen und Relationen formal in einem Datenschema beschrieben. Dieses Datenschema ist thematisch in mehrere Teilbereiche gegliedert, z. B. „Straßennetz“, „Entwurf“ und „Bauwerke“. Aus dem OKSTRA®-Datenschema wird das Datenformat OKSTRA®-XML abgeleitet (in Form einer Beschreibung in XML-Schema). Die Anforderungen aus der ASB und OKSTRA® werden in kommerziellen Datenbankprodukten umgesetzt und innerhalb der Straßenbauverwaltungen angewandt.

Der ursprüngliche Gedanke des OKSTRA-Standards war und ist bereits seit 2003, einen möglichst medienbruchfreien Informationsfluss zwischen Verfahrensabläufen in sogenannten Prozessketten (Planung, Entwurf, Bau, Bestand) sicherzustellen. Insbesondere soll damit die Da-tenübergabe auch zwischen verschiedenen Softwareprodukten, beispielsweise im Straßenentwurf gewährleistet werden [FSGV, 2003]. Die Entwicklung des OKSTRA wird seitdem vorangetrieben. Entwicklungsstand und Ergebnisse finden sich auf der Internetseite www.okstra.de und in den Berichten zu den regelmäßigen OKSTRA-Symposien, zuletzt das 7. Symposium im Mai 2018 [FSGV, 2018]. Man kann und darf von der Grundidee her sicher Parallelen zu BIM sehen, wenn eine herstellerneutrale Übergabe von Daten im Lebenszyklus einer Straße an die jeweils nachfolgenden Schritte erfolgen soll. Der damit verbundenen Frage, was ist am BIM dann anders oder besser, wird im Folgenden nachgegangen. 

3 Aktueller Stand von BIM

3.1 Definition BIM

Um zunächst BIM einordnen zu können und damit die Anwendungsmöglichkeiten anzureißen, ist eine einheitliche Definition notwendig. BIM kann wie folgt definiert werden:

„BIM ist eine Methode im Bauwesen, die das Erzeugen und Verwalten von digitalen Abbildungen der physikalischen und funktionalen Eigenschaft eines Bauwerks beinhaltet. Die Bauwerksmodelle stellen dabei eine Informationsdatenbank rund um das Bauwerk dar, um eine verlässliche Quelle für Entscheidungen während des gesamten Lebenszyklus zu bieten; von der ersten Vorplanung bis zum Rückbau.“ (Hausknecht, Liebich 2016)

BIM basiert als Methode in klassischer Sichtweise auf der Erstellung eines digitalen dreidimensionalen Bauwerkmodells, die vordefinierte Bauteile und Räume besitzen, in denen geometrische und andere relevante Informationen, z. B. zu eingebauten Materialqualitäten aufbereitet und verknüpft sind. Diese Informationen werden durch Planer und weitere Beteiligte sukzessive hinzugefügt und verwaltet. Bauteilen können Eigenschaften wie Material, Lebensdauer, umweltrelevante Aspekte, Schallschutz oder Brandschutzmerkmale zugeordnet werden. Räume werden dagegen aufgrund begrenzter Bauteile gesondert behandelt und deren Volumen oder Nutzungsmerkmale zugewiesen. Die Informationen werden über den kompletten Lebenszyklus betrachtet. Somit wird die Datengrundlage während der Planung und Realisierung, des Betriebs, der Erhaltung bis zum Rückbau des Bauwerks verwendet. Mit der weiteren Betrachtung der Geometrie, verknüpft mit dem Planungs- und Bauprozess, wird über die Zeit und den Kosten ein 5-D-Modell erstellt (BMVI 2015).

Damit ergibt sich eine erste wesentliche Feststellung: Es gibt nicht das einheitliche BIM, sondern einen einheitlichen Datenübergabestandard. Als Methode der digitalen Beschreibung von Bauwerken sind die projektbezogenen Anforderungen an die Dateninhalte vielmehr im Einzelfall festzulegen. Wesentlich dabei sind mindestens das 3-D-Modell sowie die Möglichkeit, die Daten mit einem definierten Format im gesamten Lebenszyklus weitergeben zu können. Damit ist für ein BIM-Modell erforderlich, in einem softwaretechnisch gesetzten Rahmen Prozesse (z. B. Planungsergebnisse oder Ausführungsergebnisse) zu beschreiben und ein handhabbares Datenflussmodell aufzusetzen.

3.2 Stufenplan des BMVI

Um BIM näher einzugrenzen, sollte der Stufenplan Digitales Planen und Bauen herangezogen werden. Spätestens seit der überfälligen Formulierung und Umsetzung der Stärkung des Erhalts vor dem Neubau von verschiedenen politischen Entscheidungsträgern ist klar, dass Betrieb und Erhaltung der in Deutschland hochbelasteten Verkehrsinfrastruktur nur durch moderne und umfassende Methoden des Erhaltungsmanagements oder sogar darüber hinaus des Asset Managements geregelt werden können. Eine notwendige Grundvoraussetzung dazu ist die Verfügbarkeit der richtigen Daten in einer verwertbaren und hinreichend genauen Qualität. Der aktuelle Bundesverkehrswegeplan 2030 weist dazu mit einem Gesamtvolumen von rund 269,6 Milliarden Euro eine Rekordsumme auf. Denn für eine wirtschaftliche Entwicklung ist eine intakte Infrastruktur elementar. Dementsprechend definiert das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) im „Stufenplan Digitales Bauen und Betreiben“ Ziele und Herangehensweisen für eine ganzheitliche und flächendeckende Anwendung von BIM. Ziel dieses Konzeptes ist der schrittweise Einsatz moderner, IT-gestützter Prozesse und Technologien bei Planung, Bau und Betrieb von öffentlichen Infrastrukturbauwerken ab dem Jahr 2020 (BMVI 2015).

Zur Umsetzung des Stufenplans wurde im Januar 2015 die „planen-bauen 4.0 – Gesellschaft zur Digitalisierung des Planens, Bauens und Betreibens mbH“ gegründet, die die Aufgaben einer BIM-Task-Group ausführen sollen. Im ersten Schritt sollen die Forschungs- und Standardisierungsvorhaben initiiert und koordiniert werden. Später soll die Gesellschaft wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich Themen zu digitale Planung, Errichtung, Bewirtschaftung und Verwertung von Bauwerken bündeln und weitere Aufgaben finden (planen-bauen 4.0). Die nachfolgende Grafik verdeutlicht das Grundkonzept der flächendeckenden Einführung von BIM (Bild 1). 

Bild 1: Stufenplan des BMVI (BMVI, 2015)

Zunächst erfolgte von 2015 bis 2017 eine Vorbereitungsphase, in der vorbereitende Maßnahmen bezüglich der Standardisierung sowie Checklisten und Leitfäden erarbeitet wurden. In dem Zeitraum zwischen 2017 und 2020 soll sich die Anwendung von BIM bei den Pilotprojekten über alle Planungs- und Bauphasen erweitern, damit auch in diesen Bereichen Erfahrungen gesammelt werden können. Zusätzlich dazu soll die Anzahl weiterer Verkehrsinfrastrukturpilotprojekte systematisch erhöht und damit die Verwendung von BIM mit den Anforderungen des Leistungsniveaus 1 gesteigert werden (BMVI 2015). Ab Ende 2020 soll bei allen „[…] neu zu planenden Projekten […] BIM mit Leistungsniveau 1 regelmäßig […]“ (planen-bauen 4.0) verwendet werden. Das mehrmals erwähnte Leistungsniveau 1 beschreibt die Mindestanforderungen an BIM, die zu erfüllen sind. Die Anforderungen sind dabei in die drei Bereiche Daten, Prozesse und Qualifikationen unterteilt. Aus diesen Anforderungen lassen sich dann in einer groben Struktur die anstehenden Aufgaben für die Umsetzung im Lebenszyklus von Verkehrsflächen erkennen.

Im Bereich „Daten“ lassen sich bereits weitreichende Forderungen finden, die vom Grundsatz her nicht nur die Definition der Datenformate behandeln, sondern direkt in das Vertragsrecht mit eingreifen. Demnach ist es Aufgabe des Auftraggebers zunächst sogenannte „Auftraggeber-Informations-Anforderungen“, kurz AIA, aufzustellen, in denen festgelegt wird, wann er welche Daten benötigt. Neben den geometrischen Maßen sollen den Bauteilen weitere Informationen wie Material, Baustoffeigenschaften, erwartete Lebensdauer etc. zugeordnet werden. Durch das zusätzliche Verknüpfen von Zeit und Kosten können 5-Dimensionale-Modelle entstehen. Des Weiteren sollen Angaben zum Fertigstellungsgrad und zur Detailtiefe der einzelnen Fachmodelle abhängig von der Leistungsphase festgelegt werden (BMVI 2015). Diese sollen mindestens in einem 3-D-Modell abgebildet werden, die Datenformate müssen herstellerneutral sein und die BIM-Forderungen werden vertragsrelevant. Die BIM-Methode soll in den Bauvertrag aufgenommen und bei der Vergabe sichergesellt werden, dass die software- und hardwaretechnischen Voraussetzungen auch vorliegen. Mit den derzeitigen Techniken, angefangen vom digitalen Straßenentwurf bis hin zu den Datenstandards, nach ASB/OKSTRA® im Abgleich mit den IFC-Standards ist dies technisch sicherlich lösbar. Die weitere Aufgabe besteht darin, die jeweils zu übergebenden Daten im Lebenszyklus nochmal detailliert zu sichten und festzulegen sowie dies vertraglich zu fassen. Mit dieser Logik wäre zu erwarten und zu diskutieren, ob und wie die wesentlichen Regelwerke wie beispielsweise „Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen …“ solche Datenanforderungen enthalten sollen, um einen einheitlichen Standard im Verkehrswegebau sicherzustellen. Dem Grunde nach ist allerdings die Umsetzung alternativlos, weil damit ein Problem der Verfügbarkeit von Daten im Lebenszyklus einer Straße besser als bisher gelöst werden könnte.

Dies erfordert das Aufsetzen geeigneter Prozesse, die im folgenden Bereich „Prozesse“ angesprochen werden. So formuliert der Stufenplan, dass „der Prozess zur Herstellung der geforderten Daten unter Festlegung aller dafür notwendigen Rollen, Funktionen, Abläufe, Schnittstellen, Interaktionen sowie der genutzten Technologien in einem sog. „BIM-Abwicklungsplan” (BAP) zu definieren …“ ist. Damit besteht die Forderung, maßnahmenspezifisch diesen Plan aufzustellen, was einen Vergleich mit einem QM-Plan hervorruft, der um die Datenflussmodellierung erweitert wird. Wesentlich dabei ist aber die gemeinsame Datenumgebung, damit alle Daten verlustfrei auf die jeweils benötigten Daten zugreifen können. An der Stelle erinnert der Stufenplan aber auch an ein Datensammeln mit Augenmaß. Es dürfte unstrittig sein, dass nicht alle Daten, die auf einer Baustelle anfallen, für den Nachweis der vertraglichen Erfüllung der geforderten Leistung oder für die weitere Verwendung im Lebenszyklus relevant sind.

Der letzte Bereich der Leistungsstufe I behandelt die Qualifikation der am Bauprozess Beteiligten. Nach den Vorstellungen des Stufenplans muss der Auftragnehmer über die notwendigen BIM-Kompetenzen verfügen und soll dies im Vergabeverfahren nachweisen. Umgekehrt muss der Auftraggeber ebenfalls „mit den Anforderungen und Verfahren von BIM vertraut sein, um die Ausschreibungsunterlagen sachgerecht erstellen und die eingehenden Angebote bewerten zu können“. Gerade im Spannungsfeld der Vergabe öffentlicher Aufträge im Verkehrswegebau wird dies eine interessante Frage sein, verschiedene Anbieter sind bereits mit Weiterbildungsangeboten auf dem Markt.

Grundsätzlich scheinen doch noch einige Punkte zur Umsetzung im öffentlich dominierten Verkehrswegebau offen, man darf aber festhalten, dass doch die Vorteile bei konsequenter Anwendung von BIM bei Weitem überwiegen, darauf wird nachfolgend noch eingegangen. Es wird damit nicht nur fachlich, sondern auch von der Abwicklung her ein veränderter Prozess, auf den sich alle Beteiligten noch vorbereiten und einstellen müssen.

3.3 Stand der Normung

Für einen verlustfreien Datenaustausch von digitalen Bauwerksmodellen wird ein umfassendes, herstellerneutrales und standardisiertes Datenformat benötigt. Die Formulierung von solchen Datenformaten erfolgt über den Verein Building Smart e. V. als deutscher Chapter von buildingSMART International (bSI). Wesentliche Aufgabe des Verbandes ist die Weiterentwicklung und Standardisierung von offenen Austauschstandards für den Software-unabhängigen-Informationsaustausch in BIM-Projekten und die Definitionen und Standardisierung von entsprechenden Arbeitsprozessen [building smart, 2018]. Kernpunkt ist die Formulierung sogenannter Industry Foundation Classes (IFC) als wesentliche Grundlage. Diese sind wie folgt beschrieben:

„Das buildingSMART Datenmodell, auch bekannt unter der Bezeichnung Industry Foundation Classes (IFC), stellt ein allgemeines Datenschema dar, das einen Austausch von Daten zwischen verschiedenen proprietären Software-Anwendungen ermöglicht. Dieses Datenschema umfasst Informationen aller am Bauprojekt mitwirkender Disziplinen über dessen gesamten Lebenszyklus. Man unterscheidet hierbei die IFC-Datei, die als Container zur Datenübergabe im STEP-Format verwendet wird, und das IFC-Datenschema, das die Spezifikationen im EX-PRESS Datenformat definiert.“ [building SMART e. V. 2018] 

Bild 2: IFC Alignment (Liebich et al., 2015) 

Weitere Unterlagen sind das Information Delivery Manual (IDM) über die Anforderungen zum Datenaustausch, die Model View Definition (MVD) als Anleitung für alle IFC-Ausdrücke und Pflichtenheft für die Umsetzung der IFC-Schnittstelle in einer bestimmten Software sowie das Open BIM Collaboration Format (BCF) als Datenschnittstelle zum vereinfachten Austausch von Informationen während des Arbeitsprozesses zwischen verschiedenen Softwareprodukten basierend auf dem IFC-Austauschformat [smart building, 2018 c]. Diese Beschreibungsmethode hat 2013 mit der ISO 16739:2013 „Industry Foundation Classes (IFC) for data sharing in the construction and facility management industries” Eingang in die Normung gefunden und liegt inzwischen in deutscher Fassung als DIN EN ISO 16739 (2017-04-00) „Industry Foundation Classes (IFC) für den Datenaustausch in der Bauindustrie und im Anlagenmanagement“ vor. Die bisherigen Veröffentlichungen beziehen sich auf den IFC-4-Standard und damit ausschließlich auf Hochbauten. Mit dem nächsten Entwicklungsschritt, dem IFC-5-Standard sollen auch Infrastrukturbauten, wie Straßen, Brücken und Tunnel, mit aufgenommen werden. Der dazu notwendige Standard IFC Alignment ist bei Buildingsmart bereits erarbeitet und wird die Grundlage für die Datenmodelle IFC-Road, IFC-Bridge und IFC-Tunnel bilden (Bild 2). In diesem Zusammenhang hat der Lehrstuhl für Computergestützte Modellierung der TU München (Prof. Bormann) ein Verfahren zur Konvertierung zwischen dem OKSTRA®-Format und dem IFC Alignment entwickelt [Aman, 2015]. Weiterführende Arbeiten gehen davon aus, dass OKSTRA®-Standard und BIM gemeinsam miteinander verwendet werden können (Hededal, 2018). 

4 BIM im Lebenszyklus

4.1 Definition des Lebenszyklus

Grundlage für die Anwendung von BIM ist damit zunächst eine eindeutige Definition des Lebenszyklus. Die Definition des Lebenszyklus und den damit verbundenen Prozessen ist zunächst auch nichts grundsätzlich Neues, dies muss für jedes neue komplexe Projekt aus verschiedenen Gründen heraus aufgestellt werden. Ein neues Projekt birgt immer die Herausforderung mit dem Umgang von neuen Rahmenbedingungen und wechselnden Projektbeteiligten. Jedes Projekt bringt zudem auch seine spezifischen Eigenheiten mit (Hausknecht, Liebich, 2016). Durch die neue Art der digitalen Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten müssen aber auch hier die Arbeitsprozesse klar definiert sein. Mit dem sogenannten Referenzprozess werden die übergeordneten Aufgaben und Abhängigkeiten der am Projekt beteiligten Akteure festgelegt; neu dabei ist die Festlegung von sogenannten Datenübergabepunkten, die zumindest an den Prozessschnittpunkten angesetzt werden können. Als Grundlage wurde dazu der sogenannte BIM-Referenzprozess definiert (Bild 3). Der Prozess orientiert sich grundsätzlich an den Leistungsphasen der HOAI von der LPH 1 „Grundlagenermittlung“ bis zur Leistungsphase 9 „Objektbetreuung. Um das Life-Cycle-Modell zu vervollständigen, ist der Rückbau eines Objektes mit aufgenommen. Zudem werden für den BIM-Referenzprozess die BIM-relevanten Anforderungen gemäß dem Leistungsniveau 1 mit aufgenommen. 

Bild 3: Lebenszykluskreis und/oder BIM-Referenzprozess (planen-bauen 4.0, 2015)

Damit wird eine sogenannte Leistungsphase 0 vorangestellt, die eine BIM-kompatible Vergabe der Planung beinhaltet. Wie bereits angesprochen müssen die Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA) und der BIM-Ausführungsplan (BAP) projektspezifisch erstellt werden. Die AIA beinhalten dann fallbezogen die Anforderungen an Daten und Informationen, die während der Planung, Errichtung, des Betriebs und eines späteren Rückbaus erforderlich sind. Die AIA sind damit Teil der Vergabe. Nach Vergabe erfolgt dann die gemeinsame Aufstellung des BIM-Abwicklungsplans, in dem als Teil des Projekthandbuchs projektspezifisch festgehalten wird, wie die Informations-Anforderungen erfüllt werden. Damit werden auch die Datenübergabepunkte definiert, die sich ebenfalls projektspezifisch ergeben. Dieser Referenzprozess ist unter dem Hintergrund des Hochbaus zu sehen. Möglicherweise gelingt es, für den Verkehrswegebau ebenfalls diesbezügliche Standardprozesse zu definieren. 

4.2 Methodik der Prozessanalyse

In eigenen Überlegungen und Projekten wird daher versucht, Standardprozesse festzulegen, um entsprechende Vorlagen zu haben. Diese werden dann im Einzelfall auf das konkrete Projekt angepasst, wie es z. B. auch mit einem projektspezifischen Qualitätsmanagementplan Routine ist. Dabei geht es zunächst um die Datenarten, weniger um die formale IT-Beschreibung. Der Vorteil darin liegt, dass bei Betrachtung des Lebenszyklus wirklich transparent wird, welche Daten denn für ein angemessenes Life-Cycle-Management notwendig sind. Dabei wird vorgeschlagen, neben den rein technischen Daten aus Planung, Entwurf und Bau Kosten, zeitliche Dispositionen und auch Nachhaltigkeitsindikatoren mit aufzunehmen. Damit wird aus dem 3-D-Modell des BIM ein 5-D oder sogar 6-D-Modell. Eine gängige Definition ist im Bild 4 dargelegt. Für den rein technischen Betrieb und Erhaltung kann ein 3-D-Modell als ausreichend gesehen werden, kommen aber z. B. im Erhaltungsmanagement oder im Asset Management weitere Entscheidungskriterien für oder gegen eine Erhaltungsmaßnahme hinzu, z. B. risikobasierte Betrachtungen, spielen solche Informationen zum Bilden von entscheidungsrelevanten Key Performane Indicators, kurz KPI, durchaus eine Rolle. 

Bild 4: Modelltypen im BIM 

Als Beschreibungsmethode für die Prozess- und Datenflussmodellierung sind verschiedene formale Methoden möglich. Eine Vorgehensweise ist die sogenannte BPMN-Methode, Business Process Model and Notation. Zunächst sind in dem Prozessmodell Arbeitsschritte und Zuständigkeiten zu definieren, anschließend werden die Datenübergabepunkte samt Definitionen zugeordnet. Die Systematik ist im Bild 5 verdeutlicht. Grundsätzlich kann man feststellen, dass diese Vorgehensweise zu einer genaueren Beschreibung der Datenflussprozesse und der Speicherung tatsächlich relevanter Daten führt. Dies hat zunächst Vorteile im konkreten Planungs- und Bauprozess, allerdings dann auch in der späteren Erhaltungs- und Betriebsphase. Gerade zu diesem Zeitpunkt stellt sich oft die Frage nach eigentlich benötigten Daten, die in den vorhergehenden Prozessschritten vorhanden waren, aber oftmals nicht oder nur unzureichend gespeichert und abgelegt wurden. So stellt man bei der Anwendung eines systematischen Erhaltungsmanagements als Teil einer Lebenszyklusbetrachtung oftmals fest, dass gerade Daten zu tatsächliche eingebauten Schichten und deren Qualitäten fehlen. Allerdings sind diese für eine angemessene Aussagekraft der Rechenmodelle im Erhaltungsmanagement von wesentlicher Bedeutung. 

Bild 5: Vorgehensweise bei der Prozess- und Datenanalyse 

5 Beispiel BIM im Erhaltungsmanagement

Aktuell wird ein Forschungsprojekt „Building Information Modeling (BIM) im Straßenbau unter besonderer Berücksichtigung der Erhaltungsplanung“ von einem Konsortium der TU München (Prof. Borrmann), der RU Bochum (Prof. König, Prof. Radenberg) sowie der HsKA bearbeitet. Ziel des Projektes ist Erstellung eines Konzeptes zur Umsetzung eines BIM-basierten Datenmodells für die Erhaltung und den Betrieb von Bundesfernstraßen unter Berücksichtigung vorhandener Datenstandards (z. B. OKSTRA®) und aktueller Entwicklungen im Kontext von BIM. Derzeit liegen lediglich interne Bearbeitungsstände vor, über die noch nicht berichtet werden kann.

Man kann aber am Beispiel der dort aufgestellten Prozessabläufe im Erhaltungsmanagement an Bundesfernstraßen bereits relativ gut aufzeigen, wie die BIM-Methode künftig dazu beitragen kann, dass die derzeit eingesetzten Berechnungen des Pavement-Managements künftig auf besseren Datengrundlagen beruhen. Zunächst sei nochmals angemerkt, dass der Prozess des Erhaltungsmanagements im BIM-Referenzprozess unter Betrieb und Unterhaltung einzuordnen wäre. Der Ablauf im Erhaltungsmanagement lässt sich dann grundsätzlich in drei Teilbereiche gliedern. Dies sind die Bereiche Datenverwaltung, Datenaufbereitung sowie Datenanalyse (Bild 6).

Der Bereich Datenverwaltung beschreibt die abschnittsbezogene Erfassung und Speicherung von Bestandsdaten sowie die in regelmäßigen Zeitabständen im Rahmen der ZEB-Kampagnen erhobenen Zustandsdaten. Der Prozess der Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) ist dabei mittlerweile ein etablierter Ablauf mit einem hohen Qualitätsstandard in Bezug auf die Erhebung, Verarbeitung und Aufbereitung der Daten. Datenformate sind im OKSTRA® geregelt, die Speicherung und Visualisierung der Daten findet im sogenannten IT-ZEB-Server statt. Aus der Erfahrung heraus problematischer ist die Verfügbarkeit und Qualität der Bestandsdaten, gerade auch weil diese an früheren Stelle im BIM-Referenzprozess anfallen und von dort sauber übergeben werden müssten. Bestands- und Zustandsdaten werden dann in den Bereich Datenaufbereitung übergeben und dort zu Datensätzen aggregiert, mit denen dann die tatsächlichen PMS-Berechnungen durchgeführt werden können. Dabei treten zwei Hauptprobleme auf: entweder einzelne Daten sind nicht vorhanden oder sie entsprechen nicht der Realität. Fehlende Daten können zweifelsfrei erkannt werden, fehlerhafte Daten nur bedingt im Rahmen von Qualitätsprüfungen. Derzeit gelebte Vorgehensweise ist, vermeintlich fehlerhafte Daten so gut wie möglich zu filtern und Datensätze mit teilweise fehlenden Daten entweder nicht zu berücksichtigen oder auf der Basis von Analogieschlüssen aufzufüllen. Die so aufbereiteten Daten werden dann in die PMS-Berechnung übergeben und liefern anschließend beispielsweise eine Finanzbedarfsprognose. Aus dieser kurzen Beschreibung wird ersichtlich, dass eine Erhöhung der Datenqualität und eine rechtzeitige Erhebung der Daten einen großen Einfluss auf eine plausible und verlässliche Erhaltungsplanung im Lebenszyklus der Straße aufweist. Mit der strukturierten Analyse der Prozesse im Erhaltungsmanagement ist es also möglich, die benötigten Daten aus früheren Stufen des BIM-Referenzprozesses zu definieren, damit diese für die spätere Erhaltungsplanung zur Verfügung stehen. 

Bild 6: Aufgaben der strategischen Straßenerhaltung (überarbeitet nach GS4, BASt) 

Die heute erforderlichen Eingangsdaten des PMS lassen sich klar umreißen, ebenso auch die künftigen Weiterentwicklungen in den Rechenmodellen, wie es beispielsweise eine Substanzbewertung nach den RSO mit sich bringen wird. Vorausgesetzt wird ein Netzmodell, wie es durch ASB/OKSTRA® vorgegeben ist. Die dann abschnittsbezogenen Datengruppen für ein PMS bestehen aus Verwaltungsdaten, aus der Ergebnisdatei der ZEB, Verkehrsdaten, Querschnittsdaten und Aufbaudaten. Querschnittsdaten und Aufbaudaten müssen dann aus der Bauphase geliefert werden und sind dann im As-Built-Modell, das den tatsächlich ausgeführten Schichtenaufbau in einem 3-D-Modell repräsentiert, enthalten (Bild 7). Verkehrs- und Zustandsdaten als zeitlich veränderliche Daten fallen in der Betriebsphase an, außerdem möglicherweise auch Erkundungen, Materialentnahmen oder Bohrkerne, die im Anlagenbestand entnommen werden. Letztere können dann zu einer Präzisierung oder Korrektur des As-Built-Modells im Bestand führen. Darüber hinaus ist noch eine weitere Reihe von verbesserten Möglichkeiten erkennbar, dies aufzuarbeiten ist aber Inhalt des derzeit laufenden Forschungsprojektes.

Betrachtet man den weiteren Anwendungsfall eines Asset Managements, könnten künftig auch komplexe Infrastrukturen in einem Modell hinterlegt werden. Nimmt man beispielsweise den Anwendungsfall des kommunalen Straßenbaus, könnte sich eine Konstellation gemäß Bild 8 ergeben. Die Daten zu Verkehrsflächen und Bauwerke könnten um die übliche Ver- und Entsorgungsinfrastruktur erweitert werden, was gerade für die kommunale Planung und Koordination erhebliche Vorteile mit sich bringen würde. 

Bild 7: Datenfluss für ein PMS und Herkunft der Daten 

Bild 8: Integration unterschiedlicher Infrastrukturen 

6 Künftige Aufgaben der Umsetzung

Zusammenfassend kann die konsequente Umsetzung von BIM-Modellen im Lebenszyklus von Infrastrukturen zu weit reichenden Vorteilen für alle Beteiligten führen. Allerdings sind neben den IT-technischen Voraussetzungen auch umfassende organisatorische und rechtliche Rahmenbedingungen anzugehen. So muss die Datenerfassung und Datenpflege organisatorisch und inhaltlich neu geregelt werden. Rechtlich bestehen die Aufgaben der vertraglichen Umsetzung in die komplexe Vertragsgestaltung im Verkehrswegebau zu anzugehen. Möglicherweise müssen hier eine Reihe von Regelwerken BIM-kompatibel überarbeitet werden. Dann stellt sich die Aufgabe, wie der bisherige Daten-Bestand BIM kompatibel übernommen werden kann und vor allem wie mit den Datenlücken umgegangen wird. Die Daten neuer Baumaßnahmen können direkt eingepflegt werden, bei den bisherigen Daten wird man auf die Inhalte der bestehenden Straßeninformationsbanken angewiesen sein und dies mit allen Stärken und Schwächen. Insofern liegt noch ein großer Teil des Weges vor uns, allerdings führt an diesem Weg in eine zeitgemäße Digitalisierung auch des Bauwesens kein Weg vorbei. 

Literaturverzeichnis

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  6. Buildingsmart e. V. (2018b): Standards. Verfügbar unter: https://www.buildings-mart.de/bim-knowhow/standards
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  14. planen-bauen 4.0 – Gesellschaft zur Digitalisierung des Planens, Bauens und Betreibens mbH (2015): Konzept zur schrittweisen Einführung moderner, IT-gestützter Prozesse und Technologien bei Planung, Bau und Betrieb von Bauwerken – Stufenplan zur Einführung von BIM. Endbericht für den Auftraggeber BMVI