FGSV-Nr. FGSV 002/140
Ort Stuttgart
Datum 13.03.2024
Titel Dimensionierungsanalyse DimA: Verfahren zur Dimensionierung von Anlagen des Schienengüterverkehrs als Entscheidungsunterstützung für zukünftige Investitionen
Autoren Olga Konovalow, Brian Haack, Sebastian Bäcker
Kategorien HEUREKA
Einleitung

Kurzfassung

Für eine tiefergehende Analyse der zukünftig benötigten Infrastruktur in Serviceeinrichtungen bzw. Güterverkehrsanlagen, wurde von NEOMOBIL ein Verfahren zur Dimensionierung von Anlagen des Schienengüterverkehrs entwickelt und in den zurückliegenden Jahren kontinuierlich fortgeschrieben. In Güterverkehrslagen erfolgt das Bilden, Auflösen, Abstellen und Puffern von Güterzügen und Schienenfahrzeugen. Das Verfahren ermittelt die notwendigen Gleisinfrastrukturbedarfe, insbesondere der Gleisanzahl, der Gleiseigenschaften sowie Gleisanbindung und unterstützt zukünftige Investitionsentscheidungen für den Neu- und Ausbau von Güterverkehrsanlagen. Das Verfahren ist seit der ersten Anwendung im Jahr 2019 bei DB Netz bzw. DB InfraGO AG im Einsatz.

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1 Einleitung

Für die Realisierung der zu erwartenden Verkehrsmengen auf der Schiene sind eine Kapazitätssteigerung im Schienennetz und eine leistungsfähige Infrastruktur unabdingbar. Bereits heute sind Teile des Schienennetztes überlastet und weisen Engpässe auf. In den bisherigen Kapazitätsuntersuchungen für die Durchführung von Zugfahrten lag der Fokus voranging auf einzelnen Strecken, Knoten, Korridoren sowie auf Teilnetzen. Für den Güterverkehr wichtige Prozesse, wie bspw. die Zugbildung und -auflösung, welche in Güterverkehrsanlagen stattfinden, werden bei den bestehenden Kapazitätsuntersuchungen in der Regel nicht im Detail berücksichtigt. Güterverkehrsanlagen gehören neben den Abstellanlagen des Schienenpersonenverkehrs zu den von DB InfraGO AG, vormals DB Netz AG, betriebenen Serviceeinrichtungen. Die Realisierung der avisierten Verkehrsleistungen wird nur möglich sein, wenn ausreichende und den Marktanforderungen entsprechende Kapazitäten in den Güterverkehrsanalgen bereitgestellt werden können (vgl. [1]).

Um die Neu- und Ausbaubedarfe in den Güterverkehrsanlagen zu ermitteln, wird seit 2019 das Verfahren der Dimensionierungsanalyse bei DB InfraGO AG eingesetzt. Publikationen zum Verfahren der Dimensionierungsanalyse sind u. a. in der Eisenbahntechnischen Rundschau (ETR) zu finden (vgl. [2]). Anders, als im Rahmen der Publikation in der ETR, fokussieren die nachfolgenden Ausführungen auf die Bestandteile sowie die Herleitung des mathematischen Modells des Verfahrens. 

2 Ziele der Dimensionierungsanalyse

Für die fundierte Analyse von zukünftig benötigter Infrastruktur in Serviceeinrichtungen bzw. Güterverkehrsanlagen, wurde ein Verfahren zur Dimensionierung von Anlagen des Schienengüterverkehrs entwickelt. Auf der Basis von verkehrlichen Analysen der gegenwärtigen Anlagennutzung, anlagenspezifischen Zugzahlenprognosen sowie Planungen und Konzepten zur Entwicklung der Anlageninfrastruktur ist es möglich, verschiedene Zukunftsszenarien zu modellieren und anhand von Gleisbelegungsrechnungen zu untersuchen. Die vergleichende Gegenüberstellung der Szenarien ermöglicht das Ableiten von Schlussfolgerungen in Bezug auf Auslastung, Gleislänge sowie Gleisbedarf und folglich die Machbarkeit der unterschiedlichen Szenarien.

Der Fokus des Verfahrens liegt auf der Gleisinfrastruktur der zu untersuchenden Güterverkehrsanlage. Es dient grundsätzlich nicht zur Bemessung von Kapazitäten in Fahrstraßenknoten. Die DimA nutzt Methoden der mathematischen Optimierung und generiert eine Vielzahl von Fahrplänen mit gleicher bzw. ähnlicher Tagesganglinie und zufälligen Ankunfts- und Abfahrtszeiten. Diese Fahrpläne bilden die Grundlage der Dimensionierungsrechnungen. Ziel der DimA ist die Ermittlung, d. h. Dimensionierung der erforderlichen Infrastruktur, insbesondere der Gleisanzahl, der Gleiseigenschaften sowie Gleisanbindung auf Basis der nachfolgenden Input- bzw. Einflussgrößen:

  • prognostizierte Verkehrsmenge insbes. Ein- und Ausgangszüge
  • veränderte Zugeigenschaften z. B. Zuglängen
  • veränderte Regeltechnologien z. B. Betriebszeiten
  • veränderte Infrastruktur z. B. Gleislängen

Insbesondere die Wechselwirkungen zwischen den genannten Einflussgrößen und dem Gleisbedarf werden durch die gewählte Verfahrensweise untersucht. Auf der Grundlage des Verfahrens können wesentliche Parameter der Infrastrukturentwicklung ermittelt und in nachgelagerten Planungsschritten vertieft werden. 

Der Durchführungsprozess der DimA ist nicht statisch und kann je nach Untersuchungsfall und Projektstand angepasst werden. Mit Beginn der Analyse werden alle notwendigen Eingangsdaten (insbesondere Infrastruktur-, Fahrplan- und Betriebsdaten, die den Ist- bzw. Planzustand der Anlage wiedergeben) zusammengetragen und für die weitergehenden Arbeiten aufbereitet. Diese Daten, ergänzt um weitere Informationen aus Expertengesprächen, bilden die Grundlage für das spätere Modell der Anlage im Ist- bzw. Planzustand. Ein Basisszenario, welches die Anlage im Ist-Zustand abbildet, dient als Vergleichsszenario für alle weiteren Untersuchungs- und Prognoseszenarien, in denen die geplanten Infrastrukturmaßnahmen und die prognostizierten Verkehrsmengen hinterlegt sind. Zwischen Basisszenario und Prognoseszenario/-szenarien ist es zielführend einige Zwischenstufen zu untersuchen. Ebenso sollten Szenarien betrachtet werden, die eine höhere Verkehrsmenge beinhalten als das prognostizierte Verkehrsmengengerüst. Somit können auch nicht prognostizierte Mehrverkehre im Rahmen der Analyse berücksichtigt werden. Anhand von zahlreichen Dimensionierungsrechnungen für die einzelnen Untersuchungsszenarien wird der Gleisbedarf der Anlage ermittelt.

Anzumerken ist, dass im Rahmen der Modellierung mit Vereinfachungen bzw. Prämissen gearbeitet wird. So werden beispielsweise zeitliche Annahmen zur Gleisfolge- und Bergfolgezeit sowie der Vor- und Nachbelegung der Gleise getroffen. Durch die Szenariofähigkeit ist die Verarbeitung unterschiedlicher Prämissen und Eigenschaften jederzeit sichergestellt. Zudem bleibt die Ressourcenplanung in Form von Betriebspersonalen oder Material (Loks) unberücksichtigt. Je nach Analyseumfang, Szenarienanzahl und genutzter Rechentechnik ergeben sich dabei unterschiedliche Rechenzeiten für die Optimierungs- bzw. Dimensionierungsrechnungen. In vielen bisherigen Anwendungsfällen konnten die Einzelfahrpläne auf einem leistungsfähigen Desktop-PC in wenigen Minuten optimal gelöst werden. In Teilen treten jedoch, insbesondere bei Untersuchungsszenarien mit hoher betrieblicher Komplexität, deutlich größere Rechenzeiten auf. Die weitere Reduzierung der Rechenzeiten stellt damit immer noch eine wesentliche Aufgabe für die künftige Verbesserung des Verfahrens dar.

Mit dem Verfahren werden quantitative Grundlagen für die Bewertung der aktuellen und der zukünftig erforderlichen Infrastruktur in Güterverkehrsanlagen geschaffen. Es unterstützt bei der Ermittlung des Bedarfs an (Zusatz-)Gleisen für die betrieblichen Zwecke der Zugbildung, Zugauflösung und anderer Zugbehandlungen in Abhängigkeit von vorgegebenen Szenarien. Das Verfahren liefert folglich Antworten darauf, welche Gleisanzahl sowie Gleisnutzlängen zukünftig in einer Anlage benötigt werden. 

3 Besonderheiten der Infrastruktur in Güterverkehrsanlagen

Mit dem Verfahren der DimA werden gegenwärtig insbesondere Güterverkehrsanlagen untersucht. In Güterverkehrslagen erfolgt das Bilden, Auflösen, Abstellen und Puffern von Güterzügen und Schienenfahrzeugen. Weiterhin erfolgen in Güterverkehrsanlagen kurzfristige Abstellungen oder Halte der Züge, um Triebfahrzeugwechsel oder Traktionswechsel durchzuführen.

Güterverkehrsanlagen werden in Anlagen mit Bergablaufbetrieb und Anlagen, in denen kein Ablaufbetrieb durchgeführt wird, unterschieden. Zudem bestehen Ladestraßen (vgl. Abbildung 1, Bereich 1) und KV-Terminals, die ebenso für die Abfertigung von Güterzügen dienen. In einigen Anlagen bilden Ladestraßen und KV-Terminals einen Teil der gesamten Güterverkehrsanlage. 

Einige der Güterverkehrsanlagen verfügen durch Infrastrukturanschlüsse (vgl. Abbildung 1, Bereich 2) über direkte Verbindungen zu Unternehmen und Werken, wodurch diese an die Schieneninfrastruktur angebunden sind und der Gütertransport über die Schiene erfolgen kann. Durch ihre Unterschiede in Bezug auf die Funktion und Infrastrukturausstattung der Anlagen, sind diese sehr heterogen. Die vorhandene Infrastruktur hat einen hohen Einfluss auf die betrieblichen Aspekte in der Anlage, wodurch jede Analyse einen individuellen Charakter aufweist. 

Alle Güterverkehrsanlagen sind ein- oder mehrseitig an die Schieneninfrastruktur angebunden. Dabei weisen einseitig angebundene Anlagen in der Regel mehr betriebliche Restriktionen auf bzw. benötigen eine bessere Infrastrukturausstattung, um nach dem Aufenthalt in der Anlage wieder auf das angrenzende Streckennetz zu gelangen. In Abbildung 1 ist beispielhaft die Serviceeinrichtung Freiberg (Sachs) mit einseitiger Anbindung an das Netz dargestellt.

In Abhängigkeit von der Größe und der Nutzungsstruktur der Anlage werden unterschiedliche Gleiseigenschaften (Länge, Traktion und Anbindung) benötigt. Gleise, die für Züge mit Unterwegsbehandlungen wie z. B. Triebfahrzeugwechsel oder Traktionswechsel vorgesehen sind, sollten nach Möglichkeit eine Länge von 740 Meter aufweisen und gut an das Streckennetz angebunden sein. Für die Abstellung oder Zugbildung von Zügen können die Gleise etwas weiter in der Anlage liegen. Passen die Gleislängen bspw. nicht zu den Zuglängen, müssen die Züge geteilt werden und belegen folglich mehrere Gleise. Das Aufteilen und spätere Zusammensetzen der Züge reduzieren die Kapazität in der Anlage. 

In den Anlagen werden die Gleise i.d.R. als Bündel (vgl. Abbildung 1 , Bereich 3) über die Weichen miteinander verbunden, andere Gleise sind über die Gleisverbindungen miteinander verbunden. In Abhängigkeit von den Weichenverbindungen weist die Infrastruktur einer Anlage mehr oder weniger Flexibilität auf. 

Abbildung 1: Skizze der Serviceeinrichtung Freiberg (Sachs). [3]

Generell erhöht sich die Flexibilität und somit auch die Kapazität einer Anlage, wenn die Gleise auch innerhalb eines Bündels miteinander verbunden sind. Gleise, die mit Ein- bzw. Ausfahrsignalen ausgerüstet sind und auf denen Zugfahrten stattfinden können, befinden sich in der Regel im Ein- bzw. Ausfahrbereich. Fehlen in den jeweiligen Bereichen die Signale führt es dazu, dass nicht in jedes Gleis eingefahren bzw. aus jedem Gleis ausgefahren werden kann, was einen höheren Kapazitätsverbrauch in der Anlage nach sich zieht. 

4 Bestandteile und Herleitung des mathematischen Modells

Die mathematische Modellierung folgt dem Prinzip vorangegangener Arbeiten (vgl. [4]). Wir formulieren das Modell als ein generalisiertes Job-Shop-Scheduling Problem (JSSP). Wobei der Fokus, in dieser Arbeit, auf der Infrastruktur liegt und fast alle anderen Ressourcen (Personale, Betriebsmittel) und deren Arbeitsprozesse nicht betrachtet werden. Die grundlegenden Komponenten sind die Operationen, die Gleisinfrastruktur und die Gleisnutzungen.

4.1 Operationen

Die Operationen beschreiben die einzelnen Tätigkeiten, die an den betrachteten Zügen durchzuführen sind. Dazu gehören zum Beispiel die Einfahrt in ein Gleis, Rangierfahrten und verschiedene Prozesszeiten am Zug. Jede Operation hat eine Menge an Vorgänger- und Nachfolgeroperationen, mit denen sie in einer zeitlichen Reihenfolge steht. Erst wenn alle Vorgängeroperationen abgearbeitet sind, darf die Operation starten und erst wenn die Operation beendet ist, dürfen ihre Nachfolgeroperationen durchgeführt werden. Die grafische Abbildung aller Operationen mit ihren Vorgängern und Nachfolgern bezeichnen wir als Operationsfolge (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2: Einfache Operationsfolge an einem Zug1)

Jeder Zug kann beliebig viele Operationen umfassen. Die Operationen können auch parallel liegen (vgl. Abbildung 3) oder zeitliche Abhängigkeiten zwischen unterschiedlichen Zügen mittels der Operationsfolge abbilden (vgl. Abbildung 4). 

Abbildung 3: Parallele Operationen (Op2, Op3) in der Operationsfolge1)

Abbildung 4: Operationsfolge mit zeitlicher Abhängigkeit zwischen Zügen1)

1) Quelle: Eigene Darstellung

Jede Operation hat eine fixe Dauer und ein vordefiniertes Zeitfenster, in dem sie gestartet werden kann. Das Zeitfenster der Operation ergibt sich aus dem Bezug zur Ankunftszeit oder Abfahrtszeit des zugehörigen Zuges und den zeitlichen Abhängigkeiten, die durch die Operationsfolge entstehen. In diesem Sinne sind die ersten und letzten Operationen an einem Zug meist auf bestimmte Zeitpunkte fixiert (z. B. Einfahrt-Operation ist auf die Ankunftszeit des zugehörigen Zuges fixiert). Die Zeitfenster der Operationen können, falls notwendig, durch andere Einflussfaktoren weiter eingeschränkt werden, wie Sperrzeiten, zusätzliche Fixierungen, Pufferzeiten. Alle Zeitangaben im Modell werden in Minuten angegeben und liegen im Bereich der natürlichen Zahlen.

4.2 Gleisinfrastruktur

Die Gleisinfrastruktur umfasst die Ressourcen, die notwendig sind, um die einzelnen Operationen abzuarbeiten. Alle betrachteten Züge und somit ihrer Operationen müssen auf Gleisen stattfinden. Die Gleisinfrastruktur in den betrachteten Anlagen ist heterogen (vgl. Abbildung 1) und umfasst eine Vielzahl unterschiedlicher Arten von Rangier-, Durchfahrt- und Abstellgleisen, aber auch Weichen, Ablaufberg und andere Infrastrukturbestandteile, wie in Absatz 3 geschrieben.

Alle Gleisressourcen können unterschiedliche Eigenschaften bezüglich Gleislänge, Fahrmöglichkeiten und baulichen Besonderheiten haben. Diese Eigenschaften werden alle vordefiniert und ermöglichen es, die Menge der Gleise, denen eine Operation zugewiesen werden kann, stark zu reduzieren. Dazu werden die geforderten Eigenschaften der Operation bzw. des zugehörigen Zuges mit den Eigenschaften der Gleise verglichen. So ist es zum Beispiel nicht möglich einen 700 Meter langen Zug auf einem 500 Meter langem Gleis abzustellen.

4.3 Gleisnutzungen

Die Gleisnutzungen repräsentieren die abzuarbeitenden Jobs des JSSP. Sie umfassen eine oder mehrere Operationen, mittels derer der Startzeitpunkt und Endzeitpunkt der Gleisnutzung bestimmt wird. Die Operationen einer Gleisnutzung müssen alle über die Operationsfolge miteinander verbunden sein, um eine eindeutige zeitliche Fixierung zu ermöglichen. Dabei werden die Operationen der Gleisnutzung in drei Mengen unterteilt (vgl. Abbildung 5):

  • Belegeoperationen sind die Operationen, die innerhalb der Gleisnutzung keine Vorgängeroperationen haben. Sie geben den Startzeitpunkt der Gleisbelegung an.
  • Freigabeoperationen sind die Operationen, die innerhalb der Gleisnutzung keine Nachfolgeroperationen haben. Sie geben den Endzeitpunkt der Gleisbelegung an.
  • Sonstigen Operationen sind die Operationen, die innerhalb der Gleisnutzung sowohl Vorgänger- als auch Nachfolgeroperationen haben. Sie haben keinen direkten Einfluss auf die Gleisbelegung innerhalb des vorgestellten Modells.

Abbildung 5: Gleisnutzung mit Belege- (B1, B2), Freigabe- (F1, F2) und Sonst. Operationen (S1, S2), Quelle: Eigene Darstellung 

Es kann vorkommen, dass eine Gleisnutzung nur eine Operation umfasst. In diesem Fall gilt die Operation sowohl als Belege- als auch als Freigabeoperation. Des Weiteren kommen die Belege- und Freigabeoperationen meist in mehreren Gleisnutzungen vor (vgl. Abbildung 6). Zum Beispiel wird bei einer Operation die Rangiertätigkeiten abbildet, ein Zug aus einem Gleis abgezogen und auf ein anderes Gleis abgestellt und gleichzeitig eine Weiche genutzt. Diese Rangieroperation ist dann Bestandteil von drei Gleisnutzungen. Einmal als Freigabeoperation, einmal als Belegeoperation und bei der, während des Rangiervorganges, blockierten Weiche sowohl als Belege- als auch Freigabeoperation.

Abbildung 6: Drei Gleisnutzungen mit einer gemeinsamen Operation (Op2)1), Quelle: Eigene Darstellung

Jede Gleisnutzung muss einem passenden Gleis zugewiesen werden, wobei keine zwei Gleisnutzungen zeitgleich einem Gleis zugewiesen werden dürfen. Die möglichen Gleise, denen die Gleisnutzung zugewiesen werden kann, hängt von den Operationen und ihren Eigenschaften ab. Nur die Gleise, die alle Eigenschaften Operationen erfüllen, sind zulässig.

Zusätzlich zu den bisher genannten allgemeingültigen Bedingungen gibt es in vielen Anlagen lokale Besonderheiten, die in einigen Szenarien der DimA eine Rolle spielen. Dazu zählt unter anderem die Sperrung von Nachbargleisen, das heißt wenn eine Gleisnutzung ein Gleis belegt, dürfen den benachbarten Gleisen keine Gleisnutzungen zeitgleich zugewiesen werden. Es ist auch möglich, dass die allgemeingültigen Bedingungen durch die lokalen Besonderheiten überschrieben werden. So wird in einigen Anlagen mit Nachlaufbetrieb gearbeitet. Dieser erlaubt es, dass sich die Gleisnutzungen auf einem Gleis zeitlich überlappen. Dadurch wird die bisherige Bedingung, dass keine zwei Gleisnutzungen zeitgleich einem Gleis zugewiesen werden dürfen, durch zwei alternative Bedingungen ersetzt.

In diesem Artikel wird nur das grundlegende Modell vorgestellt, das für alle Anlagen verwendet werden kann.

5 Mathematische Modellierung

Das mathematische Modell wird als ein Mixed Integer Linear Program (MILP) formuliert. Für die DimA werden zwei Zielfunktionen definiert, die sequenziell auf das grundlegende Modell angewendet werden.

Zuerst wird die Anzahl (??) der notwendigen bzw. genutzten Gleise (? ∈ ??), die benötigt werden, um alle Gleisnutzungen (? ∈ ?) abzuarbeiten, minimiert (1). Jedes Gleis (?) besitzt einen eigenen Kostenfaktor (???) zur Gewichtung. Nebenbedingung (2) stellt sicher, dass ein Gleis (?) als genutzt gilt (?? = 1), sobald ihm eine Gleisnutzung (?) zugewiesen ist (??,? = 1).

Anschließend wird, basierend auf den ermittelten Gleisen, die Summe der Belegungsdauern (??,?) aller Gleisnutzungen (?) je Gleis (?) über alle Gleise minimiert (3). Die zwei Zielfunktionen (1) und (3) werden nicht kombiniert, damit die Kostenfaktoren für die Belegungsdauer (???) je Gleis (?), nach der Ermittlung der genutzten Gleise, je nach Bedarf, angepasst werden können. Zur Bestimmung der Belegungsdauer (??,?) einer Gleisnutzung (? ∈ ?) auf dem Gleis (? ∈ ??) wird die Nebenbedingung (4) verwendet. Sie stellt sicher, dass die Belegungsdauer (??,?) den Zeitraum vom Startzeitpunkt (??) der ersten Belegeoperation (? ∈ ??) der Gleisnutzung (?) bis zum Ende (?? + ??) der letzten Freigabeoperation (? ∈ ??) umfasst. Das Ende der Freigabeoperationen ergibt sich aus ihrem Startzeitpunkt (??) der Operation (?) addiert mit ihrer Dauer (??). Falls die Gleisnutzung (?) nicht dem Gleis (?) zugewiesen wird (??,? = 0), wird die Nebenbedingung durch eine hinreichend große Zahl (?) redundant.

? Korrekte Darstellung und Formel in der PDF

Das grundlegende Modell, das bei beiden Zielfunktionen verwendet wird, umfasst die Nebenbedingungen (5) bis (9). Die Nebenbedingung (5) stellt sicher, dass jede Gleisnutzung (? ∈ ?) genau einem Gleis (?  ∈  ??) zugewiesen (??,?) wird. Es werden nur die Gleise (?? ⊆ ?) betrachtet, deren Eigenschaften zu den Anforderungen der jeweiligen Gleisnutzung (?) passen.  Nebenbedingung (6) und (7) stellen sicher, dass alle Kombinationen zweier Gleisnutzungen (?, ? ∈ ?|? ≠ ? ) die demselben Gleis (? ∈ ?? ∩ ??) zugewiesen sind, eine eindeutige zeitliche Reihenfolge besteht. Zwei Entscheidungsvariablen (???,?, ???,?) werden genutzt, um im Modell festzulegen, ob die Gleisnutzung (?) vor der Gleisnutzung (?) liegt (???,?) oder umgekehrt (???,?). Nebenbedingung (6) stellt sicher, dass es eine Reihenfolge gibt (???,? + ???,? ≥ 1), wenn die zwei betrachteten Gleisnutzungen demselben Gleis zugewiesen sind (??,? + ??,? = 2). Nebenbedingung (7) stellt, für jede mögliche Kombination (?, ? ∈ ?|? ≠ ?), sicher, dass die vorangehende Gleisnutzung (?) vorständig beendet ist, bevor die darauffolgende Gleisnutzung (?) starten kann. Eine Gleisnutzung (?) gilt als beendet, wenn alle ihre Freigabeoperationen (? ∈ ??) durchgeführt sind. Der Startzeitpunkt der darauffolgenden Gleisnutzung (?) ergibt sich aus den Startzeitpunkten (??) ihrer Belegeoperationen (? ∈ ??). Je nach Anlage sind zwischen den Freigabe- und Belegeoperationen (?, ?) aufeinanderfolgender Gleisnutzungen je Gleis (?) unterschiedliche Übergangs- bzw. Pufferzeiten (????,?) zu berücksichtigen. Die BigM Formulierung (?(1 − ???,?)) in Nebenbedingung (7) stellt sicher, dass die Nebenbedingung redundant wird und keine zeitliche Abhängigkeit gefordert ist, falls die Gleisnutzungen (?, ?) nicht auf demselben Gleis (?) oder in der angegeben Reihenfolge (???,?) stattfinden.

? Korrekte Darstellung und Formel in der PDF

Die Nebenbedingungen (8) und (9) beziehen sich auf die Einhaltung der Startzeitpunkte (??) der Operationen (? ∈ ?). In (8) wird sichergestellt, dass der Startzeitpunkt (??) der Operation (?) immer zwischen ihrem frühesten möglichen Beginn (???) und ihrem spätesten möglichem Beginn (???) liegt. Nebenbedingung (9) stellt sicher, dass alle direkten Nachfolger (? ∈ ??) der Operation (?) erst dann starten (??) wenn die Operation (?) beendet ist (?? + ??). Je nach Anlage können zwischen einer Operation (?) und ihren direkten Nachfolger (? ∈ ??) unterschiedliche Operationsfolge- bzw. Pufferzeiten (???,?) einzuhalten sein.

? Korrekte Darstellung und Formel in der PDF

6 Untersuchungsergebnisse

Die Dimensionierungsanalyse stellt Ergebnisse bzw. Kennzahlen zur Auslastung, Gleislänge, Gleisbedarf und Gleisgruppen der Anlage zur Verfügung. So können beispielsweise verschiedene Auslastungsdiagramme generiert und die Auslastung (y-Achse) einzelner Gleisgruppen in den unterschiedlichen Szenarien (x-Achse) einzeln oder in einer gemeinsamen Darstellung veranschaulicht und gegenübergestellt werden. Die Kennzahlen werden in aggregierter Form für die gesamte Anlage oder gleisscharf bis auf die feinste Ebene erzeugt.

Abbildung 7: Auslastung je Szenario der kompletten Gleisgruppe, Quelle: Eigene Darstellung

Auf der aggregierten Ebene sind alle Gleisbelegungen einer Anlage bzw. alle im Modell berücksichtigten Gleise erfasst und ins Verhältnis zur Gesamtkapazität der Infrastruktur gesetzt. Anhand dieser Kennzahl ergibt sich eine erste Indikation zur Auslastung der Anlage (vgl. Abbildung 7). Es wird deutlich, dass die Ist-Infrastruktur (Szenario 1.0 - 1.4) sowie die geplante Infrastruktur (Szenario 2.0 - 3.4) nicht zu den verkehrlichen Anforderungen passen. Über alle verfügbaren Gleise betrachtet, ist die Anlage nur sehr schwach ausgelastet. Einer in Teilen sehr geringen Auslastung steht ein hoher Anteil nicht realisierbarer Gleisbelegungen gegenüber vgl. Abbildung 7). 

Die nicht auf den als vorhanden hinterlegten Gleisen zu verplanenden Gleisnutzungen, werden auf sogenannten Zusatzgleisen positioniert. Abbildung 8 zeigt den benötigten Zusatzgleisbedarf für die unterstellten Szenarien. Es wird deutlich, dass mehrere Zusatzgleise notwendig sind, um den hohen Anteil nicht realisierbarer Gleisbelegungen zu minimieren. Auch hier geht hervor, dass die verkehrlichen Anforderungen nicht zur bestehenden Infrastruktur sowie den unterstellten Infrastrukturvarianten passen. Die Verwendung von Zusatzgleisen mit guter Ausstattung in Bezug auf Gleisnutzlänge, Gleisanbindung und Elektrifizierung reduziert die Anzahl der nicht realisierbaren Gleisbelegungen deutlich. Anzumerken ist, dass in diesem Zusammenhang nicht nur neue Zusatzgleise Abhilfe schaffen können, sondern auch die Verbesserung der bestehenden Gleisinfrastruktur durch Verlängerung, Anbindung oder Überspannung positive Effekte hat.

Abbildung 8: Anteil nicht realisierbarer Gleisbelegungen mit Zusatzgleichbedarf Quelle: Eigene Darstellung  

Neben den aggregierten Ergebnissen für die gesamte Güterverkehrsanlage (vgl. Abbildung 7; Abbildung 8) stehen auch gleisscharfe Auswertungen zur Verfügung. Abbildung 9 bildet die Nachfrage bzw. Auslastung der Gleise sowie den Zusatzgleisbedarf beispielhaft für das Szenario 1.4. ab. 

Aus der Auswertung geht hervor, dass die Infrastruktur für das Szenario 1.4. über alle Gleise hinweg eine durchschnittliche Auslastung aufweist, die Zusatzgleise Z01 - Z07 aber in Teilen dennoch sehr stark ausgelastet sind. Wie bereits oben beschrieben, verfügen die hinterlegten Zusatzgleis über eine optimale Gleisnutzlänge von 740m und nehmen somit die Züge auf, welche auf der bestehenden bzw. geplanten Gleisinfrastruktur nicht realisiert, werden können.

Abbildung 9: Gleisscharfe Auslastung mit Zusatzgleisbedarf für das Szenario 1.4, Quelle: Eigene Darstellung

Die Ergebnisse der DimA liefern der Infrastrukturentwicklung eine wissenschaftlich fundierte Grundlage und zeigen verkehrliche sowie infrastrukturelle Sachverhalte bzw. Probleme auf. Neben der fachlichen Expertise der Anlagenverantwortlichen und den Bedarfen der Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU), welche in die Ergebniserstellung einfließen, liefert die DimA konkrete objektivierte und quantifizierte Ergebnisse. Diese unterstützen die Entscheidungsfindung entlang der gesamten Infrastrukturentwicklungskette und bilden die Grundlage für die Entwicklung einer stakeholderorientierten Infrastrukturentwicklungsstrategie. Abhängig von der Aufgabenstellung sowie dem aktuellen Planungsstand der Güterverkehrsanlage, haben die Ergebnisse ein breites Anwendungsspektrum und können als Unterstützungsleistung beim Mitteleinsatz in Bezug auf Zukunftsinvestitionen und Instandhaltung genutzt werden.

7 Ausblick

Seit 2019 wurden insgesamt zwölf fundierte Analysen von zukünftig benötigter Infrastruktur in Güterverkehrsanlagen durchgeführt (vgl. Abbildung 10). In den bisherigen Analysen unterstützte das Verfahren dabei, bereits bestehende Infrastrukturideen zu bewerten und den dafür notwendigen Planungsprozess anzustoßen, sowie bestehende Projekte durch die Bewertung zu erweitern. Zudem wurden verkehrliche und betriebliche Analysen für die Weiterentwicklung der Güterverkehrsanlagen erstellt.

Abbildung 10: Übersicht über die bisher untersuchten Anlagen, Quelle: Eigene Darstellung

Neben den im Jahr 2023 abgeschlossenen Untersuchungen in Kehl, Senftenberg und Rostock-Seehafen, sind zukünftig weitere Analysen in Güterverkehrsanlagen vorgesehen. Zusätzlich zu den Analysen ist es das Ziel, das Verfahren der DimA in die internen Regelwerke der DB InfraGO AG einzubringen, zu verankern und langfristig vorzuhalten. Darüber hinaus wird angestrebt, das Verfahren auf Anlagen des Schienenpersonenverkehrs auszuweiten.

8 Literatur

[1]    Jan Eisold, Oliver Freitag Vortrag: Weiterentwicklung der eisenbahnbetriebswissenschaftlichen Verfahren für Zugbildungsbahnhöfe durch Nutzung der mathematischen Optimierung; IRSA 23.11.2021.

[2]    Freitag Oliver, Konovalow Olga, Meissner Laura, Speer Simon in Eisenbahntechnische Rundschau (ETR): Entscheidungsunterstützung zur nachfragegerechten Dimensionierung von Anlagen des Schienengüterverkehrs; Nr. 7+8, 2020 und Freitag Oliver, Haack Brian, Konovalow Olga, Maciejewicz Frank in Eisenbahntechnische Rundschau: Dimensionierungsanalyse DimA: Entscheidungsunterstützung für zukünftige Investitionen in Güterverkehrsanlagen, ETR 10/2023.

[3]    InfraGO, Anlagenportal Netz (https://apn.noncd.db.de/APN2020.Startseite).

[4]    Preis et al., Optimizing production schedules in classification yards in the context of digitalisation; April 16-19, TRA 2018.