FGSV-Nr. FGSV A 44
Ort Münster
Datum 14.05.2019
Titel Arbeitsschutz vs Dauerhaftigkeit: Technische Regeln für Arbeitsstätten (ASR) - Eine Herausforderung für den Straßenbau?
Autoren Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Ralf Roos
Kategorien Asphaltstraßen
Einleitung

Die technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR A5.2) konkretisieren die Anforderungen aus der Arbeitsstättenverordnung bezogen auf Straßenbaustellen u. a. durch definierte Sicherheitsabstände zwischen Personen und fließendem Verkehr und Mindestbreiten für Arbeitsplätze (z. B. für Mitgänger) oder für Funktionsflächen von Arbeitsmitteln (z. B. für das Hinauslehnen der Bediener von Fräsen). Diese Konkretisierungen dienen zum einen den Bauherren, denen die Planung und Ausschreibung einer Baumaßnahme obliegt, und zum anderen den für den Schutz ihrer Beschäftigten verantwortlichen Arbeitgebern, die bekanntlich eine Gefährdungsbeurteilung durchführen müssen. Bei jeder geplanten Baumaßnahme muss im Rahmen einer Gesamtabwägung entschieden werden, ob die Arbeitsstelle unter Vollsperrung oder unter Teilsperrung umgesetzt werden soll. Bei dieser Gesamtabwägung spielen neben der Gefährdungsbeurteilung bezogen auf den Schutz der Arbeitnehmer vor allem auch Aspekte wie die allgemeine Verkehrssicherheit, die Wirtschaftlichkeit, die mögliche Bauausführung und die Eignung von Umleitungsstrecken eine wichtige Rolle. Aus vielen Gründen sollten Vollsperrungen vermieden werden, so dass bei der Planung der Baustellenorganisation Kreativität gefragt ist. Für das Bauen unter beengten Verhältnissen gibt es einerseits organisatorische Lösungsansätze bezogen auf den Bauablauf und begleitende Maßnahmen, andererseits technische Lösungsansätze wie Innovationen an den Arbeitsmaschinen oder den Sicherheitseinrichtungen und zudem verkehrsbeschränkende Maßnahmen, mit denen die zulässige Höchstgeschwindigkeit oder zugelassene Fahrzeugbreiten im Baustellenbereich geregelt werden. Zur Umsetzung der technischen Regeln für Arbeitsstätten in der Praxis wird eine Handlungshilfe zur ASR A5.2 herausgegeben werden, wenn die letzten Abstimmungen erfolgt sind. Ziel dieser Handlungshilfe ist es, den Bauherren und Arbeitgebern durch zusätzliche Hinweise die Handhabung der ASR A5.2 zu verdeutlichen und mit konkreten Fallbeispielen Lösungsmöglichkeiten für das Bauen unter beengten Verhältnissen vorzuschlagen. Experten aus den Bereichen Arbeitsschutz und Straßenwesen haben in einem Workshop mit ihren Ideen und Erfahrungen gezeigt, dass es organisatorische und technische Lösungen gibt, die ein Arbeiten im Grenzbereich zum fließenden Verkehr unter Einhaltung der Sicherheitskriterien seitens des Arbeitsschutzes (wenn auch unter Reduzierung des Sicherheitsabstandes bei erhöhtem Aufwand mit technisch wirksamen Lösungen) und unter Aufrechterhaltung des Verkehrs (wenn auch unter gewissen Einschränkungen hinsichtlich der Fahrstreifenbreiten und der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten) möglich ist, so dass Vollsperrungen auf Landstraßen und kommunalen Straßen sowie Teilsperrungen (auch auf Autobahnen) auf ein Minimum reduziert werden können.

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Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Ausgangslage

Bei Erhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen an einbahnigen Straßen muss regelmäßig geprüft und entschieden werden, in welcher Weise die Bauarbeiten durchgeführt werden sollen. Unter Vollsperrung oder unter Teilsperrung der Straße. Bei sehr schmalen und sehr breiten Straßen ist die Sachlage eindeutig. Im ersten Fall kommt ein halbseitiges Bauen aus Platzgründen ohnehin nicht in Betracht; im zweiten Fall ist hingegen ein halbseitiges Bauen die verkehrlich zweckmäßigste sowie volkswirtschaftlich häufig günstigste Lösung. Sinngemäß gelten diese Ausführungen auch für zweibahnige Straßen (z. B. bei einer 3+1 oder 4+2 Verkehrsführung).

Problematisch ist es bei Querschnitten, die bezogen auf ihre Fahrbahnbreite dazwischen liegen. Es ist dann die Frage zu beantworten, ob in Abhängigkeit der verfügbaren Breite und der verkehrlichen Randbedingungen ein sicheres und qualitativ hochwertiges Bauen unter Teilsperrung der Straße überhaupt noch möglich ist. Demnach sind grundsätzlich mehrere Komponenten zu bedenken: Einerseits die Verkehrsmenge, die Verkehrszusammensetzung (auch Linien- oder Schulbusse spielen eine Rolle) und die Umleitungsmöglichkeiten, andererseits die für das Bauen aus Sicht des Arbeitsschutzes notwendigen Bewegungs- und Sicherheitsräume für Tätigkeiten im Grenzbereich zum fließenden Verkehr und die aus Sicht der Bautechnik erforderlichen Breiten für die Anlieferung der Materialien, die Arbeitsgeräte, das Bedienpersonal und die Mitgänger (falls erforderlich).

2 Hintergrund

An dieser Ausgangslage hat sich bis heute nichts geändert. Zur fachgerechten Beurteilung der aufgeworfenen Fragen sind auf der Verkehrsseite die „Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen“ (RSA) zu berücksichtigen; sie regeln die verkehrliche Sicherung von Arbeitsstellen und verkehrsrechtliche Maßnahmen auf Grundlage der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Die Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten, die an den Arbeitsstellen tätig werden, sind im Arbeitsschutzrecht geregelt. Für Arbeitsstellen an Straßen sind u. a. das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und die Baustellenverordnung (BauStellV) zu berücksichtigen.

2.1 Der Baulastträger als Bauherr

Der Baulastträger veranlasst für seine Straßen die Erhaltungs- und Erneuerungsmaßnahmen und trägt somit als Bauherr auch Verantwortung für sein Bauvorhaben. Gemäß der Baustellenverordnung obliegen dem Bauherrn bezogen auf die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bereits bei der Planung der Ausführung die maßgeblichen Entscheidungen für die sichere Durchführung der Bauarbeiten. Unter Abwägung der öffentlichen Belange und in Abstimmung mit den Verkehrsbehörden müssen die Verkehrsführung und gleichzeitig – unter Beachtung der Grundsätze des Arbeitsschutzgesetzes – die für die Bauarbeiten verbleibenden Räume festgelegt werden; damit werden auch die Weichen für die spätere Baustellenplanung gestellt.

Diese Überlegungen und die daraus resultierenden Festlegungen werden Bestandteil der Ausschreibung. Unter bestimmten Randbedingungen ist bereits zu diesem Zeitpunkt ein Koordinator für Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen zu bestellen (SiGeKo), der einen Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan ausarbeiten muss und die anderen an der Planung Beteiligten mit seiner fachlichen und methodischen Kompetenz unterstützt.

2.2 Verantwortung des Arbeitgebers

Nach der Arbeitsstättenverordnung ist es die Pflicht eines Arbeitsgebers, eine arbeitsplatz- oder tätigkeitsbezogene Gefährdungsbeurteilung durchzuführen, um festzustellen, ob seine Beschäftigten Gefährdungen beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten ausgesetzt sein können. Ist dies der Fall, hat er Schutzmaßnahmen nach dem Stand der Technik festzulegen und die Maßnahmen anschließend durchzuführen. Diese Gefährdungsbeurteilung ist zu dokumentieren.

Bei Arbeitsstellen an Straßen muss der Arbeitgeber insbesondere dafür Sorge tragen, dass bei durchzuführenden Tätigkeiten im Grenzbereich zum fließenden Verkehr zwischen seinen Beschäftigten und den äußeren Begrenzungen der vorbeifahrenden Fahrzeuge (inklusive Spiegel, Ladung etc.) ein ausreichender Sicherheitsabstand gewährleistet ist und dass für seine Beschäftigten dort genügend Bewegungsfläche zur Verfügung steht.

2.3 Handlungshilfe zur ASR A5.2

Im Dezember 2018 wurden im Gemeinsamen Ministerialblatt die „Technische Regeln für Arbeitsstätten: Anforderungen an Arbeitsplätze und Verkehrswege auf Baustellen im Grenzbereich zum Straßenverkehr – Straßenbaustellen“ (ASR A5.2) herausgegeben. Inhalt dieser ASR A5.2 sind Konkretisierungen zur Arbeitsstättenverordnung, u. a. definierte Sicherheitsabstände zum fließenden Verkehr und Mindestbreiten für Arbeitsplätze (z. B. für Mitgänger) oder für Funktionsflächen von Arbeitsmitteln (z. B. für das Hinauslehnen der Bediener von Fräsen). Diese Konkretisierungen dienen nicht nur den Bauherren, denen die Planung und Ausschreibung einer Baumaßnahme obliegt, sondern auch den für den Schutz ihrer Beschäftigten verantwortlichen Arbeitgebern; sie unterstützen ihn bei der Festlegung erforderlicher Schutzmaßnahmen.

Wenn die Gefährdungsbeurteilung für die Arbeiten im Grenzbereich zum fließenden Verkehr nämlich ergibt, dass die ASR A5.2 vollständig angewendet und die darin enthaltenen Maßgaben eingehalten werden, dann gilt die Vermutungswirkung. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber die Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung einhält; er ist dann auf der sicheren Seite. Wenn allerdings die Maßgaben nach ASR A5.2 nicht eingehalten werden können, muss er durch andere Maßnahmen (die ebenfalls zu dokumentieren sind) die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für seine Beschäftigten erreichen.

Hier setzt die Handlungshilfe zur ASR A5.2 an: Sie enthält wertvolle Erläuterungen sowohl für die unmittelbare Anwendung der Vorgaben der ASR A5.2 als auch für den Umgang mit Abweichungen. Für Fälle, bei denen die geforderten Maßgaben nicht eingehalten werden können, enthält die Handlungshilfe zum einen Hinweise für mögliche Maßnahmen, wie ein gleichwertiges Sicherheits- und Gesundheitsschutzniveau im Sinne der Arbeitsstättenverordnung erreicht werden kann, und zum anderen konkrete Beispiele für ausgewählte Baustellensituationen. Diese Fallbeispiele sind allerdings keine Regellösungen für bestimmte Ausnahmefälle und ersetzen auch nicht die Abstimmungen mit Behörden und deren erforderliche Genehmigungen, sie sollen aber Planer, Ausschreiber und Ausführer beim Auffinden von Lösungen unterstützen.

Außerdem entfalten die aufgeführten Fallbeispiele keine Vermutungswirkung im Sinne der Arbeitsstättenverordnung; sie sollen vielmehr eine Orientierung bieten, wie bei Abweichungen von den ASR A5.2 ein vergleichbares Sicherheits- und Gesundheitsschutzniveau erreicht werden kann. Bei exakter Übereinstimmung eines konkreten Anwendungsfalles mit einem dieser Fallbeispiele und bei vollständiger Umsetzung der darin beschriebenen Maßnahmen kann jedoch von einem gleichwertigen Sicherheits- und Schutzniveau ausgegangen werden.

3 Gesamtabwägung zur Umsetzung einer Arbeitsstelle

Im Rahmen der Prüfung zur Umsetzung einer Straßenbaumaßnahme bezogen auf den Bau unter Voll- oder Teilsperrung sind neben der Gefährdungsbeurteilung in Bezug auf Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer noch weitere Aspekte zu berücksichtigen. Hierzu gehören vor allem Verkehrssicherheit, Wirtschaftlichkeit, Qualität der Bauausführung und Eignung möglicher Umleitungsstrecken.

Ohne Zweifel kann bei einer Vollsperrung in der Regel wirtschaftlicher, schneller und mit höherer Qualität gebaut werden. Allerdings sind Vollsperrungen in vielen Fällen zu vermeiden, da u. a. potenzielle Umleitungsstrecken die Verkehre nicht aufnehmen können (häufig hat die freie Strecke nicht genügend Kapazität oder es fehlt an leistungsfähigen Knotenpunkten), bei Ortsdurchfahrten die Verkehrssicherheit deutlich herabgesetzt und die Lärmbelastung unverhältnismäßig erhöht würde, im Zuge der Umleitungsstrecke die Auswirkungen auf Natur und Umwelt zunähmen und weiträumigere Umleitungen unzumutbar wären. Außerdem trifft eine Vollsperrung nicht nur den Individual- und Wirtschaftsverkehr, sondern auch Linien- und Schulbusse, Rettungsdienste etc.

In diesem Kontext ist die Gesamtabwägung nicht ganz einfach. Wenn man z. B. zu der Einschätzung gelangt, dass eine Vollsperrung unverzichtbar ist, kann möglicherweise durch eine optimierte Baustellenplanung das Zeitfenster für diese Vollsperrung minimiert werden, um die negativen Auswirkungen zu begrenzen. Ggf. kann sogar mit kreativen organisatorischen oder technischen Methoden komplett auf eine Vollsperrung verzichtet werden. Um hierzu Expertenwissen zusammen zu tragen, wurden im November 2018 zahlreiche Vertreter aus den Bereichen Arbeitsschutz und Straßenwesen zu einem zweitägigen Workshop in die Bundesanstalt für Straßenwesen eingeladen. Im Ergebnis konnten wesentliche Maßnahmen und Vorschläge herausgearbeitet werden, die wiederum Eingang finden in die Handlungshilfe zur ASR A5.2.

Die Experten haben bemängelt, dass es für eine fachgerechte Gesamtabwägung keine standardisierte Bewertungsmethode gibt. Außerdem seien die derzeit verfügbaren Daten nicht ausreichend, um Verkehrsmengen auch unter Berücksichtigung der Verlagerungsproblematik vernünftig abzuschätzen oder um den Zustand und Querschnitt von Straßen und die Leistungsfähigkeit der zugehörigen Knotenpunkte, über die der Verkehr bei einer Vollsperrung umgeleitet werden soll, beurteilen zu können. Es bestand Übereinstimmung, dass alles getan werden müsse, um Vollsperrungen oder zumindest längere Vollsperrungen zu vermeiden. Hierzu zählen insbesondere Optimierung von Bauphasen und technische Innovationen bezogen auf Arbeiten, die im Grenzbereich zum fließenden Verkehr durch Bauarbeiter getätigt werden müssen.

Es bestand weiterhin Übereinstimmung, dass dadurch aber die Bauausführung und letztlich die Qualität des Straßenbaus nicht leiden dürfe. Das heißt die für eine qualitativ hochwertige Bauausführung erforderliche Arbeitsbreite ist ein Grundmaß, das auf alle Fälle bereitgestellt werden muss. Aufgrund technischer Innovationen kann aber dieses Grundmaß gegenüber der heutigen Technik künftig möglicherweise geringer ausfallen.

4 Bauen unter beengten Verhältnissen

4.1 Organisatorische Lösungsansätze

Die Experten vertraten die Auffassung, dass man mehr als bisher tun könne, um auch unter beengten Verhältnissen Vollsperrungen zu vermeiden bzw. die Dauer von Vollsperrungen zu reduzieren. So wurde angeregt, konsequent möglichst viele (Vor-)Arbeiten, bei denen keine Bauarbeiter im Grenzbereich zum fließenden Verkehr tätig werden müssen, wie Reinigung, Leitungsverlegungen oder Einbau von Trag- und Binderschichten einschließlich deren Verdichtung, ohne Einschränkungen im verfügbaren (halbseitigen) Verkehrsraum durchzuführen. Anschließend könnten dann die „kritischen“ Arbeiten, wie Einbau der Deckschicht (im Mitgängerbetrieb), Verdichtung der Deckschicht mit Überstand der Walze über die Naht oder Markierung, unter notwendiger Einengung des Verkehrsraumes mit möglichen Verkehrsbeschränkungen oder sogar unter Vollsperrung in begrenzter Zeitdauer getätigt werden.

Als besonders problematisch in Bezug auf Vollsperrungen wurden Schulbusse bzw. Linienbusse mit dem Hauptzweck der Schülerbeförderung angesehen, die bei einer Vollsperrung ihren Auftrag nicht mehr erfüllen können. In solchen Fällen habe man positive Erfahrungen mit einer zeitlichen Begrenzung der Vollsperrung über den Tag gemacht. Zum Beispiel würde es eine Vollsperrung lediglich von morgens 8 Uhr bis nachmittags 16 oder 18 Uhr den Schulbussen oder auch Milchfahrzeugen und anderen versorgungsrelevanten Schwerverkehren erlauben, in den Zeiten vor und nach der Vollsperrung die Baustelle zu passieren.

Berichtet wurde auch von Busunternehmen, die Schulkinder mit kleineren Fahrzeugen abgeholt und zu einer Sammelstelle gebracht haben, die vom Schulbus wieder angefahren werden konnte, wenn für reguläre Busse die Baustelle nicht passierbar war. Denkbar ist auch die von einem „Safety Car“ geführte Durchfahrt einzelner wichtiger Busse oder Lkw in Schrittgeschwindigkeit durch den Bereich der Arbeitsstelle, wobei die Arbeiten im Grenzbereich zum fließenden Verkehr ggf. kurz unterbrochen werden müssten.

4.2 Technische Lösungsansätze

Bei den technischen Innovationen handelt es sich um Lösungen, die entweder das Arbeiten durch Personen im Grenzbereich zum fließenden Verkehr entbehrlich machen oder die es ermöglichen, den Sicherheitsabstand zwischen Personal und Verkehr zu vermindern. Problematisch ist z. B. das Fräsen von Asphaltschichten zumindest auf einer Seite der Straße, da sich bei herkömmlichen Fräsmaschinen bauartbedingt (mit Überstand des Fräsenantriebs auf einer Seite) der Fräsenführer weit aus dem Führerstand hinauslehnen muss, um ausreichend Sicht auf die Fräskante zu haben. Es gibt aber bereits Fräsen auf dem Markt mit einer um bis zu 80 cm verschiebbaren Fräseinheit (auch bekannt als „Japanfräse“), so dass kein Hinauslehnen des Fräsenführers außerhalb der Umrisslinie der Fräse mehr erforderlich ist (Bild 1). In der Diskussion wurde deutlich, dass für eine Marktdurchdringung dieser Fräsenart mit einem akzeptablen Preis die öffentlichen Auftraggeber dies mit ihren Ausschreibungen explizit einfordern müssten. Die immer wieder angeführte geringere Leistungsfähigkeit dieser Fräsenart ist letztlich nur ein kleiner Baustein in der Gesamtabwägung.

Zur Vermeidung des üblichen Mitgängerbetriebs beim Einbau von Asphaltschichten gibt es die Möglichkeit des Anbaus einer Plattform am Fertiger mit Gitterschutz für den Arbeiter, der darauf sitzt und den Einbau beobachtet (Prototypen sind versuchsweise im Einsatz). Dies ist jedoch nur für den Einbau einer Trag- oder Binderschicht zweckmäßig, für den Einbau einer Deckschicht ist nach wie vor ein manueller Eingriff in den Arbeitsprozess durch einen Mitgänger erforderlich. In einem laufenden Forschungsprojekt bei der Bundesanstalt für Straßenwesen soll jedoch geprüft werden, ob durch Sensorik oder Radarmessungen die Arbeiten des Mitgängers ersetzt werden können.

Bild 1: Fräse mit verschiebbarer Fräseinheit (Quelle: Fa. Wirtgen)

Eine vielversprechende technische Lösung zur Reduktion des Sicherheitsabstandes zwischen Personal und Verkehr ist der sogenannte Aufsatzzaun, der auf einer transportablen Schutzeinrichtung (TSE) montiert wird und ein unbeabsichtigtes Hineingreifen eines Arbeiters in den fließenden Verkehr verhindern soll (Bild 2). In einem Pilotversuch in Hessen soll die Wirksamkeit des Aufsatzzaunes überprüft und das Maß festgelegt werden, um welches der Sicherheitsabstand dann verringert werden könnte.

Bild 2: TSE mit Aufsatzzaun (Quelle: Hessen Mobil)

Insgesamt wurde betont, dass eine bauliche Trennung zwischen Arbeits- und Verkehrsraum mittels einer TSE deutlich wirkungsvoller sei als durch Leitbaken. Insofern sollte alles darangesetzt werden, TSE auch in sehr beengten Verhältnissen aufzustellen. Es wurde herausgearbeitet, dass dies sogar auf einem 7,50 m breiten Querschnitt mit sehr schmalem Sicherheitsabstand einhergehend mit einer sehr niedrigen Geschwindigkeit möglich wäre, wenn eine strenge Geschwindigkeitsüberwachung diese niedrige Geschwindigkeit garantieren könne.

4.3 Verkehrsbeschränkende Maßnahmen

Zur Vermeidung einer Vollsperrung kann das Herabsetzen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Bereich der Arbeitsstelle eine zweckmäßige Lösung sein. Grundsätzlich hängt nämlich das Maß des Sicherheitsabstandes gemäß ASR A5.2 von der Geschwindigkeit des vorbeifahrenden Verkehrs ab: Je niedriger die zulässige Höchstgeschwindigkeit ist, desto geringer ist das erforderliche Maß für den Sicherheitsabstand. So reduziert sich z. B. dieses Maß bei einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 km/h gegenüber 80 km/h um immerhin 60 cm. Um sicher zu stellen, dass angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkungen im Baustellenbereich auch tatsächlich eingehalten werden, wurden von den Experten vermehrte Geschwindigkeitsüberwachungen gefordert.

Als weitere Maßnahme bei beengten Verhältnissen kann der Ausschluss von Verkehrsarten bzw. von Fahrzeugbreiten in Erwägung gezogen werden. Werden z. B. nur Pkw im Bereich der Arbeitsstelle zugelassen und Lkw ausgeschlossen, vermindert sich die notwendige Fahrstreifenbreite gemäß geltender RSA um 55 cm. Möglicherweise kann auch die Kombination von Geschwindigkeitsbeschränkung und Ausschluss von Verkehrsarten zweckmäßig sein, um Vollsperrungen zu vermeiden.

Je nach vorherrschenden Randbedingungen können diese Beschränkungen als dauerhafte, d. h. für die gesamte Bauzeit, oder temporäre Beschränkungen, d. h. nur für die Zeiten, in denen Arbeiter im Grenzbereich zum fließenden Verkehr tätig sind, sowie entlang der gesamten Arbeitsstelle oder als mitwandernde Maßnahme in einem eng umgrenzten Arbeitsbereich (gilt nur für Geschwindigkeitsbeschränkungen) angeordnet werden. Es wurde als wichtig erachtet, dass die gesamte Baustellenorganisation im Vorfeld festgelegt, mit der Verkehrsbehörde abgestimmt und klar in der Ausschreibung aufgeführt werden müsse.

4.4 Maßnahmen bei erforderlicher Vollsperrung

Sind alle Möglichkeiten zur Vermeidung einer Vollsperrung ausgeschöpft und ist eine Vollsperrung unvermeidbar, muss geprüft werden, welche Umleitungsstrecke die zusätzliche Verkehrsmenge sicher und leistungsfähig aufnehmen kann. Ggf. müssen Abschnitte der Umleitungsstrecke im Vorfeld ertüchtigt werden, wozu geregelt werden muss, wer in diesen Fällen die Kosten für die Ertüchtigung trägt. Nach Expertenmeinung wären hierfür allgemeingültige Regeln vorteilhaft. Zu beachten ist auch eine Baustellenkoordination bezogen auf die Umleitungsstrecke, damit während der Vollsperrung keine Bauarbeiten auf der Umleitungsstrecke geplant werden.

Für den Fall der Vollsperrung sollte man frühzeitig diese den Verkehrsteilnehmern in geeigneter Weise (Info-Tafeln, Pressemitteilungen etc.) ankündigen, um die Akzeptanz zu erhöhen und sie auf den zu erwartenden Zustand einzustellen. Insbesondere für die Zukunft ist auch daran zu denken, die Provider von Navigationssystemen mit Meldungen zu Arbeitsstellen und entsprechenden Verkehrseinschränkungen zu versorgen. Darüber hinaus sollte man, wenn viel überörtlicher Verkehr vorherrscht, schon weit vor der Baustelle den Verkehr umleiten und ihn nicht bis zur Baustelle fahren lassen, da sich hierdurch für diese Verkehre die Umweglänge oft deutlich reduzieren kann. Dies gilt in besonderem Maße bei einem hohen Lkw-Anteil des umzuleitenden Verkehrs.

5 Beispiel einer möglichen Baustellenorganisation

5.1 Allgemeine Hinweise

Zur Darstellung der oben beschriebenen Möglichkeiten wurde ein 7,60 m breiter Landstraßenquerschnitt ausgewählt, bei dem Erneuerungsmaßnahmen durchgeführt werden sollen. Die in den Abbildungen angegebenen Maße sind nach Auffassung des Autors durchaus realistisch, aber in der laufenden Abstimmung zur Handlungshilfe zur ASR A5.2 noch in der Diskussion. Später, nach Veröffentlichung dieser Handlungshilfe, können gemäß der darin enthaltenen Empfehlungen für verschiedene Querschnittsbreiten in Abhängigkeit der gegebenen Randbedingungen (Verkehrsmenge, Verkehrsarten, zulässige Höchstgeschwindigkeit, Linienführung etc.) entsprechende Maße für die Arbeitsbreite von Personen im Grenzbereich zum fließenden Verkehr (Mitgänger, Hinauslehnen aus dem Führerhaus etc.) sowie für erforderliche Sicherheitsabstände gewählt werden.

Im vorliegenden Fallbeispiel hat man sich für einen halbseitigen Ausbau entschieden, da eine Vollsperrung nach einer Gesamtabwägung nicht in Frage kam. Außerdem wurde ein asymmetrischer Ausbau vorgesehen, damit die Naht der Asphaltkonstruktion nicht exakt in Fahrbahnmitte, sondern neben der künftigen Mittelmarkierung zu liegen kommt. Diese Asymmetrie ermöglicht darüber hinaus eine Reduktion des Zeitraumes besonders schwerwiegender Verkehrseinschränkungen. 

5.2 Bauphase 1: Verkehr rechts, Baubreite 3,50 m

Bereits in der Ausschreibung zu dieser Baumaßnahme wurde festgelegt, dass zur Minimierung der Verkehrseinschränkungen nur Fräsen mit einer verschiebbaren Fräseinheit eingesetzt werden dürfen, so dass kein Hinauslehnen des Fräsenführers aus dem Führerstand erforderlich ist. Ebenso wurde festgelegt, dass beim Einbau der Trag- und Binderschicht Asphaltfertiger mit Plattform und Gitterschutz eingesetzt werden sollen, so dass beim Einbau dieser Schichten kein Mitgänger benötigt wird. Durch diese beiden Forderungen reduzieren sich die zum Bauen notwendigen Breiten bei einem Großteil der Arbeiten und vergrößern auf der anderen Seite die Breite, die für den Verkehr zur Verfügung gestellt werden kann.

Im Zustand 1 dieser Bauphase (Bild 3) können alle Arbeiten ausgeführt werden, bei denen kein Personal im Grenzbereich zum fließenden Verkehr tätig werden muss; somit alle Vorarbeiten, das Fräsen aller Schichten sowie der Einbau von Trag- und Binderschicht. Dabei können auf der Verkehrsseite alle Fahrzeugarten zugelassen und die zulässige Höchstgeschwindigkeit muss nicht unter die RSA-konformen 50 km/h reduziert werden.

Bild 3: Fallbeispiel, Bauphase 1, Zustand 1 für Vorarbeiten

Der Zustand 2 ist für den Einbau der Deckschicht und das Walzen im Bereich der Naht vorgesehen (Bild 4). Da beim Asphalteinbau ein Mitgänger neben dem Fertiger bzw. beim Walzen eine Überlappung notwendig ist, müssen hier der Sicherungszustand und die Verkehrsführung geändert werden. Im vorliegenden Beispiel wurde eine mitwandernde Fahrbahnverengung gewählt, die ohne Ausschluss von Verkehrsarten bzw. ohne Begrenzung zulässiger Fahrzeugbreiten auskommt, aber zeitlich und räumlich begrenzt eine Fahrstreifeneinengung vorsieht, die nur mit 30 km/h passiert werden darf. Die Verengung wird z. B. durch Versetzen der Baken herbeigeführt.

Bild 4: Fallbeispiel, Bauphase 1, Zustand 2 bei Arbeiten im Grenzbereich zum Verkehr

5.3 Bauphase 2: Verkehr links, Baubreite 4,10 m

Der Zustand 1 der zweiten Bauphase unterscheidet sich lediglich durch das Maß für das Baufeld vom Zustand 1 der ersten Bauphase; sämtliche Anforderungen seitens der RSA und der ASR A5.2 sind eingehalten (Bild 5). In diesem Zustand können wiederum alle Arbeiten ausgeführt werden bei denen keine Arbeiter im Grenzbereich zum fließenden Verkehr tätig werden müssen. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt auch hier 50 km/h.

Bild 5: Fallbeispiel, Bauphase 2, Zustand 1 für Vorarbeiten

Für den Einbau der Deckschicht und das Walzen im Bereich der Naht ist wiederum eine mitwandernde Fahrbahnverengung gewählt worden (Bild 6). Aufgrund der nunmehr geringeren zur Verfügung stehenden Breite auf der Verkehrsseite können temporär keine Lkw mehr zugelassen werden; die zulässige Höchstgeschwindigkeit muss auch in diesem Fall auf 30 km/h beschränkt werden. Die temporäre Herausnahme des Schwerverkehrs erfordert besonderes Augenmerk, bezogen auf die Umleitungsbeschilderung sowie die Einhaltung des Durchfahrverbotes an der Baustelle.

Bild 6: Fallbeispiel, Bauphase 2, Zustand 2 bei Arbeiten im Grenzbereich zum Verkehr

Die gezeigten Verkehrsführungen und Einschränkungen sowie die angegebenen Maße sind alle RSA- und (nach derzeitigem Diskussionsstand) auch ASR-konform. Im Hinblick auf die verkehrlichen Einschränkungen und die gewählten Baubreiten stellt die vorgesehene Baustellenorganisation unter den angenommenen Randbedingungen ein Optimum dar; ein Bauen mit höchsten Qualitätsansprüchen ist dabei problemlos möglich.

6 Fazit

Die ASR A5.2 sollten nicht länger als Fluch angesehen werden. Sie konkretisieren lediglich ohnehin bestehende Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung durch Maße für Sicherheitsabstände zwischen Arbeitern und dem fließenden Verkehr sowie für Arbeitsplätze (z. B. für Mitgänger) oder für Funktionsflächen von Arbeitsmitteln (z. B. für das Hinauslehnen der Bediener von Fräsen). Damit dienen sie den Bauherren im Rahmen der Planung und Ausschreibung von Straßenbaumaßnahmen und den Arbeitgebern bei den geforderten Gefährdungsbeurteilungen.

Die hier viel zitierte Handlungshilfe zur ASR A5.2 ist noch immer in der Abstimmung und somit allgemein noch nicht verfügbar. Ziel dieser Handlungshilfe ist es, den Bauherren und Arbeitgebern durch zusätzliche Hinweise die Handhabung der ASR A5.2 zu verdeutlichen und mit konkreten Fallbeispielen Lösungsmöglichkeiten für das Bauen unter beengten Verhältnissen vorzuschlagen, wenn eine Vollsperrung der Strecke nach einer Gesamtabwägung ausgeschlossen werden muss.

Experten aus den Bereichen Arbeitsschutz und Straßenwesen haben in einem Workshop mit ihren Ideen und Erfahrungen gezeigt, dass es organisatorische und technische Lösungen gibt, die ein Arbeiten im Grenzbereich zum fließenden Verkehr unter Einhaltung der Sicherheitskriterien seitens des Arbeitsschutzes (wenn auch unter Reduzierung des Sicherheitsabstandes bei erhöhtem Aufwand mit technisch wirksamen Lösungen) und unter Aufrechterhaltung des Verkehrs (wenn auch unter gewissen Einschränkungen hinsichtlich der Fahrstreifenbreiten und der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten) möglich ist, so dass Vollsperrungen auf Landstraßen und kommunalen Straßen sowie Teilsperrungen (auch auf Autobahnen) auf ein Minimum reduziert werden können.

Literaturverzeichnis

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (2018): Technische Regeln für Arbeitsstätten: Anforderungen an Arbeitsplätze und Verkehrswege auf Baustellen im Grenzbereich zum Straßenverkehr – Straßenbaustellen (ASR A5.2)

Bundesministerium für Verkehr (1995): Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen (RSA-95), Ausgabe 1995 (FGSV 370)