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1 Zunehmende Fahrradnutzung in Deutschland – gerade auch im Winter
Seit der Erfindung der ersten Laufmaschine durch Karl Drais 1817, also vor gut 200 Jahren, hat sich das Fahrrad als Verkehrsmittel etabliert. Gerade in den letzten Jahren hat sich der Radverkehr in Deutschland wesentlich entwickelt. Sowohl absolut als auch relativ zum Gesamtverkehrsvolumen steigt die Zahl der mit dem Fahrrad zurückgelegten Wege kontinuierlich an. Der in den letzten Jahren rasant erfolgte Ausbau der Radwegenetze hat dies wesentlich gefördert. Der zunehmende Ausbau auch der überörtlichen Radwegeverbindungen bis hin zu den aktuell vieldiskutierten Radschnellverbindungen, verbunden mit der verbesserten Mobilität infolge Pedelecs und E-Bikes, hat auch den Radverkehr im überörtlichen Bereich deutlich gefördert.
Bild 1: Neuer Radschnellweg zwischen Darmstadt und Frankfurt am Main
Der Modal-Split-Anteil von gut 12 % im Bundesdurchschnitt ist dabei europaweit nach den Niederlanden und Dänemark im Vorderfeld. Natürlich schwankt der Anteil des Radverkehrs zwischen städtischen und ländlichen Gebieten, flachen und topographisch bewegten Gebieten sowie zwischen Sommer und Winter deutlich. Er hängt aber auch sehr stark von Ausbau und Qualität des Radwegenetzes ab und variiert örtlich stark.
Allerdings ist gerade in den letzten Jahren festzustellen, dass immer mehr Personen das Fahrrad als einziges Individualverkehrsmittel benutzen. So wird das Rad in zunehmendem Maße auch für den Alltagsverkehr (also Wege zur Arbeit, Ausbildung und Einkaufen), auch für weitere Wege, sowie ganzjährig genutzt. Die Radverkehrsleistungen sind im Winter zwar noch deutlich niedriger als im Sommer, der Rückgang ist aber wesentlich geringer als früher [Quelle: Deutsches Mobilitätspanel, Karlsruhe März 2018].
Dies führt dazu, dass der Radverkehr gerade im Winter und bei ungünstigen Witterungsbedingungen überproportional stark angestiegen ist. Und die Radfahrer erwarten heute, dass die vorhandenen Radwege, zumindest das Hauptradwegenetz für den Alltagsradverkehr, auch im Winter sicher befahrbar sind.
So muss heute zumindest im Hauptradwegenetz ein leistungsfähiger Winterdienst erfolgen, der auch zeitgleich mit dem auf Straßen eine sichere Befahrbarkeit zu Beginn des morgendlichen Berufsverkehrs sicherstellt. Und dies nicht nur aus rechtlichen Gründen, sondern vor allem auch aus verkehrlichen zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit sowie aus verkehrspolitischen, denn die Förderung des Radverkehrs als verkehrspolitisches Ziel schließt selbstverständlich mit ein, dass dieses Verkehrsmittel auch gerade im Winter sicher genutzt werden kann.
Dies stellt die Straßenmeistereien und die Städte und Gemeinden vor erhebliche Herausforderungen, denn Organisation, Fuhrpark und Streustoff-Anwendung müssen für die Radwege gesondert vorgehalten werden. Zudem sind viele Radwege nicht optimal für den Winterdienst ausgelegt, und die Räumung ist mit erheblichen Herausforderungen verbunden.
2 Rechtliche Anforderungen an den Wintdienst
Die gesetzliche Winterdienstpflicht auf den Radwegen ergibt sich aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht nach BGB sowie aus den Straßengesetzen der Länder und des Bundes. Nach der Auslegung durch die Rechtsprechung ist sie der Winterdienstpflicht auf den Straßen gleichzusetzen, da die Radwege als Fahrbahnen eingestuft werden (auch dann, wenn sie nicht auf der Fahrbahn verlaufen, sondern gesondert geführt warden).
Demnach gibt es zumindest innerorts eine Räumpflicht (polizeiliche Reinigungspflicht) für Radwege bei Schneelage, allerdings nur nachrangig nach Bedarf. Keinesfalls jedoch dürfen Radwege, insbesondere solche mit Benutzungspflicht, zugeschoben werden oder gar als Schneeablagefläche dienen. Gerade das ist aber heute häufig der Fall.
Eine Streupflicht besteht nur auf verkehrswichtigen und gefährlichen Abschnitten. Verkehrswichtig waren Radwege früher im Winter selten, heute können das städtische Hauptradwegenetz, das überörtliche Alltagsradwegenetz und vor allem Radschnellwege als verkehrswichtig auch im Winter gelten. Als gefährlich einzustufen wären Steigungen, enge Kurven und Kreuzungen, ggf. auch im Mischverkehr (gemeinsam mit Fußgängern) betriebene Radwege.
Der Streustoff ist rechtlich nicht geregelt, er muss lediglich unter den herrschenden Rahmenbedingungen geeignet und wirksam sein, was letztlich die Auswahl auch stark einschränkt.
Unabhängig von den rechtlichen Anforderungen, die als gesetzlich einzuhaltender Mindeststandard angesehen werden können, ist aus verkehrlicher und verkehrspolitischer Sicht ein frühzeitiger und effektiver Winterdienst auf allen Hauptradwegen deutlich über die rechtlichen Notwendigkeiten hinaus sinnvoll.
3 Radverkehr im Winter
Im Rahmen eines jüngst abgeschlossenen Forschungsvorhabens der BASt zur Sicherheit schwächerer Verkehrsteilnehmer im Winter wurden aktuelle Daten zum Radverkehr im Winter sowie vor allem zur Sicherheit und Gefährdung von Radfahrern im Winter zusammengetragen (Gerike; Bärwolff; Schmotz, 2018).
Der Rückgang der Verkehrsmengen im Radverkehr bei kritischer winterlicher Witterung ist derzeit noch erheblich, er beträgt im Durchschnitt immer noch knapp 50 %. Allerdings ist der Rückgang regional sehr unterschiedlich, im günstigsten Fall beträgt er sogar weniger als 10 %. Interessanterweise ist der Rückgang in den Städten am geringsten, die ohnehin schon die höchsten Radverkehrsanteile haben (z. B. Münster oder Freiburg). Dies ist ein Indiz dafür, dass in diesen Städten das Rad in hohem Maße Alltagsverkehrsmittel ist und dass ein guter Standard im Radwegebau und im Winterdienst den Radverkehr auch im Winter deutlich fördert.
Dies wird auch durch die Befragung der Radfahrer, die die TU Dresden durchgeführt hat, deutlich belegt. Die Radfahrer, die bei kritischer Witterung das Fahrrad nicht benutzen, geben hierfür weit überwiegend (87 %) als Ursache an, dass dies an dem erhöhten Unfallrisiko infolge des schlechten Winterdienstes liege. Bei einem guten Winterdienst würden viele das Rad auch an solchen Tagen nutzen.
Dass das erhöhte Risiko nicht nur eine subjektive Einschätzung ist, zeigen dann auch objektive Unfallanalysen. Analysen verschiedener Institute zeigen, dass das Unfallrisiko im Radverkehr bei winterlicher Witterung ungefähr doppelt so hoch (Anstieg um 80 bis 100 %) ist als bei unkritischer Witterung. Bei Wegen zur Arbeit ist sogar das 5-fache Risiko zu verzeichnen. Allerdings berücksichtigen diese Zahlen nur die erfassten Unfälle mit einer sehr hohen Dunkelziffer. Zudem berücksichtigen sie nicht die zurückgehenden Verkehrsmengen. Die TU Dresden hat daher zusätzlich über Befragungen von Radfahrern und entsprechende Hochrechnungen das tatsächliche Unfallrisiko einschließlich Dunkelziffer und bezogen auf die richtigen Verkehrsmengen ermittelt, und dieses ist mit dem etwa 20-fachen Risiko erschreckend hoch. Und dies, obwohl die Radfahrer bei winterlicher Witterung bereits deutlich langsamer fahren (etwa 20 bis 25 % geringere Geschwindigkeit) als normal; dies reicht jedoch offenbar nicht aus, um das höhere Risiko bei Glätte auszugleichen. Bei Zweiradfahrern wird die Fahrstabilität bei Glätte naturgemäß besonders stark beeinträchtigt, sodass sie besonders auf einen guten Kraftschluss angewiesen sind.
Ein funktionierender und effektiver Winterdienst auf Radwegen ist damit nicht nur aus rechtlichen und verkehrspolitischen Gründen wichtig, sondern vor allem auch für die Gewährleistung der Verkehrssicherheit. Ein guter Winterdienst würde nicht nur das Unfallrisiko deutlich verringern, sondern vor allem auch dazu führen, dass deutlich mehr Personen ihr Fahrrad auch bei winterlicher Witterung nutzen.
4 Festlegung des Winterdienst-Netzes für den Radverkehr
Winterdienst auf Radwegen ist aus den geschilderten Gründen notwendig. Dabei sollte er zumindest das Hauptradwegenetz umfassen, das dem Alltagsverkehr dient. Wenn aus Aufwandsgründen nicht alle Radwege (zumindest in erster Stufe) bedient werden können, sollte die Auswahl nach der Verkehrsfunktion der Radwege erfolgen; diese muss nicht unbedingt der Verkehrsfunktion einer parallel laufenden Straße entsprechen. Wichtige Radverbindungen verlaufen ins Zentrum der Städte und Gemeinden, führen zu Schulen, Universitäten oder wichtigen Arbeitsstätten. Wichtig bei der Auswahl ist, dass möglichst ein zusammenhängendes Netz bedient wird, damit die Strecken durchgängig benutzt werden können. Bei der Festlegung können nicht nur Zählungen des Radverkehrs helfen, nützlich ist häufig auch eine Abstimmung mit den örtlichen Radverkehrsverbänden. Wichtig ist aber auch, dass der Winterdienst auf den Radwegen zeitgleich mit dem auf den Straßen erfolgt, denn auch die Radwege müssen zum Beginn des Berufsverkehrs morgens frei sein.
Bild 2: Eine nicht geräumte oder gestreute Fahrradstraße ist für die Radfahrer kein gutes Angebot
Wichtig ist die maschinelle Räumung der Radwege bei Schneefall, denn ein manuelles Räumen größerer Strecken ist aus Aufwandsgründen nicht möglich. Die Räumung muss mit speziellen Schmalspurfahrzeugen erfolgen, da nur beschränkte Durchfahrtsbreiten sowie oft auch Gewichtsbeschränkungen bestehen. Insofern ist für die Festlegung des Betreuungsnetzes der ersten Stufe auch wichtig, dass alle zu betreuenden Radwege auch maschinell bedient werden können.
Um den erforderlichen Standard des Winterdienstes auch gewährleisten zu können, ist es wichtig, dass dieses Netz auch durchgängig betreut wird, d.h. dass die Stadt/Gemeinde bzw. der Baulastträger (oder von ihr beauftragte Unternehmen) die Radwege nach einheitlichen Standards bedienen. Bei Radwegen, die auf Fahrbahnen markiert sind (Radfahrstreifen oder Schutzstreifen), und auf separaten Radwegen ist das sicherlich kein Problem, problematisch ist dies allerdings bei gemeinsamen Rad- und Gehwegen, da diese in der Regel im Winterdienst auf die Anlieger übertragen sind und daher oft nur schlecht und vor allem uneinheitlich betreut werden. Lässt sich die Führung des Hauptradwegenetzes über solche Strecken nicht vermeiden, sollte daher die Bedienung im Winterdienst wieder von den Anliegern zur Stadt zurückgenommen werden. Gleiches gilt für sehr schmale Radwege, die direkt neben dem Gehweg geführt werden, da auch diese sinnvoll nur gemeinsam maschinell betreut werden können.
Bild 3: Nicht geräumter/gestreuter Radweg neben Gehweg
4.1 Räumtechnik
Grundsätzlich ist auf Radwegen eine möglichst gute und vollständige Räumung erforderlich. Nicht nur, damit der Radweg möglichst gut und gefahrlos befahrbar ist, sondern vor allem auch, da eine gute Räumung den Einsatz von Streustoffen minimieren kann (siehe auch unter Streutechnik). Bei separaten Radwegen ist eine solche gute Räumung in der Regel problemlos möglich, sie kann statt mit dem Schneepflug auch mittels Kehrbesen erfolgen, da die auf den Radwegen eingesetzten Fahrzeuge in der Regel langsamer fahren und auch für die Reinigung Besen benötigen. Mittels Besen ist meist ein sehr sauberes Räumbild möglich, außer bei großen Schneemengen, die aber nur sehr selten auftreten.
Problem für die Räumung separater Radwege kann eine zu geringe Breite des Weges sein, wenn nämlich der seitliche Platz nicht mehr für die Schneeablage ausreicht, oder wenn mangelnde Durchfahrtsbreiten oder Tragfähigkeiten den maschinellen Einsatz verhindern.
Bei Radwegen, die direkt neben Gehwegen liegen, muss der Schnee auf die andere Seite geschoben werden. Zudem muss sichergestellt werden, dass die Anlieger ihre Gehwege ordentlich räumen, damit die Fußgänger nicht auf den Radweg ausweichen, sowie dass die Anlieger den Schnee nicht auf den Radweg schieben.
Bild 4: Beispiel für Schmalspurfahrzeug mit Kehrbesen und Streugerät
Bild 5: Zu schmaler Radweg neben Gehweg – im Winterdienst nur gemeinsam maschinell zu behandeln
Ein wesentlich größeres Problem besteht bei der Räumung von Radwegen, die auf der Fahrbahn verlaufen (Radfahrstreifen oder Schutzstreifen). In diesem Fall besteht nämlich das Problem, dass der Straßenwinterdienst beim Räumen in der Regel den Schnee auf den Radweg räumen muss, da die Räumbreite für beides nicht ausreicht und die Radwege am Fahrbahnrand liegen. Ein Zuräumen des Radwegs ist allerdings auch bei Radwegen geringer Bedeutung (die nicht zum Hauptnetz gehören) sehr problematisch und rechtlich nicht zulässig.
Bild 6: Zugeräumter Radfahrstreifen
Es muss daher bei Schneelage organisatorisch sichergestellt werden, dass der vom Straßenwinterdienst zur Seite geräumte Schnee dann möglichst unmittelbar vom Radwegwinterdienst weiter zur Seite geräumt wird. Der Winterdienst muss in diesen Fällen also entweder mit einer Räumstaffel (wie bei mehrstreifigen Straßen) oder in möglichst dichtem zeitlichen Versatz von Straßen- und Radwegwinterdienst erfolgen. In vielen Fällen reicht dann das Räumen mittels Besen nicht mehr aus, da größere Schneemengen geschoben werden müssen.
Gleiches gilt analog für die Räumung der Knotenpunkte, in denen die Radwege möglichst unmittelbar nach dem Straßenwinterdienst freigelegt werden sollten.
Ein weiteres Problem für den Winterdienst stellen Radfahrstreifen dar, die zwar Bestandteil der Fahrbahn sind, aber nicht nur abmarkiert, sondern über bauliche Elemente (z. B. Leitschwellen oder Leitborde) abgetrennt sind. Dies kann nicht nur Probleme bei der Durchfahrtsbreite bringen, sondern vor allem auch beim Räumen, da der Schnee nicht über diese Borde geschoben werden kann und auf beiden Seiten Schneeablageflächen fehlen. Zudem läuft ggf. Schmelzwasser vom abgelagerten Schnee der Fahrbahn auf den Radweg und gefriert dort wieder.
Ein effektiver Winterdienst auf Radfahrstreifen setzt also eine gute strategische Planung und gegenseitige Abstimmung der Einsätze im Hauptstraßennetz voraus.
4.2 Streustoffe und Streutechnik
Vorteil des Winterdienstes auf Radwegen ist, dass durch die langsamere Geschwindigkeit der Räumfahrzeuge eine intensivere Schneeräumung möglich ist, in vielen Fällen zumindest auf den separaten Radwegen statt mit Schneepflug mittels Kehrbesen oder auch zusätzlich unterstützt durch Besen. Durch die stärkere mechanische Räumung ist es in einigen Fällen nicht mehr nötig, Streustoffe aufzubringen, oder es genügen sehr geringe Streumengen.
Ein ganz besonderes Problem auf den Radwegen ist die Wahl des richtigen Streustoffs. Grundsätzlich wären im Bereich der Rad- und Gehwege salzfreie, also abstumpfende Stoffe zu favorisieren, da man hier gerade nahe des Begleitgrüns ist und oft keine separate Entwässerung hat. Auch weil gerade viele der Radfahrer ökologisch orientierte Menschen sind, waren lange Zeit auftauende Streustoffe (Salz) auf den Radwegen nicht erwünscht. So lange Radfahren im Winter ohnehin die Ausnahme war, genügte es auch oft, die Radwege im Winter gar nicht zu streuen oder abstumpfende Stoffe aufzubringen.
Doch abstumpfende Stoffe sind gerade auf Radwegen die schlechteste aller Lösungen. Bei den schmalen Radreifen können diese Stoffe kaum so dicht gestreut werden, dass sie überhaupt eine Verbesserung des Kraftschlusses zwischen Radreifen und Schneeauflage ebringen können. Bei Reifglätte, Glatteis und Eisglätte sind sie ohnehin wirkungslos. Unabhängig von dieser kaum gegebenen Wirksamkeit bei Glätte bringen sie auf der anderen Seite sogar Gefahren, insbesondere durch den Rollsplitteffekt der liegengebliebenen Splitt- oder Sandreste nach Abtauen der Winterglätte, der insbesondere bei Kurvenfahrten kritisch ist, aber auch durch die Gefahr von Reifenschäden infolge scharfkantiger Körner.
Bild 8: Mit Splitt abgestumpfter gemeinsamer Rad-/Gehweg
Ohnehin scheidet es bei Radfahrstreifen oder Schutzstreifen auf der Fahrbahn aus, innerhalb der Fahrbahnfläche verschiedene Streustoffe anzuwenden, da dies nicht nur sehr unsicher ist, sondern auch die Gefahr der Verschleppung der Streustoffe durch den Verkehr gegeben ist. So kämen abstumpfende Stoffe ohnehin nur für gesonderte Radwege in Betracht.
Bild 9: Restsplitt auf Rad-/Gehweg
Im Zuge von Ökobilanzen für den Straßenwinterdienst weiß man heute überdies, dass abstumpfende Stoffe keineswegs umweltfreundlicher sind als auftauende Stoffe, wenn letztere mit modernen Streutechniken in geringer Menge verwendet werden. Und dies gilt für alle Arten abstumpfender Stoffe, auch für solche, die vielerorts als ökologische Wundermittel gepriesen und eingesetzt werden; z. B. Blähton, für das eine sehr negative Ökobilanz existiert.
Im Lichte dieser mittlerweile unbestreitbaren Zusammenhänge ist es die einzig sinnvolle und zielführende Lösung, auf den Radwegen auftauende Stoffe im Winterdienst auszubringen, wenn dort gestreut werden soll (Hauptradwegenetz).
Wichtig ist dabei vor allen Dingen, dass zum einen eine möglichst besenreine Räumung der Flächen erfolgt, damit minimale Streumengen zur Glättebekämpfung ausreichen. Und zum anderen, dass die auftauenden Streustoffe mittels moderner Streutechniken in minimaler Menge dosiert und sehr gezielt aufgebracht werden. Dies bedeutet, dass auf Radwegen die Lösungsausbringung die optimale Streutechnik ist; sofern diese nicht verfügbar ist oder die Temperaturen sehr niedrig sind, wäre ggf. auch Feuchtsalz einzusetzen, allerdings möglichst kein Trockensalz.
Städte, die diese Technik auf Radwegen einsetzen (Besenreine Räumung plus Solestreuung), haben damit äußerst positive Erfahrungen gemacht, sowohl in Bezug auf die erreichten Fahrbahnzustände als auch bezüglich der sehr geringen Streumengen. Die Rückmeldungen aus der Bevölkerung, insbesondere von den Radfahrern sind ebenfalls sehr positiv. Ein Beispiel hierfür ist Hannover, aber auch andere Städte praktizieren dies zunehmend. Insbesondere auch im europäischen Ausland (Skandinavien, Niederlande, Österreich) gibt es entsprechende positive Erfahrungen, in Schweden wurde die positive Wirkung auf den Radverkehr und die Sicherheit der Radfahrer in einem Forschungsvorhaben nachgewiesen.
Bild 10: Optimal geräumter und gestreuter Radweg mit Besen und Sole (Beispiel Hannover)
4.3 Unterhaltungsfreundliche Gestaltung der Radwege
Ein effektiver Winterdienst ist angesichts der jüngsten Entwicklungen unbedingt erforderlich, um die Sicherheit des Radverkehrs im Winter zu gewährleisten und den Radverkehr auch im Winterhalbjahr attraktiv zu machen, so dass der Radverkehr einen größeren Anteil des Gesamtverkehrs insbesondere in den Städten aufnehmen kann.
Hierfür ist aber nicht nur der Ausbau der Radwege in den Städten sowie in den Verbindungen zwischen den Städten erforderlich, sondern dieser Ausbau muss durchgehend gut und sicher befahrbare Netze für den Radverkehr bringen. Hilfslösungen mit zu schmalen oder unvermittelt endenden Radwegen bringen hierbei keine Vorteile.
Bild 11: Plötzlich endender, zu schmaler Radweg
Um den Winterdienst (aber auch die anderen Betriebsarbeiten wie z. B. die Reinigung) effektiv durchführen zu können, müssen die Radwege ausreichend breit und ohne Hindernisse (insbesondere auch bei der Zufahrt) ausgestaltet werden, das Zuparken der Radwege muss (möglichst baulich) verhindert werden. Die in den Richtlinien geforderten Breiten für Radwege erfüllen auch die betrieblichen Anforderungen und sollten mindestens eingehalten werden. Bei der baulichen Dimensionierung und beim Bau von Kunstbauwerken ist auf die ausreichende Tragfähigkleit für Betriebsfahrzeuge zu achten.
5 Abschließende Empfehlungen
Zur Erreichung der verkehrs- und klimapolitischen Ziele ist der Radverkehr in den Städten und im Umfeld der Städte von hoher Bedeutung und hat bei entsprechender Förderung noch ein hohes Potenzial. Dies kann nicht nur durch einen guten Ausbau der Radwegenetze erschlossen werden, sondern auch durch einen guten und effektiven Winterdienst auf Radwegen, um das Radfahren auch im Winter attraktiv zu machen.
Derzeit besteht nämlich für Radfahrer im Winter ein extrem hohes Unfallrisiko, und etwa die Hälfte der Radfahrer, die bei unkritischer Witterung das Fahrrad als Verkehrsmittel benutzen, weichen bei winterlicher Witterung auf andere Verkehrsmittel aus. Und dies nach Befragung nicht wegen der Temperaturen, sondern vor allem wegen des schlechten Winterdienstes und der gefährlichen Zustände auf den Radwegen. Dass dies nicht so sein muss, zeigen Beispiele von Städten (auch im benachbarten Ausland), die nur sehr geringe Rückgänge des Radverkehrs im Winter aufweisen.
Hier besteht also noch erhebliches Potenzial, das über einen effektiven Winterdienst auf Radwegen kurzfristig gehoben werden kann. Dies erfordert allerdings:
- Ausweisung eines zusammenhängenden, gut ausgebauten Radwegenetzes für die winterdienstliche Betreuung,
- maschineller Winterdienst in diesem Netz vor Beginn der Hauptverkehrszeit,
- effektive und möglichst saubere Räumung der Radwegenetze vom Schnee, insbesondere auch der Radfahrstreifen auf den Fahrbahnen,
- effektive Bekämpfung der Restglätte mit Salzlösung oder Feuchtsalz.
Leider sieht die Realität in vielen Städten noch anders aus: Radwegenetze sind schlecht ausgebaut, sie werden im Winterdienst nicht, nicht zusammenhängend, viel zu spät oder ungenügend geräumt und gestreut. Radfahrstreifen auf Fahrbahnen werden beim Räumen zugeschoben und dienen als Schneeablagefläche.
Insbesondere ist es aber auch falsch verstandenes ökologisches Bewusstsein, das einen effektiven Winterdienst auf Radwegen verhindert: Derzeit streut noch etwa die Hälfte der Kommunen auf den Radwegen (wenn überhaupt) abstumpfende Streustoffe, weil man Salz als nicht umweltfreundlich ablehnt. Dies ist jedoch absolut falsch. Denn wie viele aktuelle Beispiele und Untersuchungen zeigen, führt eine effektive Räumung in Verbindung mit geringen Mengen an Salzlösung sogar zu doppelten ökologischen Vorteilen: Zum einen bringen gut und sicher befahrbare Radweg einen deutlichen Zuwachs im Radverkehr im Winter (zu Lasten des MIV) und damit deutliche Reduzierungen von Lärm- und Abgasbelastungen; Und zum anderen zeigen Ökobilanzen, dass im direkten Vergleich eine sparsame Salzanwendung deutlich umweltfreundlicher ist als das Ausbringen großer Mengen abstumpfender Stoffe.
Hier ist also dringend eine Aufklärung aller Beteiligten und Verantwortlichen sowie ein schnelles Umdenken in den Winterdienst-Strategien erforderlich. Der FGSV Arbeitsausschuss “Winterdienst” wird hierzu mit der Herausgabe einer Informationsschrift zum Winterdienst auf Radwegen beitragen.
Das Thema wird sowohl die Wissenschaft als auch die Praxis in nächster Zeit intensiv beschäftigen. Weitere Erkenntnisse können von dem jetzt startenden Forschungsvorhaben des Bundes zum Winterdienst auf Radwegen erwartet werden.
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