FGSV-Nr. | FGSV 002/134 |
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Ort | Weimar |
Datum | 05.05.2022 |
Titel | Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung im Klimawandel: Herausforderungen und Perspektiven |
Autoren | M. Sc. Tim Wenzel |
Kategorien | Landschaftstagung |
Einleitung | Der Klimawandel wird zukünftig auch in der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung thematisiert werden müssen. Vor allem, wie eine dauerhaft wirksame Kompensation gestaltet werden kann und welche rechtlichen und finanziellen Folgen ein dadurch entstehender Mehraufwand nach sich zieht, bedarf der Klärung. Auch für die Kompensation einer eingriffsbedingten Beeinträchtigung der Treibhausgasretention der Landschaft müssen Wege gefunden werden. Sollten bei der Kompensation überhaupt noch Zielzustände angestrebt werden, die empfindlich gegenüber Klimawandelwirkungen sind? Würden die Kompensationsziele so stark flexibilisiert, dass nur noch „klimawandeltolerante“ Biotoptypen hergestellt würden, wäre ein problematischer Verlust der regionalen und europäischen Biodiversität vorgezeichnet. Klimasensitive Biotope und Arten, die zu den besonders gefährdeten gehören, können sich nicht schnell genug anpassen; empfindliche Arten können aufgrund der Geschwindigkeit der Prozesse und der Undurchlässigkeit der Landschaft nicht in geeignetere Klimazonen wandern. Auf der anderen Seite sind der Herstellung von Resilienz gegen den Klimawandel, im Sinne eines Ausgleichs der Klimawandelfolgen, Grenzen gesetzt. Hydrologische Veränderungen sind in unserer, ohnehin stark wasserwirtschaftlich gesteuerten Landschaft im Prinzip ausgleichbar, Temperaturänderungen hingegen kaum. Das Verschwinden einzelner Arten und die Zuwanderung anderer gebietsfremder Arten wird nur schwer zu verhindern sein. Die Schutz- und Ausgleichsbemühungen sollten sich zukünftig vor allem auf spezifische Biotopeigenschaften und den Biotopverbund fokussieren. Dabei kann weder die Eingriffsregelung getrennt von sonstigen Maßnahmen des Naturschutzes, noch die einzelnen Kompensationsflächen unabhängig vom Wasserhaushalt auf größeren Flächen gehandhabt werden. Eine landschaftsplanerische Grundlage in Kooperation mit der Wasserwirtschaft wird deshalb unerlässlich sein. Es geht um die Resilienz ganzer Landschaften, in denen auch Probleme der Wasserverteilung und -versorgung unter Knappheitsbedingungen, unter Einbeziehung des Wasserbedarfs der Biodiversität, gelöst werden müssen. Speziell in Bezug auf die Eingriffsregelung empfehlen wir bezüglich der räumlichen und funktionalen Bindung der Kompensation an die Eingriffsfläche ein pragmatisches Vorgehen, bei dem auch Überlegungen zur Klimaresilienz der Landschaft einbezogen werden sollten. Selbiges gilt für das Management der Kompensationsflächen, bei dem sich Instrumente wie das Ökokonto und die räumliche und organisatorische Bündelung der Flächen zukünftig als vorteilhaft erweisen sollten. Es werden politische Entscheidungen darüber benötigt, inwieweit der Eingriffsverursacher mit zusätzlichen Kosten für eine klimawandelgerechte Kompensation belastet werden kann. Auch die Frage wer einspringen muss, wenn die Folgen über die damit gesetzte Verantwortungsgrenze des Eingriffsverursachers hinausgehen, erfordert politische Entscheidungen auf Bundesebene. Diese müssen auf der Grundlage von (naturschutz-)rechtlichen, verteilungsethischen und ökonomischen Erwägungen getroffen werden. |
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1 EinleitungDer Klimawandel ist ein globales Phänomen, das sich in unterschiedlicher Ausprägung und Intensität in allen Regionen der Welt bemerkbar macht. In Deutschland werden unter anderem häufigere und stärkere Hitzeperioden, höhere Jahresdurchschnittstemperaturen und eine Verschiebung der Niederschläge vom Sommer- in das Winterhalbjahr erwartet. Viele Ökosysteme sind durch diesen Wandel gefährdet, da sie sich nicht schnell genug an die neuen Bedingungen anpassen können. Dadurch verlieren viele Arten ihre Lebensräume und ein Biodiversitätsverlust droht bzw. ist bereits in Gange. In der naturschutzfachlichen Diskussion wurde diese Problematik bereits aufgegriffen. Naturschutzinstrumente müssen an die neuen Gegebenheiten angepasst werden. Beispielsweise wird in der Raumentwicklung für Pläne, Programme und Vorhaben die Einführung einer Klimawandelverträglichkeitsprüfung („Climate Proofing“) gefordert (u. a. Birkmann; Fleischhauer, 2009; Runge; Wachter, 2010; Jessel; Butterling, 2013). Im Bereich der Umweltprüfung stehen folgende international bzw. europaweit greifende Instrumente im Mittelpunkt der Debatte: die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) (u. a. Hands; Hudson, 2016; Jiricka et al., 2016; Balla et al., 2018), die Strategische Umweltprüfung (SUP) (u. a. Larsen; Kørnøv, 2009; Posas, 2011; Wende et al., 2012) und die FFH-Verträglichkeitsprüfung (Araujo et al., 2011; Schumacher; Schumacher, 2013; Ssymank et al., 2015). Mit der UVP Richtlinie 2014/52/EU wurde festgelegt, dass Auswirkungen von Projekten, Plänen und Programmen auf das Klima und deren Anfälligkeiten in Bezug auf den Klimawandel in der UVP und SUP zu berücksichtigen sind. Wenzel et al. 2022 haben gezeigt, dass die Eingriffsregelung nach §§ 13ff. BNatSchG bisher noch wenig Beachtung in der Diskussion fand. Diese Tatsache verwundert, da sich bei der Kompensation von Eingriffen viele Fragen in Bezug auf den Klimawandel stellen. Zum Beispiel, ob die CO2-Speicherfunktion von Biotopen in der Eingriffsregelung berücksichtigt werden muss und wie dieses umsetzbar wäre. Oder ob sich die festgelegten Kompensationsziele auf Grund der heutigen und zukünftigen Klimaänderungen noch erreichen lassen. Für die Planungspraxis sind vor allem die durch den Klimawandel erhöhten Unsicherheiten in der Voraussage große Herausforderungen. Das Problem betrifft die Art der Kompensationsmaßnahmen ebenso wie rechtliche und finanzielle Rahmensetzungen. Ziel dieses Beitrages ist es, erste praxisrelevante Hinweise für die Behandlung des Klimawandels in der Eingriffsregelung auf der Grundlage des derzeitigen Wissensstandes vorzustellen. Dabei werden die Schutzgüter biologische Vielfalt und CO2-Speicherfunktion betrachtet. Eine ausführlichere Darstellung findet sich in Wenzel et al., 2022. 2 Klimawandelbedingte Herausforderungen in der EingriffsregelungDer Klimawandel ist durch seine Auswirkungen auf die Ökosysteme eine der größten Bedrohungen für die Biodiversität (Bellard et al., 2012; Lambers, 2015). Die Geschwindigkeit, mit der sich der Klimawandel vollzieht, macht es den meisten Arten unmöglich, sich rechtzeitig an die neuen Bedingungen anzupassen (u. a. Heckwolf et al., 2020). Die Möglichkeit, in geeignete Klimazonen auszuweichen, ist durch die Mobilität der Arten sowie durch anthropogene Hindernisse, wie Straßen oder Siedlungen, und natürliche Grenzen, wie Berge oder große Wasserkörper, eingeschränkt. Der Klimawandel kann nicht im klassischen Sinne prognostiziert werden. Das Klimasystem ist zu komplex und kann in Rechenmodellen nur vereinfacht abgebildet werden. Auch die Wirkmechanismen in Natur und Landschaft sind äußerst komplex und die Reaktion auf den Klimawandel kann oft nur näherungsweise abgeschätzt werden. Der Umgang mit Unsicher-heiten ist für die Planung nicht fremd (Neuendorf et al., 2018; Williams, 2001), jedoch werden diese durch den Klimawandel zusätzlich verstärkt, wodurch Instrumente zum Umgang mit Unsicherheiten stärker in Planungsprozesse integriert werden müssen. Bei der Betrachtung der Verfahrensschritte in der Eingriffsregelung fällt auf, dass alle Schritte von klimawandelbedingten Unsicherheiten betroffen sind (siehe Bild 1): Bild 1: Durch den Klimawandel erhöhte Unsicherheiten im Ablauf der Eingriffsregelung. Unsicherheiten sind rot dargestellt. (Wenzel et al., 2022) Folgende Fragen müssen bei den einzelnen Verfahrensschritten klimawandelbedingt gestellt werden:
Bei der Anpassung an den Klimawandel muss auch der Klimaschutz mitgedacht werden. Daher rückt die Funktion von Ökosystemen als Kohlenstoffspeicher und -senke ins Bewusstsein. Die CO2-Speicherfunktion von Ökosystemen ist Bestandteil des Naturhaushalts (Schumacher; Schumacher, 2021: BNatSchG § 1 Rdnr. 132) und muss somit auch in der Eingriffsregelung berücksichtigt werden. Bisher galten jedoch fehlende Methodenstandards für die Ermittlung der zu bilanzierenden Treibhausgabe als Umsetzungshindernis (s. Balla et al., 2018: 62). 3 HandlungsmöglichkeitenHandlungsmöglichkeiten bieten sich für die Eingriffsregelung bei der Gestaltung der Kompensationsmaßnahmen, deren Management sowie der Verpflichtung des Eingriffsverursachers bei der Planfeststellung. Eine zentrale Rolle nehmen jedoch vorbereitende Planaussagen auf Ebene der Landschaftsplanung ein. 3.1 Kleinteilige Kompensation vermeidenGroße Habitate enthalten größere, stabilere Populationen und weisen weniger Randeffekte auf als kleine Flächen. Sie haben daher eine höhere Resilienz, auch gegenüber klimawandelbedingten Beeinträchtigungen. Ebenso ist eine Einbindung der Kompensation in einen Biotopverbund geeignet, um die Resilienz der Ökosysteme und Wanderkorridore zu steigern (u. a. Heller; Zavaleta, 2009; Weiß et al., 2011; Reich et al., 2012). Daher sollten bei der Kom-pensationsplanung möglichst großflächige Maßnahmen mit verschiedenen Standortgradienten, gegebenenfalls durch Bündelung mit anderen Projekten angestrebt werden (u. a. Tucker et al., 2018: 249; Harthun, 2017; FGSV 2013). Dies kann vor allem durch eine vorrauschauende Planung mit Ökokonten erreicht werden. 3.2 Den landschaftsplanerischen Kontext berücksichtigenDie Klimaresilienz der Kompensationsmaßnahmen profitiert von einer Einbindung in den landschaftsplanerischen Kontext. Ebenso kann wiederum durch Kompensationsmaßnahmen die gesamtlandschaftliche Klimareslienz erhöht werden. Eine besondere Rolle wird zukünftig der landschaftliche Wasserhaushalt spielen, da mit einer Verknappung der Ressource Wasser zu rechnen ist. Die Landschaftsplanung muss verteilungs- und versorgungstechnische Probleme behandeln, bei denen auch der Wasserbedarf der Biodiversität berücksichtigt werden muss. Dies muss in Kooperation mit der Wasserwirtschaft gelöst werden. Kompensationsmaßnahmen können zu einer Verbesserung des Wasserhaushaltes beitragen. Dies kann über Multifunktionalität erreicht werden (Naumann et al., 2015), indem Maßnahmen so gewählt werden, dass sie sowohl den Wasserhaushalt regulieren, als die Biodiversität fördern (May et al., 2016: 16). Voraussetzung hierfür ist, dass in der Landschaftsplanung entsprechende Aussagen getroffen werden, z. B. durch Ausweisung von Vorrangflächen für Kompensation (Tucker et al., 2018: 249). Rechtlich ist eine Berücksichtigung der Planaussagen bei der Kompensation insofern möglich, als dass die gleichwertige Kompensation durch Ersatzmaßnahmen einen relativ großen Beurteilungsspielraum bietet. Bei der Gleichwertigkeit des Ersatzes handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der als solcher abhängig von fachwissenschaftlichen Einschätzungen ist (Fischer-Hüftle, 2021: 19). Es muss weiterhin die Maßnahme gewählt werden, die der beeinträchtigten Funktion möglichst nahekommt. Wenn keine bessere Lösung erkennbar ist, können Aussagen aus der Landschaftsplanung oder die voraussichtliche Dauerhaftigkeit der Maßnahme unter den Bedingungen des Klimawandels bei der Entscheidung berücksichtigt werden (ebd.). Es besteht also ausreichend Spielraum, um z. B. über Multifunktionalität bei den Kompensationsmaßnahmen bestehende Strukturen oder Funktionen klimaresilienter und damit zukunftsfähiger neu zu etablieren. 3.3 Unsicherheiten anerkennenZur Berücksichtigung von Unsicherheiten stehen der Planung mehrere Werkzeuge zur Verfügung. Dazu gehören Szenario-, Wahrscheinlichkeits- und Vulnerabilitäts- bzw. Risikoanalysen. Mit Hilfe von Szenarien lassen sich mögliche zukünftige Bedingungen darstellen. Diesen können gegebenenfalls auch Eintrittswahrscheinlichkeiten bzw. Unsicherheiten zugewiesen werden (Williams; Johnson, 2013: 1; s. Neuendorf et al., 2021). Auf dieser Grundlage können dann beispielsweise Kompensationsmaßnahmen ausgewählt werden, die in möglichst vielen Szenarien wirksam sind (Williams; Johnson, 2013: 7f) oder sogar in allen („No-Regret“-Maßnahmen) (u. a. May et al., 2016: 16; Franck; Overbeck, 2012: 98). Eine weitere Möglichkeit wäre, das Kompensationsziel so offen zu formulieren, dass dynamische, natürliche Sukzessionsprozesse zugelassen werden (FGSV 2013; Reck, 2013: 451; Bonn et al., 2014). Durch Vulnerabilitäts- bzw. Risikoanalysen kann die Anfälligkeit gegenüber klimawandelbedingten Belastungen dargestellt werden. Da die zukünftigen Klimaänderungen und die Reaktion der Ökosysteme meist nur unter hoher Unsicherheit bestimmt werden kann, sollte vor allem die Empfindlichkeit der Wert der Ökosysteme ausschlaggebend bei der Analyse sein (Spiekermann; Franck, 2014: 16). Entsprechende Analysen müssen auf übergeordneter Planungsebene (Regional- oder Landschaftsrahmenplanung) geliefert werden. 3.4 Treibhausgas-Emissionen von Eingriffen berücksichtigenIm Rahmen der Eingriffsregelung ist eine Bilanzierung der Treibhausgasemissionen nur anhand vereinfachender Modelle möglich. Diese sind naturgemäß mit Unsicherheiten verbunden (Oles et al., 2015: 10), reichen jedoch aus, um aussagekräftige Ergebnisse zu liefern, sowie Kompensationsbedarf und -maßnahmen abzuleiten (Haaren et al., 2012). Es handelt sich vor allem um Modelle aus der Landschaftsplanung, welche mittels Boden- und Nutzungsdaten CO2-Bilanzierungen vornehmen (siehe Saathoff et al., 2013, Grothe et al., 2017). Allerdings dürfte die Abweichung der THG-Bilanz zwischen Eingriff und Kompensation bei einer funktionsgleichen Kompensation ohnehin nicht allzu groß ausfallen, da ein ähnlich klimawirksames Ökosystem hergestellt wird. Nicht vernachlässigt werden darf, dass bereits die Darstellung der THG-Retentionsfunktion in der Landschaftsplanung Planungsentscheidungen, wie die Wahl des Eingriffsortes, beeinflussen kann und so THG-Emissionen vermieden werden. 3.5 Zusätzliche Anpassungsmaßnahmen als Teil der Kompensation einplanenDie zukünftige Entwicklung im Eingriffsgebiet muss bei der Kompensationsgestaltung nicht berücksichtigt werden (Fischer-Hüftle, 2021: 5f). Klimawandelbedingte Beeinträchtigungen auf der Ausgleichsfläche können also nicht mit selbigen auf der Eingriffsfläche aufgewogen werden. Dem Verursacher können also theoretisch zusätzliche Maßnahmen zum Ausgleich der Klimawandelfolgen auferlegt werden. Dafür muss jedoch ein begründetes Risiko einer klimawandelbedingten Verschlechterung des Zustandes der Kompensationsfläche nachgewiesen werden. Dieses kann auf Grundlage von Klimaprojektionen und Klimatrends geschehen. Liegt ein begründetes Risiko vor, kann ein Monitoring inklusive Nachbesserungspflicht angeordnet werden (s. Fischer-Hüftle, 2021: 11). Der Eingriffsverursacher kann die Kompensationsmaßnahme auch von Beginn an durch zusätzliche Maßnahmen „klimawandelsicher“ herstellen. Dadurch würden ein längeres Monitoring und aufwändige Nachbesserungsmaßnahmen ggf. entfallen. Verpflichtet werden kann er zu dieser vorsorgenden Anpassung jedoch nicht, da dafür die Prognoseunsicherheiten über das Eintreten des Klimawandels, seine Wirkungen auf die Kompensationsfläche und die Effektivität von Anpassungsmaßnahmen zu groß sind (s. ebd.: 9). Der Umfang der Maßnahmen zum Ausgleich der Klimawandelfolgen muss auch in einem angemessenen Verhältnis zu den klimawandelbedingten Risiken stehen. Die Rechtslage ist hier noch unklar (siehe Spiekermann; Franck, 2014: 15f). Es kann aber davon ausgegangen werden, dass einem Eingriffsverursacher auferlegt werden kann, z. B. ein Ausgleichsgewässer zu vertiefen, damit dieses zukünftig nicht trockenfällt. Maßnahmen, die den Wasserhaushalt großflächig verändern (z. B. Anstau von Gräben), können auch den Wasserhaushalt der angrenzenden Flächen (ungewollt) beeinflussen. Ein Ankauf dieser Flächen wäre voraussichtlich nicht mehr verhältnismäßig1) (s. Fischer-Hüftle, 2021). 4 DiskussionAus ökonomischer Sicht wäre es sicherlich effizienter, auf das Erstellen von klimasensiblen Biotopen als Kompensation zu verzichten. Die Kompensationsflächen wären besser an die Bedingungen des Klimawandels angepasst und ihre Herstellung und ihr Erhalt würden um einiges weniger kosten. Dies ist zum einen wegen der funktionalen Bindung zwischen Eingriff und Kompensation selten zulässig, zum anderen spricht auch einiges aus ökologischer Perspektive dagegen. Zu befürchten wäre nämlich, dass damit eine „Vereinheitlichung“ der Landschaft und der Verlust (im schlimmsten Falle das Aussterben) von klimasensiblen Lebensräumen und Arten in Kauf genommen würde. Um diesen Biodiversitätsverlust zu verhindern, müssen die heutigen Habitattypen nach Möglichkeit bei der Kompensation erhalten werden. Allerdings wird das Verschwinden einzelner Arten und die Zuwanderung gebietsfremder Arten nur schwer zu verhindern sein. Daher sollten sich die Schutzbemühungen vor allem auf spezifische Biotopeigenschaften und den Biotopverbund fokussieren. Maßnahmen zum Ausgleich der Klimawandelfolgen können, rein rechtlich, in der Regel erst dann durchgeführt werden, wenn ein Schadensfall unmittelbar droht oder bereits eingetreten ist. Eine vorsorgende Durchführung dieser Maßnahmen bei der Erstellung der Kompensation ist für den Eingriffsverursacher optional. Ob dies ökonomisch sogar günstiger und ökologisch begrüßenswert wäre, ist noch offen. Ein Monitoring und rechtliche Auseinandersetzungen, ob Nachbesserungsmaßnahmen notwendig sind, würden entfallen. Dafür steigen die Herstellungskosten. Die finanziellen Mittel für den Ausgleich der Klimawandelfolgen müssen langfristig gesichert werden, damit sie im Schadensfall zur Verfügung stehen. Dafür existieren allenfalls grobe Konzepte. Ob Abschlags-, Nach- oder gar Vorauszahlungen vom Verursacher zu fordern wären und welche Konsequenzen dies für die Verwaltung und Planfeststellung hätte, welche Risiken abgesichert werden müssten und wie dies geschehen könnte, muss noch diskutiert werden. Da der Eingriffsverursacher nur zu Maßnahmen zum Ausgleich der Klimawandelfolgen in einem verhältnismäßigen Rahmen verpflichtet werden kann (siehe Abschnitt 3.5), stellt sich die Frage, wer zahlen muss, wenn ein Ausgleich der Klimawandelfolgen diesen Rahmen übersteigen würde. Beim Klimawandel handelt es sich um einen kollektiven und teils historischen „Eingriff“. Dies erfordert neue Ansätze für die Kompensation. Wird von einer kollektiven Verantwortung ausgegangen, wäre eine Finanzierung über eine CO2-Steuer denkbar. 1) Dieses Beispiel zeigt die Vorteile einer räumlichen und organisatorischen Bündelung von Kompensationsmaßnahmen durch den Einsatz von Flächen-/Maßnahmenpools. Es besteht Forschungsbedarf, viele der vorgestellten Handlungsmöglichkeiten ausreichend scharf zu konkretisieren. In der Literatur wird häufig vorgeschlagen, Planaussagen in einem adaptiven Prozess regelmäßig zu überprüfen und die Ziele und Maßnahmen entsprechend fortzuschreiben. Ein ausgereiftes Konzept in Bezug auf die Eingriffsregelung gibt es jedoch nicht. Ebenso liegen keine Erkenntnisse zur Effektivität und Effizienz der Maßnahmen zum Ausgleich der Klimawandelfolgen vor. Die Berücksichtigung des Klimawandels in der Planung bedeutet einen erhöhten methodi schen und planerischen Aufwand. Erste Anwendungsversuche haben gezeigt, dass künstliche Intelligenz in Kombination mit umfangreichen Informationssystemen bei der Bewältigung hilfreich sein kann (siehe ARIES2)). Das Aufsetzen eines bundesweiten Informationssystems wäre daher empfehlenswert. 5 SchlussfolgerungenTrotz des erheblichen Forschungsbedarfes können bereits heute Schritte unternommen werden, die zu einer klimawandelsicheren Kompensation beitragen. Auf Ebene der Landschaftsplanung können Klimawandel-Szenarien bereitgestellt werden, ökologische Risiken aufgezeigt und Vorschläge für Kompensationsflächen und -maßnahmen geliefert werden. Fragen der Wasserverteilung- und -versorgung von Biotopen sollten ebenfalls behandelt werden. Die Darstellung von Flächen mit besonders hoher THG-Retentionsfunktion kann zur Vermeidung klimaschädlicher Eingriffe führen. Auf Ebene der Eingriffsregelung sollten Kompensationsmaßnahmen möglichst großflächig geplant werden und, sofern es die funktionale Bindung an den Eingriff zulässt, auch zur Klimaresilienz der Landschaft beitragen. Dies kann vor allem durch Multifunktionalität, die Einbindung in den Biotopverbund und die Verbindung mit Maßnahmen der Entwicklung von Boden und Gewässern erreicht werden. Die Verwendung von Ökokonten und gebietsübergreifendem Management der Kompensationsflächen wird empfohlen. Für eine Berücksichtigung der THG-Retentionsfunktion bei Eingriffen sind ausreichend praxistaugliche Methoden vorhanden. Forschungsbedarf besteht insbesondere darin, wie ein (adaptives) Management von Kompensationsflächen im Klimawandel gestaltet werden sollte und welche Maßnahmen geeignet sind, für die Erhaltung der regionalen Biodiversität relevante Biotope klimaresilient zu machen. Für die Umsetzung einer umfassenden Klimaanpassung in der Eingriffsregelung müssen noch rechtliche und operative Fragen geklärt werden. Es werden politische Entscheidungen darüber benötigt, inwieweit der Eingriffsverursacher mit zusätzlichen Kosten für eine klimawandelgerechte Kompensation belastet werden kann. Auch wer einspringen muss, wenn die Folgen über die damit gesetzte Verantwortungsgrenze des Eingriffsverursachers hinausgehen, erfordert politische Entscheidungen auf Bundesebene. Diese müssen auf der Grundlage von (naturschutz-)rechtlichen, verteilungsethischen und ökonomischen Erwägungen getroffen werden. 2) http://aries.integratedmodelling.org
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