FGSV-Nr. FGSV 002/137
Ort Bergisch-Gladbach
Datum 19.04.2023
Titel Ergebnisse von Messungen von partikel- und gasförmigen Luftverunreinigungen in der Umgebung des Flughafens in Stuttgart
Autoren Dr.-Ing. Ulrich Vogt, M. Sc. Abdul Samad, Kathryn Molina
Kategorien Luftqualität
Einleitung

Frühere Flughafenstudien, die in Los Angeles, Amsterdam und anderen Städten durchgeführt wurden, haben gezeigt, dass Flugzeuge die Luftschadstoffkonzentrationen in der Umgebung des Flughafens erheblich erhöhen können und sogar in Entfernungen von mehreren Kilometern gemessen werden können [1-4]. Da die Ergebnisse nicht direkt von einer Stadt auf die andere übertragen werden können und am Stuttgarter Flughafen bisher keine vergleichbaren Messungen durchgeführt wurden, war das Ziel der Studie zu untersuchen, ob erhöhte Luftschadstoffwerte am Flughafenzaun und in der Umgebung des Flughafens in Stuttgart gemessen werden können. Zudem sollte der Versuch unternommen werden, die Emissionen ultrafeiner Partikel, die aus dem Straßenverkehr stammen, von denen des Flugverkehrs zu unterscheiden.

Der Flughafen Stuttgart ist der sechstgrößte Flughafen Deutschlands und hatte im Jahr 2019 über 12,7 Millionen Passagiere, eine Steigerung von 10 % im Vergleich zu 2018 [5]. Der Flughafen hat eine Start- und Landebahn, die sich in südwestlicher und nordöstlicher Richtung erstreckt und ca. 3.300 m lang ist. Die Start- und Landerichtung variiert je nach Windrichtung, die sich aufgrund einer Kombination aus Topografie und Windmuster in der Region Stuttgart häufig ändert. Die mittlere Windrose für das Flughafengebiet zeigt einerseits eine starke westliche und südwestliche Komponente und andererseits eine östliche [6]. Die Umgebung des Flughafens besteht aus Gemeinden und landwirtschaftlichen Flächen. Es gab bisher keine Studien, in denen speziell die Emissionen am Flughafen Stuttgart bzw. in dessen Umgebung gemessen wurden. Die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) überwacht die Luftbelastung von NO,  NO2, O3, PM10 und PM2,5 an der nächstgelegenen Luftqualitätsmessstation (Bernhausen) 1,3 km südlich des Flughafens Stuttgart. Ultrafeine Partikel werden an dieser Messstation nicht gemessen.

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Methodik

Es wurden im Frühjahr und Sommer des Jahres 2020 stationäre Messungen an verschiedenen Punkten auf der Ost- und Westseite des Flughafens in Verlängerung der Start- und Landebahn durchgeführt. Die Messungen wurden im Verlauf von drei Phasen durchgeführt und umfassten folgende Parameter: UFP (Ultrafeine Partikel), PM, BC (Black Carbon), CO2, O3, NO2, NO sowie Windgeschwindigkeit und -richtung. Die erste Phase der Messungen fand Mitte April 2020 statt, als der Flughafen komplett geschlossen war und aufgrund von Bauarbeiten auf der Start- und Landebahn kein Flugverkehr herrschte. Einige Wochen später, im Juni 2020, fand die zweite Messphase statt, als der Flughafen wiedereröffnet wurde, aber aufgrund von COVID19-Lockdown-Maßnahmen, der Flugverkehr nur in sehr beschränktem Umfang stattfand. Schließlich wurde während der Sommerreisezeit von Mitte August bis Mitte September 2020, eine dritte Messphase durchgeführt. Während bei Abflügen insgesamt mehr Emissionen freigesetzt werden, konzentrierte sich diese Studie auf Messungen bei Landungen der Flugzeuge. Unter diesen Bedingungen befinden sich die Flugzeuge näher am Boden und damit näher an den Messgeräten, so dass bei genügend labiler Atmosphäre die Emissionen bis zum Erdboden herunter gemischt werden und dort höhere Konzentrationen zu messen sind. Somit wurden „worst-case“-Messungen durchgeführt, um die höchstmöglichen Konzentrationen der Abgasfahnen der Flugzeuge messtechnisch zu erfassen. Eine Übersicht der Messorte während aller Messphasen ist in Abbildung 1 dargestellt.

Abbildung 1: Eine Übersicht der Messorte während der Messkampagnen.

In dieser Studie wurde eine Vielzahl von Messgeräten verwendet, die den Größenbereich von ultrafeinen Partikeln bis zu groben Partikelgrößen sowie die Partikelverteilung abdeckten. Außerdem wurden verschiedene gasförmige Luftverunreinigungen sowie die Windgeschwindigkeit und -richtung gemessen. Voraussetzung war, dass alle Instrumente mit Batterien oder Akkus betrieben werden konnten, da eine permanente Stromversorgung nicht vorhanden war. Eine Zusammenfassung der verwendeten Geräte findet sich in Tabelle 1 wieder.

Tabelle 1: Liste der verwendeten Geräte für die Messkampagnen

Ergebnisse

Messphase I – kein Flugverkehr: Die PNC-Konzentrationen (PNC – particle number concentration) lagen auf niedrigem Niveau bei Werten < 10.000 Partikel/cm³, der mittlere Partikeldurchmesser Dp lag bei > 40 nm. In Abbildung 2a sind die Ergebnisse der PNC-Konzentration in Messphase I in Form eines Box-Whisker-Diagramms dargestellt.

Messphase II – wenig Flugverkehr: In der zweiten Messphase konnten einzelne Peaks von landenden Flugzeugen erfasst werden. Die PNC-Konzentrationen lagen bei erfassten Flugzeugpeaks > 10.000 Partikel/cm³. In Abbildung 2b sind die Ergebnisse der PNC-Konzentration an einem der Messtage von 10:30 bis 13:00 Uhr in Messphase II dargestellt. Rot markiert ist die Erfassung der Abgasfahne eines landenden Flugzeugs.

Abbildung 2: PNC-Konzentration in (a) Messphase I – ohne Flugverkehr und (b) Messphase II – mit wenig Flugverkehr

Messphase III – viel Flugverkehr: In Messphase III konnten viele UFP-Peaks von landenden Flugzeugen erfasst werden. Sie erzeugten PNC-Peaks von bis zu 300.000 Partikel/cm³. Während den PNC-Peaks sanken die mittleren Partikeldurchmesser auf Werte zwischen 10 und 20 nm. Viele Peaks konnten sowohl an Messpunkt 2 direkt am Flughafenzaun in 1 km Entfernung von der Start- und Landebahn gemessen werden als auch zur gleichen Zeit an Messpunkt 1 in 2 km Entfernung von der Start- und Landebahn (rote Markierungen). In Abbildung 3 sind die Ergebnisse der PNC-Konzentration in Messphase III für den Messpunkt 1 und 2 dargestellt.

Abbildung 3: PNC-Konzentration in Messphase III für den Messpunkt 1 und 2

Diese Ergebnisse zeigen schon, dass der Flugverkehr auch bei wenigen Flugzeugen zu einer Erhöhung der UFP-Konzentrationen führen kann. Daher ist zu erwarten, dass die Anzahl der Partikel in der 10-nm-Größenklasse unter Nicht-CO-VID19-Pandemiebedingungen deutlich höher wäre.

In Abbildung 4 sind die externen Einflüsse von anderen Quellen gezeigt. Nicht nur der Flugverkehr, sondern auch der landwirtschaftliche Verkehr, in diesem Fall ein Traktor, erzeugt auf den reichlich vorhandenen landwirtschaftlichen Flächen rund um den Flughafen, UFP-Emissionen (Abbildung 4a). Der Straßenverkehr erzeugt ebenfalls UFP-Emissionen. Allerdings sind die Partikel größer als beim Flugverkehr, was an dem Einbruch des mittleren Partikeldurchmessers Dp auf 10 nm bei der Erfassung der Peaks des Flugverkehrs zu erkennen ist (Abbildung 4b), wohingegen beim Straßenverkehr zwar auch erhöhte Partikelkonzentrationen zu verzeichnen sind, aber eben mit größerem mittleren Partikeldurchmesser Dp von 20 bis 30 nm.

Abbildung 4: Externe Einflüsse vom (a) landwirtschaftlichen Verkehr „Traktor“ und (b) Straßenverkehr auf B27

In Phase 3 konnten an neun der zehn Tage die NO- und NO2-Spitzen von Flugzeugen gemessen werden (rote Markierungen). Die Werte waren ähnlich denen in Phase 2 und nur in zwei Fällen lagen die Konzentrationen über 120 ppb, alle anderen durch Flugzeuge verursachten Spitzenkonzentrationen waren ziemlich moderat. In Abbildung 5 ist die an Punkt 3 am 14. Tag gemessene NO- und NO2-Konzentration dargestellt. Während der gesamten Messdauer gab es NO- und NO2-Spitzen, die durch Flugzeuge verursacht wurden.

Abbildung 5: NO- und NO2-Konzentration gemessen an Punkt 3 am Tag 14

Weitere Ergebnisse dieser Untersuchung sind veröffentlicht [7].

Schlussfolgerung

Beim Vergleich der Ergebnisse aus den drei Phasen zeigten sich die größten Veränderungen bei den UFP-Partikelanzahlkonzentrationen (PNCs) und bei den entsprechenden mittleren Partikeldurchmessern (Dp). Als während Phase 1 kein Flugverkehr auftrat, lagen die PNC-Konzentrationen unter 10.000 Partikel/cm³ und die Dp-Größen bei 38 nm und darüber. Im Laufe der Phasen 2 und 3, in denen immer mehr Flugverkehr stattfand, traten PNC-Peaks von Flugzeugen mit über 300.000 Partikeln/cm³ bei Dp-Größen von 10 nm auf. Simultane UFP-Messungen an zwei Messorten gleichzeitig zeigten auch, dass die erhöhten UFP-Peaks sowohl am Flughafenzaun als auch bis zu 2,7 Kilometer entfernt gemessen werden konnten.

Bei allen anderen gemessenen Luftschadstoffen waren in den drei Phasen weniger starke Änderungen der gemessenen Konzentrationen während der einzelnen Messphasen zu beobachten. Peaks der gröberen PM-Fraktionen standen nicht nur im Zusammenhang mit dem Flugverkehr, aber auch mit vorbeifahrenden Autos oder Traktoren. Auch bei den BC-Messungen gab es eine minimale Variabilität, und die mittlere Konzentration blieb während aller drei Phasen unter 1 μg/m³. Während der gesamten Kampagne wurden nur drei signifikante BC-Peaks gemessen, die in Phase 3 stattfanden. Diesen Peaks gingen Landungen großer Verkehrsflugzeuge voraus, welche von einem starken Kerosingeruch begleitet wurden.

Von den in den Phasen 2 und 3 gemessenen Gasen wurde schließlich der größte Unterschied bei den NO2-Werten festgestellt, deren mittlere Konzentration in Phase 3 um etwa ein Drittel höher war als in Phase 2.

Die Emissionen der sehr feinen Partikelfraktion (10 – 300 nm) die aus dem Straßenverkehr stammen, lassen sich von denen des Flugverkehrs gut unterscheiden, und zwar anhand des mittleren Durchmessers der Partikel. Die Partikel aus dem Flugverkehr besitzen einen kleineren mittleren Durchmesser als die Partikel, die aus dem Straßenverkehr stammen.

Die durchgeführten Messungen haben gezeigt, dass der Luftverkehr insbesondere für ultrafeine Partikel, einen erheblichen Einfluss auf die Luftschadstoffsituation im Umfeld des Stuttgarter Flughafens hat. Weitere Langzeitmessungen werden empfohlen, um festzustellen, ob Langzeitgrenzwerte überschritten werden und die Anwohner des Flughafens kritischen und gesundheitsschädlichen Schadstoffkonzentrationen ausgesetzt sein könnten und wie häufig.

Bibliographie

[1] Westerdahl, D.; Fruin, S.A.; Fine, P.L.; Sioutas, C. The Los Angeles International Airport as a source of ultrafine particles and other pollutants to nearby communities. Atmos. Environ. 2008, 42, 3143–3155. DOI:
https://doi.org/10.1016/j.atmosenv.2007.09.006

[2]. Hudda, N.; Gould, T.; Hartin, K.; Larson, T.V.; Fruin, S.A. Emissions from an international airport increase particle number concentrations 4-fold at 10 km downwind. Environ. Sci. Technol. 2014, 48, 6628–6635. DOI:
https://doi.org/10.1021/es5001566

[3]. Keuken, M.P.; Moerman, M.; Zandveld, P.; Henzing, J.S.; Hoek, G. Total and size-resolved particle number and black carbon concentrations in urban areas near Schiphol airport (the Netherlands). Atmos. Environ. 2015, 104, 132–142. DOI:
https://doi.org/10.1016/j.atmosenv.2015.01.015

[4]. Weber, K.; Pohl, T.; Böhlke, C.; Fischer, C.; Kramer, T. Investigation of UFP-Distributions with Stationary and Mobile Measurements at the Düsseldorf Airport. In Proceedings of the 7th International Symposium on Ultrafine Particles, Air Quality and Climate. Institut für Meteorologie und Klimaforschung—Atmosphärische Aerosolforschung (IMK-AAF), Brüssel, Belgien, 15-16 May 2019. Available online:
https://publikationen.bibliothek.kit.edu/1000096845 (accessed on 7 August 2020).

[5]. Flughafenverband Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen-Monatsstatistik. 2019. Available online: https://www.adv.aero/service/downloadbibliothek/ (accessed on 20 July 2022).

[6]. Baumüller, J. (Ed.) Klimaatlas Region Stuttgart—Stadtklima 21: Grundlagen zum Stadtklima und zur 2018, p. 28. Available online: https://www.stadtklima-stuttgart.de/index.php?klima_klimaatlas_region (accessed on 20 July 2022).

[7]. Samad, K. Arango, I. Chourdakis, und U. Vogt, „Contribution of Airplane Engine Emissions on the Local Air Quality Around Stuttgart Airport During and After COVID-19 Lockdown Measures.“, Atmosphere 2022, 13, 2062., 2022, doi: https://doi.org/10.3390/atmos13122062.