FGSV-Nr. FGSV A 45
Ort Leipzig
Datum 21.09.2021
Titel Temperaturabgesenkter Asphalt – Verfahren, Chancen, Risiken
Autoren Dipl.-Ing. André Täube
Kategorien Asphaltstraßen
Einleitung

Mit Beschluss vom 19. November 2019 hat der Ausschuss für Gefahrstoffe einen Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) für Dämpfe und Aerosole bei der Heißverarbeitung von Bitumen in Höhe von 1,5 mg/m³ verabschiedet, der anschließend durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in die Technischen Regeln für Gefahrstoffe „Arbeitsplatzgrenzwerte“ (TRGS 900) überführt und im Gemeinsamen Ministerialblatt (GMBl) bekannt gemacht wurde. Da dieser neue AGW im Asphaltstraßenbau derzeit noch nicht eingehalten werden kann, wurde eine Übergangsfrist von fünf Jahren beschlossen, in der dieser Grenzwert ausgesetzt ist. Diese Übergangsfrist endet am 31. Dezember 2024.

Die Anwendung Temperaturabgesenkter Asphalte wird nach derzeitigem Kenntnis- und Sachstand eine zentrale Rolle bei der Einhaltung des AGW spielen. Dieser Beitrag wird die verschiedenen Verfahren, mit denen eine Reduzierung der Herstellungs- und Verarbeitungstemperaturen erreicht werden kann, vorstellen und dabei auch auf die damit verbundenen Chancen für die Branche eingehen, ohne jedoch bestehende Risiken und noch vorhandene Wissens- oder Erfahrungslücken auszublenden.

PDF
Volltext

Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Stand der Technik

Im Folgenden werden die bisherige Verankerung der Temperaturabsenkung im Asphaltstraßenbau im Technischen Regelwerk beschrieben und die Veränderungen der letzten Jahre aufgezeigt.

1.1 Übergeordnete Regelwerke

Seit 2008 durften Gussasphalte nur noch mit einer abgesenkten Temperatur von maximal 230°C hergestellt und eingebaut werden. Realisiert werden konnte diese Vorgabe durch den Einsatz viskositätsverändernder Zusätze (VVZ) oder viskositätsveränderter Bindemittel (VVB) im Gussasphalt. Umgesetzt wurde dies in den „Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau von Verkehrsflächenbefestigungen aus Asphalt“ (ZTV Asphalt-StB 07) [1] und den „Technischen Lieferbedingungen für Asphaltmischgut für den Bau von Verkehrsflächenbefestigungen“ (TL Asphalt-StB 07) [2]. Seither gab es in Bezug auf die Temperaturabsenkung von Asphalt im R1-Regelwerk der FGSV keine Veränderungen mehr.

Ebenfalls Erwähnung findet die Temperaturabsenkung im Asphaltstraßenbau in den „Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten“ (ZTV-ING, Teil 5 Tunnelbau) [3]. Darin wird festgelegt, dass in Tunneln aus Gründen des Arbeitsschutzes Walzasphalt ausschließlich temperaturabgesenkt vorzusehen ist.

1.2 Nachgeordnete Regelwerke

Weiterentwicklungen und Veränderungen gab es hingegen im nachgeordneten Technischen Regelwerk. So fanden beispielsweise seit 2008 Untersuchungen zur Dauerhaftigkeit und zu den Oberflächeneigenschaften an bis zu acht Jahre alten Strecken mit temperaturabgesenktem Walzasphalt statt. Die Ergebnisse gingen in das „Merkblatt für Temperaturabsenkung von Asphalt“ (M TA, Ausgabe 2006) [4] ein, welches zunächst durch die Ausgabe 2011 [5] und schließlich vor Kurzem durch die Ausgabe 2021[6] ersetzt wurde. Das M TA beschränkt sich als R 2-Regelwerk, auch in der aktuellen Ausgabe, auf die Temperaturabsenkung von Asphalt mittels organischer oder mineralischer viskositätsverändernder Zusätze bzw. viskositätsveränderter Bindemittel. Darüber hinaus geht das Merkblatt auf die Verbesserung der Verarbeitbarkeit von Asphalt sowie die Möglichkeit einer früheren Verkehrsfreigabe ein. An der Gesteinsoberfläche aktiv wirkende chemische Zusätze oder Schaumbitumentechniken, die teilweise international schon eingesetzt werden, sind im M TA bislang nicht enthalten, da hierzulande noch keine ausreichenden Erfahrungen dazu vorliegen. Es wird allerdings im M TA ausgeführt, dass auch andere Verfahren „grundsätzlich geeignet“ sein können. Wesentliche Änderungen der Ausgabe 2021 gegenüber der vorherigen sind beispielsweise die Streichung des bisherigen Anhangs 1 und die Überarbeitung des bisherigen Anhangs 2.

Seit 2016 werden die viskositätsveränderten Bindemittel in den „Empfehlungen zur Klassifikation von viskositätsveränderten Bindemitteln” (E KvB) [7] beschrieben. In ihnen sind die entsprechenden Sortenbezeichnungen sowie die Beschreibung der physikalischen und rheologischen Eigenschaften besagter Bindemittel beschrieben. Die E KvB beinhalten sowohl mit organischen Zusätzen modifizierte gebrauchsfertige viskositätsveränderte StB-Bitumen als auch gebrauchsfertige viskositätsveränderte PmB. In naher Zukunft sollen die E KvB in eigenständige Technische Lieferbedingungen umgewandelt werden.

1.3 Weitere Dokumente

Die von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) herausgegebene „Erfahrungssammlung über die Verwendung von Fertigprodukten und Zusätzen zur Temperaturabsenkung von Asphalt“ [8] liegt mit dem Stand Juni 2017 vor. In ihrer ursprünglichen Version war sie die Basis des ersten M TA von 2006. Die Erfahrungssammlung wird zwar immer wieder aktualisiert, gibt aber dennoch nicht den aktuellen Stand wieder. So werden etwa Produkte genannt oder Bezeichnungen genutzt, die nicht mehr aktuell sind (Tabelle 1). Auch die E KvB werden nicht erwähnt. Hingegen ist die in der Erfahrungssammlung beschriebene Vorgehensweise zur Nachweisführung der Produkteignung heute bei Erprobungsstrecken nach dem Allgemeinen Rundschreiben Straßenbau Nr. 09/2021 „Durchführung von Erprobungsstrecken bei Baumaßnahmen an Bundesfernstraßen zum Einsatz von temperaturabgesenktem Walzasphalt in Verbindung mit Absaugeinrichtungen am Straßenfertiger“ [9] noch in Anwendung.

Tabelle 1: Produkte für die Temperaturabsenkung von Walzasphalt in der „BASt-Erfahrungssammlung“

Außerdem erschien bereits 2009 beim Deutschen Asphaltverband der technische Leitfaden „Temperaturabgesenkte Asphalte“ [10]. Der von einem kompetenten Autorenteam erstellte Leitfaden bietet neben einer allgemeinen Einführung, bautechnischen Grundlagen, Informationen zu den Baustoffen, zur Asphaltmischgutherstellung, zum Einbau sowie zu den Prüfungen an. Außerdem beinhaltet er Hinweise zur Leistungsbeschreibung, Mängelansprüchen und Abrechnung, zur Wiederverwendung und blickt auf Verfahren und Erfahrungen im Ausland. Hinsichtlich der unterschiedlichen viskositätsverändernden Zusätze bzw. viskositätsveränderten Bindemittel ist der Technische Leitfaden nach wie vor aktuell.

Bild 1: DAV-Leitfaden Temperatur abgesenkte Asphalte

2 Verfahren

Der denkbar einfachste Weg zur Durchführung einer Temperaturabsenkung von Asphalt wäre tatsächlich, zunächst einfach die Herstell- und Einbautemperaturen im Rahmen der vorgegebenen Grenzwerte abzusenken. So wäre eine Reduzierung der Temperatur beispielsweise bei größeren Schichtdicken, wie etwa Asphalttragschichten oder Asphalttragdeckschichten, durchaus möglich. Dabei sind natürlich zahlreiche Randbedingungen, allem voran jedoch die Witterung, zu beachten.

Die verschiedenen Verfahren zur Temperaturabsenkung von Asphalt sind in dem folgenden Bild 2 ersichtlich und werden im weiteren Verlauf dieses Dokumentes näher erläutert.

Bild 2: Verfahren zur Herstellung von Temperaturabgesenktem Asphalt

Eine aktuelle Übersicht aller möglichen Verfahren zur Temperaturabsenkung im Asphaltstraßenbau bietet das Technisches Informationspapier des Deutschen Asphaltverbandes „Niedrigtemperaturasphalt (NTA)“ (TIP NTA) [11]. Es kann kostenlos auf der Homepage des Verbandes unter www.asphalt.de heruntergeladen werden (Bild 3). Neben einer allgemeinen Definition zu Niedrigtemperaturasphalt enthält das Informationspapier Auskünfte zu Wiederverwendbarkeit, Auswirkungen auf den Umwelt- und Gesundheitsschutz, Herstellung, Transport, Einbau und Verdichtung, sowie zu organischen, chemischen und mineralischen Zusätzen, als auch zum Schaumbitumen.

Bild 3: Link zum TIP NTA des DAV

Das von Mitgliedern der Arbeitsgruppe Asphalttechnik des Deutschen Asphaltverbandes erarbeitete Papier soll fortlaufend aktualisiert und angepasst werden, da die Entwicklungen in diesem Bereich sehr dynamisch verlaufen. In der Fachzeitschrift „asphalt“ (Ausgabe 5/2021) ist die Entstehungsgeschichte dieses Papieres nachzulesen.

2.1 Organische VVZ

Viskositätsverändernde organische Zusätze werden entweder direkt bei der Herstellung des Asphaltmischgutes eingesetzt oder zur Herstellung von viskositätsveränderten Bindemitteln verwendet. Letztere Fertigprodukte werden in speziellen Aufbereitungsanlagen produziert und gebrauchsfertig ausgeliefert. So wird eine homogene Verteilung des Zusatzes im Bindemittel gewährleistet. Die bisher zum Einsatz kommenden viskositätsverändernden organischen Zusätze, mit denen umfangreiche Erfahrungen vorliegen, können grundsätzlich in vier verschiedene Gruppen eingeordnet werden:

  • Fischer-Tropsch-Wachse,
  • Fettsäureamide,
  • Montanwachse,
  • Polyethylen-Wachse (PE-Wachse).

Bild 4: Übersicht der derzeit verfügbaren organischen VVZ

Die viskositätsverändernden organischen Zusätze (entweder in einem Fertigprodukt oder an der Asphaltmischanlage zugegeben) senken die Viskosität des Bindemittels bei hohen Temperaturen und ermöglichen somit die Reduzierung der Misch- und Einbautemperaturen. Die Temperatur, bei der eine Änderung der Viskosität eintritt, wurde bislang immer als Erstarrungspunkt (bei Abkühlung) bzw. Tropfpunkt (bei Erhitzung) eines Zusatzes angegeben. Bei Asphalttemperaturen unterhalb des Erstarrungspunktes wird der Effekt der Viskositätsminderung aufgehoben oder kehrt sich sogar um (siehe Bild 5), das heißt die Steifigkeit des Bindemittels im Asphalt ist dann wieder genauso hoch oder sogar noch höher, als bei einem vergleichbaren herkömmlichen Bindemittel ohne Zusatz. Dadurch ergibt sich ein höherer Beitrag des Bindemittels zur Verformungsbeständigkeit des Asphaltes. Bei diesem Phasenübergang handelt es sich aber nicht um einen punktuellen Temperaturwert, sondern vielmehr um einen Temperaturbereich.

Bild 5: Phasenübergangsbereich

Die Bezeichnung der Temperaturbereiche der Viskositätsänderung haben sich mit dem neuen M TA 2021 geändert. Statt vom Tropf- und Erstarrungspunkt zu reden, wird nun bei den reinen Zusätzen der Schmelzbereich angegeben (Bild 6). Die vorliegenden Werte zeigen, dass Amidwachse im Wesentlichen für den Gebrauch im Gussasphalt Anwendung finden.

Bild 6: Typische Schmelzbereiche von organischen VVZ

Für die Herstellung von viskositätsveränderten Bindemitteln sind Straßenbaubitumen nach DIN EN 12591 oder gebrauchsfertige Polymermodifizierte Bitumen nach DIN EN 14023 zu verwenden. Wie schon erwähnt, werden diese Fertigbindemittel in den E KvB geregelt. Auch in diesem Regelwerk werden die Temperaturbereiche der Viskositätsänderung angegeben, und zwar durch folgende Abkürzungen:

  • VH: Phasenübergangstemperatur größer/gleich 100 °C; „high phase transition temperature“,
  • VL: Phasenübergangstemperatur kleiner 100 °C; „low phase transition temperature“.

Bild 7: Für eine reine Temperaturabsenkung von Asphalt eignen sich besonders VL-Produkte [7]

2.2      Chemische Zusätze

Im Markt der chemischen Additive zur Temperaturabsenkung hat es in den letzten Jahren eine dynamische Entwicklung gegeben (Bild 8). Mit Arkema, BASF, Cargill, Ingevity oder Julius Hoesch stehen Konzerne hinter den Neuentwicklungen, die für ihre Marken große Erfahrungswerte, teilweise aus dem Ausland, vorlegen können.

Bild 8: Chemische Zusätze zur Temperaturabsenkung von Asphalt

Die Modifizierung von Bindemitteln mit chemischen Additiven, die typischerweise eine hohe Polarität der Moleküle aufweisen, erfolgt primär mit dem Ziel der Verbesserung der Adhäsion. Die ins Bindemittel eingemischten Additive erhöhen die Grenzflächenaktivität zwischen Gesteinsoberfläche und Bindemittel. Die weitere Zielsetzung bei der Anwendung dieser Produkte ist das Herbeiführen einer grenzflächenbeeinflussenden Wirkung im Asphaltmischgut, die zu einer Herabsetzung der inneren Reibung im Bereich der Verarbeitungstemperatur führen soll. Empirisch lassen sich damit signifikante Verdichtungserleichterungen erzielen, die ein Absenken der Produktionstemperatur ermöglichen.

Ein Vorteil der Verwendung chemischer Additive ist, dass diese üblicherweise keine dauerhafte rheologische Veränderung des Bindemittels herbeiführen. Nach Abschluss der Verdichtungsarbeit sind weder Einflüsse auf das Verhalten bei hohen Temperaturen noch auf das Tieftemperaturverhalten (Rissempfindlichkeit) des Asphaltes zu erwarten.

Einen Sonderfall stellt das Produkt B2Last der BASF dar, was hinsichtlich seiner Wirkweise nicht mit den anderen chemischen Zusätzen vergleichbar ist. Es handelt sich um ein Reaktivprodukt auf Monomerbasis, das mit den Bitumenbestandteilen eine Netzstruktur ausbildet. B2Last wird dabei in das Netzwerk eingebunden und über den Verlauf der Reaktivmodifizierung vollständig umgesetzt

2.3 Mineralische Zusätze

Von den Verfahren zur Reduzierung der Herstell‐ und Verarbeitungstemperaturen unter Zugabe viskositätsverändernder mineralischer Zusätze hat sich bei Walzasphalten die Zugabe von synthetischem Zeolith bewährt. Seit langem sind die im M TA behandelten synthetischen Zeolithe am Markt verfügbar und bewährt. Durch ihre Zugabe im Mischprozess wird gezielt feindisperser Wasserdampf freigesetzt, der zur Bildung von Mikroporen im Bitumen führt. Dieser Aufschäumeffekt führt zu einer Volumenvergrößerung des Bitumens. Die feinteiligen Wasserdampfbläschen bilden Mikroporen, die die Viskosität des Asphaltmörtels reduzieren. Dadurch werden die Verdichtungswilligkeit und die Verarbeitbarkeit des Asphaltmischgutes bei niedrigen Temperaturen deutlich erhöht. Da das Kristallwasser nicht abrupt, sondern kontinuierlich abgegeben wird, hält der beschriebene Effekt über einen längeren Zeitraum bis zum Abkühlen des Asphaltmischgutes auf unter 100 °C oder dem kompletten Freisetzen des gebundenen Wasseranteils an. Letzteres kann bis zu acht Stunden dauern.

Eine chemische oder anderweitige Veränderung des Bindemittels findet nicht statt. Damit bleibt auch die Rheologie der reinen Bindemittelphase (z. B. der Erweichungspunkt Ring und Kugel) unverändert, wodurch eine spätere Wiederverwendung des Asphaltes problemlos erfolgen kann. Der Einsatz von Zeolithen ist unabhängig von der verwendeten Asphaltmischgut- oder Bindemittelart und auch unabhängig vom jeweiligen Asphaltgranulatanteil möglich. Damit kann eine Anwendung in allen Schichten des Asphaltstraßenbaus erfolgen.

2.4 Schaumbitumen

Das Grundprinzip von Schaumbitumen beruht auf der gezielten Zugabe von Wasser zum heißen Bitumen. Durch das Zusammentreffen der beiden Komponenten wird das Wasser verdampft. Der entstehende Wasserdampf dehnt sich schlagartig aus und führt zu einem Aufschäumen des Bitumens, wodurch sich die spezifische Oberfläche stark erhöht. Der Bitumenschaum verhält sich somit gegenüber dem flüssigen Bitumen wie ein Stoff mit verminderter Viskosität. Die vergrößerte Oberfläche führt zu einer verbesserten Benetzung der Gesteinskörnungen im Mischer. Hierdurch können die Gesteinskörnungen auch bei niedrigerer Temperatur ausreichend umhüllt und das Asphaltmischgut durchmischt und homogenisiert werden.

In der FGSV wurde Anfang 2021 der Arbeitskreis 7.4.4 Schaumbitumen gegründet, um die Umsetzung dieser Technologie im künftigen Technischen Regelwerk zu behandeln. Zudem wurde im Mai 2021 das Forschungsvorhaben „Verfahrenstechnische, bautechnische und energetische Eignung der Schaumbitumentechnologie zur Herstellung von Warmasphalt unter Mitverwendung von Asphaltgranulat“, gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages, über das Deutsche Asphaltinstitut (DAI) e.V. gestartet, welches unter anderem den Einsatz von Schaumbitumen großtechnisch erprobt, auch bei Mitverwendung von Asphaltgranulat. Mit der Durchführung des Forschungsvorhabens wurde der Lehrstuhl für Verkehrswegebau der Ruhr-Universität Bochum unter der Leitung von Prof. Dr. Martin Radenberg beauftragt.

3 Risiken – Chancen – Ausblick

Wie bei jeder technischen Weiterentwicklung, gibt es auch bei der Temperaturabsenkung im Asphaltstraßenbau Risiken, die beachtet werden müssen. So kann es beispielsweise aufgrund von Verklumpungen (bei chemischen Zusätzen) oder zu geringer Stabilität des Schaums (bei Schaumbitumen) zu einer schlechten bzw. schlechteren Verarbeitbarkeit kommen. Auch Verdichtungsprobleme bei zu spätem Walzeneinsatz (bei organischen Zusätzen), insbesondere bei Vibrationsverdichtung, sind bisweilen beobachtet worden. Schließlich könnte auch ein mangelnder Schichtenverbund aus Anwendungsfehlern resultieren. Dies alles sind Gründe, warum Temperaturabgesenkter Asphalt bislang für Walzasphalt, mit Ausnahme des Einbaus in Tunneln und Trogbauwerken, nicht als Regelbauweise im Technischen Regelwerk verankert wurde.

Demgegenüber stehen jedoch positiven Auswirkungen, die mit dieser Bauweise verbunden sind und die dazu führen werden, dass Asphaltstraßenbau voraussichtlich zukünftig standardmäßig mit Niedrigtemperaturasphalt ausgeführt wird, und dies nicht nur bedingt durch den Arbeitsplatzgrenzwert für Dämpfe und Aerosole aus Bitumen. Zu diesen positiven Aspekten zählen beispielsweise der geringere Energieverbrauch bei der Herstellung von Asphalt, damit einhergehend eine Reduzierung der CO2-Emissionen sowie eine durch die niedrigeren Temperaturen bewirkte geringere Bindemittelalterung. Darüber hinaus sorgen die positiven Auswirkungen auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie eine größere Nachhaltigkeit für eine höhere Akzeptanz und ein verbessertes Image bei Politik und Bevölkerung und helfen so der gesamten Asphaltbauweise.

Zusammenfassend kann gesagt werden: Die Temperaturabsenkung von Asphalt ist keinesfalls neu; zahlreiche Forschungsvorhaben wurden hierzu bereits durchgeführt und veröffentlicht. Zudem ist die Temperaturabsenkung von Asphalt im Ausland bereits weiterverbreitet als in Deutschland. Jedoch darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Temperaturabsenkung für die Asphaltbauweise zwar alternativlos, aber nicht völlig risikofrei ist. Deshalb ist die Weiterentwicklung und weitere Erprobung geboten und auch bereits gestartet. So läuft beispielsweise derzeit die Überprüfung der Wirksamkeit der einzelnen Verfahren zur Temperaturabsenkung hinsichtlich der Reduzierung der Arbeitsplatzexpositionen. Als äußerst vorbildlich ist diesbezüglich die Haltung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) hervorzuheben. Durch das Allgemeine Rundschreiben Straßenbau (ARS) Nr. 09/2021 kommt es zu einer partnerschaftlichen und lösungsorientierten Zusammenarbeit aller Beteiligten. Allerdings ist die ablehnende Haltung einzelner Bundesländer in Bezug auf die Umsetzung dieses ARS bei eigenen Maßnahmen aufgrund der Bedeutung dieser Erprobungsstrecken für den zukünftigen Erhalt und weiteren Ausbau unserer Verkehrsinfrastruktur kaum nachvollziehbar und sollte deshalb überdacht werden.

Literaturverzeichnis

  1. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau von Verkehrsflächenbefestigungen aus Asphalt (ZTV Asphalt-StB), Ausgabe 2007, Köln (FGSV 799)
  2. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Lieferbedingungen für Asphaltmischgut für den Bau von Verkehrsflächenbefestigungen (TL Asphalt-StB), Ausgabe 2007, Köln (FGSV 797)
  3. Bundesanstalt für Straßenwesen: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten ZTV-ING Teil 5 Tunnelbau, Abschnitt 1, Geschlossene Bauweise, Stand: 2018/01
  4. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Merkblatt für Temperaturabsenkung von Asphalt (M TA), Ausgabe 2006, Köln
  5. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Merkblatt für Temperaturabsenkung von Asphalt (M TA), Ausgabe 2011, Köln
  6. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Merkblatt für Temperaturabsenkung von Asphalt (M TA), Ausgabe 2021, Köln (FGSV 766)
  7. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Empfehlungen zur Klassifikation von viskositätsveränderten Bindemitteln (E KvB), Ausgabe 2016, Köln (FGSV 727)
  8. Bundesanstalt für Straßenwesen: Erfahrungssammlung über die Verwendung von Fertigprodukten und Zusätzen zur Temperaturabsenkung von Asphalt, Stand: Juni 2017, Bergisch Gladbach, 2017
  9. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur: Allgemeines Rundschreiben Straßenbau 09/2021, Betreff: Durchführung von Erprobungsstrecken bei Baumaßnahmen an Bundesfernstraßen zum Einsatz von temperaturabgesenktem Walzasphalt in Verbindung mit Absaugeinrichtungen am Straßenfertiger, Bonn, 2021
  10. Deutscher Asphaltverband: Leitfaden Temperaturabgesenkte Asphalte, Bonn, 2009
  11. Deutscher Asphaltverband: Technisches Informationspapier des Deutschen Asphaltverbandes – Niedrigtemperaturasphalt (NTA), Bonn, 2021