Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.
1 Allgemeines
Wenn man alle Arbeitsunfälle im Straßenbetriebsdienst analysiert, dann wird man sehr viele Gefährdungen aufgrund der höchst unterschiedlichen Aufgabengebiete des Betriebsdienstes lokalisieren können. In den Statistiken des Landesbetriebes Straßenbau NRW werden jährlich im Schnitt ca. 230 bis 250 meldepflichtige Arbeitsunfälle registriert. Dazu kommen noch einmal so viel nicht meldepflichtige Unfälle und doppelt so viel reine „Bagatellen“. Der Großteil dieser Arbeitsunfälle – nämlich ca. 40 % – werden im Gehölz- und Grünschnitt registriert und insgesamt ca. 30 % durch Umknicken, Stürzen und Stolpern. Gefährdungsminimierung heißt hier im Wesentlichen Verbesserung und Nutzung moderner Technik, Mechanisierung und Optimierung der Organisation von Arbeiten und Optimierung mit Steigerung der Akzeptanz der persönlichen Schutzausrüstung (PSA). Schwerste Unfälle spielen in den Tätigkeitsfeldern Grün- und Gehölzpflege allerdings eine untergeordnete Rolle. Der Umgang mit gefährlichem Gerät stellt hier die potenzielle Gefahr dar.
Die einzigen Unfälle, bei denen der Landesbetrieb Straßenbau NRW und wahrscheinlich auch andere Straßenbauverwaltungen tödliche Fallzahlen zu verzeichnen haben, sind die Unfälle, bei denen fremdes Verschulden registriert wurde. Dieser Posten nimmt einen 7-prozentigen Anteil am Gesamtunfallgeschehen ein, stellt aber das höchste Risikopotenzial dar. Und somit ist das auf jeden Fall prioritär zu betrachten.
Bild 1: Arbeitsunfallstatistik Straßen.NRW
Bild 2: Unfälle durch Fremdverschulden
Jährlich gehen ca. 20 bis 25 Unfallmeldungen in der Stabsstelle Arbeitssicherheit bei Straßen.NRW ein, wobei – statistisch gesehen – jedes Jahr ein tödlicher Unfall zu verzeichnen ist. Vergleicht man nun diese Zahlen mit den Zahlen für tödliche Unfälle der gewerblichen Berufsgenossenschaften, dann lässt sich ein ca. 13-fach höheres Risiko errechnen, bei der Tätigkeit im Betriebsdienst ums Leben zu kommen als in gewerblichen Betrieben.
Aktuell ist im Jahr 2009 noch kein tödlicher Unfall zu verzeichnen gewesen. Jedoch gab es Unfälle mit Gefahrguttransportern, Unfälle, bei denen langsam fahrende Geräte betroffen waren oder Unfälle, bei denen Fahrzeuge so stark getroffen wurden, dass sie von der Wucht des Aufpralls umgeworfen wurden. Nur Glück hat dazu beigetragen, dass die beteiligten Straßenwärter oder Straßenwärterinnen mit dem Leben davon kamen. Unfälle dieser Art können große Außenwirkung haben. Nicht nur durch die Staus, die bei den Unfällen erzeugt werden und so die Medien erreichen, sondern auch durch die Effekt haschenden Szenen, die gerne von den Medien aufgrund des Unfalls genutzt werden.
Bild 3: Ergebnisse Bericht ISE 2007
Im Rückblick wird noch mal auf die Zahlen der Arbeit von [1] aus dem Jahr 2007 aufmerksam gemacht. Hier wurde festgestellt, dass bei 58 % der verursachten Unfälle Lkw als Verursacher registriert werden konnten. Mangelnde Aufmerksamkeit, Fahrfehler, und nicht angepasste Geschwindigkeit als Hauptunfallursachen konnten ausgemacht werden. Bei Mäharbeiten, Reinigungsarbeiten und baulichen Unterhaltungsarbeiten trafen die Verursacher, Fahrzeuge und Gerät des Betriebsdienstes auf dem rechten Fahrstreifen und Standstreifen, frontal bzw. seitlich versetzt. Innerhalb von 14 Jahren wurden bei Straßen.NRW 400 Sachschäden und nahezu gleichviel Personenschäden registriert.
Geht man den Weg der Gefährdungsminimierung konsequent, dann muss man bei der Verringerung des Risikos nach dem T-O-P-Prinzip (Technik geht vor Organisation geht vor PSA) mit den technischen Maßnahmen beginnen.
2 Technische Maßnahmen
2.1 Verkehrselemente
Bei Straßen.NRW werden inzwischen Warnschwellen eingesetzt, die vor allem aus Gründen der Arbeitssicherheit Vorteile bringen. Verkehrsteilnehmer, die nicht aufpassen, werden durch auf der Fahrbahn liegende 3 cm hohe Kunststoffschwellen regelrecht aufgerüttelt und können so noch vor der Arbeitsstelle einen Unfall verhindern. Näheres erläutert Herr Vasmer in seinem Bericht. Nur soviel sei gesagt. Verkehrsteilnehmer müssen natürlich auch wissen, was diese neuen Elemente auf den Autobahnen bedeuten. Öffentlichkeitsarbeit kommt hier ein hoher Stellenwert zu. Flyeraktionen auf Tank- und Rastanlagen wurden z. B. bei Straßen.NRW zur Einführung durchgeführt. Dies ist bei einem bundesweiten Einsatz auf überregionale Presse und Medien noch auszuweiten. Ebenso wird derzeit geprüft, ob eine Regelung der StVO, die aussagt, dass die Schwellen überfahren werden dürfen, zielführend hinsichtlich der Sicherheit ist.
Bild 4: Warnschwellen
Weitere technische Neuerungen sind dynamische Vorwarntafeln, die immer mehr zum Einsatz kommen. Hierdurch wird der/die Verkehrsteilnehmer/in stärker als durch rein statische Elemente auf Gefahren aufmerksam gemacht. Und Überkopfsignalisierungen, die durch ein Forschungsprojekt der FGSV gerade untersucht werden, lassen auf eine Verbesserung der Sicherheit des Betriebsdienstpersonals hoffen. Warnbaken in neuem Muster (Pfeilbaken) sind seit einiger Zeit in Verschwenkungsbereichen im Einsatz. Die Pfeilbaken zeigen ein neues optisches und eindeutigeres Bild, welches den Verkehrsteilnehmern eindeutige Wegweisungen gibt.
Bild 5: Elemente zur Baustellenabsicherung
Als neueste technische Entwicklungen zur Warnung von Lkw-Fahrern/innen, werden in naher Zukunft funktechnisch verbesserte Absperrtafeln eingesetzt. Mit CB-Funksignalen, die eine Art Leuchtfeuersignal 500 Meter gerichtet vor die Arbeitsstelle senden, hat man vor allem in Bayern schon erste Erkenntnisse gesammelt. Damit wird alles unternommen, auch denjenigen, der als potenzieller Unfallverursacher gilt, rechtzeitig zu warnen. Hier ist im Sinne Arbeitssicherheit ein großer Schritt getan, der Sicherheitsingenieure hoffen lässt.
Bild 6: CB-Funkabsperrtafeln
2.2 Fahrzeuge und Geräte
Neue Autobahnen zeichnen sich häufig durch so schmale Querschnitte aus, dass normale Geräte oder Lkw des Betriebsdienstes nicht mehr auf die Standspuren passen. Fahrzeugelemente ragen zum Teil in die Fahrspuren herein. Nicht nur das dieses nicht zulässig ist, ohne die erste Fahrspur zu sperren, es birgt auch das hohe Risiko des Anpralls eines Fahrzeuges von der ersten Fahrspur. Vor allem bei langsam fahrenden Kehrmaschinen ist hier von einem hohen Gefährdungspotenzial für das Betriebsdienstpersonal auszugehen. Natürlich wäre hier auch als erstes die technische Lösung anzustreben, die Standspuren entsprechend breit zu planen oder zu bauen bzw. zurück zu bauen. Da dies allerdings kurzfristig nicht zu erreichen ist, müssen technische Lösungen bedacht werden, die an der Geräteseite angreifen. Und so wird bei Straßen.NRW derzeit eine neue schmale Kehrmaschine getestet, die Leistungsfähigkeit und Sicherheit miteinander vereint. Hinsichtlich des Gewichtes ist sie mit einem UNIMOG gleichzusetzen und bietet daher den gleichen Schutz, wie ein Geräteträger. Auch zuerst angenommene Befürchtungen, dass durch den kurzen Radstand starke Stöße und Vibrationen auf den Fahrer einwirken können, wurden inzwischen durch Tests widerlegt.
Bild 7: Kehrmaschineneinsatz auf schmalem Standstreifen
Um auch jede Möglichkeit der Verbesserung der Sicherheit des Betriebsdienstpersonals auszuschöpfen, werden derzeit auf einigen Autobahnmeistereien Tests mit Fahrzeugen oder Anhängern gefahren, deren Gewicht man durch Zuladung erhöht um durch die dem Verursacher entgegenstehende Masse ein Plus an Sicherheit zu erreichen. Mit Auswertungen der Tests ist im nächsten Jahr zu rechnen.
2.3 Technik/Ergonomie am Fahrerarbeitsplatz
Um Belastungen des Fahrpersonals im Betriebsdienst zu minimieren, muss man den Arbeitsplatz in Fahrzeugen und Geräteträgern ergonomisch optimieren. Somit kann man die Belastung durch falsche Sitzhaltung und/oder falsche Anordnung der Steuerelemente erheblich minimieren. Bediener bzw. Bedienerinnen können sich mehr auf den Verkehr konzentrieren. Die Gefahr, durch eigenes Fehlverhalten in einen Unfall verwickelt zu werden, sinkt. Gerade die Ergonomie in modernen Geräteträgern, die auch in landwirtschaftlichen Betrieben als Ackerschlepper eingesetzt werden, wird von den Bedienern positiv hervorgehoben.
Bild 8: Ergonomie am Fahrerarbeitsplatz
Bild 9: Kopfstützenergänzungen
Die Verminderung der Verletzungsschwere war in der Arbeit von Roos/ Zimmermann/ Riffel ein Punkt, den es genauer galt, unter die Lupe zu nehmen. Hierbei wurden bei Straßen.NRW erst einmal in einem Test mit wenigen Kopfstützenergänzungen (z. B. Conti-Cura Plus) ausgelotet, an welchen Fahrzeugen diese Ergänzungen zukünftig sinnvoll eingesetzt werden können. Dabei hat es sich gezeigt, dass in einigen Fahrzeugen die Kopfstützen selber nicht optimal eingestellt werden können und die Anordnung der Ergänzungen nicht zum optimalen Erfolg führen kann. Allerdings gibt es einige ältere Sitzmodelle von Lkw, die zeigen, dass der Abstand von Hinterkopf zur Kopfstütze bei normaler Sitzhaltung größer ist als 10 bis 15 cm. Und somit könnten hier Kopfstützenergänzungen sinnvoll eingesetzt werden. Bei neuen Fahrzeugen muss aus Sicht der Arbeitssicherheit allerdings immer ein Schalensitz mit integrierter Kopfstütze beschafft werden. Denn nur dieser bringt die optimale passive Sicherheit im Fahrzeug.
3 Organisation
Der beste Sitz nützt nichts, wenn der/die Fahrer/in nicht angeschnallt ist. Und so legt Straßen.NRW großen Wert darauf, dass die Fahrer/innen darauf aufmerksam gemacht werden, sich anzuschnallen. Derzeit nur mit hinweisender Sicherheitstechnik, in Form von Aufklebern oder internen Aktionen (Plakate oder interne Mitteilungen). Was allerdings in modernen Pkw zum Standard gehört, gibt es im Lkw noch nicht als Standardlösung, nämlich die sogenannten Gurtwarner. Sollten diese Systeme serienmäßig in Lkw angeboten werden und dort auch das in Pkw inzwischen übliche Pfeifen ertönen, wenn der/die Fahrer/in nicht angeschnallt ist, dann ist hinsichtlich der Verringerung der Verletzungsschwere schon viel erreicht.
Bild 10: Info zum Anschnallen
Der systematischen Aufarbeitung von Unfällen kommt organisatorisch große Bedeutung zu. Die Unfallursachen müssen zusammen mit Unfallversicherungsträgern und Fachleuten der Arbeitssicherheit erkannt werden. Straßen.NRW hat ein standardisiertes Verfahren zur Unfallmeldung, zusätzlich zu den gesetzlich vorgeschriebenen Meldebögen der Unfallkasse NRW. Es wird durch zeitnahe Meldung gerade schwerer Unfälle eine Systematik in Gang gesetzt, die alle Beteiligten schnellstmöglich beteiligt. Eine sachliche und psychologische Aufarbeitung der Unfälle kann so meistens noch am gleichen Tag initiiert werden. Posttraumakonzepte werden das ganze zukünftig ausweiten.
Ebenso spielt die Öffentlichkeitsarbeit eine große Rolle. Schwere Unfälle oder auch die Gesamtheit der schweren Unfälle muss öffentlichkeitswirksam unter Darstellung des Risikos für das Betriebsdienstpersonal verbreitet werden. Bei Straßen.NRW wird auf Verkehrssicherheitstagen immer auch das Thema Sicherheit des Betriebsdienstpersonals aufgegriffen.
Bild 11: Unfall auf der A 2
Bild 12: Öffentlichkeitsarbeit bei Straßen.NRW
Durch verschiedene Initiativen wurde das Thema inzwischen auch überregional diskutiert. So fanden schon Gespräche mit dem Bundesverband für Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung e.V. statt, um auf der Unternehmerseite (Spedition) für Sicherheit und Gesundheitsschutz im Betriebsdienst zu werben. Auch die für Verkehr zuständigen Ministerien auf Bundes- oder Landesseite wurden gebeten, dieses Anliegen aktiv zu unterstützen. Diese zeigten entsprechende Sensibilität und sagten auch zu, sich weiter für die Sicherheit des Betriebsdienstpersonals einzusetzen.
Bild 13: Networking
Mit der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen wurde die Aktion „Sicherer Arbeitsraum Straße“ ins Leben gerufen. Hier sollen mit Beteiligung des Verkehrsministeriums NRW, Polizei, Ordnungspartnerschaften und den Beschäftigten von Straßen.NRW, die als wichtige Ressource für die Ideenfindung ausgemacht wurden, Ideen gesammelt werden, die zur Verringerung des Risikos führen können.
Bild 14: Projekt „Sicherer Arbeitsraum Straße“
4 Persönliche Maßnahmen
Glücklicherweise ist das Thema „Persönliche Schutzausrüstung“ tatsächlich in der Diskussion nicht mehr führend wie in der Vergangenheit. Denn nicht das Tragen von Warnkleidung verhindert die Unfälle. Warnkleidung trägt nur dazu bei, dass es zu einer optimalen Wahrnehmbarkeit des Betriebsdienstpersonals auf Autobahnen, Bundes- und Landesstraßen kommt. Neue Materialien erhöhen die Akzeptanz im Betriebsdienstpersonal und optimierte Anordnung von retroreflektierenden Streifen verbessert die Nachtsichtbarkeit.
Bild 15: Warnkleidung
5 Ausblick
Neue Technologien können zukünftig dafür sorgen, dass sowohl die Verkehrssicherheit im Allgemeinen, als auch die Sicherheit des Betriebsdienstpersonals verbessert werden kann. So ist ein System, welches die Positionierung von Absperrtafeln mittels GPS erfasst und dieses an die Baustelleninformationssysteme weiterleitet auch dazu geeignet diese Information an die Traffic Message Channels (TMC) weiterzuleiten. Damit bekämen Verkehrsteilnehmer frühzeitig eine Warnung in Navigationsgeräte eingespeist, die so qualitätsgesichert ist, dass man sich darauf verlassen kann. Eine Einführung ist in verschiedenen Bundesländern unter verschiedenen Namen vorgesehen.
Auf der Seite der Fahrzeuge ist durch die Hersteller von Nutzfahrzeugen aus Sicht der Arbeitssicherheit der Fokus auf Fahrerassistenzsysteme (Abstand, Fahrspur, Geschwindigkeit, Bremsassistent) zu legen. Hierdurch werden Lkw-Fahrer entlastet und die Sicherheit sowohl im gesamten öffentlichen Verkehr, als auch in und um die Arbeitsstellen des Betriebsdienstpersonals wird erhöht. Die Aktionen einzelner Versicherer von Nutzfahrzeugparks, Prämienanreizsysteme für Fuhrunternehmer ins Leben zu rufen, unterstützt die Forderung nach mehr Sicherheit und macht sich zusätzlich volkswirtschaftlich positiv bemerkbar.
6 Zusammenfassung
Zum Abschluss lässt sich sagen, dass die Sicherheit des Betriebsdienstpersonals nicht mit einzelnen isolierten Maßnahmen signifikant erhöht werden kann. Nur interdisziplinäres und überregionales Zusammenarbeiten, bei der Erfassung von schweren Unfällen und bei der Festlegung von Maßnahmen zur Verhinderung dieser Unfälle, kann zu einer nachhaltigen Minimierung der Gefährdung des Betriebsdienstpersonals führen. Der Sicherheit des Betriebsdienstpersonals muss schon bei der Planung von Straßen als auch bei der generellen Organisation der Arbeiten Rechnung getragen werden.
Literaturverzeichnis
- Roos; Zimmermann; Riffel; Cypra (2007): Verbesserung der Sicherheit des Betriebsdienstpersonals in Arbeitsstellen kürzerer Dauer Institut für Straßen und Eisenbahnwesen FE-Vorhaben i. A. des BMVBW
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