FGSV-Nr. FGSV 001/21
Ort Karlsruhe
Datum 11.10.2006
Titel Der Gemeinsame Markt und die Auswirkungen im deutschen Straßenbau
Autoren Dipl.-Ing. Hans-Josef Ritter
Kategorien Kongress
Einleitung

Seit dem 1. Januar 2006 gilt für die Herstellung und Verwendung der Gesteinskörnungen und der ungebundenen Baustoffgemische für Schichten ohne Bindemittel (SoB) das neue Regelwerk im Straßenbau. Es dokumentiert die ersten Auswirkungen des Gemeinsamen Marktes auf den deutschen Straßenbau. Die weiteren Änderungen des bisher bestehenden Regelwerkes, ausgelöst durch den Gemeinsamen Markt, werden demnächst durch die neuen Regelungen für die Herstellung und Verwendung der Straßenbauprodukte Asphalt und Beton fortgeschrieben.

Im Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft war der Gemeinsame Markt als zu verwirklichendes Ziel vorgesehen. Er war konzipiert als Wirtschaftsraum mit Warenverkehrsfreiheit, Personenverkehrsfreiheit, Niederlassungsfreiheit sowie Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit. Der gemeinschaftliche Binnenmarkt, als Konkretisierung des ursprünglichen Ziels, ist somit ein Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital möglich sein soll.

Die Bauproduktenrichtlinie (BPR) aus dem Jahr 1988 ist eine der Grundlagen für die Ausgestaltung des Zieles "freier Warenverkehr". Die BPR legt fest, dass die jeweiligen bestehenden nationalen Anforderungen im Bereich des Hoch- und Tiefbaus nicht nur die bauliche Sicherheit, sondern unter anderem auch die Gesundheit, Dauerhaftigkeit und den Umweltschutz betreffen. Diese Anforderungen beeinflussen die in den einzelnen Ländern verwendeten Bauprodukte. Die Regelungen in den einzelnen Staaten sind unterschiedlich, hierdurch wird der Warenverkehr innerhalb der EU behindert, das heißt die jeweiligen nationalen Regelwerke stellen ein Handelshemmnis dar.

Die Beseitigung dieser Hemmnisse soll nach Vorgabe der Politik in Europa durch die Festlegung gemeinsamer Anforderungen an die Sicherheit der Bauprodukte erfolgen. Diese wesentlichen Anforderungen sind in Grundlagendokumenten festgelegt und bilden die Basis für die Erarbeitung neuer Regelungen. Um den Binnenmarkt ohne Handelshemmnisse zu erreichen, sind gemäß der BPR harmonisierte Europäische Normen (EN) zu schaffen und von den Mitgliedsstaaten anzuwenden.

Grundlage für die Anwendung der EN sind die Baukoordinierungsrichtlinie sowie die Liefer-Koordinierungsrichtlinie aus dem Jahr 1993. Hiermit wird die Verbindung von den technischen Spezifikationen zu den Vertragsunterlagen jeder einzelnen Baumaßnahme hergestellt. Gemäß der Liefer-Koordinierungsrichtlinie sind zur Beschreibung der Anforderungen, sowohl mandatierte als auch nicht mandatierte Normen sowie Europäisch Technische Zulassungen bei Ausschreibungen zu berücksichtigen.

Die Europäischen Normen sind produkt- und herstellerbezogen. Alle Anforderungen an das Produkt sind nur noch in der Norm, bzw. der nationalen Umsetzung (z. B. Technische Lieferbedingungen TL) festgelegt. Produktanforderungen können nicht mehr in anderen Regelwerken z. B. Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen (ZTV) beschrieben sein. Damit ist eine klare Schnittstelle zwischen Produkterstellung und Produktverwendung festgelegt, die eine tiefgreifende Änderung des bisherigen Regelwerkes im Straßenbau für die Produkte Gesteinskörnung, Asphalt und Beton erfordert.

 

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1  Der Gemeinsame Markt

1.1      Zielvorstellung

Im Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) im Jahr 1957 war ursprünglich nur der Gemeinsame Markt als zu verwirklichendes Ziel vorgesehen. Durch den Gemeinsamen Markt sollten alle Hemmnisse im innergemeinschaftlichen Handel mit dem Ziel der Verschmelzung der nationalen Märkte zu einem einheitlichen Markt erfolgen. Er sollte ein Raum ohne Binnengrenzen sein, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gewährleistet ist. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) stellt der Begriff des Gemeinsamen Marktes auf eine Beseitigung aller Hemmnisse ab, so dass damit die Bedingungen eines Binnenmarktes hergestellt werden können. Der Binnenmarkt ist der Begriff, der anschließend in den Rechtsakten verwendet wird und die Grundlage für die weiteren Umsetzungskonzepte bildet.

Die Idee des Binnenmarktes wurde von der Kommission Ende der 70er Jahre entwickelt. 1985 wurde ein Weißbuch [1] über die Vollendung des Binnenmarktes vorgelegt. Daraufhin wurden Instrumente geschaffen, um den Binnenmarkt zu verwirklichen. Es wurde ausdrücklich festgehalten, dass der Rat, mit qualifizierter Mehrheit, auf Vorschlag der Kommission die Leitlinien und Bedingungen festlegt, die erforderlich sind, um in allen betroffenen Sektoren einen ausgewogenen Fortschritt zu gewährleisten. Das Weißbuch enthielt auch das Ziel, den Binnenmarkt bis zum 31.12.1992 zu verwirklichen, wobei diese Terminvorgabe keine bindende rechtliche Wirkung entfaltet.

1.2      Instrumente zur Umsetzung

Zur Herstellung des Binnenmarktes, hat das Weißbuch der Kommission ca. 300 Rechtsakte vorgeschlagen. Um diese möglichst einfach verwirklichen zu können, sind zwei Instrumente eingeführt worden: die Rechtsangleichung und die gegenseitige Anerkennung. Der Rechtsangleichung, die auch als Harmonisierung oder Koordinierung bezeichnet wird, steht als alleiniges Mittel die Richtlinie zur Verfügung, die vom Rat auf Vorschlag der Kommission erlassen wird. Der Rat erlässt nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses die Maßnahmen zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten, welche die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Gegenstand haben. Inhaltlich wird die Kommission verpflichtet, in ihren Vorschlägen in den Bereichen Gesundheit, Sicherheit, Umweltschutz und Verbraucherschutz von einem hohen Schutzniveau auszugehen. Hält ein Mitgliedstaat die Beibehaltung der nationalen Vorschriften oder den Erlass neuer nationaler Vorschriften für notwendig, dann muss er dies der Kommission mitteilen, die dann darüber entscheidet, ob die nationalen Bestimmungen weiterhin gelten.

Mit der gegenseitigen Anerkennung wird versucht, die trennende Wirkung unterschiedlicher nationaler Produkt- bzw. Qualitätsstandards zu beseitigen, ohne diese harmonisieren zu müssen. Deshalb beschlossen Rat und Europäisches Parlament ein „Verfahren der gegenseitigen Unterrichtung über einzelstaatliche Maßnahmen“ einzuführen. Die Mitgliedstaaten sollen sich gegenseitig informieren, wenn und warum sie von Grundsätzen des freien Verkehrs abweichen wollen. Das Instrument der gegenseitigen Anerkennung wurde in Deutschland schon seit langem bei der Erstellung neuer Regelwerke im Straßenbau angewendet und drückte sich durch die sogenannte „Gleichwertigkeitsklausel“ in den Beschreibungen der Grundlagen der jeweiligen neuen Regelwerke – Technische Lieferbedingungen oder Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen – aus. Die gegenseitige Anerkennung war somit ein mehr oder weniger formaler Akt, der keine weitergehenden Auswirkungen im deutschen Straßenbau hatte.

Erst das andere Instrument, die Richtlinie, zeigte Wirkung im deutschen Straßenbau, wobei der Straßenbau als Teilmenge des gesamten Baubereiches zu verstehen ist. Die Bauproduktenrichtlinie (BPR) [2] aus dem Jahr 1988, einschließlich der letzten Änderungen vom 29. September 2003 ist entscheidend für die nachfolgend beschriebenen Auswirkungen. Im Sinne dieser Richtlinie ist unter „Bauprodukt“ jedes Produkt zu verstehen, das hergestellt wird, um dauerhaft in Bauwerke des Hoch- oder Tiefbaues eingebaut zu werden. Gesteinskörnungen, ungebundene Gemische, hydraulisch gebundene Gemische, Asphalt und Beton sind somit Bauprodukte im Sinne der BPR.

 

2  Grundlagendokumente

2.1       Bauproduktenrichtlinie

Richtlinien der EU müssen in nationale Gesetze umgesetzt werden. Dies erfolgte im Jahre 1992 in Deutschland durch das Bauproduktengesetz [3]. In diesem Zusammenhang ist die Veränderung der Rechtslage der Anforderungen an Produkte gegenüber früheren Regelungen zu beachten, denn nun befinden sich diese Regelungen im Gesamtkontext der Gesetze des jeweiligen Landes, mit allen Konsequenzen, die Gesetze und deren Nichteinhaltung nach sich ziehen. Alle Regelungen, die sich aus der BPR ergeben, wie z. B. die Europäischen Normen (EN), sind letztlich produktbezogene und produzentenbezogene Festlegungen.

Die BPR stellt fest, dass die jeweiligen bestehenden nationalen Anforderungen im Bereich des Hoch- und Tiefbaues nicht nur die bauliche Sicherheit sondern unter anderem auch die Gesundheit, Dauerhaftigkeit und den Umweltschutz betreffen und sie innerhalb des Gemeinsamen Marktes unterschiedlich sind. Diese unterschiedlichen Anforderungen beeinflussen die in den einzelnen Ländern verwendeten Bauprodukte und behindern den freien Warenverkehr, das heißt nationale Regelungen stellen Handelshemmnisse dar. Die Beseitigung dieser Hemmnisse soll nach Vorgabe der Politik in Europa durch die Festlegung gemeinsamer Anforderungen an die Sicherheit der Bauprodukte erfolgen. In diesem Fall darf das jeweils in den Mitgliedstaaten bestehende Schutzniveau nicht reduziert werden, das heißt die bisherigen Anforderungen an Bauprodukte müssen in den gemeinsamen Anforderungen wiedergefunden werden.

Mit Bauprodukten müssen Bauwerke errichtet werden können, die unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit gebrauchstauglich sind und hierbei wesentliche Anforderungen erfüllen. Die wesentlichen Anforderungen sind als übergeordnete und als spezielle Kriterien festgelegt, denen die Bauwerke genügen müssen. Sie sind so zu verstehen, dass Bauwerke einzelne, mehrere oder alle diese Anforderungen, soweit dies in Vorschriften verlangt wird, erfüllen müssen. Die Anforderungen bezüglich der mechanischen Festigkeit und Standsicherheit der Bauwerke wird bei den Bauprodukten Gesteinskörnungen, Asphalt und Beton durch die Eigenschaften Widerstand gegen Zertrümmerung, Widerstand gegen bleibende Verformung und Druckfestigkeit beeinflusst.

Um die in den einzelnen Ländern etwaig vorhandenen unterschiedlichen Bedingungen geographischer, klimatischer oder traditioneller Art sowie unterschiedlicher Schutzniveaus zu berücksichtigen, können für jede wesentliche Anforderung Klassen festgelegt werden. Das Verfahren zur Bescheinigung der Konformität der betroffenen Bauprodukte ist festgelegt. Die dabei anzuwendenden Systeme der Konformitätsbescheinigung sind beschrieben.

2.2     Mandate

Um für die hier betrachteten Bauprodukte den Binnenmarkt ohne Handelshemmnisse zu erreichen, sind gemäß der BPR harmonisierte Normen zu schaffen. Zu diesem Zweck werden von der Europäischen Kommission Mandate an das europäische Normungsgremium CEN vergeben.

Für den Bereich der Straßenbaustoffe, hierunter fallen Asphalt und Beton, gilt das Mandat M/124 [4], für die Gesteinskörnungen gilt das Mandat M/125 [5]. Mit dem Mandat ist der Auftrag zur Erarbeitung der Europäischen Norm (EN) verbunden. Durch den Inhalt eines Mandates ist die Struktur der Norm vorgegeben. Bei den Gesteinskörnungen z. B. umfasst die Liste der Produkte die Gesteinskörnungen für Mörtel, Gesteinskörnungen für Asphalt, bis hin zum Gleisschotter. Freiraum für die einzelnen Anwendungsgebiete bietet die Festlegung der zu normenden Eigenschaften im Hinblick auf den Einsatz des Bauproduktes. Ausgeschlossen wird die freie Wahl des Konformitätsnachweises dadurch, dass das Mandat das entsprechende System vorgibt. Auf der Grundlage der vergebenen Mandate werden harmonisierte EN erarbeitet. Diese sind nach der Fertigstellung, national einzuführen und ersetzen die bisherigen Regelungen.

Liegt für ein Bauprodukt kein Mandat vor, wie z. B. für die ungebundenen Gemische, so wird nur eine Europäische Norm erarbeitet. Deren Übernahme in nationale Regelungen wird allerdings wegen der Vereinheitlichung des Binnenmarktes nachdrücklich empfohlen.

2.3      Europäische Normung

Im CEN/TC 154 Gesteinskörnungen werden in verschiedenen Gremien (SC) für unterschiedliche Anwendungsbereiche die harmonisierten EN erarbeitet (Bild 1). Das CEN/TC 227 Straßenbaustoffe erarbeitet in der WG 1 die dem Mandat M/124 unterliegenden Normen für den Asphalt und in der WG 3, bzw. WG 4 die Europäischen Normen (nicht mandatiert) für die Betonstraßen und die ungebundenen und hydraulisch gebundenen Gemische. Für den Bereich der Gesteinskörnungen liegen die EN vor. Sie sind seit dem 1.6.2004 gültig und müssen in den Mitgliedsländern des CEN angewendet werden.

Grundlage für die Anwendung der EN sind die Baukoordinierungsrichtlinie [6] sowie die Lieferkoordinierungsrichtlinie [7] aus dem Jahr 1993. Hiermit wird die Verbindung von den technischen Spezifikationen im Straßenbau zu den Vertragsunterlagen jeder einzelnen Baumaßnahme hergestellt. Gemäß der Lieferkoordinierungsrichtlinie sind vom öffentlichen Auftraggeber in diesem Zusammenhang zur Beschreibung der Anforderungen sowohl mandatierte als auch nicht mandatierte Normen sowie Europäische Technische Zulassungen bei Ausschreibungen zu berücksichtigen [8].

Bild 1: Europäische Normungsgremien für den Straßenbau

 

3  Umsetzung im Regelwerk

3.1     Organisation des Regelwerkes

Die Vorgaben aus dem Gemeinsamen Markt treffen auf die bisherige Organisation der Regelwerke im Straßenbau. Hierbei unterscheidet man wir die rechtlichen und die technischen Regelwerke. Die rechtlichen Regelwerke werden durch die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) [9], hier die Teile A und B, sowie die Zusätzlichen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen (ZVB-StB) beschrieben. In der VOB wurde die Baukoordinierungsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt. Dort sind im Teil A, Abschnitt 2, die entsprechenden Basisparagraphen mit den zusätzlichen Bestimmungen nach der Baukoordinierungsrichtlinie aufgeführt. Im Paragraph 9 erfolgt die „Beschreibung der Leistung“. Hierbei wird darauf hingewiesen. dass die technischen Anforderungen in den Vergabe- und Vertragsunterlagen „unter Bezugnahme auf die gemeinschaftsrechtlichen, technischen Spezifikationen“ festzulegen sind.

Das technische Regelwerk gliedert sich in Richtlinien, z. B. für den Bereich der Güteüberwachung (RG Min-StB), in Vertragsunterlagen und Merkblätter sowie in Anleitungen, Hinweise und Empfehlungen. Die Vertragsunterlagen werden in Teil C der VOB mit den Allg. Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) spezifiziert. Diese wiederum werden durch die Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen (ZTV), Technischen Lieferbedingungen (TL) und Technischen Prüfbedingungen (TP) ergänzt.

3.2.  Veränderung des Regelwerkes

In dieser Regelwerksorganisation mussten und müssen die Vorgaben der Dokumente des Gemeinsamen Marktes umgesetzt werden. Hierbei sind die verschiedenen Möglichkeiten der nationalen Umsetzung der EN zu berücksichtigen. Diese Möglichkeiten reichen von der kommentarlosen Übersetzung der EN in die deutsche Fassung bis zur Kombination aller dieser Möglichkeiten (Bild 2). Der Koordinierungsausschuss Straßenbautechnik der FGSV (KoA Bau) entschied sich für ein eigenständiges Umsetzungsdokument, das nur die national relevanten Anforderungen enthält.

Bild 2: Möglichkeiten der nationalen Umsetzung der EN

Da die EN produktbezogen formuliert sind, müssen alle Anforderungen an das Bauprodukt in der Anforderungsnorm festgelegt sein. Dies bedeutet, dass entgegen der bisher in Deutschland üblichen Praxis in den ZTVen keine Anforderungen an Bauprodukte mehr enthalten sein dürfen. Dies führt dazu, dass nun zwischen Produktbeschreibung und Verwendung eine eindeutige Schnittstelle besteht. Die neuen ZTVen (Bild 3) beschränken sich nur noch auf die Verwendung, das heißt den Einbau der gelieferten Produkte. Bisher erfolgte die Abgrenzung der ZTVen in Abhängigkeit von der Funktion der betrachteten Schicht. So wurden z. B. in den ZTV T-StB [10] alle Arten von Tragschichten behandelt. Nun erfolgt die Abgrenzung der Regelwerke untereinander produkt- bzw. baustoffbezogen. Wurden Anforderungen an das verwendete Produkt und den Einbau der Tragschichten ohne Bindemittel bisher in den ZTV T-StB 95, Abschnitt 2, behandelt, so gelten jetzt für die Verwendung die ZTV SoB-StB 04 [11]. Letztlich bedeutet dies, dass nach Fertigstellung der ZTVen für die Verwendung der anderen Bauprodukte die ZTV T-StB nicht mehr existieren.

Bild 3: Die neuen Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen

Bld 4: Die neuen Technischen Lieferbedingungen

In den zugehörigen Technischen Lieferbedingungen (TL) (Bild 4) sollten ursprünglich die baustoffspezifischen Anforderungen behandelt werden. Bei der Bearbeitung der Abschnitte für die Gesteinskörnungen in den jeweiligen baustoffbezogenen TL wurde erkannt, dass zwischen den einzelnen TL eine Parallelität der Anforderungen an die Gesteinskörnungen vorhanden war, die es sowohl dem Produzenten als auch dem Verwender schwierig machte, die jeweils in Bezug genommene TL zu erkennen. Aus diesem Grund wurden die TL Gestein-StB 04 [12] erarbeitet. Diese ersetzen die TL Min-StB 2000 [13] und werden gleichzeitig von den anderen Technischen Lieferbedingungen für die einzelnen Anwendungsbereiche in Bezug genommen.

Durch die Erstellung der Technischen Lieferbedingungen als eigenständiges Umsetzungsdokument der Europäischen Normen war und ist es notwendig, diese Regelwerke in Brüssel zur Notifizierung vorzulegen, damit sichergestellt wird, dass durch diese Dokumente keine neuen Handelshemmnisse aufgebaut werde.

Für die Umsetzung im Rahmen der neugeschaffenen Technischen Lieferbedingungen wurde national festgelegt, dass vorerst das bisherige Anforderungsniveau für die Bauprodukte beibehalten werden soll. Dazu wurden aus den in den Europäischen Normen festgelegten Anforderungskategorien die ausgewählt, die auf der Basis der bisherigen Erfahrungen und des Sicherheitsniveaus in Deutschland notwendig sind. Dabei kommen drei mögliche Kategorien zur Anwendung (Bild 5).

Mit der Wahl der entsprechenden Kategorien sind somit die Vorgaben für das Produkt und den Produzenten festgelegt.

Bild 5: Kategoriebezeichnungen

 

4  Qualität

4.1      Konformitätsnachweis

Führen die Forderungen des Gemeinsamen Marktes in Form der Europäischen Normen bei den Produkten gegenüber den bisherigen Anforderungen zu mehr oder weniger geringfügigen Veränderungen, so zeigen die Festlegungen im Mandat bezüglich des Konformitätsnachweises im deutschen Straßenbau starke Auswirkungen. Da die Festlegungen in den europäischen Vorgabedokumenten produkt- und produzentenbezogen sind, ist der Produzent alleine für den Nachweis der Übereinstimmung seines Produktes mit den festgelegten Anforderungen verantwortlich. Der Konformitätsnachweis des Produzenten gliedert sich in die Bereiche Erstprüfung, werkseigene Produktionskontrolle und Konformitätsnachweis.

Die mandatierten Normen enthalten den „Anhang ZA“, in dem die Vorgaben zur Erfüllung der Mandate beschrieben sind. Für die Gesteinskörnungen sind europäisch als Systeme zur Bestätigung der Konformität die Verfahren 2+ und 4 in Abhängigkeit des Sicherheitsniveaus festgelegt (Bild 6). In Deutschland wurde das Verfahren 2+ gewählt. Die in der BPR festgelegten Konformitätsnachweisverfahren liegen zwischen der Fremdüberwachung der Produkte durch eine anerkannte Stelle (1+) und der „Herstellererklärung“ ohne Beteiligung eines Fremden (4). Die Aufgaben im Verfahren 2+ sind auf den Produzenten und die anerkannte Stelle aufgeteilt. Nach Einbeziehung der Beteiligten im Rahmen des Verfahrens 2+ erstellt der Hersteller seine Konformitätsbescheinigung und kann damit das CE-Zeichen für seine Produkte verwenden.

Bild 6: Konformitätsnachweisverfahren

Die Konformität wird somit durch das Zertifikat über die WPK, das die anerkannte Stelle ausstellt, die EG-Konformitätserklärung, die der Hersteller für sein Produkt erstellt, das Anbringen des CE-Zeichens mit der Nummer der anerkannten Stelle auf dem Lieferschein und dem Begleitdokument, in dem die im „Anhang ZA“ festgelegten wesentlichen Eigenschaften des Produktes mit den Kategorien oder den tatsächlichen Werten beschrieben werden, dokumentiert. Dieses Vorgehen bedeutet, z. B. für die Gesteinskörnungen: es existiert keine Fremdüberwachung mehr im Sinne der bisher gültigen RG Min-StB 93 [14].

4.2      Akzeptanz des Konformitätsnachweises

Praktische Erfahrungen zur Qualitätsfähigkeit des Systems der WPK für Gesteinskörnungen und der damit verbundenen Zielsetzung liegen noch nicht in ausreichendem Maße vor. Die Diskussion mit Auftraggebern und Abnehmergruppen hat gezeigt, dass das neue System des Güte- bzw. Konformitätsnachweises als nicht ausreichend beurteilt wird. Waren die Auftraggeber früher als Beteiligte im Rahmen des Gütenachweises eingebunden, so sind sie jetzt beim Konformitätsnachweis in der Funktion des Kunden, der nur auf Nachfrage im Rahmen des Bauvertrages über den Auftragnehmer Informationen über die Gesteinskörnungen erhält.

Um eine Steigerung des gegenseitigen Vertrauens zu erreichen, haben die im Bundesverband Mineralische Rohstoffe e.V. (MIRO) vereinigten Verbände der Naturstein-, Kies- und Sand- sowie der Kalkindustrie und der Bundesverband Kies- und Sand-Industrie e.V. in enger Abstimmung mit den interessierten Kreisen die Verbandsempfehlung [15] als freiwilliges System der Güteüberwachung erarbeitet. Die Verbandsempfehlung gilt für die Durchführung der Überwachung und Zertifizierung von Gesteinskörnungen, für die als Konformitätsnachweisverfahren das System 2+ festgelegt ist. Dabei wird ein Teil der Prüfungen des Produzenten im Rahmen seiner WPK, in der Regel halbjährliche oder jährliche Prüfungen, von externen Prüflaboratorien durchgeführt. Diese Prüfungen werden als Prüfungen im Rahmen der WPK des Herstellers anerkannt. Um die Einheitlichkeit der Kennzeichnung gegenüber den Auftraggebern und weiteren Kundengruppen sicher zu stellen, können die Hersteller die in der Verbandsempfehlung dargestellten „Produktqualitätszeichen“ verwenden. Der Nachweis der freiwilligen Güteüberwachung ermöglicht dem Abnehmer, auf die sonst notwendige verstärkte Wareneingangsprüfung im Sinne einer körperlichen Prüfung der angelieferten Baustoffe zu verzichten.

4.3      Güteüberwachung

Der Produzent von nicht mandatierten Produkten muss ebenfalls ein System der werkseigenen Produktionskontrolle betreiben, allerdings entfällt, da kein Mandat für dieses Produkt existiert, das Verfahren zum Nachweis der Konformität. Daraus folgt, dass zum Nachweis der Produktqualität nationale Regelungen anzuwenden sind. Für den Bereich der Baustoffgemische für Schichten ohne Bindemittel wurden zu diesem Zweck die Richtlinien für die Güteüberwachung von Mineralstoffen aus dem Jahr 1993 in die Technischen Lieferbedingungen für Baustoffgemische und Böden zur Herstellung von Schichten ohne Bindemittel im Straßenbau, Teil: Güteüberwachung (TL G SoB-StB 04) [16] überführt. Für diesen Bereich existiert somit weiterhin der frühere Gütenachweis (s. o.).

Den sehr starken Änderungen im Bereich der Güteüberwachung hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung mit dem Allg. Rundschreiben Nr. 2/2006 [17] Rechnung getragen. Für die Güteüberwachung von Gesteinskörnungen und Baustoffgemischen im Straßenbau wird hierin die Bekanntgabe der Produzenten von freiwillig güteüberwachten Gesteinskörnungen und von Baustoffgemischen festgelegt. Mit den damit implementierten bundeseinheitlichen Listen, die im Internet (www.gesteinsbaustoffe.de) durch die Vertretung der Produzenten der Gesteinskörnungen und Baustoffgemische, dem Bundesverband Mineralische Rohstoffe e.V. (MIRO) bzw. der GG-Cert – Gütegemeinschaft Naturstein, Kalk und Mörtel e.V., geführt werden, stehen allen Beteiligten die gewohnten Informationen über die Bauprodukte Gesteinskörnungen und Baustoffgemische für Schichten ohne Bindemittel zur Verfügung.

 

5  Zusammenfassung

Die Auswirkungen des Gemeinsamen Marktes im deutschen Straßenbau sind erkennbar an den Veränderungen der Regelwerke, die im Jahr 2006 die Umsetzungen im Bereich der Gesteinskörnungen und Schichten ohne Bindemittel dokumentieren. Die daraus notwendig gewordenen Änderungen im Bereich der Anwendung der Gesteinskörnungen im Asphalt wurden durch Anpassung des bisher existierenden Regelwerkes durch Allgemeine Rundschreiben des BMVBS vorgenommen. Die ZTV Beton-StB wurde in gleicher Art angepasst. Im Jahr 2007 bzw. 2008 (Bild 7) sollen dann auch die neuen Regelwerke für den Asphalt und Beton als Umsetzung der Vorgaben des Gemeinsamen Marktes vorliegen. Die Standardleistungskataloge LB 112 bis LB 114 wurden und werden ebenfalls auf der Grundlage der neuen Regelwerke aktualisiert.

Der Gemeinsame Markt stärkt und fordert die Verantwortung des Produzenten, mit allen damit verbundenen Konsequenzen. Die Kenntnis des Produzenten über sein Produkt wird zu einem entscheidenden unternehmerischen Faktor. Die Änderungen aus dem Gemeinsamen Markt haben Auswirkung bis in die ABG und die Versicherungen des Unternehmens. Die Angabe der Leistungsfähigkeit des von ihm hergestellten Bauproduktes durch die Deklaration von Kategorien ist die alleinige Entscheidung des Produzenten.

Bild 7: Das Regelwerk im Jahr 2008

 

Literaturverzeichnis

  1. Vollendung des Binnenmarktes: Weißbuch der Kommission an den Europäischen Rat, 1985
  2. Bauproduktenrichtlinie (BPR): Richtlinie des Rates vom 21.12.1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Bauprodukte; geändert durch Richtlinie des Rates 03/68/EWG
  3. Bauproduktengesetz (Bau PG): Gesetz über das in Verkehr bringen von und den freien Warenverkehr mit Bauprodukten zur Umsetzung der Richtlinien 89/106/EWG des Rates vom 21.12.1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte (Bauproduktengesetz-BauPG vom 10. 8. 1992 (Fassung vom 26. 4. 1998))
  4. Mandat M/124 „Straßenbauprodukte“, 1998
  5. Mandat M/125 „Gesteinskörnungen“, 1998
  6. Baukoordinierungsrichtlinie: Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. 6. 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge; geändert durch Richtlinie 97/52/EWG vom 13.10.1997
  7. Lieferkoordinierungsrichtlinie: Richtlinie des Rates vom 14. 6. 1993 über die Koordinierung des Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (93/36/EWG)
  8. Weßelborg, -H.: Umsetzung der Europäischen Normen in ein zweiteiliges nationales Regelwerk – Grundsätze. Mineralstofftagung 2003 der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Köln, 2./3. 12. 2003, Tagungsband, Köln 2003
  9. Vergabe und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB), Ausgabe 2006, Deutscher Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen, Herausgeber: Deutsches Institut für Normung e.V., Beuth Verlag GmbH, Berlin
  10. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Tragschichten im Straßenbau (ZTV T-StB 95), Ausgabe 1995/Fassung 2002, Köln 2002
  11. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für den Bau von Schichten ohne Bindemittel im Straßenbau (ZTV SoB-StB 04), Köln 2004
  12. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Lieferbedingungen für Gesteinskörnungen im Straßenbau (TL Gestein-StB 04), Köln 2004
  13. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Lieferbedingungen für Mineralstoffe im Straßenbau (TL Min-StB 2000), Köln 2000
  14. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Richtlinien für die Güteüberwachung von Mineralstoffen im Straßenbau (RG Min-StB 93), Ausgabe 1993/96, ergänzte Fassung 2000, Köln 2000
  15. Empfehlung für die Durchführung der Überwachung und Zertifizierung von Gesteinskörnungen nach dem europäischen Konformitätsnachweisverfahren System 2+, Ausgabe 2004/10, Deutscher Gesteinsverband e.V./Bundesverband der Deutschen Kies- und Sandindustrie V.
  16. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Technische Lieferbedingungen für Baustoffgemische und Böden zur Herstellung von Schichten ohne Bindemittel im Straßenbau, Teil: Güteüberwachung (TL G SoB-StB 04), Köln 2004
  17. Allgemeines Rundschreiben Straßenbau Nr. 2/2006, Sachgebiet 06.2: Straßenbaustoffe; Qualitätssicherung – „Güteüberwachung von Gesteinskörnungen und Baustoffgemischen im Straßenbau – Listenführung von freiwillig güteüberwachten Gesteinskörnungen und von Baustoffgemischen“ (29. 12. 2005)