FGSV-Nr. FGSV 002/140
Ort Stuttgart
Datum 13.03.2024
Titel Eine Potenzialabschätzung zur Reduktion der von Baustellen betroffenen Zugfahrten
Autoren Prof. Dr. Natalia Kliewer, Dr. Julian Reisch, Jannes Glaubitz, Roderich Budweg
Kategorien HEUREKA
Einleitung

Kurzfassung

Neben dem Zugbetrieb finden auf dem Schienennetz auch Bau- und Instandhaltungsmaßnahmen statt, die dazu führen, dass Zugfahrten auf alternative Strecken umgeleitet oder zeitlich umgeplant werden müssen. Je mehr Zugfahrten von diesen Maßnahmen betroffen sind, desto mehr Aufwand muss für deren Umplanung betrieben werden und desto häufiger kann es zu Zugausfällen und Verspätungen kommen. Die DB InfraGO AG beabsichtigt, ihren Prozess der Bauplanung dahingehend umzustellen, dass künftig vordefinierte Zeiten je Strecke, sogenannte Container, vorgehalten werden, in denen Baumaßnahmen optimal eingeplant werden können. In diesem Beitrag stellen wir eine Methodik vor, mit der wir die Potenziale quantifizieren können, die in dieser veränderten Bauplanung liegen.

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1 Einleitung

Die DB InfraGO AG ist das größte Eisenbahninfrastrukturunternehmen in Deutschland und verwaltet nahezu das gesamte deutsche Schienennetz. Dabei wird die Schienenwegkapazität an Eisenbahnverkehrsunternehmen vermietet, die dort ihre Zugfahrten betreiben. Neben dem Eisenbahnbetrieb müssen auf den Gleisen allerdings auch immer wieder Bau- und Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden. Diese variieren in Komplexität und Umfang von kleineren, regelmäßigen Instandhaltungsmaßnahmen (IH) wie Grünschnitt, bis hin zu Großbaustellen für Neu- und Umbauten. Die DB InfraGO AG stellt sich also der Herausforderung, ihre Baustellen so zu planen, dass alle Baubedarfe gedeckt werden und gleichzeitig möglichst viel Schienenwegkapazität für den Zugbetrieb erhalten bleibt.

Dass sich Potenziale zur Steigerung der Streckenkapazität bei einer simultanen Durchführung der Baustellen ergeben, kann durch die folgenden beiden Beispiele illustriert werden.

Bild 1: Wenn auf einer Strecke in einer Woche zwischen B und D (oben), und in der nächsten Woche zwischen D und E (unten) eine Baustelle geplant wurde, dann hätte man auch beide Baustellen entweder in Woche 1 oder beide in Woche 2 einplanen können, sodass in der jeweils anderen Woche keine Züge mehr durch einer der beiden Baustellen betroffen wären und über C und F umgeleitet werden müssten.

Bild 2: Auf einer Strecke werden 3 Maßnahmen in jeweils unregelmäßigen Abständen geplant (oben). Dann kann es in fast jeder Woche zu Zugbetroffenheiten kommen. Plant man hingegen vorher Container ein (rot), und lässt die Maßnahmen gebündelt in den von den Containern festgelegten Wochen stattfinden (unten), dann gibt es deutlich weniger Wochen, in denen es zu Zugbetroffenheiten kommen kann.

Um Baumaßnahmen bei der Fahrplanerstellung berücksichtigen zu können, müssen sie mit zeitlichem Vorlauf geplant werden. Hiermit befasst sich bei der DB InfraGO AG die Baubetriebsplanung. Ihr Planungsprozess beginnt in der Regel mehrere Jahre vor dem Fahrplanjahr, in dem die Baumaßnahme stattfinden soll, und gliedert sich in mehrere Phasen [1]. Maßnahmen von langer Dauer und großen Auswirkungen auf Zugfahrten werden am frühesten eingeplant (10 bis 5 Jahre vor dem betreffenden Fahrplanjahr). Ziel ist zunächst, Synergien und Konflikte zu koordinieren. In den darauffolgenden Phasen werden sukzessive immer kleinere Maßnahmen hinzugenommen und möglichst kapazitätsschonende Maßnahmenbündel für den Fahrplan gebildet. Allerdings treten auch kurzfristig (unterjährig) noch Baubedarfe auf, die zusätzliche Streckensperrungen verursachen können. Diese werden in einer rollierenden Planung durch die sogenannte Zusammenstellung vertrieblicher Folgen (ZvF) regionenübergreifend ausgeregelt [2].

Künftig sollen vor Beginn des Fahrplanjahres sogenannte Container vorgehalten werden, in denen ad hoc Bau- und Instandhaltungsmaßnahmen geplant werden können, ohne den Zugbetrieb gravierend zu beeinträchtigen. In diesem Beitrag soll das Potential quantitativ abgeschätzt werden, das in einer verbesserten Planung von IH liegt. Konkret messen wir die Verbesserung mit der Reduktion von Zugbetroffenheiten. Ein Zug ist von einer Bau- oder Instandhaltungsmaßnahme betroffen, wenn der Zug durch die Maßnahme hindurchfährt und deshalb umgeplant werden muss. Wir schlagen eine Methodik vor, IH zeitlich so zu verschieben, dass sich die Anzahl der Zugbetroffenheiten verringert. Damit können wir zeigen, dass sich ein Potential von bis zu 17% weniger Betroffenheiten für historische Daten aus 2023 ergibt. Daraus lässt sich ableiten, dass, wenn die IH schon in optimal geplante Container eingeplant worden wären, es signifikant weniger Zugbetroffenheiten in 2023 gegeben und entsprechend weniger Züge in der ZvF manuell hätten ausgeregelt werden müssen.

Es sei angemerkt, dass die beste Planung von Baumaßnahmen natürlich auch die Optimierung größerer Baustellen umfasst. Aufgrund deren Komplexität ist es aber nahezu unmöglich, alle entsprechenden Randbedingungen zu modellieren. Um also möglichst realitätsnahe Ergebnisse zu erhalten, beschränken wir uns hier auf (die reguläre) IH. Auch die von der DB InfraGO AG geplante Einführung von Containern würde zunächst nur kleinere Baustellen und IH betreffen.

Das weitere Paper gliedert sich wie folgt. In Kapitel 2 beleuchten wir den Stand der Forschung zum Thema der optimalen Bauplanung und werfen einen Blick auf andere Infrastrukturunternehmen. Wir beschreiben die Daten, mit denen wir arbeiten, in Kapitel 3 und formulieren die Problemstellung in Kapitel 4. In Kapitel 5 stellen wir unsere Methodik der Verschiebung von IH vor und präsentieren unsere Rechenergebnisse. Wir schließen das Paper mit einer Zusammenfassung und einem Ausblick in Kapitel 6.

2 Stand der Forschung

Die Container als vorgestelltes Modell der DB InfraGO AG sind als Zeitfenster zu interpretieren, in denen Baumaßnahmen auf einem Korridor gebündelt durchgeführt werden können. Diese Bündelung gilt seit Langem als wirksame Strategie zur Optimierung der Allokation von Bauvorhaben und wird in der internationalen Literatur [3] oft als Track Maintenance Possession Scheduling bezeichnet.

Die Bündelung von Baumaßnahmen ist in den letzten zwei Jahrzehnten auch in deutschsprachigen Publikationen thematisiert worden. Dabei liegt ein besonderes Augenmerk auf der Betrachtung von Synergieeffekten sowie potenziellen Konflikten zwischen den verschiedenen Stakeholdern im System Eisenbahn [4]. Insbesondere werden monetäre Vorteile durch eine Reduktion von Umleitungen und Zugausfällen sowie die damit einhergehende Erhöhung der Verkehrsleistung beschrieben. Diese Ergebnisse wurden erreicht, indem einerseits auf bestimmten Streckenabschnitten großzügiger Totalsperrungen eingeplant wurden, um eine größere Baufreiheit zu schaffen, und andererseits diese größeren Sperrzeiten frühzeitiger im baubetrieblichen Planungsprozess verankert wurden [5]. Ferner beschreiben Pöhle et al. [2] eine rollierende Planung unterjähriger Baumaßnahmen.

Abseits der technisch-organisatorischen Aspekte der Baumaßnahmenplanung konzentriert sich dieses Papier auf die Untersuchung von Optimierungsmöglichkeiten mithilfe mathematischer Modellierungen. Insbesondere lassen sich die Potentiale dadurch quantifizieren. Budai et al. [6, 7] gehören zu den Pionieren in der Erforschung der Optimierungspotenziale, die sich aus der Bündelung von Baumaßnahmen ergeben. Diese Arbeiten erweitern bisherige Ansätze, wie beispielsweise die von Van Dijkhuizen [8], indem sie neben wiederkehrenden Wartungsarbeiten auch nicht-zyklische Bauprojekte in das Modell einbeziehen.

Im Kontrast zu unserem Ziel, die Zugbetroffenheiten zu reduzieren, wurde bei Budai et al. die Zielfunktion als Minimierung der Kosten formuliert. Die Kosten umfassen die Fixkosten einer Streckensperrung und die direkt anfallenden Kosten für die Instandhaltungsarbeiten [6]. Bevor die Autoren Heuristiken für das Optimierungsproblem entwickeln und testen, wird in einer unserer Arbeit vergleichbaren Untersuchung eine Potenzialabschätzung vorangeführt [7]. Hierbei können Budai & Dekker eine Kostenreduktion von bis zu 33 % erzielen. Dabei ist neben der anderen Zielfunktion zu beachten, dass die Probleminstanzen synthetisch generiert wurden und teilweise auf Annahmen basierten, die in der Praxis nicht immer zutreffen, wie etwa 12 bis 17 Zugfahrten pro Korridor pro Tag. Dies können bei der DB InfraGO AG deutlich mehr sein. Darüber hinaus wurden die erzielten Kosteneinsparungen mit einer Planung verglichen, in der sämtliche Baumaßnahmen separat geplant werden.

Neuere Untersuchungen basieren wie unsere Arbeit auf realen Daten. Pargar [9] konnte eine Kostenreduktion von 14% im Vergleich zur herkömmlichen Planung erzielen. Sowohl Pargar als auch Dao et al. [10] berücksichtigen die entstehenden Kosten, die auftreten, wenn durch die Bündelung einige Komponenten zu früh gewartet und erneuert werden, wodurch sich der Lebenszyklus verkürzt. Dao et al. beziehen sich auf ein Schienennetz in den Niederlanden über einen Zeitraum von insgesamt 7 Jahren und kommen dabei auf bis zu 13% Kosteneinsparung für Erneuerungsarbeiten.

Während die genannten Beispiele den Ansatz verfolgen, einen Ablaufplan für verschiedene Wartungsintervalle innerhalb eines bestehenden Fahrplans zu erstellen, zielt das Modell der Container darauf ab, bereits während der Fahrplanerstellung Kapazitäten sowohl für geplante als auch potenziell kurzfristig anfallende Wartungsarbeiten zu berücksichtigen und freizuhalten.

In der Arbeit von Lidén [11] werden konkrete Ergebnisse zu einer solchen ganzheitlichen Erstellung eines Fahrplans unter intensiver Berücksichtigung der Planung von freien Zeitfenstern präsentiert. Das dort verwendete Optimierungsmodell, welches bereits in Lidén & Joborn [12] beschrieben wurde, wurde auf einen 913 km langen eingleisigen Streckenabschnitt in Schweden angewendet. Die Resultate dieser Anwendung zeigen eine Kostenreduktion von 11-17 % im Vergleich zur bisherigen Planung.

Die DB InfraGO AG ist verantwortlich für den Betrieb und die Instandhaltung des größten Schienennetzes Europas. Die Betriebslänge von rund 33.400 km verzeichnet jährlich eine Nutzung von mehr als einer Milliarde gefahrener Trassenkilometer. Ein Verkehrsvolumen dieser Größenordnung wurde in Bezug auf die Optimierung der Sperrzeiten in keiner der genannten Fallstudien berücksichtigt.

Hiermit wird der Bedarf an Forschung ersichtlich, um das Track Maintenance Possession Scheduling im Zusammenhang mit der deutschen Infrastruktur zu untersuchen und eine separate Potenzialabschätzung unter Verwendung von aktuellen Verkehrs- und Baumaßnahmendaten durchzuführen.

3 Datenbeschreibung

Unseren Berechnungen liegen Infrastruktur-, Zug- und Baustellendaten von 2023 vor, die wir von der DB InfraGO AG erhalten haben.

3.1 Infrastrukturdaten

Die Infrastrukturdaten stammen aus dem DaViT-Spurplan (Datenverarbeitung im Trassenmanagement), auf dessen Grundlage die DB InfraGO AG den Fahrplan konstruiert.

Streckenabschnitte, auf denen der Verkehr sehr homogen ist, werden zu Korridoren zusammengefasst. Aus Planungssicht ist es einfacher, Korridore getrennt zu betrachten und etwa Umplanungen von Zügen, die auf einem Korridor eine Betroffenheit haben, auf einen anderen Korridor zu verlagern. Ferner ist das Netz der DB in Deutschland zum Zweck des Vertriebs und der Fahrplanerstellung in sieben verschiedene Regionalbereiche (RB) unterteilt.

3.2 Zugfahrten

Eine Zugfahrt ist einerseits über Sperrzeiten auf dem Laufweg definiert, da ein Blockabschnitt aus Sicherheitsgründen immer nur von höchstens einem Zug belegt sein darf. Andererseits hat jede Zugfahrt eine Verkehrstageregelung (VTR), mit der sie verkehrt. Diese enthält in unseren Daten das Startdatum und eine Bitleiste von gültigen Tagen. Beispielsweise kann ein Zug von Hamburg nach München ab dem 01.01.2023 mit der Bitleiste 1001001 verkehren, was bedeutet, dass er am 01.01, am 04.01. sowie am 07.01.2023 verkehrt.

Bild 3: Eine bVE (rot) liegt auf einem Abschnitt von Spurplanknoten zwischen zwei Weichen (schwarze Dreiecke). Eine Zugtrasse (blau) verläuft ebenfalls über diesen Abschnitt. (Auszug aus Chronopath [13]).

3.3 Baustellen

Sowohl Großbaustellen wie auch einfache Instandhaltungsmaßnahmen lassen sich in kleinste Einheiten, sogenannte betriebliche Verfügbarkeitseinschränkungen (bVE, pl. bVEn) unterteilen. Eine bVE gilt auf einer zusammenhängenden Menge von Spurplanknoten.

Außerdem sind jeder bVE eine Menge von gültigen Zeiten zugeordnet. Dies wiederum sind Zeitintervalle, zusammen mit einem VTR. Eine bVE kann also beispielsweise auf allen Spurplanknoten im Bahnhof Frankfurt Hbf gelten, mit einer gültigen Zeit 8:00 - 12:00 Uhr am 01.01.2023 mit Bitleiste 1, also nur an dem einen Tag zu dem einen Zeitintervall.

Insgesamt können wir damit eindeutig bestimmen, welcher Zug an welchem Tag an welcher Stelle im Netz von einer Baumaßnahme betroffen ist.

Bild 4: Eine Sperrzeit eines Zuges (blau) überlappt sich mit einer gültigen Zeit zweier bVE (rot und gelb). Es liegt also eine Betroffenheit vor. (Auszug aus Chronopath [13]).

4 Problemformulierung

Wir können das Problem, bei vorgegebenem Baubedarf so wenige Betroffenheiten wie möglich zu erhalten, als Optimierungsproblem formulieren.

4.1 Variablen

Wir wollen einzelne bVEn zeitlich verschieben. Dabei gehen wir aus praktischen Gründen davon aus, dass die Zeitfenster innerhalb des Tages bereits sinnvoll definiert sind, etwa, ob eine Baustelle nachts geplant worden ist oder tagsüber. Auch die Bitleiste der VTR wollen wir beibehalten, da wir davon ausgehen, dass die Frequenz, in der eine bVE gilt, ebenfalls bereits dem Bedarf entsprechend geplant wurde. Einzig das Startdatum wollen wir variabel verändern dürfen. Dazu definieren wir den Verschiebevektor ?⃗ , der für jede bVE ? eine ganzzahlige Variable hält, um die das Startdatum von ? verschoben wird. So ist insbesondere sichergestellt, dass jede bVE denselben zeitlichen Umfang hat, wie ursprünglich geplant. Weiter sei ? der Indikatorvektor von ?, der 1 ist an Tagen, an denen ? gilt und 0 sonst. Die Länge des Vektors ? beträgt entsprechend der Länge des jeweiligen Fahrplanjahres ? in Tagen, also ca. 365. Die bVE ? kann höchstens so weit nach hinten verschoben werden, wie es Nullen am Ende von ? gibt, da sonst gültige Tage von ? über das Fahrplanjahr hinaus verschoben würden. Analoges gilt für die ersten Einträge von ? . Der Eintrag ?⃗ ? zeigt dann an, um wie viele Tage das Startdatum der bVE ? verschoben wird.

Beispiel:

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4.2 Randbedingungen

Wir gehen davon aus, dass das Startdatum einer bVE nicht um mehr als +/- 5 Wochen verschoben werden darf. Auch berücksichtigen wir keine Abhängigkeiten zu anderen bVEn, da unser Fokus ausschließlich auf der Betrachtung von IH liegt und diese in der Regel technisch unabhängig durchgeführt werden können, wodurch der Zeitpunkt flexibel wählbar ist [14]. Wenn ? die Anzahl der bVEn angibt, dann ist damit ?⃗ ∈ (ℤ ∩ [−35,35])?. Man beachte, dass das Intervall, in dem ?⃗ ? liegt, auch kleiner sein kann, wenn ? in den ersten bzw. letzten 5 Wochen eine Gültigkeit hat und damit nicht um volle 5 Wochen verschoben werden kann, um nicht außerhalb der Fahrplanperiode verschoben zu werden.

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4.3 Zielfunktion

Unser Ziel ist es, die Anzahl der Betroffenheiten von Zügen zu minimieren, wie sie nach der ZvF umgeplant werden [2]. Eine Betroffenheit ist, wenn ein Zug ? durch eine bVE ? fährt. In unserer Zielfunktion zählt dabei aber immer nur die erste Betroffenheit je Korridor und je Tag, an dem der Zug verkehrt. Der Grund hierfür ist, dass der Zug bereits bei einer Betroffenheit umgeplant werden muss, und damit höchstwahrscheinlich den Korridor umfährt. Deshalb spielt es keine Rolle, ob der Zug später auf dem Korridor noch durch eine weitere Baustelle betroffen wäre. Es sei ? der Indikatorvektor von Tagen, an denen ? verkehrt. Weiter definieren wir für einen Korridor ? die Menge ???(?, ?) der bVEn, die örtlich auf ? liegen und zu einer Uhrzeit gelten, zu der ? an diesem Ort verkehrt. Irrelevant ist dabei zunächst, ob ? auch einem Datum verkehrt, an dem ? ∈ ???(?, ?) gültig ist. Somit sind in ???(?, ?) alle bVEn, die potenziell nach einer Verschiebung eine Betroffenheit mit ? erzeugen könnten. Wir definieren nun für jeden Zug ? und Korridor ? die Betroffenheitsfunktion die für einen Verschiebevektor ?⃗ die Anzahl der Tage angibt, die ? auf ? von mindestens einer bVE ? betroffen ist, die um ?⃗ ? verschoben wurde. Da wir nur Verschiebungen zulassen, die keine Gültigkeit der bVE aus der Fahrplanperiode schieben, können wir ? ?−?⃗ ? = 0 setzen, falls ? − ?⃗ ? < 0 oder ? − ?⃗ ? > ?. Falls nach einer Verschiebung um ?⃗ ? die bVE ? ∈ ???(?, ?) dann an einem Tag ? − ?⃗ ? gilt, an dem auch ? verkehrt, dann ist ? ? ? ?−?⃗ ? = 1 und somit das Produkt ∏?∈???(?,?)(1 − ? ? ? ?−?⃗ ?) = 0. Mit anderen Worten hat an Tag ? der Zug ? auf dem Korridor ? mindestens eine Betroffenheit, also ist 1 − ∏?∈???(?,?)(1 − ? ? ? ?−?⃗ ?) = 1.

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Beispiel:

Wird ? ∈ ???(?, ?)  mit  Indikatorvektoren ? = (0,0,1,0)  und ? = (1,0,0,1)  um ?⃗ ? = 1

verschoben, dann ist ? 4 ? 4−1 = 1 und somit ??,?(?⃗ ) = 1.

Die Zielfunktion lautet also

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5 Methodik und Ergebnisse

5.1 Methodik zum Lösen des Problems

Aufgrund der Komplexität der Zielfunktion und der Größe des Lösungsraums (10 Wochen * 7 Tage ^ Anzahl IH), probieren wir nach einer Greedy-Methode nacheinander und unabhängig voneinander alle möglichen Verschiebungen derjenigen IH aus, die für mindestens 200 Betroffenheiten ursächlich sind. Wir führen diejenige Verschiebung durch, die die Anzahl der Betroffenheiten am meisten verringert. Es sei angemerkt, dass durch das sukzessive Vorgehen nicht unbedingt das globale Optimum erreicht wird, da das Zusammenspiel verschiedener Verschiebungen nicht berücksichtigt wird. Andererseits können wir durch dieses Vorgehen exakt nachvollziehen, welche Verschiebung zu welcher Reduktion von Betroffenheiten geführt hat.

5.2 Rechenergebnisse

Wie in Kapitel 3 näher definiert, rechnen wir die Potentiale für ganz Deutschland im Jahr 2023. Wir nutzen die Greedy-Methode wie in 5.1 erläutert für alle IH, die an mindestens 200 Betroffenheiten beteiligt sind. Es zeigt sich, dass wir mit dieser Methodik die Anzahl der von IH betroffenen Zugfahrten von 107507 um über 17% auf 89093 verringern können. In Tabelle 1 sind je Regionalbereich die Verringerung der Betroffenheiten dargestellt, sowie die jeweils beste Einzelverschiebung und der Anteil der IH, deren Verschiebung überhaupt zu einer Reduktion von Betroffenheiten führt, die also ein Verbesserungspotential haben.

Die Unterschiede zwischen den RB erklären wir uns damit, dass in einigen RB überhaupt wenig Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden. Ferner lässt sich durch unsere Methodik sehen, dass selbst einzelne Verschiebungen bereits zu großen Reduzierungen der Betroffenheiten führen, was für sich schon einen praktischen Nutzen hat.

Tabelle 1: Ergebnisse zur Reduktion von Betroffenheiten nach Verschiebungen, aggregiert nach RB.

5.3 Ableiten von Containern

Eine Visualisierung der beschriebenen Verschiebungen liefert wertvolle Einblicke in die Planung möglicher Container. Die Abbildungen 6 und 7 illustrieren die Arbeitszeiträume der im Korridor 57 in der Region Ost geplanten Wartungsarbeiten. Die X-Achse zeigt das gesamte Jahr 2023, während die Y-Achse die verschiedenen Baumaßnahmen (bVE-IDs) abbildet. Die farbliche Kodierung der Zeiträume entlang der Ampelfarben verdeutlicht das Ausmaß der Auswirkungen dieser Arbeiten auf den Zugverkehr. Die Bewertung erfolgt stets relativ: Die Baumaßnahme mit den geringsten Betroffenheiten wird grün markiert, während stark disruptive Bauarbeiten in Rot hervorstechen.

Die Darstellung betrachtet lediglich die Baumaßnahmen, die insgesamt mehr als 200 Zugbetroffenheiten verursachen, entsprechend den Kalkulationen in Abschnitt 5.2. Instandhaltungsarbeiten werden meist in kurzen nächtlichen Zeitfenstern geplant. Die Darstellung der exakten Sperrzeiten wurde bewusst zugunsten einer übersichtlicheren Visualisierung unterlassen.

Die Abbildung 6 enthält die bisherige Verteilung der Instandhaltungsarbeiten am Korridor 57, sowie die vorgeschlagenen Verschiebungen. Eine Verschiebung, die besonders anschaulich das Containermodell unterstützt, ist die Verschiebung der bVE-ID 28292 um neun Tage. Dies wäre die beste Einzelverschiebung für die Region Ost aus Tabelle 1 und würde in einer Reduktion von 900 Zugbetroffenheiten resultieren.

In Bild 7 wiederum ist die Verteilung der gleichen Baumaßnahmen nach den Verschiebungen zu sehen. Während der ursprüngliche Ablaufplan die Arbeit auf 97 Tage verteilt, sind es nach der Containerbildung nur noch 60 Tage.

Bild 6: Gantt-Diagramm für die Zeiträume der Instandhaltungsarbeiten am Korridor 57 und vorgeschlagene Verschiebungen

Bild 7: Bildung von 3 Containern (grau) mit Hilfe der Verschiebungen aus Bild 6.

6 Zusammenfassung und Ausblick

In diesem Beitrag haben wir das Potential abgeschätzt, das sich ergibt, wenn man Instandhaltungsmaßnahmen optimal plant. Wir konnten zeigen, dass durch eine verbesserte Planung bis zu 17 % weniger Züge von diesen Maßnahmen betroffen wären. Außerdem konnten wir durch die Visualisierung der Verschiebungen der Maßnahmen aufzeigen, wo man Container vordefinieren könnte, in die dann Instandhaltungsmaßnahmen eingeplant werden können. Das schließt an aktuelle Bestrebungen der DB InfraGO AG an, zukünftig den Planungsprozess für ad hoc Baustellen, wie Instandhaltungen, auf Container auszurichten. Als nächsten Schritt in diesem Forschungsstrang sehen wir demnach das automatische Erkennen von solchen Containern an.

7 Literatur

  1. Klein, M., Mark, A., Neuhäuser, P. (2012). Baubetriebsplanung – Planung von Baustellen tim Netz der DB AG. DER EISENBAHNINGENIEUR, 8/2012, 12–16.
  2. Pöhle, D., Hüller, M., Bormet, J. (2022). Kapazitätssteuerung im Baubetriebsmanagement mit einem neuen rollierenden Planungsprozess. ETR – Eisenbahntechnische Rundschau, Ausgabe 09/2022.
  3. Sedghi, M., Kauppila, O., Bergquist, B., Vanhatalo, E., & Kulahci, M. (2021). A taxonomy of railway track maintenance planning and scheduling: A review and research trends. Reliability Engineering & System Safety, 215, 107827.
  4. Bormet, J., Forstmeyer, J. (2010). Bündelung von Baumaßnahmen bei der DB Netz AG. DER EISENBAHNINGENIEUR, 10/2010, 10–14.
  5. Sandvoß, J. (2008). Große Baustellen im Netz – Optimierung von Baustellenplanung und Fahrplan. Eisenbahntechnische Rundschau, 11/2008, 722–727
  6. Budai, G., Huisman, D. & Dekker, R. (2006). Scheduling preventive railway maintenance Journal of the Operational Research Society, 57 , 1035–1044.
  7. Budai, G., & Dekker, R. (2004). A dynamic approach for planning preventive railway maintenance activities. WIT Transactions on The Built Environment, 74.
  8. Van Dijkhuizen, G. C. & Van Harten, A. (1997). Optimal clustering of frequency- constrained maintenance jobs with shared set-ups. European Journal of Operational Research, 99 (3), 552-564.
  9. Pargar, F., Kauppila, O., & Kujala, J. (2017). Integrated scheduling of preventive maintenance and renewal projects for multi-unit systems with grouping and Computers & Industrial Engineering, 110, 43-58.
  10. Dao, C. D., Hartmann, A., Lamper, A. & Herbert, P. (2019). Scheduling infrastructure renewal for railway networks. Journal of Infrastructure Systems, 25 (4), 1-12.
  11. Lidén, T. (2020). Coordinating maintenance windows and train traffic: a case study. Public transport, 12(2), 261-298.
  12. Lidén, T., & Joborn, M. (2017). An optimization model for integrated planning of railway traffic and network maintenance. Transportation Research Part C: Emerging Technologies, 74, 327-347.
  13. Reisch, J., Großmann, P., Weiß, R. (2022). figshare. Preprint. https://doi.org/10.6084/m9.figshare.19103399.v1
  14. Hentzschel, J., Trappmann, F., (2007). Kostensenkung bei Bündelung von Instandhaltungsmaßnahmen. DER EISENBAHNINGENIEUR, 10/2007, 7–11.