FGSV-Nr. FGSV C 15
Ort Veitshöchheim
Datum 22.03.2023
Titel Gabionen im Straßenbau
Autoren Prof. Dr.-Ing. Frank Heimbecher
Kategorien Erd- und Grundbau
Einleitung

Mit den „Technischen Lieferbedingungen für Gabionen im Straßenbau“ (TL Gab-StB 2016), dem seit 2014 überarbeitet vorliegendem „Merkblatt über Stütz- und Lärmschutzkonstruktionen aus Betonelementen, Blockschichtungen oder Gabionen“ (M Gab) der FGSV sowie den seit 2019 verfügbaren Güte- und Prüfbestimmungen RAL-GZ 612 (erstellt durch die RAL-Gütegemeinschaft für Gabionen e. V.) stehen den Straßenbauverwaltungen, Planern und Ausführenden Regelwerke bzw. Ausschreibungs- und Planungshilfen zur Verfügung, die bei ihrer konsequenten Anwendung standsichere, dauerhafte und gebrauchstaugliche Gabionenkonstruktionen auf höchstem Qualitätsniveau erwarten lassen.

Wie bei anderen Bauwerken auch stellen die Einbindung erfahrener Planer, die Verwendung qualitätsgesicherter Materialien bzw. Produkte und die Beauftragung von Unternehmen mit einer intrinsischen Motivation für eine hohe Ausführungsqualität auch bei Gabionenkonstruktionen entscheidende Einflussfaktoren dar.

Mit der Anerkennung der Planer, der Hersteller der Materialien und der ausführenden Unternehmen ist das Ziel der RAL-Gütegemeinschaft für Gabionen e. V., den Beteiligten ein Höchstmaß an Qualitätsanforderungen abzuverlangen.

Gleichzeitig wird die Entwicklung weiter vorangetrieben. Die TL Gab-StB 16 wurden zwischenzeitlich angepasst, das Merkblatt M Gab der FGSV wird aktuell grundlegend überarbeitet. Durch die Gütegemeinschaft für Gabionen e. V. wurden Untersuchungen zur inneren Standsicherheit beauftragt, aus denen erste Bemessungsansätze für die statische Nachweisführung abgeleitet werden können.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Einleitung

Gabionenkonstruktionen gehören mittlerweile zu einem typischen Erscheinungsbild im Straßenbau. Sie werden im Bereich der Anlagen von Verkehrsinfrastrukturen als Schwergewichtstützbauwerke, als Vorsatzschalen in Kombination mit Bewehrte-Erde-Konstruktionen oder als Lärmschutzwände ausgeführt.

Als wirtschaftliche, langlebige und ökologische Konstruktionen erfüllen sie die Anforderungen an nachhaltige und leistungsfähige Infrastrukturbauwerke.

Basis der Planung, der statischen Nachweisführung und der Ausführung stellen die Regelwerke der FGSV dar, zu nennen sind in erster Linie das Merkblatt „Merkblatt über Stütz- und Lärmschutzkonstruktionen aus Betonelementen, Blockschichtungen oder Gabionen“ (M Gab), (M GaB, 2014) sowie die „Technischen Lieferbedingungen für Gabionen im Straßenbau“ (TL Gab-StB). Seit ihrer Einführung – M-Gab in 2014 sowie TL Gab-StB in 2016 – haben sich die Gabionenkonstruktionen weiterentwickelt. Dies führte dazu, dass sich der AK 5.6.3 der FGSV den Überarbeitungsbedürfnissen angenommen hat. Insbesondere beim M Gab wurde ein großer Bearbeitungsbedarf gesehen, der zu dem Entschluss führte, dass es zukünftig ein Merkblatt geben wird, welches ausschließlich die Gabionen/Gabionenkonstruktionen behandelt und nicht – wie bislang – auch Stützkonstruktionen aus Betonelementen und Blockschichtungen.

Neben dem M Gab und der TL Gab-StB wurden mit der Ausgabe 2019 seitens der Gütegemeinschaft für Gabionen e. V. (GfG) Güte- und Prüfbestimmungen (RAL-GZ 612) erarbeitet, welche durch das Deutsche Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e. V. (RAL) herausgegeben werden.

2 Planung und Ausführung von Gabionenkonstruktionen

Die angesprochenen Regelwerke bieten sowohl den ausschreibenden Stellen als auch den Planern eine sehr gute Basis, um die Konstruktionen hinsichtlich ihrer Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit entwerfen zu können. Durch die Anerkennung der Planungsbüros sowie der ausführenden Unternehmen bei der RAL-Gütegemeinschaft für Gabionen e.V. soll sichergestellt werden, dass die Bauwerke von praxiserfahrenen Experten geplant und ausgeführt werden. Einen entscheidenden Aspekt stellt dabei auch die ausschreibende Stelle dar, die bei Gabionenkonstruktionen im Zuge von Straßenbaumaßnahmen häufig bei der zuständigen Straßenbauverwaltung liegt. Ein gängiges Beauftragungsmodell sieht vor, dass seitens der Straßenbaubehörde ein Generalunternehmer für die gesamte Straßenbaumaßnahme beauftragt wird, der sich wiederum eines Unternehmens aus dem Gabionenbau bedient. Dabei ist auch für die Gabionenkonstruktion eine detaillierte Ausschreibung bzw. Baubeschreibung auf Basis der zuvor genannten Regelwerke unbedingt vorzusehen, um im Rahmen der Beauftragung und späteren Ausführung des Bauwerks eindeutige vertragliche Vorgaben sicherstellen zu können.

Bild 1: Bau einer Gabionenwand im Zuge eines Autobahn-Neubaus (Foto: FH Münster)

Exemplarisch sind hierzu die zulässigen Toleranzen bei der Maßabweichung sowohl bezogen auf eine Einzelgabione (in der Regel 1 m Höhe und 2 m Länge) als auch bezogen auf die Konstruktion insgesamt (Neigung/Schiefstellung) zu nennen. Das Bild 2 zeigt eine Skizze, in der die Toleranzen bezogen auf eine Einzelgabione dargestellt sind.

Bild 2: Toleranzen bei der Maßabweichung einer Einzelgabione

Vertikale und horizontale Abweichungen von maximal 1 % bezogen auf die Korbhöhe und -länge sind ausführungstechnisch möglich. Sie werden bereits in aktuellen Ausschreibungen vorgegeben. Die geringen Toleranzen lassen sich durch eine hohlraumarme Befüllung des Korbes und eine zusätzliche mechanische Verdichtung des Befüllmaterials erreichen. Durch die Eigenkontrolle des ausführenden Unternehmens sind diese Werte durchgängig zu überprüfen, gleichzeitig ist die Bauüberwachung des Auftraggebers gefordert, die Einhaltung der Toleranzen zu kontrollieren.

3 Untersuchungen zur inneren Standsicherheit

Gemäß DIN EN 1997-1 ist nachzuweisen, dass kein inneres Versagen eines Bauteils einer Gabionenkonstruktion eintritt (Bild 3). Hierzu ist das Tragverhalten der am stärksten belasteten Gabione/Gabionenreihe nachzuweisen. Bei Stützkonstruktionen wird im Regelfall die unterste Gabionenreihe untersucht und das Eigengewicht der Konstruktion sowie gegebenenfalls Einflüsse durch Erddruckkräfte aus dem gestützten Erdkörper und Flächenlasten an der Geländeoberfläche berücksichtigt. Das Zusammenwirken der einzelnen Komponenten der Gabione in Bezug auf die Einwirkungen ist bislang nicht eindeutig über Modelle oder äquivalente Nachweiskonzepte beschreibbar. Die TL Gab-StB 16 fordert daher im Rahmen einer Erstprüfung die Durchführung von Belastungsversuchen, die die realistischen Beanspruchungen berücksichtigen. Die FH Münster wurde durch die Gütegemeinschaft für Gabionen e. V. beauftragt, entsprechende Belastungsversuche durchzuführen, um die maßgeblichen Einflussparameter auf das Tragverhalten einer Gabione zu analysieren und erste Bemessungsansätze abzuleiten (Heimbecher;Tophoff, 2021).

Bild 3: Versagen der inneren Standsicherheit (M Gab 2014)

Im Bild 4 (links) ist exemplarisch ein Belastungsversuch aus dem Prüfprogramm abgebildet. Hierzu wurde ein 2 m langer, 1 m tiefer und 1 m hoher Gabionenkorb zentrisch mit einer Lastplatte von ca. 1 m2 belastet. Durch diese Anordnung sollten die Einflüsse aus den Seitenelementen des Gabionenkorbes möglichst unberücksichtigt bleiben, das heißt die sich einstellenden horizontalen und vertikalen Verformungen wurden auf der sicheren Seite liegend erfasst.

Bild 4: Belastungsversuche (links) an einer Einzelgabione und Seilwegaufnehmer (rechts) zur Messung der Horizontalverformungen

Die Belastungsversuche wurden während der Versuchsdauer messtechnisch begleitet und ausgewertet, neben den Verformungsmessungen wurden auch die Dehnungen an den Gitterstäben des Korbes sowie den Distanzhaltern kontinuierlich erfasst.

Bild 5: Messtechnische Instrumentierung des Frontgitters eines Belastungsversuchs

Aus den Ergebnissen der Belastungsversuche wurden erste Bemessungsdiagramme (Bilder 6 und 7) abgeleitet. Sowohl für den Nachweis im Grenzzustand der Tragfähigkeit als auch im Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit zeigt sich, dass der Hohlraumgehalt bei dem eingesetzten Befüllmaterial (hier Dolomit und Basaltlava) den entscheidenden Einflussparameter auf das Tragverhalten des Korbes darstellt. Eine mechanische Verdichtung verringerte den Hohlraumgehalt von ca. 42 % auf ca. 36 %. Diese vermeintlich geringe Reduzierung des Hohlraumgehalts wirkt sich allerdings maßgeblich auf das Tragverhalten aus (Bild 6), so dass im Hinblick auf die Tragfähigkeit Belastungen von z. B. fc,k = 360 kN bei einem Hohlraumgehalt von 37,5 % aufgenommen werden können, bevor ein Distanzhalterversagen im Korbsystem eintritt. Einen entsprechenden Einfluss zeigt sich bei dem Verformungsverhalten in horizontaler und vertikaler Richtung (Bild 7). Bei Hohlraumgehalten von 37,5 % führen Beanspruchungen von ca. 120 kN zu Vertikal- und Horizontalverformungen von weniger als 10 mm, was zeigt, dass sich typische Stützwandkonstruktionen von 5 m Höhe unter Berücksichtigung der Teilsicherheitsbeiwerte nach DIN EN 1997-1 bzw. DIN 1054 mit den im Bild 2 angegebenen Maßtoleranzen nachweisen lassen. Die Diagramme beruhen auf einer Prüfserie, in der das Korbsystem (Drahtstärke, Gitterraster) nicht verändert wurde, sondern das Befüllmaterial und die Verdichtung variiert wurden. Die in den Bildern 6 und 7 dargestellten Bemessungsdiagramme sind daher noch durch weitere zukünftige Belastungsversuche zu validieren.

Aktuell werden an der FH Münster im Auftrag der Bundeanstalt für Straßenwesen die Prüfbedingungen für die Belastungsversuche hergeleitet. Hierfür kommt ein strukturiertes Prüfprogramm zum Einsatz, welches auf bis zu 40 Einzelversuchen basiert. Die Ergebnisse fließen in die Erarbeitung Technischer Prüfbedingungen für Gabionen/Gabionenkonstruktionen ein, die zukünftig durch den AK 5.6.3 der FGSV erarbeitet werden.

Bild 6: Bemessungsdiagramm für ULS (5 mm Drahtstärke)

Bild 7: Bemessungsdiagramm für SLS (5 mm Drahtstärke)

4 Fazit und Ausblick

Gabionenkonstruktionen stellen Bauwerke dar, die zu den nachhaltigen Ingenieurbauwerken gezählt werden können. Sie lassen sich unter ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten errichten, betreiben und auch wieder rückbauen. Die Materialien lassen sich nahezu vollständig wiederverwerten. Ebenso lassen sich bei fachgerechter Planung und Ausführung Nutzungsdauern erzielen, die mit anderen Bauwerken vergleichbar sind. Diese positiven Eigenschaften sollten dazu veranlassen, den Bau von Gabionenkonstruktionen im Straßenbau zu fördern. Hierzu sind vertiefte Fachkenntnisse bei allen Beteiligten Institutionen wie Bauherren, Planern, Bauüberwachern und ausführenden Unternehmen erforderlich. Die TL Gab-StB 16 und das Merkblatt M Gab der FGSV bilden hierfür eine wesentliche Grundlage, ebenso die Güte- und Prüfbestimmungen RAL-GZ 612 der Gütegemeinschaft für Gabionen e.V.. Durch deren konsequente Anwendung und Weiterentwicklung und durch Beteiligte, die ein wirkliches Interesse an diesen Bauwerken haben und sie nicht nur als eine Art „Nebenprodukt“, sondern als Ingenieurbauwerk von Beginn an sehen, werden die Gabionenkonstruktionen mit ihren Variations- und Kombinationsmöglichkeiten dem Straßenbau zukunftsweisende Lösungen anbieten können.

Literaturverzeichnis

Heimbecher, F. (2018): Rückverhängte Gabionenkonstruktionen mit Geogittern, BAUTEX 2018, Chemnitz, Januar 2018

(Heimbecher; Tophoff, 2021): Durchführung von Großversuchen an Gabionen zur Ableitung von Kriterien für den Nachweis der inneren Standsicherheit im Auftrag der Gütegemeinschaft für Gabionen e.V. (GfG), Schlussbericht, Wittlich, 2021, unveröffentlicht

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Merkblatt über Stütz- und Lärmschutzkonstruktionen aus Betonelementen, Blockschichtungen oder Gabionen (M Gab), Ausgabe 2014, Köln (FGSV 555)

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Lieferbedingungen für Gabionen im Straßenbau (TL Gab-StB), Ausgabe 2016, Köln (FGSV 554)

(RAL-GZ 612): Gabionen und Gabionenkonstruktionen – Gütesicherung. Hrsg.: Gütegemeinschaft für Gabionen e.V., Wittlich, 2019