Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.
1 Einführung
Innerhalb der Vertragsmodelle nach Öffentlich-Privaten-Partnerschaften (ÖPP) haben sich für den Bereich Verkehrswegebau vier verschiedene Vertragsformen herausgebildet:
– F-Modell nach dem Fernstraßenbaufinanzierungsgesetz von 1994,
– A-Modell nach dem Autobahnmautgesetz von 2002,
– V-Modell, Verfügbarkeitsmodell (Berücksichtigung von Verkehrsbeeinträchtigungskosten),
– Funktionsbauvertrag.
Dieser Vortrag befasst sich mit den praktischen Auswirkungen eines Funktionsbauvertrages, der in den 1990er Jahren als alternativer Bauvertrag zu den konventionellen Bauverträgen entstanden ist und dessen funktionale Anforderungen auch in den A-Modellen zur Anwendung kommen.
In einer Lebenszyklusbetrachtung deckt der Funktionsbauvertrag die Bereiche Planen, Bauen, Erhalten und gegebenenfalls Betreiben ab. Dabei erfolgt eine Risikoübertragung vom Bauherren auf den Auftragnehmer für die Bereiche Baugrund, Ausführung, Mengen, Qualität und Vergütung. Die Bauwirtschaft sieht in dieser momentanen Vertragsausgestaltung des Funktionsbauvertrages eine Verlängerung der Mängelansprüche mit erhöhter Risikoübertragung an den Auftragnehmer. Daher ergibt sich die Erfordernis, das Vertragswerk aufgrund der bisherigen Erfahrungen aus den Pilotprojekten nachzubessern. Dies würde auch die Akzeptanz für künftige Ausschreibungen nach diesem Modell erheblich fördern.
2 Grundlagen des Funktionsbauvertrages
Der Funktionsbauvertrag fasst Straßenbauleistungen des Neubaus oder der grundhaften Erneuerung mit Leistungen der Baulichen Erhaltung an demselben Straßenabschnitt unter Berücksichtigung bestimmter funktionaler Anforderungen an den Straßenoberbau in einem Vertragswerk zusammen. Er wird auf der Basis des Werkvertragsrechtes einschließlich der VOB abgeschlossen und beinhaltet den Bau sowie die Erhaltung und gegebenenfalls den Betrieb einer Straße über einen längeren Zeitraum von bis zu 30 Jahren. Er stellt Anforderungen an die Funktion der Anlage, die der Auftragnehmer über die Vertragslaufzeit sicher zu stellen hat.
Darüber hinaus werden u. a. bauvertraglich vereinbart die Technischen Regelwerke (ZTV), die ZTV Funktion-StB, ZTV Mt Funktion-StB und die ZTV ZEB-StB.
Inhaltlich gliedert sich der Vertrag in die Teile A: konventioneller Bauvertrag (Leistungsverzeichnis mit Positionen oder als Pauschale), Teil B: Anforderungen an den Oberbau (Referenzbauweise gemäß RStO) und Teil C: Erhaltung und gegebenenfalls Betrieb der Strecke für eine festgelegte Laufzeit.
Die ZTV Funktion-StB findet auch Anwendung bei den Betreibermodellen für den 6-streifigen Autobahnausbau (A-Modell), den Verfügbarkeitsmodellen für Bundesstraßen (meist Autobahnen) und im Bereich der kommunalen Netze.
3 Erfahrungen aus Sicht der Bauwirtschaft
Aus den bisher abgewickelten oder noch im Bau befindlichen Projekten lassen sich Erkenntnisse gewinnen, die aufzeigen, dass die Funktionsbauverträge in ihrer jetzigen Form noch Verbesserungsbedarf haben.
Im Hinblick auf das Vertragsrecht stellt sich die Frage, ob es sich bei einem Funktionsbauvertrag um einen reinen VOB-Vertrag handelt oder ob es sich beim Teil der Baulichen Erhaltung und des Betreibens nicht auch um einen Dienstleistungsvertrag (Wartungsvertrag) handelt? Für den Teil der Erhaltung und Betrieb sagt die VOB, Teil C nichts aus. Hier müssen rechtskonforme Formulierungen das Gesamtwerk sicherstellen und unnötige Risiken vermieden werden. Derzeit ist es so, dass der Auftragnehmer im Zuge der Baulichen Erhaltung durch hohe Verkehrsbeeinträchtigungskosten und daraus resultierender verminderter Mauteinnahmen doppelt bestraft wird.
Bei den meisten Funktionsbauverträgen ist die rechnerische Dimensionierung nach den RDO Asphalt oder RDO Beton zugelassen. Dem widerspricht aber eine Referenzplanung auf Basis der RStO, wenn sie in den Anforderungen an den Oberbau vereinbart wird. Hier sollte z. B. nur die Bauklasse vorgegeben und die Dicke des frostsicheren Aufbaues vereinbart werden. Ansonsten sollte die RStO nicht zum Vertragsbestandteil erklärt werden. Das würde auch die Anreize für Innovationen fördern. Die gleichzeitige Anwendung der ZTV Funktion-StB und aller anderen ZTV in einem Bauvertrag dient lediglich dem Sicherheitsbedürfnis der öffentlichen Hand und ist zum Teil auch widersprüchlich. Dies behindert jedoch mögliche Innovationen.
Nach Fertigstellung des Bauwerkes ist vorgesehen, dieses im Rahmen einer Übergabeinspektion nach den Anforderungen der ZTV Funktion-StB und zugehöriger Regelwerke zu übergeben. Hier ist anzumerken, dass es derzeit nur einen Entwurf der ZTV Funktion-StB gibt. Die ZTV Funktion-StB behandeln die funktionalen Anforderungen an den Straßenoberbau im Hinblick auf die einzuhaltenden Zustandswerte bzw. Zustandsgrößen und Schadensmerkmale während der Vertragslaufzeit des Funktionsbauvertrages.
Die Formulierung der ZTV Funktion-StB unter Abschnitt 3.2 Schadensmerkmale: „Bei der Übergabe dürfen keine Schäden vorliegen…“ führt zu Irritationen zwischen den Vertragsparteien, da der Auftraggeber hier die Auffassung vertritt, auch ein fachgerecht sanierter Schaden bleibt ein Schaden. Da z. B. Kantenschäden bei der Herstellung einer Betondecke baupraktisch niemals ganz zu vermeiden sind, könnte eine Übergabeinspektion damit auch nicht erfolgreich für den Auftragnehmer durchgeführt werden. Bei dieser Betrachtungsweise wäre auch ein fachgerecht verschlossenes Bohrkernloch, aus dem Bohrkerne für die Prüfung der Druckfestigkeit und Messung der Deckendicke entnommen wurden, in der neuen Betondecke bereits ein Schadensmerkmal. Hierfür müssen Lösungsansätze formuliert werden, die umsetzbar sind und dem Auftragnehmer kein unnötiges, nicht kalkulierbares Risiko aufbürden. Nach derzeitiger Regelung (projektbezogen vereinbarte ZTV Funktion-StB, Tabelle 2, letzte Zeile) müsste bereits bei einem einzigen Kantenschaden/Eckabplatzung die betroffene Betonplatte ausgetauscht werden. In diesem Fall ist zu hinterfragen, ob eine im laufenden Produktionsprozess gefertigte Betonplatte gegen ein Handfeld ausgetauscht werden sollte, zumal ein Kantenschaden keinen wesentlichen Einfluss auf den Substanzwert der Betonplatte hat.
Bei Anwendung von Funktionsbauverträgen erfordert die Qualitätssicherung einen immensen Aufwand, der hohe Kosten und großen Personalaufwand für alle Vertragsparteien verursacht. Dieser ist im Hinblick auf die Risikominimierung und Kostenreduzierung im Erhaltungszeitraum auch sinnvoll. Es stellt sich aber dennoch die Frage, ob bei dieser Art der Vertragsform die Kontrollprüfungen nach dem klassischen Regelwerk in vollem Umfang durchgeführt werden müssen. Ziel ist es doch, die funktionalen Anforderungen über die Vertragslaufzeit sicher zu stellen. Die stofflichen Anforderungen an Baustoffe und Baustoffgemische werden über Eignungsnachweise vor ihrer Verwendung nachgewiesen und sind damit dokumentiert. Die Qualitätssicherung sollte daher in ihrem Umfang auf die erwartete Lebensdauer des Bauwerkes ausgerichtet sein. Dafür sind die Anforderungen der ZTV Funktion-StB in der Regel ausreichend und weitere Kontrollprüfungen an stoffliche Anforderungen könnten auf einen reduzierten Stichprobenumfang vereinbart werden. Davon ausgenommen sind jedoch Kontrollprüfungen, die vereinbarte Anforderungen an die Oberflächentextur einer Straße beinhalten.
Die Auswertung der Ergebnisse der schnellfahrenden Messsysteme in Hinblick als Bestandteil der vertraglichen Übergabe bzw. Abnahme ist ein weiteres Thema, das in Zukunft vertieft und konkretisiert werden muss. Bei den Übergabe-/Abnahmewerten müssen Einschränkungen bedingt durch Bautechnologie, Baukonstruktion und Messfehler berücksichtigt werden.
4 Ausgewählte Beispiele
4.1 Schadensmerkmal Kantenabplatzung
Zu beachten ist dabei jedoch, dass dieses maximale Stichmaß (PGR-MAX) maßgebend für den gesamten Betrachtungsabschnitt ist und anders wie bei anderen Zustandsgrößen (z. B. Griffigkeit oder Spurrinnentiefe) dabei keine Mittelwertbildung erfolgt. Bei der Betrachtung von 100-m-Abschnitten entsteht somit die dargestellte „Treppenkurve“ für die PGR-MAX-Werte. Dabei werden einzelne Unstetigkeitsstellen, wie z. B. Übergangskonstruktionen an Brückenbauwerken, überproportional gewichtet, was zu Fehlinterpretationen führen kann.
Weiterhin ist gemäß ZTV Funktion zu beachten, dass für Abnahmemessungen mit schnellfahrenden Messsystemen Erst- und Zweitmessungen durchzuführen sind. Im nachfolgenden Bild sind dementsprechend Ergebnisse für den PGR-MAX-Wert für einen beispielhaften Auswerteabschnitt angegeben. Dabei ist deutlich zu erkennen, dass zwischen den beiden Messungen ein Längsversatz von ca. 5 m besteht und zusätzlich auch Unterschiede im Betrag des PGR-MAX-Wertes an vergleichbaren Stationen ermittelt wurden. Der Vergleichbarkeit und Wiederholbarkeit der eingesetzten Messverfahren kommt somit eine große Bedeutung zu.
5 Ausblick
Derzeit arbeitet innerhalb der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) die Arbeitsgruppe 4 an der Weiterentwicklung der ZTV Funktion-StB (u.a. mit Beteiligung der Straßenbauverwaltung und der Bauwirtschaft). Gleichzeitig wurden beim BMVBS fünf Arbeitsgruppen gebildet, die sich auf interner Verwaltungsebene ebenfalls mit der Weiterentwicklung der Funktionsbauverträge beschäftigt (ohne Beteiligung der Bauwirtschaft).
Es wäre aus meiner Sicht wünschenswert, wenn sich die Effektivität der Arbeitsgruppe 4 der FGSV steigern ließe, da derzeit die Erkenntnisse aus den bisherigen Projekten nicht zeitnah weiterverarbeitet werden. Insbesondere sollten hier auch die Erfahrungen der Projektbeteiligten mit einfließen.
Literaturverzeichnis
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2006): Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Funktionsbauverträge im Straßenbau, Ausgabe 2006 (ZTV Funktion-StB 06), Köln
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2006): Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen zur messtechnischen Zustandserfassung und -bewertung für Funktionsbauverträge, Ausgabe 2006 (ZTV Mt-Funktion-StB 06), Köln
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