FGSV-Nr. FGSV 002/138
Ort Köln
Datum 28.02.2024
Titel Erstellung eines digitalen Zwillings der L 121
Autoren Dirk Vielhaben
Kategorien OKSTRA
Einleitung

Die B2K und dn Ingenieure GmbH wurde 2022 vom LBV-SH, NL Itzehoe mit der Planung des grundhaften Ausbaus der L 121 auf einer Länge von ca. 16,8 km beauftragt. Das Projekt wurde intern als Pilotprojekt mit der BIM Methodik umgesetzt und befindet sich derzeit in der Prüfung der Entwurfsunterlagen und der Vorbereitung der Ausschreibungsphase.

Um einen digitalen Zwilling als Basis für die Bearbeitung zu erstellen, wurden zunächst erforderlichen Grundlagen wie Baugrundgutachten, Vermessung, Leitungsträgerinformationen und Kartengrundlagen geklärt und als weitere Basis für den digitalen Zwilling eine Georadarbefahrungen der Straße zur Nutzung im Bestandsmodell (digitaler Zwilling) durchgeführt.

Der Prozess der Querprofilerstellung erfolgte automatisiert und wurde abschnittsweise als Teilmodelle erstellt sowie ins Gesamtmodell übertragen. Teilmodelle wurden entsprechend der Abschnittsbildung im Pavement Management System (PMS) des LBV-SH erstellt, um Kosten und Sanierungskonzepte entsprechend zuzuordnen.

Hierdurch wurde ein hochgradig genaues Baugrund-/Bestandsmodell erstellt, welches das Baugrundrisiko minimiert und eine verlässlichere Grundlage für die Planung im PMS darstellt. Vor allem die Bereiche mit belastetem Material konnten somit auf den Meter genau definiert werden und die Massen und Kostenermittlung genauer und verlässlicher durchgeführt werden.

Im Zuge der Modellerstellung wurden eigens entwickelte Modell Bauteile ergänzt, attribuiert und als Basis für die weitere Planung mit der BIM-Methodik verwendet, um schnell und effektiv Bauteile vorgeneriert einsetzen zu können. Durch die Nutzung vorgenerierter Bauteile wurde vor allem die zeitliche Umsetzung des digitalen Zwillings und somit des Projektes deutlich beschleunigt.

Die Erstellung eines digitalen Zwillings hat in diesem Projekt eine höhere Genauigkeit des Bestandes und eine verlässlichere Planung der Erfordernisse offeriert. In Teilabschnitten wird dies zu Kosteneinsparungen führen, da die Ausbaustrategie angepasst wurde und sich der vorgefundene Bestand in besserem Zustand befand als angenommen. In anderen Teilabschnitten ist es allerdings auch umgekehrt vorgefunden worden. Somit könnten grundsätzlich Haushaltsmittel zielgenauer und detaillierter eingesetzt werden, wenn man die Genauigkeit eines digitalen Zwillings zur Verfügung hat.

Die Erstellung von digitalen Zwillingen wird in Zukunft die Genauigkeit des Bestandes erhöhen. Hierbei lassen die erstellten Modelle auch im Nachgang jederzeit eine Anpassung zu und stellen als Basis für z. B. Pavement Management-Systeme eine verlässliche Grundlage dar. In diesem Projekt ging es vor allem um die grundhafte Sanierung der L 121, jedoch könnten in die digitalen Zwillingsmodelle weitere Daten wie Unfalldaten, Trassierungsmängel, Sichtweiten etc. ebenfalls problemlos eingepflegt werden.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Einleitung

Die B2K und dn Ingenieure GmbH wurde 2022 vom Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein (LBV-SH), Niederlassung (NL) Itzehoe mit der Planung des grundhaften Ausbaus der Landesstraße (L) 121 von Hohenlockstedt bis Aukrug auf einer Länge von ca. 16,8 km beauftragt.

Das Projekt wurde klassisch beauftragt, intern in unserem Hause als Pilotprojekt mit der BIM-Methodik umgesetzt und befindet sich derzeit in der Prüfung der Entwurfsunterlagen und der Vorbereitung der Ausschreibungsphase (funktionale Ausschreibung – Funktionsbauvertrag, teilweise klassische Ausschreibung).

Der straßenbegleitende Radweg in der Baulast des Landes Schleswig-Holstein soll ebenfalls im Zuge der Maßnahme erneuert werden.

Die L 121 stellt eine wichtige Diagonalverbindung zwischen der B 206 und B 430 von Itzehoe in Richtung Neumünster und über Aukrug in Richtung BAB 7 zur Landeshauptstadt Kiel dar.

Aus den „Richtlinien für integrierte Netzgestaltung“ (RIN) leitet sich außerorts zwischen der B 206 und der B 430 von Itzehoe in Richtung Neumünster und über Aukrug in Richtung BAB 7 nach Kiel eine regionale Verbindungsfunktionsstufe der Kategorie LS III ab.

Die Strecke beinhaltet drei Ortsdurchfahrten. Es handelt sich um die Ortsdurchfahrt Hohenlockstedt, Lockstedt und Hennstedt. In diesen Streckenabschnitten hat die Straße einen innerörtlichen Charakter. Im Bereich der Ortsdurchfahrten ist die Fahrbahn durch beidseitige Bordsteine gefasst und beidseitig mit vorhandenen Geh- bzw. Radwegen gesäumt.

Bild 1: Übersicht Gesamtstrecke mit Abschnittsbildung

Die Fahrbahnerneuerung schließt die Ausstattung mit Schutzplanken ein, die auf dem Streckenabschnitt überwiegend aufgrund der vorhandenen Bäume in unmittelbarer Nähe zur Fahrbahn erforderlich sind. Dort, wo es möglich war, wurde die Achse und die Gradiente geringfügig optimiert.

Der vorhandene Buslinienverkehr außerorts dient nicht nur der innerörtlichen Anbindung der Bewohner von Hohenlockstedt, sondern übernimmt auch den Zweck des regionalen Busliniennetzes zwischen den Ortschaften.

Im Zuge des Projektes wurde erstmalig ein Streckenabschnitt einer Landesstraße zur Projektvorbereitung als digitaler Zwilling erstellt.

2. Grundlagen für den digitalen Zwilling

Um einen digitalen Zwilling als Basis für die Bearbeitung zu erstellen wurde zunächst in der Grundlagenermittlung eruiert, was erforderlich ist, um einen möglichst optimalen digitalen Zwilling herzustellen.

Die klassischen Grundlagen wie

  • Baugrundgutachten,
  • Vermessung,
  • Leitungsträgerinformationen und
  • Kartengrundlagen

waren schnell ermittelt, aber die vom LBV-SH vorgegebene Genauigkeit und das mögliche Ziel, das Baugrundrisiko an den AN Bau abzugeben, erforderte weitere Detaillierungsgrade, die klassisch nicht zur Verfügung gestanden hätten.

2.1. Vermessung

Im Vorfeld der Planungsbeauftragung wurde seitens des LBV-SH eine terrestrische Vermessung über den gesamten Planungsbereich durchgeführt. Die Daten wurden bei Projektbeginn übergeben und verifiziert. Aus den vorliegenden Vermessungsdaten wurde ein entsprechendes digitales Geländemodell erstellt und die Fahrbahnränder und erforderlichen Ränder als Achsen definiert.

Bild 2: Lageplanausschnitt L121 mit Achsen

2.2. Baugrundgutachten

Darüber hinaus erfolgten im Vorfeld der Planungsbeauftragung mehrere Baugrundgutachten seitens des LBV-SH. Die Daten wurden bei Projektbeginn übergeben und verifiziert. Die Bohrkerne waren in einem engen Abstand von 200 m versetzt je Fahrtrichtung angelegt. Das Bohrkonzept war sehr engmaschig. Dennoch wäre eine Modellierung des Baugrundes auf Basis dieser Datengrundlage sehr grob und unzuverlässig gewesen. Schichtsprünge und Schichtveränderungen waren aus diesen Daten nicht zu entnehmen.

2.3. Georadarbefahrung

Somit wurde als weitere Basis für den digitalen Zwilling eine Georadarbefahrungen der Straße zur Nutzung der detaillierten Modellierung des Baugrund-/Bestandsmodells (digitaler Zwilling) durchgeführt. Hierbei wurde ein Anforderungs- und Leistungsbild an die Impulsradarmessung besprochen sowie das Georadar-Untersuchungsprogramm festgelegt.

Bild 3: Messkonzept Impulsradarmessung (Ingenieurgesellschaft Nordwest (INW))

Die Befahrung erfolgte in jede Fahrtrichtung einfach, jeweils mittig der Fahrspur sowie an ausgewählten Stellen als Quermessung. Die Umsetzung der Georadaranwendung basiert auf dem Arbeitspapier der FGSV zur „Anwendung des Georadars zur Substanzbewertung von Straßen“.

Somit bekam man einen vertieften Einblick in den Schichtenverlauf und die entsprechenden Schichtenaufbauten auf der gesamten Strecke. Die Georadarmessung wurde ausgewertet und die Ergebnisse entsprechend diskutiert und evaluiert. Das vorgenommene Untersuchungsprogramm wurde für ausreichend befunden und es wurden keine weiteren Messungen vorgenommen.

Bild 4: Kombination aus Längs- und Quermessung (Georadar) (INW)

In der Auswertung und Beurteilung der Ergebnisse erhielten wir zunächst einen groben Einblick in die Schichtaufbauten der L 121. Die Ergebnisse wurden anschließend noch einmal mit den vorliegenden Baugrundbohrungen abgeglichen und verglichen. Bis auf geringe Abweichungen wurden die Ergebnisse bestätigt. Abweichungen wurden besprochen und mit dem Auftraggeber evaluiert.

Bild 5: grobes Ergebnis Längsschnitt der Georadarbefahrung (Teilabschnitt) (INW)

Aus den Abstimmungen mit dem LBV-SH heraus wurde entschieden, dass die grobe Darstellung, auf Basis der umfangreichen Messergebnisse, verfeinert werden sollte, um somit ein detaillierteres Ergebnis zu erhalten.

Die detailliertere Darstellung führte zu genaueren Abgrenzungen der Schichtverläufe und zur genaueren Massenermittlung. Dieses Vorgehen wurde in Längsrichtung sowie in Querrichtung vorgenommen, sodass ein entsprechendes Ergebnis als Basis der Modellierung vorlag.

Bild 6: detailliertes Ergebnis Längsschnitt der Georadarbefahrung (Teilabschnitt) (INW)

Bild 7: detailliertes Ergebnis Querprofil der Georadarbefahrung (Teilabschnitt) (INW)

3. Erstellung digitaler Zwilling

3.1. Achse/Gradiente

Die Achse und die Gradiente der Bestandsfahrbahn wurden mit dem Programm card_1 erstellt und anschließend wurde die Gradiente automatisiert vom Programm regelkonform optimiert. Hierbei wurden kleinere Trassierungsfehler aus der Vergangenheit an das aktuelle Regelwerk angepasst.

Bild 8: Achse mit digitalem Geländemodell L 121

Bild 9: automatisiert erstellte Gradiente L 121

3.2. Querprofile

Zur Erstellung der Querprofile wurde ein Konzept entwickelt, was die Übernahme der Daten aus der Georadarbefahrung und des Bestandsmodells ermöglicht. Das Einlesen der Georadarbefahrungen erfolgte dann automatisiert über CSV-Dateien im Programm card_1 direkt in die Querprofilentwicklung. Hierbei wurden Referenzpunkte im Querprofil ausgewiesen und mit den zugehörigen Punkten aus der Excel-Tabelle verknüpft.

Bild 10: Konzept automatisierte Verknüpfung Excel/card_1 (Querprofile)

Somit war es möglich, sehr schnell und effizient einen hohen Detaillierungsgrad des Bestandes zu modellieren und im Gesamtmodell zu hinterlegen.

Bild 11: Exceldaten der Georadarbefahrung (Teilabschnitt) (INW)

Damit wurden die Daten der Georadarbefahrung als weitere Basis für den digitalen Zwilling genutzt und die Querprofile in einem Detaillierungsgrad von 10 cm Abstand generiert.

Bild 12: Automatisiert erstelltes Querprofil aus Exceldatei (Beispiel)

3.3. Erstellung Teilmodelle

Dieser Prozess der Querprofilerstellung erfolgte automatisiert. Die Querprofile wurden abschnittsweise als Teilmodelle erstellt und anschließend im Programm KorFin (Korridorfinder von A+S) ins Gesamtmodell übertragen. Teilmodelle wurden entsprechend der Abschnittsbildung im Pavement Management-System (PMS) des LBV-SH erstellt, um Kosten und Sanierungskonzepte entsprechend zuzuordnen.

Hierdurch wurde ein hochgradig genaues Baugrund-/Bestandsmodell erstellt, welches das Baugrundrisiko minimiert und eine verlässlichere Grundlage für die Planung im PMS darstellt. Vor allem die Bereiche mit belastetem Material konnten somit auf den Meter genau definiert werden und die Massen und Kostenermittlung genauer und verlässlicher durchgeführt werden.

Bild 13: Ausschnitt Bestandsfahrbahn des digitalen Zwillings (L 121)

3.4. Bauteile im Modell ergänzt

Im Zuge der Modellerstellung wurden im Modell Bauteile wie Borde, Abläufe, Schächte, Leitungen, Schutzeinrichtungen, Bäume, vorhandenen Straßenausstattung etc. ergänzt, attribuiert und als Basis für die weitere Planung mit der BIM-Methodik verwendet. Hierbei kam der eigens entwickelte Bauteilkatalog zum Einsatz, um schnell und effektiv Bauteile vorgeneriert einsetzen zu können. Somit ließ sich die Massenermittlung der Bauteile im weiteren Planungsprozess einfacher modellbasiert generieren.

Durch die Nutzung vorgenerierter Bauteile wurde vor allem die zeitliche Umsetzung des digitalen Zwillings und somit des Projektes deutlich beschleunigt.

Bild 14: Bauteile aus unserer Bauteilbibliothek (B2K und dn Ing. GmbH)

Bild 15: vorgenerierte Bauteile mit Attributen nach StLK (B2K und dn Ing. GmbH)

3.5. Modellfehler beheben

Nach der Erstellung der Teilmodelle und der Übernahme der Exceldaten haben wir festgestellt, dass sich bei der automatisierten Erstellung der Schichten Modelllücken ergaben. Dies war einfach zu erklären, da die automatisierte Generierung der Schichten die zusammenhängenden und gleichen Schichten miteinander verband, jedoch Schichtsprünge nur teilweise in zusammenhängenden Schichten auswies. Schichten die bei differierenden Bauabschnitten und Fahrbahnaufbauten wegfielen, verursachten Modelllücken. Somit wiesen die Teilmodelle an den Schichtübergängen teilweise Lücken/Hohlräume auf, welche wir im Nachgang eliminiert haben, indem wir die Teilmodelle entsprechend an den Schichtübergängen geschnitten und neu angesetzt haben.

Bild 16: Schichtübergänge im Modell (Lücken/Hohlräume)

4. Weitere Planungsphase und Fazit

Die Ergebnisse des erstellten Digitalen Zwillings wurden mit dem vorhandenen Pavement Management-System des LBV-SH abgeglichen. Hierbei wurden teilweise Differenzen festgestellt, sodass die Ausbaustrategie im Streckenabschnitt angepasst wurde.

Somit wurde die Entscheidung über das Erfordernis der Sanierung (Hocheinbau, Deckensanierung, grundhafter Ausbau etc.) erleichtert und die Kostengenauigkeit wesentlich erhöht.

Anschließend wurde die ausgewählte Sanierungsvariante (12 km grundhafter Ausbau, teilweise Deckensanierung, teilweise Erneuerung Deck- und Binderschicht) der L 121 mit der BIM-Methode in der Entwurfsplanung umgesetzt.

Im Zuge des Projektes wurden automatisierte flexible Querschnittsvorlagen erarbeitet und mit der generierten Achse/Gradiente verknüpft. Das Planungs- und das Bestandsmodell wurden verschnitten und eine verlässliche Kosten- und Mengenermittlung generiert.

Derzeit befindet sich das Projekt in der Ausschreibungsphase und soll voraussichtlich im Jahr 2025 eine Umsetzung finden.

Die Ausschreibungsunterlagen werden als funktionale Ausschreibung erstellt und Teilobjekte als klassische Ausschreibung mit dem Programm RIB iTwo 5D ergänzt.

Es ist geplant, dem AN Bau auf Grundlage der detaillierten Baugrunderkundungen und des vorliegenden Modells das Baugrundrisiko zu übertragen und bepreisen zu lassen. Die hierfür erforderlichen Planungen laufen noch.

Die Erstellung eines digitalen Zwillings hat in diesem Projekt eine höhere Genauigkeit des Bestandes und eine verlässlichere Planung der Erfordernisse offeriert. In Teilabschnitten wird dies zu Kosteneinsparungen führen, da die Ausbaustrategie angepasst wurde und sich der vorgefundene Bestand in besserem Zustand befand als angenommen. In anderen Teilabschnitten ist es allerdings auch umgekehrt vorgefunden worden. Somit könnten grundsätzlich Haushaltsmittel zielgenauer und detaillierter eingesetzt werden, wenn man die Genauigkeit eines digitalen Zwillings zur Verfügung hat.

Grundsätzlich lassen sich auch weitere Erkenntnisse aus dem erstellten digitalen Zwilling ableiten, sodass wir eine vertiefte Georadarbefahrung, vor allem an den Randbereichen der Fahrbahn, zukünftig empfehlen würden. Deshalb lässt sich das Modell, mit Hilfe von drei oder vier Radarmessungen, vor allem im Queraufbau noch genauer darstellen.

Die Erstellung von digitalen Zwillingen wird in Zukunft die Genauigkeit des Bestandes erhöhen. Hierbei lassen die erstellten Modelle auch im Nachgang jederzeit eine Anpassung zu und stellen als Basis für z. B. Pavement Management-Systeme eine verlässliche Grundlage dar. In diesem Projekt ging es vor allem um die grundhafte Sanierung der L 121, jedoch könnten in die digitalen Zwillingsmodelle weitere Daten wie Unfalldaten, Trassierungsmängel, Sichtweiten etc. ebenfalls problemlos eingepflegt werden.