Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.
1 Einleitung
Die Ebenheit der Straße kann neuerdings dreidimensional erfasst werden. Das stellt zum Einen eine neue Herausforderung für die Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) dar. Zum Anderen eröffnet es die Chance, die Ebenheit auf Bundesfernstraßen künftig umfassender und realistischer zu bewerten. Während die Bewertung – geschuldet der herkömmlichen Messtechnik – bisher streng getrennt nach Längs- und Querebenheit erfolgte, kann zukünftig ein ganzheitlicher Ansatz gewählt werden, der der räumlichen Dimension der Straßenoberfläche Rechnung tragen kann. In diesem Beitrag werden Ansätze für eine künftige dreidimensionale Bewertung der Ebenheit vorgestellt. Grundsätzlich gibt es zwei Herangehensweisen bei der Bewertung der Ebenheit: 1. die Beschreibung und Bewertung der Geometrie der Oberfläche, und 2. die Beschreibung und Bewertung der Wirkung der Oberfläche. Der letztere Ansatz wurde für die 3-D-Bewertung der Ebenheit gewählt und wird im Folgenden vorgestellt. Zunächst soll aber auf zwei bereits existierende Bewertungsverfahren eingegangen werden.
2 Bisherige Bewertungsverfahren für die Längsebenheit
2.1 Die Bewertung mittels des Unebenheitsmaßes (AUN)
Die Längsebenheit wird bislang nur für einen Profilschnitt in der rechten Rollspur der Fahrbahn erhoben. Das erfasste Längsprofil liegt mit einem Messpunktabstand von 10 cm vor. Auf Autobahnen beträgt die Auswertelänge in der Regel 102,4 m und umfasst daher 1024 Höhenwerte. Diese 1024 Höhenwerte werden einer Fourier-Transformation unterzogen, mit deren Hilfe das Spektrum der Straße berechnet wird. Aus dem Spektrum wird das „Unebenheitsmaß“, der „AUN“ berechnet. Der AUN beschreibt das Maß der regellosen „Allgemeinen“ Unebenheit, daher der Name.
Die regellose Unebenheit der Straße kann mathematisch durch die Überlagerung (theoretisch unendlich) vieler Sinuswellen unterschiedlicher Amplitude, Wellenlänge und Phasenlage zueinander beschrieben werden. Im Bild 1 ist das veranschaulicht. Sieht man von links auf den Würfel, erkennt man im Vordergrund (in rot) das Längsprofil und im Hintergrund die Zerlegung dieses Längsprofils in seine Einzelbestandteile in Form verschiedener Sinuswellen. Deren Addition stellt das Längsprofil in seiner ursprünglichen Form wieder her.
Bild 1: Zerlegung des Längsprofils in unterschiedliche Sinuswellen
Schaut man von rechts auf den Würfel (diese Darstellung nennt man Amplitudenspektrum) so tritt anstelle der betreffenden Sinuswelle ein roter Strich, dessen Höhe die betreffende Amplitude und dessen Lage die betreffende Frequenz der Welle markiert. Die erste Welle bei der Wegkreisfrequenz Ω = 2π/Profillänge = Ω1 = ∆Ω stellt die Grundwelle dar. Ihre Wellenlänge ist genauso lang wie das Längsprofil (102,4 m). Die zweite Welle bei Ω = Ω2 = 2∆Ω (Amplitude A2) passt zweimal in diese Länge hinein und hat eine Wellenlänge von 51,2 m. Die dritte Welle bei Ω = Ω3 = 3∆Ω (Amplitude A3) passt dreimal hinein und hat eine Wellenlänge von 34,13 m, u.s.w.
Das Bild 2 stellt das Amplitudenspektrum noch einmal dar. Zusätzlich ist eine exponentielle Ausgleichsfunktion in das Spektrum hineingelegt, durch die das Spektrum angenähert werden kann.
Quadriert man die Amplituden des Amplitudenspektrums und dividiert sie durch 2∆Ω erhält man eine weitere spektrale Darstellungsform – die Spektrale Leistungsdichte oder kurz Spektrale Dichte (engl.: Power Spectral Density, PSD). Sie ist im Bild 3 schematisch dargestellt. Die durchgezogene schwarze Linie markiert wieder eine exponentielle Ausgleichsfunktion als Annäherung an die Spektrale Leistungsdichte.
In der doppelt-logarithmischen Darstellung der Spektralen Dichte wird diese Exponentialfunktion zu einer Geraden, wie im Bild 4 angedeutet. Diese Annäherung nennt man „linearisierte“ Spektrale Dichte.
Die linearisierte Spektrale Dichte bei einer Wegkreisfrequenz Ω = 1/m wird als „Unebenheitsmaß“ oder AUN bezeichnet, die Steigung der linearisierten Spektralen Dichte als „Welligkeit“ (w).
Bild 2: Amplitudenspektrum eines Straßenlängsprofils (schematisch)
Bild 3: Darstellung als Spektrale Leistungsdichte
Bild 4: Darstellung der Spektralen Dichte in doppelt-logarithmischem Maßstab
Bild 5: Definition des Unebenheitsmaßes (AUN) und der Welligkeit (w)
Je höher der AUN, desto höher (in der Tendenz) die (quadrierten) Amplituden, desto höher also auch die allgemeine Unebenheit. Je höher die Welligkeit (also die Steigung) desto ausgeprägter sind die Wellen mit den niedrigen Wegkreisfrequenzen gegenüber den (also Wellen mit den hohen Wegkreisfrequenzen, desto ausgeprägter also die langen(!) Wellenlängen gegenüber den kurzen in der Straße.
2.2 Die Bewertung mittels des Längsebenheitswirkindexes (LWI)
Der Längsebenheitswirkindex (LWI) ist ein mathematischer „Filter“, der auf das gemessene Straßenlängsprofil aufsetzt und daraus drei verschiedene fahrdynamische Auswirkungen berechnet: 1. die Achslastschwankungen einer 11,5 t-Achse bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h, 2. die Ladegutbeschleunigung bei 80 km/h auf einem 3-achsigen Sattelauflieger über der 2. Aufliegerachse und 3. die mit der menschlichen Empfindungsfunktion bewertete vertikale Beschleunigung auf einem Pkw-Fahrersitz bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h. Das Bild 6 veranschaulicht die drei Bewertungskriterien des LWI.
Im Bild 7 ist das Berechnungsschema dargestellt. Die drei Filter sind speziell auf die Auswertung des Längsprofils in nur einer Rollspur ausgelegt, das heißt sie stellen Einspurmodelle, also ebene Schwingungsersatzmodelle, dar.
Bild 6: Die drei Bewertungskriterien des LWI
Bild 7: Das Berechnungsschema des LWI
3 Fahrzeugmodelle zur Bewertung der 3-D-Ebenheit
Zur Bewertung der räumlichen Oberflächengestalt der Straßenoberfläche wurden zwei Fahrzeugmodelle entwickelt: ein räumliches Pkw-Modell und ein räumliches Lkw-Teilmodell. Das Pkw-Modell ist im Bild 8 dargestellt.
Der Pkw besteht aus sechs Massen, die über Federn und Dämpfer miteinander verbunden sind: vier Radmassen, eine Aufbaumasse und eine Masse, die den Fahrer auf dem Sitz abbildet. Ferner befindet sich zwischen den linken und rechten Rädern jeweils ein Stabilisator, der die Wankbewegungen begrenzt. Das Modell ist zunächst nur für die Abbildung der Vertikaldynamik ausgelegt. Es kann also alle Hubbewegungen, sowohl der Räder als auch des Fahrzeugaufbaus und des Fahrers auf dem Sitz, nachbilden. Ferner können Nick- und Wankbewegungen vollzogen werden. Das Bild 9 zeigt beispielhaft die Übertragungsfunktionen der Radlastschwankungen der beiden Räder vorn links und vorn rechts. In der oberen Hälfte sind die Amplitudengänge jeweils für Anregungen über das linke bzw. rechte Rad und in der unteren Hälfte die dazugehörigen Frequenzgänge dargestellt. Man kann in den oberen Grafiken die zwei Eigenfrequenzen bei etwa 1 bis 2 Hz (Aufbau) und 10 bis 15 Hz (Achsen) erkennen; ebenso, dass die vertikale Anregung der Räder eine (wenn auch kleine) Auswirkung auch auf die jeweils gegenüberliegenden Räder hat.
Bild 8: Pkw-Modell
Im Bild 10 ist die Übertragungsfunktion der Beschleunigung auf dem Fahrersitz zu sehen. Die Einbrüche, beispielsweise um 15 Hz, resultieren daraus, dass sich bei diesen Frequenzen bei der zugrundegelegten Fahrgeschwindigkeit von 100 km/h gegenphasige Anregungen zwischen den vorderen und hinteren Rädern ergeben, die dafür sorgen, dass sich am Fahrersitz, das heißt in etwa Fahrzeugmitte, kaum Hubbewegungen ergeben. Die lokalen Maxima zwischen diesen Einbrüchen resultieren aus der gleichphasigen Anregung der vorderen und hinteren Räder. In der linken Bildhälfte ist die unbewertete Übertragungsfunktion dargestellt, die den Übertragungsweg zwischen den Aufstandspunkten der Räder und der Sitzoberfläche repräsentiert. In der rechten Bildhälfte ist die Übertragungsfunktion der bewerteten Sitzbeschleunigung dargestellt. Sie ist das Produkt aus der linken Kurve und der Schwingempfindlichkeit bzw. der Frequenzbewertungsfunktion des Menschen. Der sitzende Mensch nimmt Frequenzen unterschiedlich wahr. Diese Frequenzabhängigkeit wird mit der Bewertungsfunktion beschrieben. Sie ist der ISO-Norm 2631-1 entnommen und im Bild 11 dargestellt.
Bild 9: Übertragungsfunktionen des Pkw für die Radlastschwankungen vorn
Bild 10: Übertragungsfunktionen des Pkw für die vertikale Beschleunigung/Fahrersitz
Bild 11: Frequenzbewertungsfunktion des Menschen für Hubanregung am Sitz
Das Bild 12 zeigt das räumliche Schwingungsersatzsystem zur Beurteilung der Schwingungen eines Sattelaufliegers inklusive der Antriebsachse der Zugmaschine. Von der Zugmaschine ist nur das hintere Teilsystem modelliert. Es besteht aus hinterer Rahmenhälfte, die über eine Torsionsfeder an den (gedachten) Vorderwagen angeschlossen ist und sowohl Wank- als auch Hubbewegungen ausführen kann und einer zwillingsbereiften 11,5-t-Achse, die über Federn und Dämpfer sowie über einen Stabilisator mit dem Rahmen der Zugmaschine verbunden ist. Die Massen, Trägheitsmomente, Feder- und Dämpferspurweiten sowie geometrischen und schwingungstechnischen Daten entsprechen der Auslegung aktueller Nutzfahrzeuge (Mercedes Actros) und sind Herstellerangaben sowie (Bachmann u. a. 2008) entnommen.
Der Sattelauflieger besitzt drei einzelbereifte Achsen, die über Federn und Dämpfer sowie jeweils einen Stabilisator an den Aufbau angeschlossen sind. Der Aufbau stützt sich am Zugfahrzeug-Rahmen über ein Kugelgelenk (Sattelkupplung) ab, das Rotationsbewegungen in allen drei Freiheitsgraden erlaubt und Kräfte in Hub-, Quer- und Längsrichtung übertragen kann. Beim Auflieger handelt es sich um einen Standardauflieger mit einem Achsabstand von 1,31 m, einem Radstand von 6,39 m und einer Gesamtlänge von 13,62 m. Die geometrischen und schwingungstechnischen Daten sind Herstellerangaben (BAW Bergische Achsen, Kögel) sowie (Bachmann u. a. 2008) entnommen.
Bild 12: Lkw-Teilmodell
Das Bild 13 zeigt die Übertragungsfunktionen der Radlastschwankungen der 11,5-t-Antriebsachse für reine Hubanregung. Die Bezeichnungen Ra, Ri, Li, La geben das jeweilige Rad (rechts außen/innen, links innen/außen) an. In der oberen Bildhälfte sind die Beträge und in der unteren die Phasengänge der Übertragungsfunktionen angegeben. Die linke Bildhälfte gilt für die rechte Fahrzeugseite, die rechte für die linke Fahrzeugseite. Bei reiner Hubanregung an allen vier Rädern der Achse sehen die Antworten natürlich alle gleich aus wie den Bildern zu entnehmen ist. Deutlich sind die Hub-Eigenfrequenzen des Aufbaus bei etwa 1 Hz und der Achse bei etwa 10 Hz zu erkennen.
Das Bild 14 zeigt die Übertragungsfunktionen der Radlastschwankungen der 11,5-t-Antriebsachse für die reine Wankbewegung. Die Wankanregung sah so aus, dass beide Räder der einen Fahrzeugseite jeweils um denselben Betrag angehoben und gleichzeitig beide Räder der anderen Fahrzeugseite jeweils um denselben Betrag abgesenkt wurden. Infolge dieser Betragsgleichheit bei gleichzeitiger Verdrehung (Wankbewegung) der Achse ergibt sich eine vertikale Verzwängung des jeweiligen äußeren gegenüber dem inneren Reifen, was dazu führt, dass die Übertragungsfunktion bei sehr kleinen Frequenzen nicht gegen Null geht, sondern ein gewisser „Restbetrag“ übrigbleibt. Dieser entspricht der Kraft, die durch die Verzwängung des äußeren gegenüber dem inneren Reifen bei der Wankbewegung entsteht. In der oberen Bildhälfte sind wieder die Beträge und in der unteren die Phasengänge der Übertragungsfunktionen angegeben. Die linke Bildhälfte gilt wieder für die rechte Fahrzeugseite, die rechte für die linke Fahrzeugseite. Man erkennt an den Übertragungsfunktionen, dass bei reiner Wankanregung die beiden äußeren Räder der zwillingsbereiften Achse in der Regel größere Hübe durchführen als die beiden inneren, was an den längeren Hebelarmen liegt. Auch hier zeichnen sich deutlich die Aufbau- und Achseigenfrequenzen ab, die allerdings durch die Wirkung des Stabilisators zu höheren Frequenzen hin verschoben sind.
Bild 13: Übertragungsfunktion des Lkw für die Radlastschwankungen (Hub)
Bild 14: Übertragungsfunktion des Lkw für die Radlastschwankungen (Wanken)
Im Bild 15 sind die Übertragungsfunktionen der Aufbaubeschleunigung des Sattelaufliegers (Ladegutbeschleunigung) abgebildet. Sie wird über der mittleren Aufliegerachse in Fahrzeugmitte ermittelt. Die linke Bildhälfte gilt für die Anregungen über die Aufliegerachsen – für die linke Aufliegerspur in rot und die rechte Aufliegerspur in blau dargestellt. Da der Auflieger und seine Beladung symmetrisch zur Längsachse sind und die Ladegutbeschleunigung mittig zwischen den beiden Spuren erfasst wird, sind die Übertragungsfunktionen natürlich für beide Anregungsspuren gleich.
Bild 15: Übertragungsfunktionen des Lkw für die Ladegutbeschleunigung
In der rechten Bildhälfte vom Bild 15 ist der „Beitrag“ der 11,5-t-Antriebsachse der Zugmaschine zur Ladegutbeschleunigung gezeigt. Er zeigt die Übertragungsfunktionen bei Anregung über je eines der vier Räder (Ra, Ri, Li, La) der Achse. Weil der Krafteinleitungspunkt (Sattelkupplung) sehr weit entfernt ist von der mittleren Sattelaufliegerachse, wo die Ladegutbeschleunigung ermittelt wird, sind diese Beiträge natürlich viel kleiner als die Beiträge von den Aufliegerachsen (R, L) wie an der unterschiedlichen Skalierung der y-Achse ersichtlich wird. In der rechten Bildhälfte sind wieder die Aufbau- und Achseigenfrequenzen bei 1 bzw. 10 Hz erkennbar. Im Prinzip sind sie auch in den Übertragungsfunktionen für die Aufliegerachsen (linke Seite) enthalten, dort aber durch Einbrüche bei etwa 6, 12 und 24 Hz (so wie höheren, nicht mehr gezeigten Frequenzen) überlagert. Die Einbrüche kommen dadurch zustande, dass die Anregung über drei in einem bestimmten geometrischen Abstand hintereinanderliegende Achsen erfolgt, was zur Folge hat, dass bei bestimmten, mit diesem Abstand korrespondierenden Wellenlängen die vertikale Anregung minimiert wird. Die höchste Ladegutbeanspruchung tritt bei Anregung des Sattelaufliegers in seiner Aufbaueigenfrequenz (ca. 1 Hz) auf.
4 Erste Plausibilitätsuntersuchungen
In den folgenden Bildern werden erste Auswertungen und Plausibilitätsuntersuchungen mit dem Lkw-Modell gezeigt.
Im Bild 16 ist als blaue Kurve die Simulation einer Überfahrt der 11,5-t-Antriebsachse mit 14 km/h über eine 8 cm hohe und 3 m lange Sinus-Schwelle im Vergleich mit einer Messung (rote Kurve, Bachmann u. a. 2008) zu sehen. Man kann eine insgesamt gute Übereinstimmung erkennen, auch wenn die 2. Radlastspitze bei der Messung deutlich höher ausfällt als bei der Rechnung. Allerdings ist zu beachten, dass es sich bei der Messung um eine Anhängerachse mit einer anderen statischen Achslast, nämlich 9 t, wie aus der roten Skala ersichtlich, handelte. Die blaue Skala dagegen gilt für die Rechnung.
Das Bild 17 zeigt den Vergleich mit den Ergebnissen, die mit der MKS-Software MSC.ADAMS/ Car berechnet worden sind (rote Kurve, Bachmann u. a. 2008). Auch hier können große Ähnlichkeiten zwischen den Kurven und damit in der Fahrwerksabstimmung festgestellt werden.
Bild 16: Vergleich der berechneten Radlastschwankungen mit Messwerten
Bild 17: Vergleich der Radlastschwankungen Matlab-Modell und MKS-Modell (ADAMS)
Die nächsten Bilder zeigen die Ergebnisse für eine Fahrt mit 85 km/h auf einer schlechten Autobahn (1 km lang, AUN = 9 cm3, w = 2). Im Bild 18 sind die Radlastschwankungen für alle 4 Räder der 11,5-t-Antriebsachse dargestellt. Der Variationskoeffizient – das ist das Verhältnis von Standardabweichung und statischer Radlast – beträgt in diesem Beispiel 17,8 %.
Für die mittlere Achse des Sattelaufliegers beträgt der Variationskoeffizient 19 % (siehe Bild 19 für die Radlastschwankungen der mittleren Aufliegerachse).
Bild 18: Radlastschwankungen (Lkw-Antriebsachse)
Bild 19: Radlastschwankungen (2. Aufliegerachse)
In der Tabelle 1 sind für drei verschiedene Unebenheitsstufen (gut, mittel, schlecht) und drei verschieden komplexe Simulationsmodelle die jeweils ermittelten Variationskoeffizienten der Radlastschwankungen angegeben. Mit „MATLAB“ ist in diesem Falle das räumliche Lkw-Modell gemeint. Mit „LWI“ ist der Radlastfilter des Längsebenheitswirkindexes, ein Einspurmodell, gemeint. Die Angaben beziehen sich auf eine Welligkeit w = 2 und eine Fahrgeschwindigkeit von 85 km/h. Einzelheiten zum LWI finden sich bei (Ueckermann 2002). Die Modelle liefern bei den Radlastschwankungen ähnliche Ergebnisse.
Tabelle 1: Vergleich von Variationskoeffizienten verschiedener Fahrzeugmodelle
Im Bild 20 ist die Ladegutbeschleunigung für die schlechte BAB (AUN = 9 cm3, w = 2) gezeigt. Der Effektivwert der Vertikalbeschleunigung beträgt 1,1 m/s2. Im Vergleich dazu liegt der Effektivwert für eine gute BAB (AUN = 1 cm3, w = 2,1) und einer Fahrgeschwindigkeit von 85 km/h bei 0,4 m/s2, siehe Bild 21.
Um die Ergebnisse des räumlichen Fahrzeugmodells besser einordnen zu können, sind in der Tabelle 2 einmal die fahrdynamischen Auswirkungen des Einspurmodells „LWI“ aufgrund dreier verschiedener Ebenheitsniveaus (gut, mittel, schlecht) aufgeführt. Gleichzeitig sind ergänzende Hinweise zu den Auswirkungen gegeben (in rot), die als Richtwerte gelten können und zum Teil einschlägigen Vorschriften entnommen worden sind. Aus dieser Aufstellung kann entnommen werden, dass sich die Ergebnisse der Plausibilitätsuntersuchungen gut in den bereits bekannten Bewertungshintergrund einfügen.
Bild 20: Ladegutbeschleunigung (schlechte BAB)
Bild 21: Ladegutbeschleunigung (gute BAB)
Tabelle 2: Unebenheitsniveaus und resultierende Wirkungen anhand des LWI
Zum Schluss der Plausibilitätsbetrachtungen zeigt das Bild 22 die Radlastschwankungen für alle Achsen sowie die Ladegutbeschleunigung für eine Fahrt mit 85 km/h über ein Einzelhindernis (3 cm hoch, 1 m lang). Bei der Ladegutbeschleunigung (rechte Grafik) zeichnen sich deutlich die drei Stöße durch die drei Aufliegerachsen ab. Insgesamt kann festgehalten werden, dass das Lkw-Modell realistische und plausible Ergebnisse liefert.
Bild 22: Fahrt über ein Einzelhindernis – Dynamische Radlasten und Ladegutbeschleunigung
5 Anwendung der Fahrzeugmodelle auf 3-D-Straßenoberflächen
Im Bild 23 ist das Auswerteergebnis für ein 100 m langes Teilstück eines Streckenabschnitts mit sehr guter Ebenheit gezeigt (AUN = 0,7 cm3, w = 2, siehe oberste Grafik). Die Ladegutbeschleunigung beträgt im Mittel 0,3 m/s2 (2. Grafik von oben) und der Variationskoeffizient der Radlastschwankung 5,5 %. Der Effektivwert der bewerteten Sitzbeschleunigung im Pkw liegt bei 0,18 m/s2 (siehe unterste Grafik). Neben den Verläufen des 3-D-Fahrzeugmodells sind zum Vergleich die Ergebnisse der drei Filter des Längsebenheitswirkindexes (LWI) in rot abgebildet. Ladegutbeschleunigung und Radlastschwankungen des 3-D-Lkw und des LWI ergeben in etwa gleiche Ergebnisse. Nur die Sitzbeschleunigung des 3-D-Pkw fällt um ca. 50 % geringer aus als die Sitzbeschleunigung des (ebenen) LWI-Modells (0,18 m/s2 gegenüber 0,33 m/s2). Dass die Komfortbewertung des LWI strenger ausfällt, liegt daran, dass der Fahrer bei diesem Modell direkt über der Achse platziert ist und deshalb die Schwingungseinleitung unmittelbarer mitbekommt als der Fahrer im 3-D-Fahrzeugmodell, der zwischen den Achsen und Rädern sitzt.
Bild 23: Schwingungsauswirkungen bei einer guten Straße
Das Bild 24 zeigt zum Vergleich die Auswerteergebnisse für eine (vergleichsweise) schlechte Straße (AUN = 3,9 cm3, w = 2,1). Die Ladegutbeschleunigung steigt gegenüber der guten Straße von 0,3 m/s2 auf etwa das Doppelte, 0,5 m/s2, an, die Radlastschwankungen ebenfalls, von 5,5 % auf 11,7 % im Variationskoeffizienten. Auch die bewertete Sitzbeschleunigung steigt auf etwa das Doppelte (von 0,18 m/s2 auf 0,29 m/s2). Gegenüber dem Einspur-Modell „LWI“ sind die gleichen Tendenzen zu beobachten, wie schon bei der guten Straße ausgeführt: Ladegutbeschleunigung und Radlastschwankungen des 3-D-Lkw und des LWI ergeben in etwa gleiche Ergebnisse. Nur die Sitzbeschleunigung des 3-D-Pkw fällt deutlich geringer aus als die Sitzbeschleunigung des (Einspur-) LWI-Modells. Die Gründe hierfür sind bereits genannt und hängen mit der jeweiligen Sitzposition des Fahrers zusammen.
Im Bild 24 ist etwas Besonderes zu beobachten: schaut man sich die Radlastschwankungen (2. Grafik von unten) an, kann man, insbesondere zwischen den Stationen 10 m und 30 m, Radlastschwankungen (das heißt Abweichungen von der Nulllinie) entdecken, die deutlich von der bekannten Charakteristik von Schwingvorgängen abweichen. Hier handelt es sich offensichtlich um Radlastschwankungen, die nicht durch Längsunebenheiten verursacht sein können. Die Erklärung liegt in der Querunebenheit. Die Strecke weist Spurrinnen auf, die beim Überfahren dazu führen, dass die Zwillingsreifen über weite Längenbereiche nicht gleichmäßig belastet werden (siehe Bild 25). Das eine Zwillingsrad übernimmt dann Anteile der Radlast des anderen. In den Radlastkurven führt das zu Bereichen, in denen die entsprechenden Anteile gewissermaßen an der x-Achse gespiegelt erscheinen (vergleiche Bild 24).
Bild 24: Schwingungsauswirkungen bei einer vergleichsweise schlechten Straße
Bild 25: Radlastschwankung durch Querunebenheiten
In den Bildern 26 bis 28, wird noch einmal auf den Vergleich zwischen dem 3-D-Fahrzeugmodell und dem LWI (Einspurmodell) eingegangen. Hier sind für elf ausgewertete Messstrecken die Ergebnisse der Berechnungen einander gegenübergestellt – und zwar jeweils in Form der Maximalwerte (rot) und der Effektivwerte (blau). Basis des Vergleiches ist die 3-D-Oberfläche. Das Bild 26 zeigt das Ergebnis für die Radlastschwankungen. Das 3-D-Modell liefert größenordnungsmäßig vergleichbare Radlastschwankungen wie der LWI. Das liegt an einer ähnlichen Fahrwerksauslegung beider Modelle.
Das Bild 27 zeigt die Ergebnisse für die Ladegutbeschleunigung. Hier ergibt sich in etwa das gleiche Bild wie bei den Radlastschwankungen: beide Modelle – 3-D-Fahrzeugmodell und LWI – liefern Ergebnisse in der gleichen Größenordnung.
Bild 26: Vergleich mit LWI (Radlastschwankungen)
Bild 27: Vergleich mit LWI (Ladegut)
Das Bild 28 schließlich zeigt die Ergebnisse für die Komfortbewertung des Fahrers. Die Effektivwerte und Maximalwerte der bewerteten Beschleunigung auf dem Fahrersitz fallen bei dem 3-D-Fahrzeugmodell deutlich niedriger aus als beim Einspurmodell „LWI“. Wie bereits ausgeführt liegt das daran, dass beim LWI der Fahrer direkt über der Achse positioniert ist und deshalb die Schwingungseinleitung unmittelbarer mitbekommt als der Fahrer im 3-D-Modell.
Bild 28: Vergleich mit LWI (Fahrerkomfort)
6 Grenzwertvorschläge für die 3-D-Ebenheitsbewertung
Im Rahmen der Untersuchungen sind synthetische regellose Straßenlängsprofile erzeugt und die resultierenden Wirkungen darauf in Form von Radlastschwankungen und Beschleunigungen bestimmt worden. Für einen AUN-Wert von 1 cm3 beispielsweise ergibt sich eine mittlere Ladegutbeschleunigung (Effektivwert) von 0,4 m/s2. Legt man die Grenzwerte der ZEB (Zustandserfassung und -bewertung) für Bundesautobahnen zugrunde (Zielwert: AUN = 1cm3; Warnwert: AUN = 3 cm3; Schwellenwert: AUN = 9 cm3), so können daraus Grenzwerte für die Radlastschwankung (Variationskoeffizient), die Ladegut- und die bewertete Sitzbeschleunigung abgeleitet werden. Diese sind in der Tabelle 3 als Grenzwertvorschläge für eine künftige 3-D-Bewertung der Allgemeinunebenheit auf Bundesautobahnen (ZEB) wiedergegeben.
Tabelle 3: Grenzwertvorschläge (ZEB) für die Ebenheitsbewertung von Autobahnen
7 Zusammenfassung
Die Ebenheit der Straße kann neuerdings dreidimensional erfasst werden. In diesem Beitrag werden Ansätze für eine künftige dreidimensionale Bewertung der Ebenheit vorgestellt. Die Ansätze beruhen auf einer Bewertung der fahrdynamischen Auswirkungen auf die Straße (in Form der Radlastschwankungen einer 11,5 t-Achse), auf das Ladegut (in Form der vertikalen Beschleunigungen auf einem Sattelauflieger) und auf den Komfort (in Form der bewerteten Sitzbeschleunigung in einem Pkw). Dazu wurden ein räumliches Pkw-Schwingungsmodell und ein räumliches Teilmodell eines Sattelzuges erstellt. Erste Plausibilitätsuntersuchungen der Modelle ergeben, dass die Schwingungsmodelle plausible und realistische Ergebnisse liefern. Aus den Anwendungen auf generierte und gemessene 3-D-Straßenoberflächen konnten Hinweise für ein künftiges Bewertungsverfahren abgeleitet werden. Diese werden in Form von Grenzwertvorschlägen für die Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) von Bundesautobahnen präsentiert.
Literaturverzeichnis
Bachmann, C.; Gies, S.; Wöhrmann, M.; Schrüllkamp, T. (2008): Realistische Lastannahmen für die Bemessung des Straßenbaus, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 998, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Bonn
Ueckermann, A. (2002): Der Längsebenheitswirkindex LWI, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 839, Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Bonn
ISO 2631-1 (1997): ISO 2631-1: 1997(E) Mechanical vibration and shock – Evaluation of human exposure to whole-body vibration – Part 1: General requirements, International Organization for Standardization, Geneva, Switzerland |