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1 Nach uns … die Sintflut?
In den zurückliegenden Jahren wurde vielen bewusst, dass ökologische Themen mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. Die Katastrophe von Fokushima und dessen Folgen für die Energieversorgung in Deutschland war eines der markanten Ereignisse, die diese Entwicklung beschleunigten. Das Erleben mehrerer heißer Sommer nacheinander und das gleichzeitige Scheitern mehrerer Ansätze zur Vereinbarung von Zielen zur Begrenzung des Klimawandels trugen maßgeblich dazu bei, dass die junge Generation in vielen Ländern zahlreich und über einen langen Zeitraum hinweg gegen die Politik aufbegehrte und dies noch immer tut. Und in diesem Jahr nun führen nicht für möglich gehaltene Starkregenereignisse in Deutschland zu verheerenden Zerstörungen und Verlusten an Menschenleben, während in anderen Teilen Europas Hitzerekorde fallen und Waldbrände bislang nicht dagewesener Ausmaße wüten. Die Liste der Folgen des Klimawandels lässt sich fast endlos erweitern, und die Konsequenzen dieser Entwicklung schlagen sich mittlerweile nicht mehr nur auf einzelne Betroffene oder weit entfernte Regionen nieder, sie sind selbst hier für viele persönlich nah spürbar und wirken sich auch auf die Wirtschaftlichkeit vieler Bereiche negativ aus. Ein weiteres Mal scheint sich zu bewahrheiten, dass es eines erheblichen externen Handlungsdrucks bedarf, bevor einschneidende, aber zukunftsweisende Entscheidungen getroffen und auch ernsthaft umgesetzt werden.
Nüchtern betrachtet muss man sich auch in Deutschland eingestehen, dass wir nicht aus-reichend nachhaltig mit unserer Umwelt und der Gesellschaft umgehen. Der so genannte Erdüberlastungstag – international bekannt als Earth Overshoot Day – gibt anschaulich wieder, dass Deutschland absolut und relativ hochgradig auf Pump lebt: Er fällt in diesem Jahr auf den 29. Juli, was soviel bedeutet, dass wir ab diesem Tag mehr regenerative Ressourcen verbrauchen, als in den restlichen 156 Tagen des Jahres nachwachsen können. Dabei liegt Deutschland mit den USA, Australien, Russland und Frankreich in der Gruppe der verschwenderischsten Länder weltweit und trotz gestiegenen Bewusstseins und vielseitiger Klagen über Ressourcenknappheit ist ein Ende der Steigerung derzeit nicht in Sicht (Bild 1). Für ein nachhaltiges Handeln, das die Wahrung der gesamtgesellschaftlichen Chancen für nachfolgende Generationen anstrebt, sind somit größere Anstrengungen als die aktuell real existierenden erforderlich.
Bild 1: Globaler Erdüberlastungstag nach Anzahl der Tage mit einem ökologischen Ressourcen-Defizit von 1970 bis 2021 (Bezug sind allein nachwachsende Rohstoffe) [Daten: statista]
Die Ziele einer nachhaltigen Ausrichtung politischen Handelns beschränken sich aber nicht auf ökologische Aspekte allein. Die am 25. September 2015 verabschiedete Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung definiert 17 Ziele einer nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG) mit 169 Unterzielen, die sich neben den Maßnahmen zum Klimaschutz auch auf Themen wie die Bekämpfung von Armut und Hunger, menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum beziehen. Auf dem SDG-Gipfel 2019 in New York haben die Staats- und Regierungschefs festgestellt, dass bislang zu wenige Aktivitäten aufgenommen worden sind, um die Nachhaltigkeitsziele 2030 noch zu erreichen. Auf nationaler Ebene entstand deshalb eine weiterentwickelte Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung (Bundesregierung, 2021), deren umfassende Ziele und Kennwerte den gesamten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich und somit auch den des Straßenbaus betreffen. Hervorzuheben sind hier insbesondere die SDG 7: Bezahlbare und saubere Energie, SDG 8: Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum, SDG 9: Industrie, Innovation und Infrastruktur und SDG 13: Maßnahmen zum Klimaschutz (Bild 2). Die für den Verkehrsbereich darüber hinaus zu betrachtenden SDG 6: Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen sowie SDG 11: Nachhaltige Städte und Gemeinden sind für den Bereich der Straßenbautechnik von untergeordneter Bedeutung, auch wenn hier beispielsweise über den Indikator „Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsfläche“ deutliche Berührungspunkte existieren.
Bild 2: Ziele und – herausgehoben – die den Verkehr betreffenden Ziele der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung
Aufgrund des globalen Ansatzes der Nachhaltigkeitsstrategie sind die den Zielen jeweils zugeordneten Indikatoren häufig nicht unmittelbar auf den Straßenbau anwendbar (Bild 3). Es wird deshalb erforderlich sein, den Beitrag des Straßenbaus zur Steigerung der Nachhaltigkeit näher zu definieren und Ziele der weiteren Entwicklung vorzugeben. Dabei stehen die maßgeblichen Erfordernisse aber sicherlich heute schon fest und werden von der Wirtschaft bereits erkannt und angegangen: Die Einsparung von Primärressourcen sowohl an Energie als auch an Baustoffen sowie die Reduzierung der Treibhausgasemissionen als Beitrag zur Begrenzung des Klimawandels. Dabei ist hervorzuheben, dass auch diese Ziele verknüpft sind mit einer weiterhin anzustrebenden positiven Entwicklung der Wirtschaft.
Bild 3: Beispielhafte Indikatoren für die den Straßenbau betreffende Ziele der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung
2 Wertung der Nachhaltigkeit
Aufgrund der beschriebenen aktuellen Entwicklung und der zu erwartenden zukünftigen politischen Konstellationen ist davon auszugehen, dass sich der Straßenbau einem deutlichen Wandel zu stellen haben wird, wobei derzeit noch nicht abzusehen ist, inwieweit dies über beschränkende Vorgaben oder über Veränderungen des Wettbewerbs im Vergabeprozess von Baumaßnahmen geschehen wird. Dabei scheint der Weg über beschränkende Maßnahmen oft der vermeintlich Einfachere zu sein, was sich aber bei näherer Betrachtung als zu kurz gedacht herausstellen kann. So ist eine Vorgabe für eine zu erreichende Wiederverwendungsrate von Baustoffen womöglich mit einer Reduzierung der Dauerhaftigkeit der daraus erstellten Aufbauschicht in der Straße verbunden, was die Gesamtbewertung des Ansatzes im Hinblick auf die Ressourceneinsparung und auch auf die Wirtschaftlichkeit ins Gegenteil kippen lassen mag. Um für solche Regelungen, aber auch für den Wertungsprozess von Neubau- und Erhaltungsmaßnahmen an Straßen belastbare Aussagen zu erhalten, ist es deshalb jeweils notwendig, Analysen über den gesamten Lebenszyklus einer Straße (Bild 4) durchzuführen.
Wenn es um ganzheitlich objektive Bewertungen beispielsweise der Wirtschaftlichkeit geht, sind Lebenszyklusbetrachtungen zwar seit langem erklärtermaßen sinnvoll, trotzdem fehlen hierfür in Deutschland noch immer elementare Grundlagen. Selbst Begrifflichkeiten zu den Phasen des Lebenszyklus sind aktuell nicht definiert. Eine Aufschlüsselung des Lebenszyklus zum Zweck der Umweltproduktdeklaration von Bauprodukten existiert jedoch zumindest europäisch (DIN EN 15804, 2020), so dass zumindest eine Vorlage besteht, an der man sich für den Straßenbau orientieren kann (Bild 4). Sie sieht eine Aufteilung des Lebenszyklus in die vier Phasen Planung, Bau, Nutzung und Entsorgung vor, wobei die Bauphase noch einmal in die Herstellung und Errichtung des Bauwerks unterteilt wird. Auf diese Weise wird die Produktion der Baustoffe vom Einbau derselben getrennt, wodurch eine sinnvolle seperate Betrachtung der entsprechenden Prozesse ermöglicht wird.
Bild 4: Definition des Lebenszyklus und dessen Phasen in Anlehnung an die DIN EN 15804
Der für die Straßenbautechnik zu nutzende Lebenszyklus kann die Phasen der Planung und auch die der vollständigen Entsorgung ausklammern, da der für die unterschiedlichen Analysen zu definierende Betrachtungszeitraum einerseits nicht zu kurz, andererseits zeitlich begrenzt sein muss und somit ein Rückbau der gesamten Straße im Regelfall nicht Bestandteil für die Betrachtungen sein kann. Andererseits durchläuft das Bauwerk Straße – wenn man es als Gesamtbauwerk betrachtet – verschiedene Phasen mehrfach, da Erhaltungsmaßnahmen erforderlich sein werden und diese selbstverständlich Entsorgungsleistungen für Teile des Straßenaufbaus beinhalten können.
Für jeden in den Phasen vorgesehenen Prozess ist zu prüfen, ob und in welcher Weise er für eine gesamtheitliche Bewertung der Zielgröße – beispielsweise die Wirtschaftlichkeit, den Energieverbrauch oder den Ausstoß der Treibhausgase – von Bedeutung ist und welche Beiträge darauf anzurechnen sind. Der Detailierungsgrad sollte dabei pragmatisch und mit Bezug auf die ohne großen Aufwand verfügbaren Daten festgelegt werden. Darüber hinaus gestaltet es sich an einigen Stellen schwierig, eine Abgrenzung der zu involvierenden Prozesse zu vollziehen. Dies betrifft zum großen Teil die Herstellungsprozesse der Baustoffe. Wie sind beispielsweise beim Bindemittel Bitumen die Gewinnung, der Transport und die Verarbeitung des Rohöls anzusetzen, wenn das Bitumen doch lediglich als eines von vielen Erzeugnissen der Raffinerie entsteht? Im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit inkludiert der Preis für das Bindemittel alle vorausgegangenen Arbeitsprozesse, für die Bewertung des Carbon-Footprint hingegen wäre eine detailliertere Betrachtung erforderlich. Die im Bild 5 dargestellte grobe Aufgliederung der Teilprozesse für die Bau- und Nutzungsphase sowie der im Bild 6 präsentierte Vorschlag für eine Zuordnung der Beitragsgrößen zu den Teilleistungen geben einen Eindruck der hier noch zu erarbeitenden Definitionen.
Bild 5: Beispielhafte Aufgliederung der für die Bewertung relevanten Teilleistungen in den Lebenszyklusphasen Bau und Nutzung
Bild 6: Beispielhafte Zuordnung von Beitragsgrößen zu den relevanten Teilleistungen in Lebenszyklusphasen Bau und Nutzung
Die größten Arbeitsaufwendungen für Lebenszyklusbewertungen an Straßenbefestigungen werden aber sicherlich in der Ermittlung repräsentativer Größenordnungen für die Beitragsgrößen anfallen. Sofern vorteilhafte Entwürfe für die Ausführung von Straßenbefestigungen bewertbar werden sollen, ist es notwendig, Bezugsgrößen festzulegen, die einen aktuellen Status Quo repräsentieren. Hierfür sind zum einen globale Vorgaben wie zum Beispiel für den Aufbau und den Querschnitt zu formulieren (Bild 7), zum anderen belastbare Abschätzungen für die Dauerhaftigkeit der einzelnen Schichten des Straßenaufbaus festzulegen. Gerade die-se Ermittlung von Potenzialen und Substanzen, also die der ertragbaren 10 t-Achsübergängen oder zumindest hinreichend genauer Nutzungsdauern ist aufgrund der komplexen Randbedingungen, die sich auf Dauerhaftigkeit auswirken, äußerst schwierig (Zander, 2021). Gleichzeitig wirkt sich diese selbstverständlich im hohen Maß auf praktisch alle Wertungskriterien aus, schließlich bestimmen sie über das Erfordernis von Erhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen, die sowohl Kosten als auch Energieaufwände und Emissionen verursachen.
Bild 7: Beispielhafte Zuordnung von Beitragsgrößen zu den relevanten Teilleistungen in den Lebenszyklusphasen Bau und Nutzung
Die Bundesanstalt für Straßenwesen hat für die Straßenbau-Forschung im Bereich der Bewertung der Nachhaltigkeit in Bezug auf den Energiebedarf und die Ressourcenschonung sowie der Wirtschaftlichkeit zwei Themengruppen „Nachhaltigkeit“ und „Infrastrukturmanagement“ gegründet und legt damit eine deutliche Schwerpunktbildung ihrer Zukunftsausrichtung und der damit verbundenen Forschungsaktivitäten fest. Dabei soll vor allem auch ein Blick auf die Aktivitäten anderer Akteure helfen, zügige Fortschritte zu erzielen. Grundlagen liegen, wie beispielsweise eine Untersuchung (PIARC, 2019) der World Road Association (PIARC) zeigt, in vielen europäischen Ländern vor. Der zugehörige Bericht offenbart auch, dass international Bewertungstools (Bild 8) bereits zur Verfügung stehen, die jedoch in den wenigsten Fällen konkret zur Anwendung kommen. Lediglich in den Niederlanden werden diese routinemäßig als Teil des Angebotsauswahlverfahrens genutzt. Entsprechend wird beklagt, „dass es nur wenige Anreize seitens des Straßenbesitzers gibt, den Kohlenstoff-Fußabdruck (Carbon-Footprint) des Straßenbaus zu verringern“.
Bild 8: Vergleich unterschiedlicher Bewertungsverfahren zur Nachhaltigkeitsbewertung hinsichtlich der Aussagen in den Phasen des Lebenszyklus (vgl. Bild 4) (PIARC, 2019)
Mit den beiden Forschungsvorhaben FE 04.335/2021/ARB: „Literaturstudie zur Nachhaltigkeit im Straßenbau“ und FE 04.341/2021/ARB: „Nachhaltigkeitspotenziale im Straßenbau mit dem Fokus auf Treibhausemission, Energiebedarf und Ressourcenschonung“ befinden sich aktuell erste Projekte der BASt-Themengruppen in der Vergabe. Sie sollen dabei unterstützen, die beschriebene Systematik für eine Bewertung über den Lebenszyklus festzulegen. Darüber hinaus werden erste Analysen mit der Systematik intern und extern durchgeführt.
3 Beiträge zur Steigerung der Nachhaltigkeit
Natürlich konzentrieren sich aktuell die weitaus meisten Vorschläge zur Steigerung der Nachhaltigkeit auf die ökologischen Aspekte, also vor allem auf die Einsparung von fossilen Energien und den damit verbundenen Treibhausemissionen sowie von Primärressourcen. Entsprechend wird nicht nur durch die neuen Anforderungen aus dem Bereich der Arbeitssicherheit eine Absenkung der Verarbeitungstemperaturen von Asphalt untersucht und auch über die Steigerung der Verwendung von Recyclingbaustoffen diskutiert. Beide Ansätze werden sich sowohl wirtschaftlich als auch im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit der Straßen auswirken und bedürfen deshalb keiner voreiligen Entscheidungen, sondern sollten durch entsprechende Forschungen abgesichert werden. Während aber die Verwendung von Asphaltgranulat bereits auf einem hohen Niveau üblich ist und damit lediglich in den oberen Schichten des Straßenaufbaus signifikante Steigerungen möglich erscheinen, steht der Betonstraßenbau bei der hochwertigen Wiederverwendung von Fahrbahndeckenbetonen, insbesondere in den gebundenen Schichten noch weitgehend am Anfang. In Österreich hingegen wird bereits seit geraumer Zeit für Betonfahrbahnen eine zweischichtige Decke vorgesehen, bei der der Unterbeton unter Wiederverwendung von rezykliertem Fahrbahnbeton hergestellt wird. Über entsprechende zehnjährige Erfahrungen wurde in Deutschland bereits im Jahr 2011 berichtet (BDZ, 2011) und fortwährende Veröffentlichungen deuten an, dass die Bauweise weiterhin angewendet wird (PIARC, 2021). Allerdings muss man auch realistisch berücksichtigen, dass zwar eine Ressourcenschonung erreicht wird, dass der Beitrag zur Nachhaltigkeit aber offenbar eher gering ausfällt. Nach einer Studie des wwf (WWF, 2019) liegt er im einstelligen Prozentbereich, was darauf zurückzuführen ist, dass der energetische Aufwand zur Aufbereitung des Ausbaubetons hoch ist und im Wesentlichen der Gesteinskornanteil wieder eingesetzt wird.
Auch bei der Reduzierung des Carbon-Footprints besitzt die Betonbauweise Potenziale. Die in jüngster Zeit immer wieder diskutierte Verwendung von CEM II- und CEM III-Zementen weist nicht nur Vorteile hinsichtlich der Verarbeitbarkeit und der höheren Widerstandsfähigkeit gegen AKR-Schädigung auf, sondern verursacht durch den geringeren Klinkeranteil erheblich weniger CO2-Emissionen. Die Verbesserung des Carbon-Footprint beruht dabei auch auf dem Brennvorgang, der nach herkömmlicher Verfahrensweise mit rund 35 % in die Bilanz eingeht. Durch die Reduzierung der notwendigen Temperaturen werden erhebliche Mengen Emissionen vermieden. Darüber hinaus entsteht CO2 aber auch bei der Entsäuerung des bei Portland-Zement verwendeten Kalksteins sowie beim Transport. Durch die Substitution des Klinker-anteils können also auch positive Effekte aufgrund der geringeren Entsäuerung erzielt werden. Insgesamt werden die möglichen Einsparungen auf etwa 50 % abgeschätzt (WWF, 2019).
Sowohl die Produktionsprozesse bei der Herstellung des Zements als auch die Mischprozesse zur Herstellung des Betons und auch des Asphalts können durch eine Umstellung auf elektrische Energie oder die Verwendung alternativer Brennstoffe Effizienzsteigerungen erfahren und vor allem zur Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen beitragen. Die Zement-industrie ist seit geraumer Zeit – natürlich auch von wirtschaftlichen Interessen getrieben – bestrebt, zu umweltfreundlicheren Prozessen zu kommen (Bild 9) (vdz, 2020). In gleicher Weise gilt dies selbstverständlich für die Baumaschinen und -fahrzeuge sowie für die Fahrzeugflotte der Betriebsdienste bei der Autobahn des Bundes und den Landesbauverwaltungen und allgemein auch für alle genutzten Gebäude. Auch hier gilt aber: Solange nicht entsprechende Anreize für den operativen Prozess oder von politischer Seite aus geschaffen werden, wird der Wandel nur zögerlich voranschreiten. Gleichwohl bereiten sich viele Akteure auf die weitere Entwicklung vor, weil sie sehen, dass sich der Handlungsdruck insbesondere auf der europäischen Schiene zukünftig erhöhen wird.
Den voraussichtlich aber wesentlichen Nutzen erbrächte eine Steigerung der Nutzungsdauer für die Schichten des Straßenaufbaus oder die gesamte Befestigung. Jedes zusätzliche Jahr Dauerhaftigkeit, das durch eine gesteigerte Herstellungsqualität oder durch eine andere Konzeption des Aufbaus erzielt werden kann, liefert einen hohen Beitrag zur Nachhaltigkeit. So kann eine überdurchschnittliche Spaltzugfestigkeit des eingesetzten Betons oder eine bessere
Bild 9: Brennstoffmix der deutschen Zementindustrie 2019 (alternative Brennstoffe: Altreifen, Altöl, Tiermehle, aufbereitete Fraktionen aus Gewerbe- und Siedlungsabfällen sowie Klärschlamm) und Entwicklung des Energieeinsatzes (vdz, 2020)
Ermüdungsbeständigkeit des Asphalttragschichtmischguts mit vergleichsweise geringem Aufwand dazu führen, dass die Befestigung dem Verkehr und Wetter zehn Jahre länger standhält, wodurch die Emissionen über den Lebenszyklus um mehr als 30 % gesenkt werden würden. Die Qualität der eingesetzten Baumaterialien sowie des Einbaus bestimmen also sowohl die wirtschaftliche als auch ökologische Bewertung im positiven Sinn. Sie ist darüber hinaus im Sinn des Verkehrteilnehmers, da durch weniger Erhaltungsmaßnahmen auch die Verfügbarkeit der Strecken verbessert wird.
Die Wahrung der Qualität und die Steigerung der Nutzungsdauern gehören darüber hinaus selbstverständlich zum Kerngeschäft aller Beteiligten im Straßenbau. Die Bewahrung einer widerstandsfähigen Infrastruktur wird in der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung direkt im SDG 9: Industrie, Innovation und Infrastruktur angesprochen und wird bei den Auftraggebern des Straßenbaus und den politischen Ebenen durch die Ergebnisse der Zustands-erfassung und -bewertung immer wieder aufgerufen. Durch den Klimawandel erhält dieser Nachhaltigkeitsindikator aber auch eine enge Verknüpfung mit den Maßnahmen zum Klimaschutz (SDG 13).
4 Resilienz der Straße gegenüber dem Klimawandel
Laut Auswertungen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) hat die durchschnittliche Temperatur in Deutschland im Zeitraum von 1881 bis 2020 bereits um 1,6 K zugenommen (DWD, 2021), wobei sich über die verschiedenen Jahreszeiten vergleichsweise ähnliche Steigerungen ergeben. Damit einher geht somit eine allgemeine Anhebung der vorherrschenden Temperaturen, die vor allem für die extremen Ausprägungen im Sommer und Winter von Interesse für den Straßenbau sind. So fielen in den vergangenen 20 Jahren die Temperaturen im Monat Juli in 18 Fällen deutlich überdurchschnittlich und nur einmal merklich unterdurchschnittlich aus. Darüber hinaus dehnen sich die Hitzeperioden länger aus, so dass vermehrt Tropennächte auftreten, in denen der Asphalt und Beton nicht mehr wie gewohnt abkühlen. Dies hat zur Folge, dass die Straßenbefestigungen zu Tagesbeginn bereits eine vergleichsweise hohe Temperatur aufweisen und sich somit von Tag zu Tag stärker aufheizen.
Es gibt keinen Anlass, an der fortschreitenden Entwicklung dieses Trends zu zweifeln. Die Prognosen des DWD weisen für den Zeitraum bis 2100 einen weiteren Anstieg der Temperaturen um 3,1 bis 4,7 K aus, wenn nicht einschneidende Maßnahmen ergriffen werden (Bild 10). Die Folgen dieses sich in den Daten zeigenden Klimawandels sind leider seit einiger Zeit anhand vereinzelter Berichte von Schäden in Form verfrüht auftretender Spurrinnen erkennbar. Auf Betonstraßen zeigten sich durch das mit den hohen Temperaturen verbundene Längsausdehnungsverhalten und dem Aufbau von zum Teil kritischen Spannungszuständen an wenigen Autobahnabschnitten verschiedenartige Schadensbilder. Die Vielzahl der unterschiedlichen Ausprägungen der Schäden und auch deren stets fugennahe Lage warf zunächst Fragen nach der Ermittlung der konkreten Beanspruchungszustände innerhalb der Betondecke und damit verbunden nach den begünstigenden Einflussfaktoren auf. Das Thema der Hitzeschäden war damit eines, das die Forschung beschäftigen musste. In einem umfassenden Konzept wurden u. a. Messstellen aufgebaut, die über entsprechende Sensoren die Temperaturen in der Betondecke und die Dehnungen im Fugenbereich aufzeichneten. Wichtig waren darüber hinaus Klimadaten, weshalb an den Abschnitten, für die keine Wetterstationen in adäquater Entfernung und Lage vorhanden waren, eigene Stationen aufgebaut wurden. Geichzeitig wurde ein Berechnungsverfahren auf der Basis von FEM programmiert, das die gemessenen Eingangsgrößen nutzen konnte, um abschnittsbezogen kritische Spannungszustände in den Betonfahrbahndecken zu identifizieren und prognostizieren (Bild 11). Dies gelang in guter Qualität und führte ferner dazu, dass die Konstellationen aus bautechnischen und klimatischen Randbedingungen für die einzelnen Fahrbahnabschnitte ermittelt werden konnten. Im Ergebnis konnten durch die Umsetzung von Forschungsergebnissen erforderliche Maßnahmen kurzfristig in die Praxis umgesetzt und das Auftreten der Hitzeschäden bei Betonstraßen sehr stark eingegrenzt werden. Hierbei zeigte sich, dass rechnerische Verfahren heute unverzichtbar sind und ihre Anwendung dringend notwendig ist, um sich rechtzeitig auf die vielfältigen Herausforderungen der Zukunft einstellen zu können.
Bild 10: Entwicklung der heißen Perioden nach der Prognose für das Klimaschutzszenario für 2050 (blau) und 2100 (hellblau) und nach dem Weiter-wie bisher-Szenario (rot bzw. hellrot) (Hänsel et al., 2020)
Bild 11: Simulation des Systemverhaltens von Betonstraßenbefestigungen auf der Grundlage von realen Messdaten an ausgewählten Streckenabschnitten
Für die Zukunft wird es erforderlich sein, die konstruktiven Details der Betonstraße, aber natürlich auch die Anforderungen an Asphaltschichten, auf die sich weiterhin ändernden Klimaeinwirkungen abzustimmen. Eine grobe Abschätzung, in welchem Umfang die bestehenden Regelwerke des Straßenbaus von dieser Anpassung betroffen sind, erbrachte einen Anteil von rund 30 % (Krieger et al., 2020). Über die von der Bundesanstalt für Straßenwesen hierfür bereits formulierten und teilweise schon vergebenen Projekte wurde bereits berichtet (Zander, 2021).
Auch wenn in Bezug auf die Niederschlagsmengen durch den Klimawandel insgesamt eher geringe Veränderungen erwartet werden, stellen diese doch einen zu berücksichtigenden Aspekt bei der Planung und Ausführung von Verkehrsinfrastrukturen dar. Die Niederschläge werden sich den Prognosen des DWD zufolge auf das Frühjahr und den Herbst konzentrieren und dort deutlich häufiger – man geht von einer Verdopplung bis zur Verfünffachung aus – und auch intensiver als gegenwärtig in Extremwetterereignissen auftreten. Entsprechend werden Entwässerungseinrichtungen zukünftig größer auszulegen sein. Da aber darüber hinaus in gewässernahen Abschnitten auch mit vermehrten Überschwemmungen zu rechnen sein wird, muss auch in Erwägung gezogen werden, hierfür Straßenaufbauten zu entwickeln, die über eine höhere Erosionsbeständigkeit verfügen und somit dem Wassereintritt länger standhalten können. Auch hierfür sind bereits Forschungsvorhaben in der Vorbereitung.
5 Stärkung der Ökologie und Verbesserung der Ökonomie
Ökologische und ökonomische Zielvorstellungen stellten früher einen klassischen Interessenskonflikt dar, der Umweltschützer und viele Unternehmer in gut abgrenzbare Lager teilte. Die jeweils vorgetragenen Ansichten wurden mit sehr grundsätzlich formulierten Argumenten untermauert und führten über einen langen Zeitraum nicht dazu, dass sich die Positionen annäherten. So wie sich auf der einen Seite aber allmählich die Einsicht einstellt, dass Umweltpolitik alleine keine für die ganze Gesellschaft nachhaltige Zukunft erreichen kann, so wird mit dem mittlerweile erlebbaren Klimawandel und den sich verknappenden Ressourcen offensichtlich, dass auch rein auf wirtschaftliches Wachstum und auf Profit ausgerichtetes Streben keine langfristig positive Entwicklung nehmen kann.
Die Strategie zur Steigerung der Nachhaltigkeit verfolgt allgemein das Ziel, den nachkommden Generationen ausreichende Ressourcen für ein Leben im gewahrten Wohlstand zu überlassen. Hierbei werden neben gesundheitlichen und sozialen Aspekten eine gute wirtschaftliche Entwicklung mit breiter gesellschaftlicher Teilhabe bei gleichzeitig erheblichen Fortschritten in vielfältigen ökologischen Bereichen angesprochen. Nachhaltiges Handeln widerspricht somit einer Fokussierung auf nur einen kleinen Bereich, vielmehr fordert es eine Berücksichtigung auch der jeweiligen negativen Auswirkungen beispielsweise ökonomischen und ökologischen Handelns. Hohe Wiederverwendungsraten von Baustoffen sind ein gutes Beispiel aus dem Straßenbau, wie sich ökologisch sinnvolle Verfahrensweisen letztlich wirtschaftlich positiv nutzen lassen. Die Reduzierung von fossilen Energien bei der Herstellung von Baustoffgemischen führt zu einer Einsparung von Treibhausgasemissionen und mindert gleichzeitig die Kosten, der dazu erforderliche Einsatz von Zusatzmitteln mag die wirtschaftliche und ökologische Gesamtbilanz jedoch erheblich negativ belasten. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass die Qualität des Baustoffs und damit die Nutzungsdauer der daraus zu erstellenden Straßen durch den Einsatz der Zusatzstoffe beeinflusst wird. Der gesamtheitlichen Bewertung von Straßeninfrastrukturprojekten im Hinblick auf die Nachhaltigkeit kommt damit eine hohe Bedeutung zu. Die Vielzahl der dabei zu berücksichtigenden Aspekte führt zu einer Komplexität, die einfache Lösungen, wie sie häufig öffentlichkeitswirksam offeriert werden, als nicht zielführend erscheinen lassen. Es sollten deshalb zügig Bewertungen erarbeitet werden, die belastbare Ergebnisse erbringen, mit denen die politischen Ziele ökologisch sinnvoll und wirtschaftlich gewinnbringend erreicht werden können.
Literaturverzeichnis
(PIARC), W. R. (2019): Reducing the Life cycle carbon footprint of pavements
BDZ, B. d. (2011): Recycling von Beton im Strassenbau
Bundesregierung (2021): Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie – Weiterentwicklung 2021, Berlin
DIN EN 15804 (2020): Nachhaltigkeit von Bauwerken – Umweltproduktdeklarationen – Grundregeln für die Produktkategorie Bauprodukte, Beuth Verlag
DWD (20. August 2021): https://www.dwd.de/DE/leistungen/zeitreihen/zeitreihen.html
Hänsel, S.; Herrmann, C.; Jochumsen, K.; Klose, M.; Nilson, E.; Norpoth, M.; Seiffert, R. (2020): Verkehr und Infrastruktur an Klimawandel und extreme Wetterereignisse anpassen. Ergebnisbericht des Themenfeldes 1 im BMVI-Expertennetzwerk für die Forsschungsphase 2016 – 2019, Bonn
Krieger, B.; Meine, L.; Werner, T.; Bürger, M.; Golkowski, G.; Hübecker, S.; Zorn, M. (2020): Regelwerke und Klimawandel, Bundesanstalt für Straßenwesen, Bergisch Gladbach
PIARC (2021): Use of recycled materials
vdz (2020): Dekarbonisierung von Zement und Beton – Minderungspfade und Handlungsstrategien
WWF (2019): Klimaschutz in der Beton- und Zementindustrie
Zander, U. (2021): Die Straße im Spannungsfeld von Verfügbarkeit und Nachhaltigkeit, Straße und Autobahn (7/2021), S. 527 – 537 |