FGSV-Nr. FGSV C 15
Ort Veitshöchheim
Datum 22.03.2023
Titel Herausforderungen beim Neubau der Leverkusener Rheinbrücke und dem Ausbau des AK Leverkusen West im Bereich der Altablagerung Dhünnaue
Autoren Prof. Dr. Ingrid Obernosterer
Kategorien Erd- und Grundbau
Einleitung

Ab den 1920er Jahren bis etwa 1965 wurden im Bereich des früheren Mündungsgebietes der Dhünn in den Rhein durch die Bayer AG und die Stadt Leverkusen weitflächige Aufschüttungen vorgenommen, bei denen u. a. auch Rückstände aus der chemischen Industrie und Hausmüll zur Ablagerung kamen. Sie dienten dem Hochwasserschutz und waren vom Bezirksausschuss Düsseldorf genehmigt. Der Bereich ist heute als Altablagerung Dhünnaue bekannt. Mit zunehmenden Anforderungen an den Boden- und Gewässerschutz wurde die Altablagerung in den späten 1990er und den 2000er Jahren durch eine Oberflächenabdichtung sowie eine Sperrwand mit begleitenden hydraulischen Maßnahmen gesichert.

In der ersten Hälfte der 1960er Jahre wurde inmitten der Altablagerung die Autobahn A 1 errichtet, die hier später über das Kreuz Leverkusen West an die A 59 in Richtung Düsseldorf angeschlossen wurde. Bedingt durch den aktuell stattfindenden Ausbau der A 1 wird seit 2017 wieder in mehreren Bereichen flächig und punktuell in die gesicherte Altablagerung eingegriffen. Die heterogene Zusammensetzung des Abfalls und das zum Teil hohe  Gefährdungspotenzial bedingen umfangreiche Maßnahmen zum Emissions- und Arbeitsschutz sowie zur fachgerechten Entsorgung der Abfälle.

Aufgrund der nur eingeschränkten Tragfähigkeit der Abfallschüttungen sowie deren Betonaggressivität sind zudem gesonderte Maßnahmen für die Flach- und Tiefgründungen erforderlich. Innerhalb der Eingriffsbereiche sind die Dichtungssysteme nach Abschluss der Arbeiten wieder herzustellen, wobei die gleichen Anforderungen wie bei deren Errichtung in den 1990er und den 2000er Jahren gelten.

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1 Einleitung

Derzeit erfolgt im Auftrag der Autobahn GmbH des Bundes der Ausbau der A 1 zwischen den Anschlussstellen Köln-Niehl und Leverkusen West. Die Arbeiten, die auch den Neubau der Leverkusener Rheinbrücke umfassen, wurden 2017 begonnen, damals noch in Zuständigkeit des Landesbetriebes Straßen NRW.

Die Ausbauarbeiten erfordern Eingriffe in die Altablagerung Dhünnaue. Dabei handelt es sich um eine ehemalige gemeinsame Kippstelle der Bayer AG  und der Stadt Leverkusen. Die Abfallschüttungen erreichen Mächtigkeiten von 8 bis 10 m, örtlich auch bis zu 20 m und sind als Baugrund auch aufgrund der heterogenen Zusammensetzung mit zum Teil hohem Schadstoffpotenzial eine Herausforderung.

Die Altablagerung wurde unter großem medialen Interesse in den 1990er und 2000er Jahren gesichert. Die im Zuge des Autobahnausbaus erforderlichen Eingriffe in die Sicherungssysteme und die darunter anstehenden Abfälle riefen bei Teilen der Betroffenen große Skepsis hervor. Die Einsprüche gegen das Großbauvorhaben wurden schließlich vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig verhandelt, das schließlich den Planfeststellungsbeschluss als rechtens und damit die geplanten hohen Sicherheitsstandards bei der Umsetzung der Bauaufgabe als ausreichend einstufte.

2 Altablagerung Dhünnaue

2.1 Entstehung

Die Altablagerung Dhünnaue befindet sich auf der rechtsrheinischen Seite, nördlich des Chemparks Leverkusen (Bild 1). Heute werden die Bereiche  Dhünnaue Süd, Mitte und Nord unterscheiden. Im Norden schließt die heute noch in Betrieb befindliche Sonderabfalldeponie Bürrig an.

Bild 1: Lage und Einteilung der Altablagerung Dhünnaue

Die Altablagerung umfasst eine Fläche von rund 63 ha. Die Gesamtmasse der Abfallschüttung wird auf ca. 6,5 Mio. t. geschätzt.

Einen weitreichenden Überblick über den Werdegang der Altablagerung Dhünnaue gibt [1]. Die Stadt Wiesdorf erhielt bereits im Jahr 1918 eine deichpolizeiliche Genehmigung, den größten Teil der sumpfigen Auenbereiche der Dhünn einzudeichen, um die landwirtschaftlich genutzten Flächen vor  Hochwasserereignissen zu schützen. Im Februar 1923 wurde der heutigen Bayer AG vom Bezirksausschuss Düsseldorf genehmigt, „Bauschutt, Fabrikabfälle und sonstiges Anschüttungsmaterial“ in einem Teilbereich der von der Stadt Wiesdorf einzudeichenden Fläche abzulagern. Kurz danach erhielt auch die Stadt ein entsprechendes Abfallkipprecht für das größere restliche Gebiet.

Bild 1: Lage und Einteilung der Altablagerung Dhünnaue

Die Abfallschüttungen wurden sukzessive nach Norden ausgedehnt. Der als Dhünnaue Süd bezeichnete Bereich war bereits in den 1920er Jahren vollständig verfüllt. Er wurde mit 0,5 m Boden abgedeckt und der Stadt zur Folgennutzung überlassen. Der überwiegende Teil der als Dhünnaue-Mitte bezeichneten Flächen wurden bis 1948 verfüllt und ebenfalls abgedeckt.

In dem als Dhünnaue Nord bezeichneten Bereich endete die Abfallablagerung um 1965. Sie wurde danach im Bereich der heutigen Deponie Bürrig fortgesetzt.

Der Abfall wurde sowohl per LKW als auch per Bahn angeliefert (Bild 2). Die Anlieferung per Bahn zog nach sich, dass die Aufhöhung relativ eben erfolgte.

Bild 2: Abfallantransport mittels Kipploren [2]

Mit Auslaufen der Schüttkapazitäten in der Dhünnaue in den 1960er Jahren erfolgten in den Bayer-Werken verstärkt Bestrebungen, die zu deponierenden  Abfallmengen zu reduzieren. Daraus resultierte der Bau des Entsorgungszentrums Bürrig mit der ersten Abfallverbrennungsanlage 1965. Eine zweite Anlage nahm 1975 ihren Betrieb auf. Mit dem Ausbau des Entsorgungszentrums wurden zwischen 1968 und 1971 auch die Wupper und die Dhünn einschließlich der Wuppermündung in den Rhein um insgesamt etwa 700 bis 900 m nach Norden verlegt [1].

2.2 Autobahnbau

In der ersten Hälfte der 1960er Jahre wurde der Kölner Autobahnring durch den Bau der A 1 vom AK Köln West bis zum AK Leverkusen geschlossen. Die A 1 quert die Altablagerung von West nach Ost. Seinerzeit wurden ca. 600.000 m³ der dort anstehende Abfall ausgehoben und auf die Dhünnaue Nord und die Deponie Bürrig verbracht.

Der Anschluss an die A 59 erfolgte in den frühen 1970er Jahren. Aus Platzgründen entstand der so genannte „Spaghettiknoten“. Die notwendigen Brückenfundamente konnten so weitestgehend außerhalb der Ablagerungen gegründet werden. Die innerhalb stehenden Fundamente waren flach in  Austauschbereichen gegründet. Anders als beim Bau der A 1 wurde für den Streckenausbau die Abfallschüttung nicht ausgetauscht, sondern die Fahrbahnen auf Polstern gegründet. Für die Rampen an der A 1 wurden mächtige Aufschüttungen aus Kiessanden vorgenommen.

2.3 Sicherungsmaßnahmen

Nach der Abdeckung der Dhünnaue Mitte Ende der 1940er Jahre erfolgte hier zunächst eine landwirtschaftliche oder gärtnerische Nutzung. In Leverkusen herrschte wie in vielen deutschen Städten nach 1945 akute Wohnungsnot. Die Städtische Siedlungsgesellschaft errichtete daher ab 1952 acht Wohnblocks an der Rheinallee sowie Übergangswohnungen für Flüchtlinge (Bild 3).

Bild 3: Blick auf die Altablagerung Dhünnaue kurz nach Fertigstellung der A 1 (ca. 1965) [2]

In den 1980er Jahren setzten Bestrebungen zur Bebauung der Restflächen der Dhünnaue Mitte ein. Die im Rahmen der Baugrunduntersuchungen erkannten Untergrundbelastungen führten jedoch zur Einstellung dieser Planungen. Stattdessen erfolgten Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung, die in der Feststellung von Gefahren für die dort lebenden Menschen und das Grundwasser mündeten.

Schrittweise wurden zunächst Schutz- und Beschränkungsmaßnahmen ergriffen und später die vorhandene Bebauung abgebrochen. Ab 1991 begannen konkrete Planungen zur Sicherung der Dhünnaue Mitte und später der Dhünnaue Nord. Die Umsetzung begann 1997 und fand ihren Abschluss im Jahr 2005 mit der Austragung der Landesgartenschau und der Eröffnung des Neulandparks auf der rekultivierten Fläche.

Das Sicherungssystem umfasst Oberflächenabdichtungen auf der Dhünnaue Mitte und Nord sowie eine Sperrwand im Rheinvorland (Bild 1) mit begleitenden hydraulischen Maßnahmen.

Für den Bau der Oberflächenabdichtung musste das Gelände zunächst profiliert werden, was den Auftrag von rund 400.000 m³ Böden erforderte [1]. In den flachen Kuppenbereichen wurden Kombinationsabdichtungen in Anlehnung an die Anforderungen der Deponieverordnung für die Deponieklasse III aufgebracht. In steileren Böschungsbereichen existieren Asphaltabdichtungen. Auch die Fahrbahnen sind als Abdichtungselemente eingestuft und entsprechend konzipiert.

Im Untergrund der Altablagerung stehen wenige Meter mächtige Hochflutsedimente an, die von Sanden und Kiesen der Rheinterrassen unterlagert werden. Der unbeeinflusste Grundwasserstand liegt knapp unterhalb der Hochflutsedimente. Die Grundwasserfließrichtung ist im Regelfall hin zum Rhein gerichtet.

Die zur Vermeidung des Abstroms von belastetem Grundwasser in den Rhein errichtete Sperrwand ist 0,8 m breit, bis zu 38 m tief und insgesamt knapp 3,6 km lang. Sie umschließt die Altablagerung Dhünnaue sowie die heutige Deponie Bürrig (Bild 1).

Zur Regulierung des Wasserstands werden dauerhaft zwei Brunnengalerien betrieben. Im Osten reduziert eine Brunnengalerie den Zustrom in den Deponiebereich. Die Brunnengalerie im Westen dient der Hebung des sich vor der Wand stauenden Grundwassers (Bild 4). Die Brunnen sind über eine Brunnenwassersammelleitung verbunden, die das Wasser einer Behandlungsanlage im Entsorgungszentrum Bürrig zuführt.

Bild 4: Prinzip der hydraulischen Sicherung in der Schnittdarstellung

3 Neubauvorhaben

Die bestehende Rheinbrücke Leverkusen ist marode und unterliegt bereits seit 2012 ständigen Überwachungs- und Instandsetzungsarbeiten. Eine Schrankenanlage verhindert seit 2016 die Brückenüberfahrt für Fahrzeuge mit einem Gewicht von über 3,5 t. Ende 2017 fiel der Startschuss für den Bau einer neuen Brücke.

Die Autobahn GmbH führt daher aktuell im Auftrag des Bundes zwischen der Anschlussstelle Köln-Niehl und dem Kreuz Leverkusen West einen 8-streifigen Ausbau der A 1/A 59 durch. Fünf Verbindungsbrücken zur Überfahrt von der A 1 auf die A 59 oder umgekehrt werden vollständig abgebrochen und durch Neubauten ersetzt.

Nördlich der bestehenden Rheinbrücke entsteht derzeit der erste Teil der insgesamt zweiteiligen neuen Brücke. Nach dessen Fertigstellung wird der gesamte Verkehr über das neue Bauwerk geführt und die Bestandsbrücke zurückgebaut. Im Bereich der alten Brücke entsteht anschließend die zweite Brückenhälfte. Die Fahrtrichtungen Koblenz und Dortmund werden so künftig über getrennte Brücken geführt, die jeweils vier durchgängige Fahrspuren, einen Verflechtungs- und einen Standstreifen aufnehmen.

Auf beiden Rheinseiten müssen analog zur Rheinbrücke auch die Strecken verbreitert werden. Ähnlich wie in der seinerzeitigen Anbindung der A 59 in den 1970er Jahren werden die Fahrbahnen auf Bodenpolstern oberhalb der Abfallschüttungen gegründet. Zur Erhöhung der Tragfähigkeit sowie zur Vermeidung von Setzungsdifferenzen kommen unterhalb und oberhalb des Bodenaustausches Geogitter zum Einsatz.

Die Arbeiten erfordern Eingriffe in die gesicherte Altablagerung Dhünnaue. Dabei wird zwischen flächigen und punktuellen Eingriffen unterschieden (Bild 5). Insgesamt müssen in 13 planfestgestellten Einzelbereichen ca. 230.000 m³ Abfall aufgenommen und entsorgt werden (Bild 6). Projektspezifisch wurde eine Unterscheidung in gering und höher belastete Abfälle vorgenommen. Der gering belastete Abfall ist heterogener Zusammensetzung. Es handelt sich um Gemische umgelagerter Böden mit rolligem bis bindigem Charakter, Bauschutt, Schlacken, Aschen oder ähnlichen mineralischen Materialien. Der höher belastete Abfall ist örtlich mit Produktionsabfällen durchsetzt. Das Material zeichnet sich durch wechselnd starke Fremdgerüche und hohe Schadstoffgehalte aus. Die durchschnittliche Zusammensetzung der höher belasteten Abfälle geht aus dem Bild 7 hervor.

Bild 5: Schematische Darstellung der erforderlichen Eingriffe in die Altablagerung Dhünnaue

Bild 6: Eingriffsbereiche in die Altablagerung Dhünnaue beim Ausbau des AK Leverkusen West und dem Neubau der Leverkusener Rheinbrücke

Bild 7: Durchschnittliche Zusammensetzung der früheren Abfallschüttungen innerhalb der Altablagerung Dhünnaue

4 Erkundungen im Planungsprozess

Obwohl aus der Phase der Gefährdungsabschätzung und der Sanierungsplanung bereits vor Projektbeginn vielfältige Informationen zum Aufbau, dem Stoffinhalt und den Sicherungssystemen der Altablagerung Dhünnaue vorlagen, erforderte die Detailplanung der Eingriffe in die Abfallschüttungen erneut umfangreiche Vorerkundungen.

Innerhalb der Eingriffsbereiche kamen zur Klärung der geotechnischen Eigenschaften des Baugrundes und der chemischen Qualität der auszuhebenden Materialien direkte und indirekte Aufschlussverfahren zur Anwendung. Insgesamt wurden in fünf Bohrkampagnen 163 Aufschlüsse ausgeführt.

Das Analysenprogramm wurde auf der Basis iterativer Erhebungen festgelegt. Dabei wurde u. a. auch eine Liste der abgelagerten Abfallarten nach Zusammensetzung und Menge berücksichtigt. Insgesamt wurden mehrere Hundert Einzelproben u. a. auf folgende Parameter analysiert:

  • Feststoffuntersuchungen
    TKN/Stickstoffges., TOC, EOX, Phenole, Kresole, Chlorphenole, Aniline, Dioxine und Furane
    ICP/MS-Screenings
    GC/MS-Screenings auf leicht- bis mittelflüchtige organische Schadstoffe (0 – 200 °C)
    GC/MS-Screenings auf mittel- bis schwerflüchtige organische Schadstoffe (150 – 500 °C)
  • Eluatuntersuchungen
    pH-Wert, elektrische Leitfähigkeit, Chlorid, Sulfat, Nitrat, Ammonium, Fluorid, Chrom (VI),Sulfid leicht freisetzbar, MBAS, Schwermetalle, Arsen, Cyanide

Zur Bestimmung der Entsorgungsmöglichkeiten wurden darüber hinaus Mischproben auf die Parameter gemäß DepV DK I bis III analysiert.

Aufgrund nicht auszuschließender geruchlicher Belästigungen während des Abfallaushubs fanden auch Bodenluftuntersuchungen statt. Neben den üblichen Vor-Ort-Parametern Sauerstoff, Kohlendioxid, Schwefelwasserstoff und Methan wurden auch GC/MS-Screenings auf leichtflüchtige organische Schadstoffe durchgeführt. Ein zusätzlich beauftragter zertifizierter Geruchsgutachter untersuchte nach olfaktorischen Kriterien Bodenluftproben vor Ort und im Labor.

Die Erkenntnisse aus den Voruntersuchungen mündeten schließlich in einem dezidierten Entsorgungskonzept [3], in dem auch die weiteren Schritte für die dem Aushub vorauseilende chargenweise Abfallanalytik in enger Abstimmung mit dem Landesumweltamt NRW (LA-NUV) und den übrigen Projektbeteiligten festgelegt wurde. Die Gefährlichkeitseinstufung der Abfälle und die damit verbundene Zuordnung zu Abfallschlüsselnummern erfolgte nach den geltenden chemikalienrechtlichen und abfallrechtlichen Vorgaben (u. a. [4] bis [12]). Danach waren die Dammschüttungen der alten Autobahnen als ungefährlicher Abfall einzustufen (ASN 17 05 04). Auch die alten Abdeckungen der Abfallschüttungen sowie das zur Profilierung im Zuge der Sicherung der Altablagerung eingesetzte Material war überwiegend nicht gefährlich. Die zwischen 1920 und 1965 abgelagerten Abfälle, die in der Regel heterogen zusammengesetzt und oft organoleptisch auffällig sind, waren im Regelfall als gefährlicher Abfall einzustufen (ASN 17 05 03*).

Eine grobe räumliche Zuordnung dieser Einstufungen geht aus dem Bild 8 hervor.

Bild 8: Zuordnung von Abfallklassen innerhalb des Schichtenmodells

5 Emissions- und Arbeitsschutzkonzept

Unabhängig von weitreichenden Maßnahmen zum Schutz der im Baufeld Beschäftigten wird zur Unterbindung von Emissionen ein weitreichendes  Maßnahmenprogramm verfolgt, das organisatorische und technische Schutzmaßnahmen umfasst (Bild 9).

Vor Ausführung der Arbeiten werden für jeden Eingriffsbereich gesondert sowohl Sicherheits- und Gesundheitsschutzpläne (SiGe-Pläne) gemäß der Baustellenverordnung [13] als auch Arbeits- und Sicherheitspläne (A+S-Pläne) für das Arbeiten in kontaminierten Bereichen aufgestellt [14] [15].

Die erforderlichen Alarmpläne wurden mit den zuständigen Feuerwehren und Polizeidienststellen abgestimmt.

Bei allen Eingriffen in die Abfallablagerungen unterhalb der Dichtungssysteme werden kontinuierliche und diskontinuierliche Messungen zur Emissionsüberwachung vorgenommen. Hierbei kommen mehrere voneinander unabhängige Messsysteme zur Erfassung von Staub- und Gaskonzentrationen zum Einsatz.

Im Umfeld der Baufelder werden an den maßgeblichen Immissionspunkten, das heißt vor den in Hauptwindrichtung gelegenen Wohnbauten, Immissionsmessstationen betrieben, an denen wie am Baufeldrand Staub- und Gasmessungen erfolgen. Parallel werden die vorherrschenden Witterungsbedingungen erfasst.

Aufgrund der bei Deponierückbauten vereinzelt anderenorts festgestellten Selbstentzündungsgefahr bestimmter Abfälle bei Sauerstoffzutritt werden Temperaturänderungen freigelegter Abfälle im Bauablauf überwacht. Dazu werden die aufgeschlossenen Bereiche höher belasteter Abfälle baubegleitend mittels einer Wärmebildkamera in festgelegten Abständen beobachtet.

Zur Erfassung der genehmigten Gewässerbenutzung an Rhein und Dhünn erfolgen regelmäßige Kontrollen der Einleitwässer. Art und Umfang der Untersuchungen werden in enger Abstimmung mit der Unteren Wasserbehörde der Stadt Leverkusen durchgeführt.

Bei den Bodeneingriffen fällt vorwiegend erdfeuchtes Material an, so dass eine intensive Staubfreisetzung kaum auftritt. Dennoch werden generell Möglichkeiten zur Befeuchtung vorgehalten.

Der flächige Aushub gefährlicher Abfälle erfolgt generell unter Einhausungen (Bild 10), die mit einer Fahrzeug- und Materialschleuse sowie einer gesonderten Personenschleuse ausgestattet sind. Die Einhausungen werden be- und entlüftet. Zur Aufrechterhaltung des Unterdrucks wird für ca. 80 % der gefassten Abluft Frischluft zugeführt. Die Abluft wird über Aktivkohle gereinigt.

Bild 10: Übersicht über die wesentlichen Arbeits- und Emissionsschutzmaßnahmen

Auch punktuelle Eingriffe in die Altablagerung, die durch den Einsatz von Großbohrgeräten nicht eingehaus werden können, werden messtechnisch überwacht. Werden Überschreitungen von Schwellenwerten festgestellt, ist der Einsatz einer saugenden Bewetterung am Bohrlochmund und die Reinigung der Abluft über Aktivkohle vorgesehen.

6 Entsorgungskonzept

Die Festlegung der endgültigen Entsorgungswege erfolgt anhand der erst kurz vor dem geplanten Aushub stattfindenden chargenweisen Abfalluntersuchungen. Dazu wird für jeden Eingriffsbereich ein eigenes Beprobungskonzept aufgestellt und mit der zuständigen Behörde abgestimmt. Die zu beprobenden Einzelchargen dürfen 1.000 t nicht überschreiten. Die Probengewinnung erfolgt durch Schürfe und/oder Bohrungen. Die Einteilung der Teilchargen erfolgt anhand der Ergebnisse der Voruntersuchungen.

Der als nicht gefährlich einzustufende Abfall ist kein Gefahrgut im Sinne der geltenden Rechts- und Regelwerke. Er wird in loser Schüttung per Muldenkipper abgefahren. Die Mulden werden unabhängig von der Beschaffenheit des Abfalls abgeplant.

Gefährlicher Abfall wird unabhängig von den konkreten Analyseergebnissen generell als Gefahrgut eingestuft. Das Material wird nur in luftdichten Spezialcontainern mit fest verschließbaren Deckeln abgefahren. Um Schadstoffausträge bei temperaturabhängiger Ausdehnung der Luft zu vermeiden, sind die Deckel mit einem A-Kohle-Filter ausgestattet.

Alle Böden oder bodenähnlichen Materialien, die als Aushub unterhalb der Oberflächenabdichtung der Altablagerung Dhünnaue anfallen, werden einheitlich einer Beseitigung zugeführt. Dabei bestimmt der Schadstoffgehalt, ob das Material unmittelbar deponiert oder zuvor in der Sonderabfallverbrennungsanlage thermisch zu behandeln ist. Beides erfolgt im nahegelegenen Entsorgungszentrum der Currenta GmbH & Co. OHG.

7 Gründungskonzepte

Die Altablagerung Dhünnaue wurde aus baugrundtechnischer Sicht – genauso wie aus umwelttechnischer Sicht – schon vielfach begutachtet. Erste Untersuchungen wurden beim Bau der A 1 in den 1960er sowie der A 59 Anfang der 1970er Jahre durchgeführt. Auch bei der Verbreiterung der A 1 Ende der 1970er Jahre erfolgten erneut Untersuchungen.

7.1 Polstergründungen

Im Zuge der Errichtung des Neulandparks sowie der s. g. Lastenstraße und des Westrings, die beide auf Polstern oberhalb der Abdichtung gegründet sind, wurde eine Setzungsprognose unter ungünstigen Bedingungen aufgestellt. Zur Ableitung der abfallmechanischen Kennwerte wurde u. a. auf die Ergebnisse von Probebelastungen zurückgegriffen. Die Prognose wurde und wird immer noch durch jährliche Messungen der Setzungen kontrolliert. Sie hat sich als korrekt erwiesen.

Diese Erkenntnisse liegen den heutigen Planungen zu Grunde. Das Setzungsverhalten der Abfälle unter Auflast wurde nochmals durch einen unabhängigen Gutachter geprüft, der zu gleichen Ergebnissen kam und das Konzept der Polstergründung für die Strecken bestätigte. Der Amtsentwurf für die Verbreiterung der Strecken sah vor, unterhalb des 0,7 m mächtigen Fahrbahnaufbaus ein 2 m mächtiges Bodenposter einzubauen. In einem nachträglich ausgearbeiteten Optimierungskonzept wurde die Polsterstärke auf 1,3 m verringert. Im Gegenzug wurden zwei Geogitter an der Basis und  der Oberfläche dieser Schicht eingebaut. Das Polster selbst wurde aus gut verzahnendem Natursteinbruch hergestellt.

Der Aushub in den großen Streckenabschnitten (Eingriffsbereich 2 im Bild 6) erfolgte in kleinflächigen Teilabschnitten von nur 125 m². Diese wurden sofort nach dem Aushub mit einer s. g. Tektoseal Active AC Geokunststoffmatte überdeckt. Das Produkt besteht aus einem zwischen zwei Vliesen eingebettetem Aktivkohlekern. Eventuell aus dem Untergrund aufsteigende polare Gase bzw. Geruchsstoffe sollten durch das Material adsorbiert werden. Die Vorgehensweise hat sich bewährt.

Zukünftige Setzungen der Altablagerung sind nach den vorliegenden langjährigen Beobachtungen nicht ganz auszuschließen. Sie sind nach Fertigstellung der Fahrbahn aber nur noch im Millimeterbereich zu erwarten. Damit können sie sehr einfach bei den ohnehin regelmäßig erforderlichen Wartungsarbeiten der Fahrbahnen ausgeglichen werden.

7.2 Tiefgründungen

Anders als in der Vergangenheit werden die beim Ausbau des AK Leverkusen West zu erneuernden Brückenbauwerke nicht flach auf Austauschkörpern, sondern über Bohrpfahlgruppen gegründet.

Zum Schutz der Bohrpfähle vor betonaggressiven Stoffen wird jeder Pfahl innerhalb der Abfälle mit einem Hüllrohr aus HDPE umgeben (Bild 11). Der Ringraum zwischen diesem Schutzrohr und der Bohr-/Rammlochwandung wird mit einer Dämmermischung aufgefüllt, um Hohlraumbildungen und damit Wegsamkeiten zu verhindern.

Um den Aushub gefährlicher Abfälle zu minimieren, kamen für die Gründungen bestimmter Brückenbauwerke statt Bohrpfählen FRANKI-Pfähle zum Einsatz. Dabei wurden folgende Vorteile genutzt:

  • Die Möglichkeit von Abfallkontakten durch die auf der Baustelle tätigen Personen wurde erheblich reduziert.
  • Die Möglichkeiten von Stofffreisetzungen durch das Fördern und Verladen von Abfällen wurde minimiert.
  • Die Betonpfropfen am Ende der Bohrpfähle sind relativ dicht. So wurde auch die Freisetzung gasförmiger Stoffe bzw. Gerüche minimiert.
  • Die Technik erlaubt es, ohne Wasserauflast in den Untergrund vorzudringen. Damit fiel beim Betonieren kein kontaminiertes Bohrwasser mehr an, das aufzubereiten und zu entsorgen war.
  • Durch die Verdrängung von Boden werden Auflockerungen des Untergrundes, die prinzipiell auch die Gefahr der Bildung von Wasserwegsamkeiten birgt, vermieden.

Literaturverzeichnis

1 Die Dhünnaue gestern und heute. Eine offene Chronik über Fortschritt und Verantwortung, Stadt Leverkusen, Bayer AG, 2005

2 Stadtarchiv Stadt Leverkusen

3 Bundesautobahn A 1 Ausbau zwischen AS Niehl und AK Lev-West – Eingriffe in die Altablagerung Dhünnaue – Gefährlichkeitseinstufung Abfälle, – Geotechnisches Büro Prof. Dr.-Ing. H. Düllmann GmbH, 10. 5. 2017

4 Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffverordnung – GefStoffV), Gefahrstoffverordnung vom 26. November 2010 (BGBl. I S. 1643, 1644), Stand 29. März 2017

5 Verordnung über das Europäische Abfallverzeichnis (Abfallverzeichnis-Verordnung – AVV), Abfallverzeichnis-Verordnung vom 10. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3379), Stand 22. Dezember 2016

6 Verordnung (EG) Nr. 850/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über persistente organische Schadstoffe und zur Änderung der Richtlinie 79/117/EWG (ABl. EU L 229, S. 5), zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2016/460 vom 30. März 2016 zur Änderung der Anhänge IV und V der Verordnung (EG) Nr. 850/2004, Stand 29. 4. 2004

7 Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien – Abfallrahmenrichtlinie, Stand 19. 11. 2008

8 Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, zur Änderung und Aufhebung der Richtlinien 67/548/EWG und 1999/45/EG und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 –
CLP- oder GHS-Verordnung, Stand 16. 12. 2008

9 Ablagerungsempfehlungen für Abfälle mit organischen Schadstoffen – Vollzugshilfe, Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, 6. 12. 2011

10 Verordnung (EU) Nr. 1357/2014 der Kommission vom 18. 12. 2014 zur Ersetzung von Anhang III der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien, Amtsblatt der Europäischen Union L365/89, Stand 19. 12. 2014

11 Richtlinie (EU) 2015/1127 der Kommission vom 10. Juli 2015 zur Änderung von Anhang II der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien, Stand 11. 7. 2015

12 Bundesregierung – Verordnung zur Umsetzung der novellierten abfallrechtlichen Gefährlichkeitskriterien, Drucksache 340/15, Schreiben zur Zustimmung durch den Bundesrat, 12. 8. 2015

13 Baustellenverordnung vom 10. Juni 1998 (BGBl. I S. 1283), die zuletzt durch Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung vom 15. November 2016 (BGBl. I S. 2549) geändert worden ist

14 DGVU Regel 101-004 (vormals BGR 128) – Kontaminierte Bereiche, Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, aktualisierte Fassung 2006

15 TRGS 524 Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten in kontaminierten Bereichen Technische Regel für Gefahrstoffe, Ausgabe: Februar 2010, GMBl 2010 Nr. 21 S. 419-450 (1. 4. 2010) zuletzt geändert und ergänzt: GMBl 2011 S. 1018-1019 (Nr. 49-51)