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1 Einleitung
Gabionenkonstruktionen gewinnen im Bereich der Anlagen von Verkehrsinfrastrukturen als Stützbauwerke, Vorsatzschalen oder Lärmschutzwände immer mehr an Bedeutung. Als wirtschaftliche, langlebige und ökologische Konstruktionen erfüllen sie viele Anforderungen an eine nachhaltige und leistungsfähige Infrastruktur. Planer, Bauherren und Statiker bedienen sich dabei der gleichen Normen, Regelwerke und Merkblätter. Maßgebend sind hierbei das FGSV-Merkblatt M Gab sowie die TL Gab-StB. Da sich derzeit nicht alle Tragfähigkeits- und Gebrauchstauglicheitsnachweise über rechnerische Modellannahmen abbilden und bestätigen lassen, sind zusätzlich 1:1-Versuche unabdingbar. Speziell die Nachweise zur inneren Standsicherheit und die Nachweise der Anschlüsse bei rückverhängten Gabionen-Konstruktionen erfordern die Durchführung großmaßstäblicher Versuche unter definierten Prüfbedingungen.
2 Gabionen als Stützkonstruktionen im Infrastrukturbau
Nach den ZTV-ING, Teil 2, Abschnitt 4 werden Gabionenwände als Stützkonstruktionen bereits ab 1,50 m als Ingenieurbauwerke klassifiziert und auf eine sichtbare Höhe von 6,00 m beschränkt (ZTV-ING, Teil 2). Die Restriktionen beruhen auf hohen Spaltzugkräften in den Gabionen, die sich auf Basis der derzeitig angenommenen Modellannahmen ergeben (Placzek, Pohl). Nach den ZTV-ING, Teil 2 sind im Bundesfernstraßenbereich ausschließlich Drahtgitterbehälter zugelassen.
Bild 1: Bau einer Gabionenwand im Zuge eines Autobahn-Neubaus
Mit dem Merkblatt über Stützkonstruktionen aus Betonelementen, Blockschichtungen und Gabionen wurde durch den FGSV-AK „Landschaftsgerechte umweltschonende Stützkonstruktionen“ des damaligen FGSV-AA „Bauwerk und Boden“ unter der Leitung von Prof. Dr. L. Wichter 2003 ein umfassendes Merkblatt über die ZTV-ING eingeführt. Nach einer Überarbeitung des Merkblattes im Jahr 2014 wurden 2017 die TL Gab-StB ergänzend herausgegeben und im Bundesfernstraßenbereich aktuell bereits in mehreren Bundesländern eingeführt. Das Merkblatt enthält Regelungen zur Wahl und Nachweisführung der geeigneten Gabionenkonstruktion, wohingegen die TL Gab-StB die Anforderungen an die Ausgangsmaterialien festlegt. Eine Inhaltsübersicht der beiden Regelwerke enthält Tabelle 1. Die TL Gab-StB und M Gab sind ergänzend anzuwenden.
Tabelle 1: Übersicht der Regelwerksinhalte
2.1 Übersicht zur TL Gab-StB
Die TL Gab-StB wurden unter der Leitung von Dr. rer. nat. E. Westiner durch den FGSV-AK 5.6.3 „TL Gabionen“ des FGSV-AA 5.6 „Grundbau“ erstellt.
Die TL Gab-StB enthalten Anforderungen an die Ausgangsstoffe wie Befüllmaterialien, Drahtmatten und Verbindungselemente. Sie sind für die Lieferung und Herstellung der Gabionen anzuwenden.
Im Hinblick auf die gesteinstechnischen Eigenschaften und Anforderungen an umweltrelevante Merkmale von industriell hergestellten und von rezyklierten Gesteinskörnungen wird für das Befüllmaterial auf die „Technischen Lieferbedingungen für Gesteinskörnungen im Straßenbau“ (TL Gestein-StB) Bezug genommen.
Die Gabionenelemente können vor Ort oder werkseitig, maschinell oder per Hand befüllt werden.
2.2 Befüllmaterial nach TL Gab-StB
Als Befüllmaterialien können zum Einsatz kommen:
– Festgestein bzw. gebrochener oder ungebrochener Kies (Gesteinsart);
– sortenreine Recycling-Baustoffe, die jeweils nur aus der Stoffgruppe Beton (einschließlich Betonprodukte), aufbereitetem Gleisschotter oder gebrauchtem natürlichen Gesteinsmaterial bestehen;
– industriell hergestellte Nebenprodukte wie Metallhüttenschlacke (MHS), Hochofenstückschlacke (HOS) und Stahlwerksschlacke (SWS).
Wenn der Recycling-Baustoff aus mindestens 97 M.-% der angegebenen Stoffgruppe besteht und maximal 0,2 M.-% an Fremdstoffen enthält, ist die Sortenreinheit gegeben.
Auch für Materialien zur Sichtflächengestaltung, wie Bruchsteine oder Platten aus Naturstein, müssen im Einzelfall Anforderungen festgelegt werden, die mit den TL Gab-StB übereinstimmen.
2.3 Drahtmatten
Als Drahtmatten sind die beiden in Deutschland bewährten Systeme aus geschweißten Gittern nach DIN EN 10223-8 oder Stahldrahtgeflechte mit sechseckigen Maschen nach DIN EN 10223-3 zu verwenden. Die Verbindungselemente wie z. B. Spannanker, Steckstäbe, Spiralbinder oder C-Ringe sind entsprechend der Art der Drahtmatten zu wählen. Für diese gelten die Anforderungen sinngemäß.
Drahtmatten erfahren in Abhängigkeit der atmosphärischen Beanspruchung einen Korrosionsabtrag, der sich auf die Nutzungsdauer auswirkt. Für die einzusetzenden Drahtmatten erfolgt in den TL Gab-StB eine Bewertung über Schwefeldioxidbelastung, Salzsprühnebelbeanspruchung oder UV-Strahlung.
2.3.1 Geschweißte Gitter
Folgende drei Arten an geschweißten Gittern können nach TL Gab-StB zum Einsatz kommen:
– geschweißte Gitter, die nach der Fertigung (Schweißen, Biegen usw.) feuerverzinkt nach DIN EN ISO 1461 wurden,
– geschweißte Gitter aus Draht, die mit einer Zink-Aluminium-Legierung überzogen wurden, bevor sie werkseitig verschweißt wurden,
– geschweißte Gitter aus nicht rostendem Stahl.
Der Stahldraht muss einen Mindestdurchmesser von 4,5 mm und eine Zugfestigkeit von mindestens 450 MPa aufweisen. Die Scherfestigkeit der Kreuzungsschweißstellen muss mindestens 75 % der Bruchlast des Stahldrahtes betragen.
2.3.2 Stahldrahtgeflecht
Folgende zwei Arten an Stahldrahtgeflecht können verwendet werden:
– Drahtgeflecht mit Metallüberzug,
– Drahtgeflecht mit Metallüberzug und extrudierter organischer Beschichtung.
Die Stahldrahtgeflechte müssen doppelt verdrillt sein und Maschenweiten von 60 oder 80 mm aufweisen. Die Mindestzugfestigkeit des Kerndrahtes muss zwischen 350 und 550 MPa betragen. Die Nennzugfestigkeit des Geflechts ist anzugeben.
Anzumerken ist jedoch, dass für Anwendungen im Bundesfernstraßenbereich gemäß ZTV-ING, Teil 2 nur Gabionen aus Drahtgitterbehältern mit punktgeschweißten Drahtgittermatten zu verwenden sind.
2.4 Einzelgabione
Eine vollständige, gleichmäßige, hohlraumarme und formtreue Befüllung der jeweiligen Einzelgabione stellt eine vertikale Lastabtragung in der Gabionenkonstruktion sicher. Um dies zu erreichen, gibt die TL Gab-StB Vorgaben zur Herstellung. Die Befüllung kann maschinell oder von Hand erfolgen. Sie sollte in jedem Falle schonend erfolgen, um eine Beschädigung der Drahtmatten zu vermeiden. Außerdem sollte die Befüllung lagenweise in Abhängigkeit vom Größtkorn des Befüllmaterials stattfinden. Eine Verdichtung wirkt sich positiv auf das Lastabtragungsverhalten und damit die innere Standsicherheit der Gabione aus. Werden werksseitig Gabionen hergestellt, sollte die Befüllanlage aus einem in Frequenz und Amplitude modulierbaren Rütteltisch sowie einer vollflächigen und auf die Größe der Gabione abgestimmten Schalung bestehen.
Die innere Standsicherheit der Gabione wird durch das Befüllmaterial und den Drahtkorb einschließlich dessen Aussteifung wesentlich beeinflusst und ist mit Grundlage für die Bemessung der Gabionenkonstruktion. Herstellern von Gabionen liegen meist Untersuchungen zur inneren Standsicherheit vor, allerdings existiert bislang kein einheitliches Prüfverfahren, das
in der TL Gab-StB hinterlegt ist. Daher ist es schwierig, die Ergebnisse unterschiedlicher Herstellersysteme miteinander zu vergleichen bzw. zu bewerten. Um hier weiteren Fortschritt zu erzielen, hat der Hersteller im Rahmen der Erstprüfung die an einem Referenzkörper über einen Belastungsversuch gewonnenen Ergebnisse vorzulegen. Auf Initiative der FGSV wird aktuell ein Forschungsvorhaben zur Entwicklung eines entsprechenden vereinheitlichten Prüfverfahrens vorangetrieben.
Für Standsicherheitsnachweise des Anschlusses der Gabionenwand an die Verankerungselemente gilt die Forderung des M Gab, diese unabhängig vom gewählten System nachzuweisen und mittels Prüfzeugnissen zu belegen (M Gab, 2014). Auch dieser Nachweis ist ausschließlich über versuchsgestützte Untersuchungen möglich. In den Abschnitten 3 und 4 wird über die Durchführung von Belastungsversuchen sowie über Prüfungen zu unterschiedlichen Anschlussmöglichkeiten berichtet.
2.5 Gütesicherung
Weder Gabionen noch deren Ausgangsstoffe wie Befüllmaterial und Drahtmatten unterliegen einer CE-Kennzeichnungspflicht. Entsprechend ist hier national zu handeln. Die Gütesicherung des Befüllmaterials und der Drahtmatten orientiert sich an den hierfür materialspezifisch üblichen Vorgehensweisen.
Bei den Drahtmatten wird der Empfehlung in den DIN EN 10223-3 und DIN EN 10223-8 gefolgt. Hier wird zwingend ein Qualitätsmanagementsystem gefordert, bei dem die internen Verfahren des Herstellers von einer unabhängigen Stelle nach DIN EN ISO 9001 zertifiziert werden.
Beim Befüllmaterial wird eine Gütesicherung nach TL G SoB-StB gefordert. Die Gütesicherung der Gabionen erfolgt entsprechend dem System des Befüllmaterials. Allerdings führt die nach RAP Stra anerkannte Prüfstelle keine Materialprüfungen durch. Bei im Werk herstellten Gabionen sollte die Integration der geforderten Gütesicherung in das bestehende System der werkseigenen Produktionskontrolle kein Problem darstellen und kann auch mit anderen Qualitätssicherungselementen, wie z. B. für Befüllmaterial, kombiniert werden. Bei vor Ort hergestellten Gabionen empfiehlt sich eine zeitlich befristete Fremdüberwachung. Hier sind die Fremdüberwachungshandlungen dem Umfang der Baumaßnahme anzupassen. Für die Bauverwaltung ergibt sich der Vorteil, dass dieser Teil der Qualitätssicherung ausgegliedert wird und somit der Fokus auf die Begleitung der Herstellung der Gabionenkonstruktion gelegt werden kann. In der Tabelle 2 ist der Prüfumfang für Gabionen dargestellt.
Tabelle 2: Prüfungen und Prüfhäufigkeiten für die Güteüberwachung von Gabionen
3 Untersuchungen zur inneren Standsicherheit
Gemäß DIN EN 1997-1 ist nachzuweisen, dass kein inneres Versagen eines Bauteils einer Gabionenkonstruktion eintritt (Bild 2). Das Zusammenwirken der einzelnen Komponenten der Gabione ist bislang nicht eindeutig über Modelle oder äquivalente Nachweiskonzepte beschreibbar. Prüfinstitute wie die FH Münster und die BTU Cottbus führen daher seit mehreren Jahren erfolgreich Belastungsversuche an Referenzkörpern zum Nachweis der inneren Standsicherheit durch. Die Versuche können auch für die Nachweisführung der inneren Standsicherheit vorgesehen werden, um den notwendigen Wert für die äquivalente Betondruckfestigkeit fc,d zu ermitteln und ihn gemäß M Gab (2014) für die Bemessung zu verwenden.
Die Prüfeinrichtungen können Proben im Maßstab 1:1 bei einer Gesamthöhe von 2,00 m mit einer Prüfkraft von bis zu 1.000 kN prüfen. Für bisherige Belastungsversuche war jedoch häufig eine maximale Prüfkraft von 250 kN ausreichend, da diese die äquivalente Bemessungsbeanspruchung für eine 6,00 m hohe Gabione als Schwergewichtswand simuliert. Für 6,00 m hohe Gabionenkonstruktionen wurde im Rahmen von bauaufsichtlichen Zulassungen eine Belastung von 160 kN als Grenze im SLS (Service Limit State bzw. Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit) und 240 kN als Grenze im ULS (Ultimate Limit State bzw. Grenzzustand der Tragfähigkeit) festgelegt.
Bild 2: Versagen der inneren Standsicherheit (M Gab, 2014)
Aus den zahlreichen nach aktuellen Prüfbedingungen durchgeführten Versuchen können folgende Randbedingungen für die Versuchsdurchführung beschrieben werden, wobei weitere Empfehlungen in (Placzek, Pohl) gegeben werden:
– Festlegung von Abbruchkriterien bei der Versuchsdurchführung: Drahtbrüche; Versagen von Schweißstellen, Aussteifungs- und Verbindungsmitteln; starke Maschenweitenerhöhungen; Herausfallen von Befüllmaterial; Überschreiten der Steindruckfestigkeit
– 2- bzw. 3-seitige Lagerung der Gabione, um die seitliche Einbindung des Korbes in der Wand zu simulieren
– Ermittlung und Berücksichtigung der Vorverformung während des Einbaus
– Konstruktive Trennung der Messtechnik vom Prüfrahmen
– Messpunkte im Bereich der maximalen Verformungen (oberer Bereich, gegebenenfalls durch Vorversuche ermitteln)
– Verwendung biegesteifer Lastplatten und Feinkieskissen zur gleichmäßigen Lasteinleitung
Bild 3: Prüfzyklus mit den Grenzzuständen (SLS und ULS) für eine 6 m hohe Gabionenkonstruktion
Bild 4: Kraft-Weg-Diagramm (horizontal) einer Referenzgabione mit geringen Verformungen
Das Bild 5 zeigt einen typischen Belastungsversuch. Dieser wurde mit zentrischer und exzentrischer Lasteinleitung durchgeführt. Unterschiedlich waren zudem die Gittermaschenweiten, die Aussteifung, das Befüllmaterial und das Verfahren (händisch/geschüttet). Die Belastungsversuche zeigen, dass die Gebrauchstauglichkeit im Regelfall durch geringe absolute und relative Verformungen unterhalb des 2 %-Grenzwertes bei 160 kN (SLS) und die innere Standsicherheit (ULS) der Einzelelemente unter den Prüfbedingungen gegeben ist.
Bild 5: Belastungsversuch unter zentrischer Beanspruchung (Foto: FH Münster)
4 Nachweise zu Anschlussmöglichkeiten rückverhängter Stützkonstruktionen
Stützkonstruktionen in Schwergewichtsbauweise gelangen statisch und wirtschaftlich schnell an ihre Grenzen. Eine Rückverhängung ist häufig die einzige Möglichkeit, eine wettbewerbsfähige Konstruktion zu errichten. Die Kombination aus rückverhängten Geogittern stellt eine besonders wirtschaftliche Variante dar. Der Kraftschluss der Bewehrungselemente kann systemabhängig sehr unterschiedlich sein. In zahlreichen Untersuchungen wurden verschiedene Anschlusskonstruktionen getestet. Dabei zeigte sich, dass die maximal aufnehmbaren Kräfte und zugehörigen Verformungen der verschiedenen Konstruktionen differieren.
4.1 Anschluss des Geogitters über Steckstab mit Schäkeln
Bei Schäkel- und Steckstabverbindungen an der Rückseite der Gabione ist die Anschlusskraft abhängig von verschiedenen Faktoren. Dazu gehören u. a. der Schäkelabstand, die Maschenweite und Materialien der Gabionengitter, der Steckstabdurchmesser und das gewählte Geogitter. Die Verformungen im Steckstab sorgen für Spannungsspitzen in den Geogittersträngen. Daher ist für jede Anschlussvariante ein produktspezifischer Nachweis erforderlich. Im Rahmen der versuchsgestützten Untersuchung zeigten sich bei hohen Anschlusskräften starke Verformungen des Gabionengitters, die zu Umlagerungen des Befüllmaterials führten. Über diese Konstruktion konnten zwar hohe Anschlusskräfte von über 100 kN nachgewiesen werden, allerdings können die Verformungen des Steckstabes zu hohen Lastkonzentrationen an den rückverhängten Geogittern führen.
Bild 6: Verformungen einer Steckstabverbindung mit Schäkeln bei Prüfkräften > 100 kN (Foto: Kiwa GmbH TBU)
4.2 Anschluss über Reibung und Verbindungsgitter
Ein zusätzliches, verkürztes und an der Gabionenfront angeschlossenes Gitter kann zusätzlich zu den Anschlusskräften aus der Steckstabverbindung auch Reibungskräfte aufnehmen (Bild 7). Die Versuche zeigen, dass die Konstruktion die Anschlusskräfte für Konstruktionen bis 6 m Höhe zwar aufnehmen kann, allerdings sich auch hier bei hohen Anschlusskräften größere Verformungen an dem Verbindungsgitter einstellen, die wiederum zu Lastkonzentrationen am rückverhängten Geogitter führen. Der Versuchsaufbau ist im Bild 8 dargestellt.
Bild 7: Anschluss über Reibung und Verbindungsgitter (Foto: Kiwa GmbH TBU)
Bild 8: Versuchsaufbau mit Anschlussgitter an der Frontseite des Steinkorbes (Heimbecher, 2018)
4.3 Anschluss über Reibung durch rückverhängtes Stahlgitter
Neben der direkten Ankopplung des Geogitters an den Gabionenkorb besteht auch die Möglichkeit, die beiden Tragsysteme Gabionenwand und geogitterbewehrte Erde zu entkoppeln. Hierzu muss die Gabionenwand die Erddruckkräfte aufnehmen, die sich aufgrund der bedingten Verformbarkeit der Gabionenwand an der Rückseite einstellen. Zur Aufnahme dient ein horizontal in den Hinterfüllboden eingelegtes Gabionengitter, welches über einen Steckstab an der Gabionenwand befestigt wird (Bild 9).
Bild 9: Anschluss über Reibung und Steckstab durch rückverhängtes Gabionengitter bzw. entkoppeltes Geogitter (Bild: S. Kilic, FH Münster)
Die Kraftübertragung erfolgt durch Verzahnung zwischen Stahlgitter und Hinterfüllung bzw. Geogitter. Zur Berücksichtigung des verminderten Reibungseinflusses aus dem Geogitter wurde dieses in Versuchen durch eine Kunststoffdichtungsbahn (KDB) ersetzt (Bild 10). Bei einer Prüfkraft von 40 kN und einer Auflast von 50 kN/m² wurden Verformungen von weniger als 10 mm gemessen. Die weiteren Versuche zeigten ebenfalls geringe Verformungen. Limitierend war auch bei diesen Versuchen die Verbindung zwischen den Gittern über einen Steckstab. Hinsichtlich der Gittermaschenweite und Steckstabkonstruktion sind noch Optimierungen notwendig. Planerisch und bauverfahrenstechnisch bietet diese Anschlussvariante den Vorteil der Trennung der Gewerke Gabione und bewehrte Erde.
Bild 10: Rückverhängtes Gabionengitter zur Reibungsübertragung im Herausziehversuch mit darunterliegender KDB (Foto: Kiwa GmbH TBU)
5 Fazit und Ausblick
Mit der Einführung der TL Gab-StB existiert ein Regelwerk, welches insbesondere die Befüllmaterialien und die Qualitätsanforderungen an die Gabionendrahtmatten regelt. Hierdurch sind die regelwerkstechnischen Grundlagen geschaffen, Gabionenkonstruktionen dauerhaft standsicher und gebrauchstauglich errichten zu können.
Die innere Standsicherheit der Gabionenkonstruktion muss aktuell über Großversuche nachgewiesen werden. Ebenso sind die Anschlussfestigkeiten bei rückverhängten Konstruktionen durch Versuche nachzuweisen. Beide Nachweise variieren in Abhängigkeit des Gabionensystems, des Füllmaterials sowie der Anschlussart. Durch großmaßstäbliche Untersuchungen konnten diese Nachweise erbracht werden. Hierdurch ist es möglich, auch Aufbauhöhen zu simulieren bzw. nachzuweisen, die über die Grenze von 6 m Höhe gemäß ZTV-ING, Teil 2 hinausgehen. Modifikationen am Gabionenkorb oder am Anschluss lassen sich hierdurch schnell und zuverlässig überprüfen.
Für Gabionenkonstruktionen, die mit einem Gabionengitter im Hinterfüllboden rückverhängt werden, lässt sich eine ausreichende Tragfähigkeit der Anschlüsse bis 6 m Höhe nachweisen. Die Reibungskraft steigt mit der Konstruktionshöhe. Die bei einem Reibungsanschluss erreichte Entkopplung zwischen geogitterbewehrtem Erdkörper und Gabionenwand ermöglicht klare Aufgabenverteilungen.
Zur Sicherstellung einer hohen Qualität über den Lebenszyklus der Gabionenkonstruktionen wurde aktuell eine Gütegemeinschaft für Gabionen (GfG) gegründet. Sie wird zukünftig sowohl für den Planungs- als auch den Ausführungsprozess Qualitätskriterien fordern, die teilweise sogar über die Anforderungen der aktuellen Regelwerke hinausgehen.
Literaturverzeichnis
P l a c z e k, D.; P o h l, C.: Versagen eines Einzelelementes bei Stützkonstruktionen aus Gabionen. Bericht zum Forschungsprojekt FE 15.0559/2012/MRB der Bundesanstalt für Straßenwesen, Heft B 113, Bergisch Gladbach, Februar 2015
H e i m b e c h e r, F. (2018): Rückverhängte Gabionenkonstruktionen mit Geogittern. BAUTEX 2018. Chemnitz, Januar 2018
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Merkblatt über Stütz- und Lärmschutzkonstruktionen aus Betonelementen, Blockschichtungen oder Gabionen (M Gab), Ausgabe 2014, Köln (FGSV 555)
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Lieferbedingungen für Gabionen im Straßenbau (TL Gab-StB), Ausgabe 2016, Köln (FGSV 554)
Bundesanstalt für Straßenwesen: ZTV-ING – Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauten, Teil 2: Grundbau (ZTV-ING, Teil 2), Bergisch Gladbach, Januar 2018 |