FGSV-Nr. FGSV 002/140
Ort Stuttgart
Datum 13.03.2024
Titel Generierung von Aktivitätenplänen für agenten-basierte Nachfragemodelle
Autoren Anna S. Reiffer
Kategorien HEUREKA
Einleitung

Kurzfassung

Aktivitätenbasierte Verkehrsnachfragemodelle haben Fortschritte gemacht, fokussieren jedoch meist auf einzelne Tage, verwenden oft vereinfachte Aktivitätenhierarchien und berücksichtigen selten Haushaltsinteraktionen. In diesem Beitrag wird ein Modellansatz zur Generierung von Aktivitätenplänen für eine Woche unter Berücksichtigung von Interaktionen zwischen Haushaltsmitgliedern vorgestellt. Dazu wird im ersten Schritt für jeden Haushalt die gesamte Zeitverwendung je Aktivität für eine Woche bestimmt. Basierend auf der Zeitverwendung eines Haushaltes, wird zur Generierung von Aktivitätenepisoden ein Mulitkriterielles Lineares Optimierungsproblem formuliert. Dieses dient als Input für ein Constraint-based Optimierungsproblem zur Erstellung von Aktivitätenplänen. Das Modell eignet sich als Grundlage für agenten-basierte Verkehrsnachfragemodelle.

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1 Einleitung

In den letzten Jahren haben sich Verkehrsnachfragemodelle erheblich weiterentwickelt. In der Forschung, aber teilweise auch in der Praxis, haben sich mikroskopische Ansätze weitestgehend durchgesetzt. Dabei wird das Verkehrsverhalten einzelner Personen abgebildet. Diese Modelle lassen sich in aktivitätenbasierte und wegebasierte Ansätze einteilen. Im Gegensatz zu wegebasierten Modellen beruhen aktivitätenbasierte Ansätze auf der zugrundeliegenden Motivation der Verkehrsnachfrage, nämlich dass Personen Ortswechsel durchführen, um verschiedenen Aktivitäten nachzugehen [1]. In diesen Modellen wird jeder Person ein Aktivitätenplan bestehend aus sequentiell aufeinander folgenden Aktivitäten, deren Startzeit und Dauer zugeordnet. Verkehr entsteht folglich, wenn diese Personen von einer Aktivität zur nächsten reisen. Die Zuordnung oder Modellierung der Aktivitätenpläne erfolgt dabei basierend auf individuellen soziodemographischen Eigenschaften der Personen. Da dadurch ein hoher Detailgrad erreicht werden kann, gelten diese Ansätze als maßnahmensensitiver als wegebasierte Modelle.

Obwohl in den letzten Jahren viele fortgeschrittene Modelle zur Generierung von Aktivitätenmodellen vorgestellt wurden, besteht weiterhin Forschungsbedarf (siehe z. B. [2]). Bisher berücksichtigen nur wenige Modelle Interaktionen zwischen Haushaltsmitgliedern. Diese sind zum einen für Verkehrsnachfragemodelle von Bedeutung, da nur so gemeinsam zurückgelegte Wege berücksichtigt werden können. Zum anderen können nur durch die Betrachtung verschiedener Haushaltsmitglieder entsprechende Unterschiede in Rollenverteilungen abgebildet und analysiert werden.

Darüber hinaus basieren viele Ansätze auf einer sequentiellen Generierung verschiedener Aktivitäten, d. h. es wird z. B. zunächst ermittelt, wie viele Arbeitsaktivitäten eine Person durchführt, dann werden Einkaufsaktivitäten und schließlich Freizeitaktivitäten ermittelt. Dies impliziert eine Hierarchie der Aktivitäten und es findet kein gegenseitiges Abwägen der Aktivitäten statt. Darüber hinaus werden häufig hart implementierte Regeln verwendet, um sinnvolle Aktivitätspläne zu erhalten. Diese sind jedoch nur begrenzt sensitiv, da sie nicht auf dem Verhalten der Personen basieren, sondern von den Entwicklern festgelegt werden.

Außerdem betrachten die meisten Modelle nur einen Tag. Dies ist nicht ausreichend, um die täglichen Variationen in den Aktivitätenplänen zu berücksichtigen [3].

In diesem Beitrag wird ein Modellansatz zur Generierung von Aktivitätenplänen für eine Woche unter Berücksichtigung von Interaktionen zwischen Haushaltsmitgliedern vorgestellt. Die so generierten Aktivitätenpläne bilden die Grundlage für agenten-basierte Nachfragemodelle wie mobiTopp [4] oder MATSim [5]. Der Rest der Arbeit ist wie folgt strukturiert: Zunächst erfolgt eine Übersicht über aktuelle Modelle zur Generierung von Aktivitätenplänen. Darauf folgt eine kurze Beschreibung der Datengrundlage und ein Überblick über den gesamten Modellaufbau. Anschließend wird das MDCEV-Modell eingeführt und anschließend der Optimierungsansatz zur Generierung von Aktivitäten und deren Planung im Verlauf der Woche beschrieben. Daraufhin werden die Ergebnisse der Modellanwendung präsentiert und diskutiert. Der Beitrag schließt mit einem Fazit zu dem in diesem Beitrag präsentierten Modellansatz und möglichen zukünftigen Entwicklungen ab.

2 Stand der Technik

Aktivitätsbasierte Ansätze können in regelbasierte und ökonometrische Modelle unterteilt werden. Regelbasierte Modelle verwenden fest codierte Regeln und Heuristiken, was ihre Implementierung erleichtert. Dies beschränkt jedoch ihre die Abbildung realistischen Verhaltens und die Möglichkeit, Modellergebnisse zu verallgemeinern. Ökonometrische Ansätze adressieren diese Einschränkungen teilweise, indem sie individuelle Entscheidungen nicht durch Regeln und Heuristiken, sondern auf Grundlage des Prinzips der Nutzenmaximierung modellieren. Bowman und Ben-Akiva präsentierten den ersten disaggregierten aktivitätsbasierten Ansatz, der Aktivitätspläne generiert, indem individuelle Entscheidungen sequenziell durch (nested) Logit-Modelle modelliert werden [6]. Obwohl das sequenzielle Modell von Entscheidungen nach wie vor ein beliebter Ansatz in aktivitätsbasierten Verkehrsnachfragemodellen ist, hat die Methode einige Einschränkungen. Die Reihenfolge, in der die Entscheidungen im Modell betrachtet werden, legt nahe, dass es starre Hierarchie unter den individuellen Entscheidungen gibt. Diese möglicherweise willkürliche Reihenfolge erlaubt keine Berücksichtigung von Abwägungen zwischen allen Alternativen. Diese Einschränkung hat zur Entwicklung und Anwendung des ”Multiple Discrete-Continuous Extreme Value”(MDCEV)-Modells geführt [7, 8]. Bei diesem Ansatz betrachten Individuen Alternativen nicht als perfekte Substitutionen füreinander, sondern gleichzeitig als eine Kombination verschiedener Aktivitäten und der für sie aufgewendeten Zeit, unter Berücksichtigung einer zeitlichen Budgetbeschränkung. Während die erste Formulierung des Modells nur die Modellierung der aggregierten Zeitverwendung für jede Aktivitätsart zuließ, zeigen neuere Studien, dass das Modell auch Aktivitätssequenzen [9] und deren Reihenfolge berücksichtigen kann [10].

Ein weiterer Ansatz, um einige der Einschränkungen sequenzieller Modelle zu überwinden, besteht darin, Abwägungen zwischen täglichen Planungsoptionen durch Formulierung eines Optimierungsproblems zu berücksichtigen [11, 12, 13]. Bei diesem Ansatz besteht das Ziel darin, den Nutzen des Zeitplans einer Person durch ein gemischt-ganzzahliges lineares Programm zu maximieren.

Obwohl die vorgestellten Ansätze alle den Stand der Technik bei aktivitätsbasierten Modellen verbessern, sind einige Einschränkungen zu beachten. Erstens berücksichtigen sie nur Aktivitäten und deren Zeitpläne für einen Tag. Bisherige Arbeiten betonen jedoch die Bedeutung der Berücksichtigung mehrerer Tage für eine realistischere Simulation des Reiseverhaltens innerhalb von Verkehrsnachfragemodellen [3, 14]. Hilgert präsentiert in seiner Dissertation eines der wenigen Modelle, das Pläne für den Zeitraum von einer Woche generiert [15]. Dieses ist allerdings auch an das von Bowman und Ben-Akiva entwickelte Modell der sequentiellen Erstellung von Aktivitäten angelehnt, womit die oben genannten Nachteile einhergehen.

Darüber hinaus werden in bisherigen Modellen meist alle Entscheidungen auf individueller Ebene betrachtet, und die meisten Studien berücksichtigen den Kontext des Haushalts nicht ausreichend [2]. Während dies für einige Aktivitäten wie Arbeit oder arbeitsbezogene Aktivitäten sinnvoll ist, beeinflusst der Haushaltskontext, wer bestimmte Aktivitäten durchführt, wie z. B. Einkäufe oder Begleitaktivitäten. Die Interaktion von Aktivitäten innerhalb des Haushalts wurde in der Vergangenheit häufig analysiert [16, 17, 18, 19, 20, 21, 22], doch nur wenige Studien haben sie in aktivitäten-basierten Modelle integriert.

In der Literatur wurde in den letzten Jahren Ansätze vorgestellt, in denen Haushaltsinteraktionen ganzheitlicher betrachtet werden [9, 12, 10]. Die vorgestellten Arbeiten konzentrieren sich jedoch auch auf einen einzelnen Tag von Aktivitäten, und die vorgeschlagenen Ansätze können nicht ohne Weiteres vom Ein-Tages-Kontext auf den Sieben-Tage-Kontext übertragen werden. Die Berücksichtigung von Sieben-Tage-Plänen und des Haushaltskontexts erhöht die Dimensionen der Modelle bedeutend, wodurch die Optimierungsprobleme zu groß werden, um innerhalb einer adäquaten Laufzeit eine Lösung zu finden. Darüber hinaus kann man in Frage stellen, ob die zugrunde liegenden Annahmen bezüglich der Alternativen bei der Planung von Aktivitäten auch im Sieben-Tage-Kontext gültig bleiben. Die Nutzentheorie geht davon aus, dass Personen alle möglichen Alternativen innerhalb eines Choicesets kennen und diejenige auswählen, die ihren Nutzen maximiert. Manser et al. [11] gehen auf das Problem dieser Annahme bei der Modellierung von Aktivitätsplänen ein und stellen eine Methode zur Generierung eines realisierbaren Wahlsets vor. Obwohl die Autoren einen sinnvollen Ansatz für Ein-Tages-Aktivitätspläne vorschlagen, ist fraglich, ob Aktivitätspläne für eine Woche tatsächlich daraus resultieren, dass Personen aus einer Reihe von Alternativplänen wählen, oder ob sie vielmehr Aktivitäten so planen, dass sie eine Reihe von Einschränkungen erfüllen.

In diesem Beitrag wird ein Modell vorgestellt, das die Idee der Aktivitätsgenerierung durch ein MDCEV-Modell und die Planung mithilfe eines Optimierungsansatzes kombiniert, wobei Interaktionen zwischen Haushaltsmitgliedern in allen Schritten explizit berücksichtigt wird.

3 Modell zur Generierung von Aktivitätenplänen

3.1 Datengrundlage

Die in diesem Beitrag verwendeten Daten stammen aus dem Deutschen Mobilitätspanel (MOP), einer Längsschnittstudie, die zwischen 1994-2023 jährlich durchgeführt wurde. In der Erhebung berichten die Teilnehmer ihr Verkehrsverhalten in einem Wegetagebuch über eine Woche und geben zusätzlich Informationen zu ihrer Person und zum Haushalt an. Für diese Arbeit wurden Daten aus den Jahren 2016 bis 2019 verwendet, die Daten zu 4.564 Haushalten enthalten. Da die Daten mit einem Wegetagebuch und nicht basierend auf einer Zeitverwendungserhebung erhoben wurden, wurden die Daten zunächst so aufbereitet, dass sie den Daten einer Zeitverwendungsstudie entsprechen. Dazu wird der Beginn jedes Tagebuchs auf 00:00 Uhr des ersten Tages des Erhebungszeitraums gesetzt und die Aktivität bis zur ersten Fahrt im Wegetagebuch auf zuhause gesetzt. Dieser Vorgang wird für die letzte Aktivität im Erhebungszeitraum wiederholt und das Ende des Tagebuchs auf Mitternacht des letzten zugewiesenen Erhebungstages gesetzt. Anschließend wird die Zeitverwendung für jede Aktivität und Person im Haushalt ermittelt und die Werte werden auf Haushaltsebene zusammengefasst. Im Modell werden folgende Aktivitäten unterschieden: Zuhause, Arbeit (im Büro und im Home-Office), Einkaufen (gemeinsam und allein) und Freizeit (gemeinsam und alleine). Darüber hinaus fließen verschiedene soziodemographische Merkmale der Personen und des Haushalts in das Modell ein.

3.2 Modellaufbau

Das in dieser Arbeit vorgestellte Modell ist in drei Teile gegliedert: Zunächst wird für jeden Haushalt die gesamte Zeitverwendung je Aktivität für eine Woche bestimmt. Basierend auf der Zeitverwendung werden für jedes Haushaltsmitglied ein Aktivitätenrahmenplan erstellt und im letzten Teil werden die exakten Startzeitpunkte aller Episoden in den Plänen und deren Dauer bestimmt. Die letzten beiden Schritte erfolgen durch die Lösung von zwei Optimierungsproblemen. Diese wurden in IBM ILOG CPLEX [23] implementiert. Die einzelnen Modellteile werden im Folgenden genauer beschrieben.

3.3 Bestimmung der Zeitverwendung je Aktivität

Die Zeitverwendung je Aktivität innerhalb eines Haushalts wird basierend auf dem von Bhat [7, 8] präsentierten Multiple Discrete Continuous Extreme Value Model (MDCEV) bestimmt. Dabei werden die Aktivitäten als diskrete Alternativen berücksichtigt und die Zeitverwendung je Aktivität als kontinuierliche Größe betrachtet unter der Berücksichtigung des Zeitbudgets eines Haushaltes. Der Vorteil gegenüber diskreten Wahlmodellen wie einem Logit-Modell liegt darin, dass mehrere Alternativen gewählt werden können und die Dauer der verschiedenen Aktivitäten gegeneinander abgewogen wird. Während der Entwicklung des Modells wurden verschiedene Konfigurationen getestet, wobei sich gezeigt hat, dass aufgrund der Korrelation von Arbeitsaktivitäten (Arbeit, geschäftliche Aktivitäten, Heimarbeit) ein Nested-Modell (Multiple Discrete Continuous Extreme Value Model - MDCNEV) geeigneter ist [24].

Die Nutzenfunktion sowohl im MDCEV als auch MDCNEV ist gegeben durch

Formel in der PDF

unter der Nebenbedingung, dass das Zeitbudget B des Haushalts eingehalten wird:

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Dabei ist K die Anzahl der Alternativen und xk die Zeitverwendung je Aktvitität k. In dem hier vorgestellten Modell wird der Zeitraum von einer Woche berücksichtigt, wodurch sich das Zeitbudget B eines Haushalts aus dem Produkt von 10.080 Minuten und der Anzahl Haushaltsmitglieder ergibt. ψk ist der Grundnutzen der Alternative k, d. h. der Grenznutzen der Alternative bei 0 Minuten Zeitverwendung. Die Parameter α und γ dienen als Sättigungsparameter. Eine vollständige Übersicht über die Funktion der einzelnen Parameter ist in [8] gegeben. Wie in Logit-Modellen, können die Ausdrücke ψ und γ parametrisiert werden:

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wobei zk die soziodemographischen Eigenschaften des Haushaltes h berücksichtigen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Kombination an Alternativen gewählt wird, ist für das MDC-NEV Modell wie folgt definiert:

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Dabei ist θi der Parameter zum zugehörigen Nest i. Die Werte, die diese Parameter annehmen, entsprechen denen der Nest-Parameter bei einem Nested-Logit Modell ([25]). Die Werte sollten zwischen 0 und 1 liegen, wobei ein Wert von 1 bedeutet, dass keine Korrelation zwischen den Alternativen innerhalb dieses Nestes vorliegt und das Modell dem MDCEV-Modell ohne Nest-Struktur entspricht. Der Ausdruck sum(Xrs) ist die Summe der Elemente einer Zeilenmatrix Xrs. Für eine nähere Beschreibung der Matrix, siehe [26]. Die Variable SM beschreibt das Nest, dass die M Alternativen enthält und qSM die davon gewählten Alternativen. Die Menge CA beschreibt die Menge der gewählten Alternativen. Zuletzt bezeichnet die Variable x die optimale Zeitverwendung und J die Jacobi-Matrix. Basierend auf dieser Formulierung der Wahrscheinlichkeit können die Parameter in den Gleichungen 3 und 4 geschätzt werden. Im Zuge dieser Arbeit erfolgte die Parameterschätzung in der Software R [27] basierend auf dem Paket Apollo [28, 29].

Das Ergebnis der Anwendung dieser Parameter auf eine synthetische Bevölkerung in einem agenten-basierten Verkehrsnachfragemodell liefert die Zeitverwendung pro Aktivität innerhalb einer Woche für jeden Haushalt in der Bevölkerung in Form eines Ergebnisvektors tua, welcher als Input für den nächsten Modellschritt dient.

3.4 Generierung der Aktivitätenrahmenpläne

Auf der Grundlage der zuvor ermittelten Zeitverwendung pro Haushalt tua erfolgt anschließend die Zuordnung von Aktivitäten zu den individuellen Mitgliedern im Haushalt. Die Formulierung unterscheidet sich je nach Haushaltstyp, da z. B. bei Alleinstehenden keine Abstimmung mit anderen Haushaltsmitgliedern erforderlich ist oder in Haushalten mit Kindern andere Randbedingungen zu beachten sind als in 2-Personen-Haushalten. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird das Modell anhand der Formulierung für einen 2-Personen-Haushalt dargestellt. Ziel des Modells ist es, die Motivation und die zugrundeliegenden Verhaltensweisen bei der Zuordnung und Planung von Aktivitäten innerhalb eines Haushaltes abzubilden. Dabei stehen verschiedene Ziele in Konflikt zueinander, z. B. schränkt die Verantwortung für die Hausarbeit die Anzahl oder Dauer von Freizeitaktivitäten ein. Zur Berücksichtigung (teilweise) konfligierender Ziele eignen sich multikriterielle Optimierungsmodelle. Dabei werden nicht nur eine, sondern mehrere Variablen in der Zielfunktion optimiert.

In dem hier vorgestellten Modellansatz ist Generierung der Aktivitätenpläne als multikriterielles lineares Optimierungsproblem (MCLP) formuliert. Eine Übersicht über die in den beiden Optimierungsproblemen verwendeten Mengen, Parameter und Entscheidungsvariablen ist in Tabelle 1 gegeben.

Die durch die Optimierung zu ermittelnde Entscheidungsvariable xa,g,d,t nimmt den Wert 1 an, wenn Aktivität a dem Haushaltsmitglied h an Tag d im Zeitslot t zugeordnet wird und 0 sonst. Grundsätzlich kann t für verschiedene Zeiteinheiten stehen, allerdings wird das Problem für Zeiteinheiten feiner als eine Stunde zu groß, um in adäquater Laufzeit Ergebnisse für die Anwendung in einem agenten-basierten Modell zu liefern. Da das Ergebnis des vorherigen Schritts die Zeitverwendung in Minuten angibt, muss diese zunächst für das erste Optimierungsproblem vergröbert werden. Dazu wird die Zeitverwendung aller Aktivitäten außer zuhause auf die nächste volle Stunde aufgerundet. Die Zeitnutzung für Zuhauseaktivitäten wird anschließend so angepasst, dass das Wochenzeitbudget stimmt. Im Folgenden werden zunächst grundlegende Nebenbedingungen erläutert, die zum einen mathematisch benötigt werden, um Aktivitätenprogramme zu entwickeln und andererseits durch äußere Umstände vorgegeben werden. Daraufhin werden die Variablen und zugehörigen Nebenbedingungen aufgeführt, die direkt in die Zielfunktion einfließen.

Mengen

a ∈ A                        Aktivitätenzweck

a ∈ Aw ⊆ A             Arbeitsaktivitäten

a ∈ As ⊆ A            Einkaufsaktivitäten a ∈ Ah ⊆ A                                  Zuhause-Aktivitäten a ∈ Al ⊆ A                                  Freizeitaktivitäten

a ∈ Aj ⊆ A             gemeinsame Aktivitäten

a ∈ Ai ⊆ A             eindeutig individuelle Aktivitäten

h ∈ H                        Haushaltsmitglieder

h ∈ Hw ⊆ H            erwerbstätige Haushaltsmitglieder

d ∈ D                        Tag in der Woche

d ∈ Dw ⊆ D             Arbeitstage

d ∈ Ds ⊆ D             Tage mit geöffneten Einkaufsgelegenheiten

t ∈ T                         Stunde des Tages

t ∈ Ts ⊆ T                Ladenöffnungszeiten

soh ∈ Ts ⊆ T            Uhrzeit früheste Ladenöffnungszeit socl ∈ Ts ⊆ T                               Uhrzeit Ladenschließzeit

e ∈ E                         Episode

Parameter

ωn                      Gewichtungsparameter der Zielfunktion

tua,hrN0 Zeitverwendung des Haushaltes für Aktivität a auf Stundenebene tua,min

N0 Zeitverwendung des Haushaltes für Aktivität a auf Minutenebene pwsh ∈ [1, 24]
Bevorzugter Start des Arbeitstages von Haushaltsmitglied h

AZmax ∈ [1, 24] Maximale Arbeitszeit

ZZmin ∈ [1, 24]  Minimale Zeit Zuhause

Variablen

xa,h,d,t ∈ {1, 0}         Zuordnung von Aktivität mit Zweck a zu Haushaltsmitglied h an Tag d im Zeitslot t

δh,d,e ∈ [1, 24]        Differenz der Arbeitszeit von Haushaltsmitglied h zwischen zwei Tagen d, e

λh,i,d,t ∈ {1, 0}       Hilfsvariable; ist 1, wenn Haushaltsmitglied h und Haushaltsmitglied i am selben Tag d zur selben Zeit t zu Hause sind

σh,d,t,u ∈ {1, 0}      Hilfsvariable; ist 1, wenn zwei aufeinanderfolgende Arbeitstätigkeiten dieselben sind

τh,a,e                    Dauer der Episode e mit Zweck a, durchgeführt von Haushaltsmitglied h

ψh,a,e                   Anfangszeit der Episode e mit Zweck a, durchgeführt von Haushaltsmitglied h

Tabelle 1: Übersicht über Mengen, Parameter und Variablen, die in den Optimierungsproblemen zur Erstellung der Aktivitätenrahmenprogramme und der Bestimmung der Startzeitpunkte und Dauer der Episoden verwendet werden.

Die Zuordnung von Aktivitäten zu Zeitslots im Plan eines Agenten ist eindeutig, d. h., dass jedem Zeitslot an einem Tag nur eine Aktivität zugeordnet werden kann. Diese Vorgabe wird durch die folgende Gleichheitsnebenbedingung sichergestellt:

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Die folgende Nebenbedingung dient dazu, dass die Summe über alle zugeordneten Aktivitäten der zuvor bestimmten (gerundeten) Zeitverwendung je Aktivität tua des Haushaltes entspricht:

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Weiterhin muss eingehalten werden, dass eindeutig individuelle Aktivitäten (Arbeiten, Bildung), nur dem entsprechendem Haushaltsmitglied zugeordnet werden können. Das heißt, eine Aktivität a aus der Menge der eindeutig individuellen Alternativen Ai des Haushaltsmitglieds i kann nicht dem Haushaltsmitglied h zugeordnet werden.

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Die Durchführung gemeinsamer Aktivitäten kann nur zur selben Zeit erfolgen, d. h., dass diese Aktivitäten in den Plänen der beteiligten Agenten demselben Zeitslot t an einem Tag d zugeordnet werden müssen:

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Die Planung mancher Aktivitäten ist von äußeren Einflüssen bestimmt, welche ebenfalls in den Nebenbedingungen abgebildet werden. So können Einkaufsaktivitäten as nicht außerhalb von Ladenöffnungszeiten durchgeführt werden:

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Arbeitsaktivitäten sind für die meisten Erwerbstätigen auf die Wochentage Montag bis Freitag beschränkt und müssen innerhalb eines Zeitfensters erbracht werden. Außerdem ist die werktägliche Arbeitszeit (AZ) durch das Arbeitsrecht auf acht bzw. zehn Stunden begrenzt1). Diese Einschränkungen bei der Planung von Arbeitsaktivitäten werden durch folgende Nebenbedingungen berücksichtigt:

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Eine weitere Nebenbedingung, die bei der Planung von Aktivitäten berücksichtigt werden muss, ist, dass Personen eine bestimmte Zeit am Tag zu Hause verbringen (ZZ), z. B. zur physiologischen Regeneration oder zur Haushaltsführung.

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Basierend auf der Entscheidungsvariable xa,h,d,t werden weitere Variablen definiert, die in die Zielfunktion einfließen. In der skalarisierten Zielfunktion werden vier Variablen n berücksichtigt, die den Zielfunktionswert mit den Faktoren ωn gewichtet beeinflussen:

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Ein Ziel bei der Planung von Aktivitäten in Haushalten mit mehreren Haushaltsmitgliedern ist die Maximierung der Zeit, die man gemeinsam zuhause verbringt [30]. Diese Zeit wird durch die Variable λh,i,d,t ausgedrückt, die den Wert 1 annimmt, wenn zwei Haushaltsmitglieder i und h zur gleichen Zeit eine Zuhauseaktivität geplant haben und 0 sonst.

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Um eine sinnvolle Dauer an für Arbeitsepisoden zu erreichen, wird die Variable σh,d,t,u eingeführt, die den Wert 1 annimmt, wenn zwei aufeinander folgenden Zeitslots die eine Arbeitsaktivität zugeordnet wird und 0 sonst.

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1)Trotz der gesetzlichen Arbeitszeitregelungen zeigen sich in den Daten deutliche Überschreitungen der täglichen Arbeitszeit. Daher wird die Schranke für jeden Agent im Modell individuell in Abhängigkeit der Wochenarbeitszeit tuw angepasst.

Aus der Literatur ist weiterhin bekannt, dass Personen eine hohe Stabilität in der Dauer ihrer geplanten Arbeitsaktivitäten aufweisen [15], d. h., dass der Unterschied zwischen der Dauer der Arbeitsaktivität δh minimiert wird:

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Obwohl in der Literatur einschlägig bekannt ist, dass durch die Verantwortung bzw. Übernahme von Haushaltsaufgaben die Planung anderer Aktivitäten eingeschränkt ist, wird dieser Konflikt in wenigen aktivitätenbasierten Modell abgebildet. In diesem Modell wird die Aufteilung von solchen Haushaltsaufgaben durch die Variable ϕ ausgedrückt. Zum aktuellen Stand des Modells werden unter Haushaltsaufgaben Einkaufsaktivitäten und Betreuungsaktivitäten zusammengefasst. Die folgende Nebenbedingung und die Berücksichtigung in der Zielfunktion führen dazu, dass die Haushaltsaufgaben nicht ungleich verteilt werden.

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3.5 Bestimmung der Startzeitpunkte und exakten Dauer der Episoden

Die Lösung des Optimierungsproblems zur Generierung von Aktivitätenrahmenprogrammen besteht aus einer Liste von Episoden auf Stundenbasis pro Aktivitätenzweck, einschließlich ihrer Reihenfolge und des Tages, an dem sie durchgeführt werden, sowie der Zuordnung zu den Haushaltsmitgliedern. Im nächsten Schritt dienen die diskreten Zeitpläne als Input für das Problem zur Generierung der minutenfeinen Aktivitätenplänen. Dieser Schritt ist ebenfalls als Optimierungsproblem formuliert, allerdings weniger komplex. An dieser Stelle reicht ein Constraint-Based Optimierungsproblem aus, bei dem lediglich nach einer Lösung unter Einhaltung der Nebenbedingungen gesucht wird, ohne einen Zielfunktionswert zu optimieren.

In diesem Fall handelt es sich nicht mehr um die gerundete Zeitverwendung, sondern um die tatsächliche Zeitverwendung in Minuten. Es werden einige Nebenbedingungen aus dem ersten Schritt übertragen und weitere Nebenbedingungen eingeführt, die sich aus der Präferenz der Agenten hinsichtlich der Startzeit der Arbeitsaktivität ergeben. Diese werden im Folgenden näher erläutert.

Die Entscheidungsvariable in diesem Modell ist τh,a,e, die Dauer der Episode e vom Aktivitätenzweck a zugeordnet zu Haushaltsmitglied h. Daraus ergibt sich die zweite Entscheidungsvariable ψh,a,e, die die Startzeit der Episoden bestimmt. Die Startzeiten jeder Episode werden in Minuten angegeben und beziehen sich auf den Wochenanfang, z. B. ψh,a,e = 4993 bezieht sich auf die 4.993. Minute der Woche, was Donnerstag 23:13 Uhr entspricht. Episoden können auf verschiedene Weise aus den Aktivitätenrahmenplan extrahiert werden. Indizes werden als sortierte Sequenz über alle Episoden, als sortierte Sequenz über Episoden desselben Aktivitätenzwecks oder als sortierte Sequenz über einen Tag und einen Aktivitätenzweck erzeugt. Dies ermöglicht verschiedene Vergleiche zwischen zwei Episoden. Die Bestimmung der Startzeit einer Episode erfolgt über die folgenden Gleichheitsnebenbedingungen. Grundsätzlich werden alle Dauern vorhergehender Episoden addiert und die Einschränkung (22) setzt den Startzeitpunkt für die erste Episode in einem Plan auf 00:00 Uhr.

Grundlegend muss in diesem Schritt nun die zuvor exakte Dauer der Zeitverwendung je Aktivität eingehalten werden. Ähnlich wie beim Aktivitätsrahmenmodell wird durch die eine Nebenbedingung sichergestellt, dass die Summe über die Dauer aller Episoden der Zeitverwendung des Haushalts entspricht, wie sie durch das MDCNEV-Modell bestimmt wird.

Neben den rechtlichen Einschränkungen zur Arbeitszeit kann das Modell auch individuelle Präferenzen zum Arbeitsbeginn über die Variable pwsh berücksichtigen. So kann beispielsweise für jeden Agenten im Modell eine bevorzugte Startzeit der ersten Arbeitsaktivität in Abhängigkeit der Soziodemographie basierend auf einem Regressionsmodell o.ä. ermittelt werden und als Input für diesen Modellschritt verwendet werden. Gleichzeitig ist es möglich, verschiedene Arbeitszeitmodelle hinsichtlich ihrer Wirkungen auf die Aktivitätenplanung und damit (mithilfe einer Simulation der Pläne) die Auswirkungen auf das Verkehrssystem ermittelt werden. Der präferierte Arbeitsbeginn geht im Modell wie folgt ein:

Formel in der PDF

Der Parameter ∆pws lässt nur eine bestimmte Abweichung von dieser Präferenz zu.

Wie im vorherigen Schritt zur Generierung der Aktivitätenrahmenprogramme müssen auch in

diesem Schritt Nebenbedingungen eingeführt werden, damit gemeinsame Aktivitäten auch zur gleichen Zeit stattfinden. Dies geschieht über die Koordinierung der Dauern der Aktivitäten der entsprechenden Haushaltsmitglieder h und i und der zugehörigen Startzeitpunkte:

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Zuletzt muss auch in diesem Modellteil berücksichtigt werden, dass Einkaufsaktivitäten nur während der Ladenöffnungszeiten, also zwischen der Öffnungszeit: sho und Schließzeit shcl stattfinden können.

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Das Ergebnis dieses Modellschritts sind Episoden mit genauen Startzeitpunkten und Dauern für jeden Agent in einem Haushalt einer synthetischen Bevölkerung. Die so generierten Aktivitätenpläne entsprechen dem Format des von Hilgert entwickelten Modells actiTopp [3, 15], wodurch sichergestellt ist, dass die Simulation mit dem agenten-basierten Verkehrsnachfragemodell mobiTopp [4] und MATSim [31] möglich ist.

4 Ergebnisse

Auf Basis der in Abschnitt 3.1 beschriebenen Daten wurde ein MDCNEV-Modell geschätzt. Die Ergebnisse der Parameterschätzung sind in Tabelle 2 dargestellt. Basierend auf einer Modellspezifikation, die jeweils nur Konstanten für den Grundnutzen und die Sättigung umfassten, wurden inkrementell weitere Parameter hinzugefügt. Die Tabelle beinhaltet alle statistisch signifikanten Parameter für ein Signifikanzniveau von >95%. Die Werte basieren auf einem Nested-Modell, bei dem alle Arbeitsaktivitäten (also Arbeit, Home-Office und Geschäftlich) und alle Nicht-Arbeitsaktivitäten (zuhause, Freizeit (gemeinsam und alleine), Einkaufen (gemeinsam und alleine) und Bildung in jeweils einem Nest sind.

Tabelle 2: Ergebnisse der Parameterschätzung des MDCNEV-Modells. Die Referenzalternative für die Grundnutzenfunktion ist Zuahuse. Für diese Alternative wird außerdem kein γ-Parameter bestimmt.

Grundsätzlich erreicht die Modellspezifikation eine deutliche Verbesserung des Log-Likelihood Wertes. Die θ-Parameter < 1 zeigen, dass die Spezifikation mit den beiden Nestern Arbeit und nicht-Arbeit sinnvoll ist. Die negativen Werte für die Konstanten in der Grundnutzenfunktion zeigen, dass die Referenzalternative zuhause allen anderen Aktivitäten bevorzugt wird. Dieses Ergebnis ist nicht überraschend, da zuhause als sogenanntes Outside-Good im Modell berücksichtigt wird und somit grundsätzlich immer gewählt wird. Diese Spezifikation deckt sich mit bisherigen Anwendungen in der Literatur [24, 32]. Der Nutzen für Arbeitsaktivitäten ist am niedrigsten von allen Parametern, dieser Effekt wird allerdings abgeschwächt, wenn man die Erwerbstätigkeit der Personen berücksichtigt. Der Unterschied des Einflusses auf den Grundnutzen ist zwischen den beiden Kategorien Vollzeit und Teilzeit relativ gering. Betrachtet man den Sättigungsparameter, ist ein deutlicherer Unterschied erkennbar. Dieses Ergebnis ist intuitiv und sinnvoll: Der Nutzenparameter bildet den Grundnutzen ab, d. h., ob überhaupt eine Arbeitsaktivität in der betrachteten Woche durchgeführt wurde. Die Wahrscheinlichkeit, dass innerhalb einer Woche eine Arbeitsaktivität durchgeführt wird, ist für beide Gruppen hoch. Der Sättigungsparameter wiederum drückt die investierte Zeit in diese Aktivität aus, wenn diese gewählt wird. Diese ist für vollzeit Erwerbstätige per Definition höher, solange die Woche nicht von Krankheits- oder Urlaubstagen beeinflusst wird. Einkaufsaktivitäten zeigen relativ niedrige Sättigungsparameter, was darauf hindeutet, dass vergleichsweise wenig Zeit ins Einkaufen investiert wird. Haushalte mit einem hohen Einkommen investieren statistisch signifikant mehr Zeit in Einkaufsaktivitäten. Freizeitaktivitäten haben ähnliche Grundnutzenparameter wie Einkaufsaktivitäten allerdings höhere Sättingungsparameter, was darauf hindeutet, dass Personen ähnlich häufig Freizeitaktivitäten wählen, aber dann mehr Zeit in diese Aktivitäten inverstieren. Im Vergleich zu Haushalten, in denen Personen unter 26 Jahren leben, sinkt der Nutzen für Freizeitaktivitäten.

Zur Einordnung der Ergebnisse des Ansatzes zur Generierung der Aktivitätenpläne basierend auf der Zeitverwendung werden diese mit den Ergebnissen von Hilgert [15] verglichen, da dieses das einzige Modell ist, das ebenfalls Aktivitätenpläne im Wochenkontext berücksichtigt. Abbildung 1 zeigt die Startzeitpunkt der einzelnen Aktivitäten2). Zur Vergleichbarkeit mit [15] ist die Auswertung auf die Hauptzwecke Zuhause, Arbeit, Einkaufen und Freizeit begrenzt. Die Ergebnisse zeigen sowohl plausible Startzeiten der Aktivitäten als auch Überdeckung mit den Ergebnissen von Hilgert. Arbeitsaktivitäten zeigen eine deutliche Morgenspitze während Zuhauseaktivitäten erst im Laufe des Tages starten, wenn Personen nach Hause zurückkehren.

Abbildung 1: Vertielung der Startzeiten der im Modell generierten Aktivitäten

Dieser Verlauf ist auch in Hilgerts Modell deutlich erkennbar. Freizeitaktivitäten zeigen wie in [15] zwei Spitzen am Morgen und am Nachmittag. Die morgendliche Spitze hängt u.a. mit Aktivitäten am Wochenende zusammen, die vor allem für längere Freizeitaktivitäten schon relativ früh am Tag starten. Weiterhin werden durch das Modell teilweise auch Freizeitaktivitäten vor Arbeitsbeginn geplant, wodurch sich eine sehr frühe Startzeit ergibt. Lediglich die Einkaufsaktivitäten weisen deutlichere Unterschiede zu Hilgerts Ergebnissen auf. Während in seinem Modell Einkaufsaktivitäten eine morgendliche Spitze zeigen, weist das in diesem Beitrag vorgestellte Modell eine Nachmittagsspitze auf. Das ist möglicherweise auf Unterschiede in der zugrundeliegenden Bevölkerung zurückzuführen, wobei ein höherer Anteil an Erwerbstätigen den Verlauf der Einkaufsaktivitäten in Abbildung 1 erklärt.

2)Die erste Aktivität der Woche um 00:00 Uhr am Wochenanfang wurde hier nicht berücksichtigt

5 Fazit

Das in diesem Beitrag vorgestellte Modell zeigt, dass der Verkehrsnachfrage zugrundeliegende Aktivitäten für den Verlauf von einer Woche sinnvoll abgebildet werden kann. Die Anwendung des MDCNEV-Modells auf die Zeitnutzung eines Haushaltes einer Woche bietet eine wertvolle Grundlage für die Planung von Aktivitäten, bei der nicht nur eine diskrete Alternative gewählt wird, sondern alle Alternativen gegeneinander abgewogen und eine Kombination aus diesen bestimmt wird. Die Generierung einzelner Episoden und die Planung von Aktivitäten erfolgt basierend auf der Lösung zwei aufeinander folgenden Optimierungsproblemen. Die realistischen Nebenbedingungen ermöglichen vielfältigen Einsatz des Modells und die Berücksichtigung unterschiedlicher Szenarien.

Die explizite Abbildung von Arbeitsbedingungen ermöglicht beispielsweise eine Szenarioanalyse verschiedener Arbeitszeitmodelle. Dabei bietet das Modell vor allem für die Untersuchung der Auswirkungen von Home-Office Nutzung auf die Verkehrsnachfrage einen wertvollen Beitrag. Aufgrund der Abwägung der Alternativen bei der Generierung und der Berücksichtigung der Bedingungen bei der Planung der Aktivitäten können die in der Verkehrsverhaltensforschung beschriebenen Rebound-Effekte der Home-Office Nutzung [33] abgebildet werden.

In diesem Zusammenhang ist auch die Untersuchung der Verantwortung für Haushaltsaktivitäten ein interessanter Anwendungsfall für das Modell. Die Literatur berichtet seit einigen Jahren von der Gender Commute Gap, die den Unterschied zwischen Männern und Frauen in der Pendeldistanz darstellt. Dabei weisen Frauen häufig eine geringere Pendeldistanz auf, da sie aufgrund ihrer Rolle im Haushalt nicht die gleiche Zeit ins Pendeln investieren können wie Männer [34]. Es ist vorstellbar, dass durch die Möglichkeit zur (häufigen) Home-Office Nutzung der Unterschied der Pendeldistanz zwischen Männer und Frauen verringern wird, da Home-Office Nutzung mit einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf assoziiert ist [35]. Für zukünftige Weiterentwicklungen des Modells ist in dieser Hinsicht vor allem die Kopplung mit Landnutzungsmodellen interessant, die längerfristige Verhaltensänderungen abbilden können.

6 Literatur

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