FGSV-Nr. FGSV B 30
Ort Köln
Datum 20.10.2011
Titel Dauerhafte Betondecken – Substanzbewertung von Betondecken
Autoren Dr.-Ing. Axel Riwe
Kategorien Betonstraßen
Einleitung

Eine fachlich fundierte technische Bewertung der Restsubstanz vorhandener Fahrbahnen ist die Grundlage für eine systematische Planung von Erhaltungs- und Neubaumaßnahmen. Durch neuere Entwicklungen in der Haushaltsführung (Doppik) und der Vergabepraxis der öffentlichen Hand (Funktionsbauverträge), ergibt sich zunehmend die Notwendigkeit, bestehende Straßen auch monetär zu bewerten. Von zentraler Bedeutung ist dabei immer die Frage, wie lange die Straße noch nutzbar ist, bzw. wie viele Fahrzeugübergänge die Fahrbahn noch erträgt. Der den Nutzungsausfallzeitpunkt bestimmende Grenzzustand kann als Schwellenwert für den Anteil der durch Tragfähigkeitsversagen gebrochenen Platten definiert werden. Diese auf die Nutzungszeit bezogene Ausfallrate ist für eine hinreichend große Anzahl von Platten identisch mit der Ausfallwahrscheinlichkeit der Einzelplatte für den jeweiligen Zeitraum. Gesucht ist damit die Verteilungsfunktion für die Lebensdauer der Betonplatten. Diese kann mit den Methoden der Probabilistik gefunden werden. Als Grundlage für die rechnerische Analyse der Betonplatten dient die RDO-Beton.

PDF
Volltext

Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Restsubstanz und Restwert

Die Bewertung einer bestehenden Fahrbahn ist von jeher von Interesse, weil sie die Grundlage für eine sinnvolle Planung von Erhaltungs- und Neubaumaßnahmen bildet. Dabei geht es vor allem um eine technische Bewertung. Neuere Entwicklungen in der Finanz- und Straßenbauverwaltung (Funktionsbauverträge, Doppik) führen aber auch zur Notwendigkeit einer monetären Bewertung. Dies erzwingt auch die Einführung einheitlicher und verbindlicher Regeln und Verfahren. Gegenwärtig werden diesbezüglich erste Schritte unternommen (siehe Großmann, V illaret 2009/Zander et al. 2011 u. a.).

Das grundsätzliche Vorgehen ist so definiert, dass zunächst die aktuellen technischen Daten des betreffenden Fahrbahnabschnittes möglichst umfassend und genau ermittelt werden. Auf der Basis dieser Daten erfolgt die Ermittlung der strukturellen Restsubstanz. Diese ist wiederum Grundlage für die Ermittlung des Restwertes.

Der erste Schritt, also die Ermittlung der Bestandsdaten sollte grundsätzlich so gestaltet werden, dass die Auswertung vorhandener Unterlagen sinnvoll kombiniert wird mit aktuellen Messungen am Bestand. Bei der methodisch korrekten Zusammenführung dieser Daten kann die Bayesstatistik hilfreich sein. Art und Umfang der jeweils notwendigen Messungen sind von Fall zu Fall konkret festzulegen.

Die technische Bewertung der so gewonnenen Datenbasis liefert die strukturelle Restsubstanz. Diese ist definiert als die Anzahl an Lastwechseln, die die Straßenbefestigung zum Bewertungszeitpunkt für festgelegte Verkehrs- und Temperaturprognosewerte bis zum Erreichen des Nutzungsausfallzeitpunktes noch ertragen kann.

Die monetäre Bewertung der im ersten Schritt erhobenen Datenbasis und der daraus ermittelten Restsubstanz liefert den Restwert.

Im vorliegenden Beitrag soll ein Verfahren zur Ermittlung der strukturellen Substanz vorgestellt werden.

2 Die strukturelle Substanz als probabilistische Größe

Die Verwendung der oben genannten Definition der strukturellen Substanz erfordert es, den Begriff „Nutzungsausfallzeitpunkt“ ebenfalls eindeutig zu definieren. Ein pragmatischer Ansatz besteht darin, den Nutzungsausfallzeitpunkt durch den Anteil der durch Überlastung ausgefallenen Platten festzulegen. Der Nutzungsausfall tritt ein, wenn der Anteil der gebrochenen Platten einen bestimmten Wert überschreitet.

Die Bewertung der strukturellen Substanz wird damit zu einer Ingenieuraufgabe, welche mit mathematischen Methoden gelöst werden kann. Es ist die Zeitspanne T zu berechnen, in der der Anteil der durch Überlastung zerstörten Platten den festgelegten Grenzwert ARS überschreitet. Oder anders formuliert: Es ist die Zeitspanne T zu ermitteln, für die die Lebensdauer eines bestimmten Anteils (ARS) der Platten kleiner ist als T. Dabei wird immer vorausgesetzt, dass die Anzahl der Achsübergänge pro Zeiteinheit bekannt ist.

Die Lebensdauer einer Straßenbetonplatte lässt sich mit allgemein bekannten Methoden berechnen. Setzt man voraus, dass die Platte versagt, wenn die Biegezugspannungen die Zugfestigkeit überschreiten, dann kann man mit dem Formelwerk aus der RDO-Beton (FGSV, 2009) die Anzahl der Achsübergänge, und damit den Zeitpunkt bis zum Versagen der Platte berechnen.

Unterstellt man bei traditionell-deterministischer Betrachtungsweise, dass alle Platten gleichartig sind, so bedeutet dies, dass sämtliche Platten zum ermittelten Zeitpunkt versagen. Dies ist ein offensichtlich absurdes Ergebnis. Die Erfahrung zeigt, dass die Lebensdauer der Platten nicht gleich ist, sondern in einem weiten Bereich streut. Man kann den berechneten Zeitpunkt also nur als einen nicht näher definierten Mittelwert betrachten, zu dem etwa die Hälfte der Platten zerstört sein wird. Die Frage, wann der interessierende Schwellenwert ARS überschritten wird, wird dadurch aber nicht beantwortet. Zur Beantwortung dieser Frage muss die Streuung der Lebensdauer der Platten exakt quantifizierbar sein. Gesucht ist also die Verteilungsfunktion für die Lebensdauer der Platte.

Die Ursache für die Streuung der Lebensdauer der Platten ist offensichtlich darin zu sehen, dass die relevanten Eigenschaften, wie z. B. Dicke, Festigkeit usw. nicht konstant sind, sondern um bestimmte Mittelwerte schwanken. Für die Einwirkungen gilt dies ebenfalls. Um die Streuung der Lebensdauer zu berechnen, ist es also notwendig, die Streuung der Einflussgrößen zu beschreiben und in der Berechnung zu berücksichtigen.

Die Berechnung der strukturellen Substanz erfordert also die Nutzung probabilistischer Methoden. 

3 Verteilungsfunktionen für relevante Einflussgrößen

Für die mathematische Beschreibung der Streuung der Einflussgrößen können Verteilungsfunktionen genutzt werden. Im Prinzip können alle Einflussgrößen als Zufallsgrößen betrachtet und entsprechend beschrieben werden. Aus pragmatischen Gründen ist es aber sinnvoll, sich auf die wesentlichen Größen zu beschränken. Exakte Aussagen über die Relevanz der einzelnen Einflussgrößen lassen sich aus den Wichtungsfaktoren ableiten, welche der FORM-Algorithmus liefert (siehe dazu Spaethe 1992). Gegenwärtig fehlt hierzu allerdings noch die empirische Datenbasis. Die probabilistischen Verfahrensweisen werden also zunächst auf die offensichtlich relevanten Parameter Dicke und Festigkeit, sowie die Einwirkungsgrößen Verkehr und Temperatur beschränkt.

Im Rahmen verschiedener Forschungsvorhaben der BASt (V illaret et al. 2007,2010) wurden für diese Größen geeignete Verteilungsfunktionen ermittelt.

Die Belastungsgrößen Verkehr und Temperatur stellen im mathematischen Sinne stochastische Prozesse dar. Ihre Größe ändert sich ständig innerhalb des Betrachtungszeitraums. Hier ist nicht nur die Verteilungsfunktion für einen zufällig ausgewählten Zeitpunkt interessant (die sogenannte Momentanwertverteilung), sondern auch die Verteilung für die Extremwerte, welche in einem Betrachtungszeitraum auftreten können.

Es ist evident, dass die Wahrscheinlichkeit für besonders extreme Werte mit der Länge des Betrachtungszeitraumes ansteigt. Entsprechend sind die Extremwertverteilungen abhängig vom Betrachtungszeitraum.

Die benutzten Verteilungsfunktionen sind in der Tabelle 1 zusammengestellt. 

Tabelle 1: Verteilungsfunktionen für die Einflussgrößen

Die genannten Funktionstypen sind geeignet die Streuung der jeweiligen Größe hinreichend genau zu beschreiben. 

4 Zeitlich veränderliche Einflussgrößen

Auch bei der Nutzung probabilistischer Methoden bleibt der Versagensfall dadurch definiert, dass die Biegezugspannungen die Zugfestigkeit des Betons überschreiten. Als mathematisch-mechanisches Modell für die Berechnung der Spannungen dient die RDO-Beton. Drei Modellparameter unterliegen einer relevanten zeitlichen Veränderung. Es sind dies:

– die Ebenheit der Oberfläche (Stoßfaktor),

– die Qualität der Unterlage (Lagerungsfaktor),

die Betonfestigkeit (Ermüdungs-, Nacherhärtungsfaktor).

Um die Lebensdauer der Betonplatten zu berechnen, sind die zeitlichen Verläufe dieser Parameterwerte durch entsprechende Verlaufsfunktionen zu beschreiben. Der Kenntnisstand zu dieser Problematik ist gegenwärtig noch unzureichend, sodass entsprechender Forschungsbedarf gesehen wird.

Zur Bestimmung des zeitlichen Verlaufs der Stoßfaktoren ist mit den ZEB-Daten eine geeignete empirische Basis vorhanden. Aus den Daten zur Längsebenheit lassen sich Stoßfaktoren generieren, deren zeitlicher Verlauf sich dann aus der zeitlichen Entwicklung der Längsebenheit ergibt.

Komplizierter ist es, die zeitliche Entwicklung der Unterlage zu bestimmen. Hier ist es erforderlich, Hohllagerungen unter der Platte zu detektieren und deren Auswirkungen auf die maßgebenden Biegemomente zu berechnen. Weil die Hohllagerungen theoretisch sehr vielgestaltig sein können, besteht eine Zielstellung darin, bestimmte typische Formen zu identifizieren und deren Auswirkungen zu bestimmen. Wiederholte Messungen über längere Zeiträume, bzw. Messungen an unterschiedlich alten Fahrbahnabschnitten, können dann Daten über den zeitlichen Verlauf des Lagerungsfaktors liefern. Vorrausetzung ist in jedem Fall die Verfügbarkeit einer geeigneten zerstörungsfreien Messmethode, um die Hohlstellen zu identifizieren. In den Jahren 2010/2011 wurden im Rahmen eines von der BASt geförderten Forschungsvorhabens durch die Villaret Ingenieurgesellschaft Versuche mit Georadarmessungen angestellt. Die grundsätzliche Eignung des Verfahrens konnte dabei nachgewiesen werden. Um die erforderliche Verlässlichkeit und Präzision zu erreichen, ist aber weitere Entwicklungsarbeit erforderlich.

Solange eine entsprechende Datenbasis fehlt, ist es notwendig, für den zeitlichen Verlauf des Bettungsfaktors plausible Annahmen zu treffen, welche sich aus theoretischen Überlegungen und Erfahrungswerten ableiten.

Um die zeitliche Entwicklung der Betonfestigkeit präziser zu bestimmen, läuft zurzeit ein Forschungsprojekt der BASt. 

5 Berechnung der Versagenswahrscheinlichkeit der Einzelplatte

Der Anteil der in einem Zeitraum T versagenden Platten, ist bei Vorhandensein einer hinreichend großen Anzahl gleichartiger Platten gleichbedeutend mit der Versagenswahrscheinlichkeit der Einzelplatte. Ebenfalls gleichwertig ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Lebensdauer der Platte kleiner ist als T. Es gilt:

AR(T) = PF(T) = P(L < T) = FL(T)          (1)

AR(T) – Ausfallrate (Anteil der Ausgefallenen Platten) im Zeitraum T

PF(T) – Versagenswahrscheinlichkeit der Einzelplatte im Zeitraum T

P – Wahrscheinlichkeit

L – Lebensdauer

FL – Verteilungsfunktion für die Lebensdauer der Einzelplatte

Weiterhin gilt offensichtlich:

PF = 1 - PL          (2)

PL – Überlebenswahrscheinlichkeit der Einzelplatte

Damit eine Platte einen Betrachtungszeitraum T überlebt, müssen 2 Bedingungen erfüllt sein:

1.  Die Platte hat eine Festigkeit X.

2.  Alle im Betrachtungszeitraum T auftretenden Beanspruchungen Y sind keiner als X. Die Wahrscheinlichkeit für das erste Ereignis ist gegeben durch:

P(x = X) = fx(X)dx          (3)

fx – Dichtefunktion für die Festigkeit

Die Wahrscheinlichkeit für das zweite Ereignis ist gegeben durch:

Formeln im PDF

F(T)ex.y – Verteilungsfunktion für die im Zeitraum T auftretende maximale Beanspruchung

Bei gegenseitiger Unabhängigkeit ergibt sich die Wahrscheinlichkeit für ein Überleben der Platte unter Voraussetzung einer Festigkeit von X zu:

Formeln im PDF

Bei Berücksichtigung aller möglichen Festigkeitswerte sind die Einzelwahrscheinlichkeiten aufzusummieren. Den entsprechenden Grenzwert bildet das Integral über die Dichtefunktion der Festigkeitswerte. Unter Beachtung von Gleichung 2 ergibt sich als Versagenswahrscheinlichkeit für die Einzelplatte:

Formeln im PDF

Bei Berücksichtigung von mehr als zwei Zufallsgrößen führen analoge Überlegungen zu einem entsprechenden Mehrfachintegral. Die Lösung des Integrals ist normalerweise nur mit numerischen Methoden möglich. Dies bereitet keine besonderen Schwierigkeiten, führt aber bei einer steigenden Anzahl von Zufallsgrößen schnell zu unvertretbar hohen Rechenzeichen. Wie oben erwähnt, wurde die Anzahl der Zufallsgrößen hier auf vier beschränkt (Dicke, Festigkeit, Verkehrslast, Temperaturlast). Die Berechnungsformel lautet damit im konkreten Fall:

Formeln im PDF

fh(z)           – Dichtefunktion Deckendicke

fB(y)           – Dichtefunktion Spaltzugfestigkeit

fT(w)          – Dichtefunktion Temperaturgradient (Momentanwerte/Extremwerte)

fV(x)           – Dichtefunktion Radlast (Momentanwerte/Extremwerte)

gh.o, gh.u    – Integrationsgrenzen Dicke

gV.o, gV.u    – Integrationsgrenzen Verkehrslast

gT.o, gT.u    –  Integrationsgrenzen Temperaturbelastung

gB.u           – untere Integrationsgrenze Betonfestigkeit

s(MV+MT)  – Betonspannung als Funktion des Verkehrs- und Temperaturmomentes

Weil nicht die Verteilungsfunktion der Biegespannungen direkt bekannt ist, sondern nur die Verteilung der die Spannungen erzeugenden Einflussgrößen, erscheint als Integrationsgrenze die Spannung als Funktion dieser Größen (Grenzzustandsfunktion). Diese Funktion wird also aus den in der RDO-Beton angegebenen Formeln zur Berechnung der Biegespannungen gebildet.

Die Herleitung der Formel 11 zeigt, dass der zeitliche Bezug der Versagenswahrscheinlichkeit über die Extremwertverteilung für die Belastung hergestellt wird. Treten mehrere stochastische Prozesse gleichzeitig auf (z. B. Verkehrs- und Temperaturbelastung), ist eine exakte Lösung für deren Überlagerung nur schwer zu finden. Eine einfache Näherungslösung bietet die sogenannte Turkstra-Regel. Sie besagt, dass ein Bauteil versagt, wenn eine der Einwirkungen ihren Extremwert annimmt. In Formel (12) ist also entweder die Temperatur- oder die Verkehrslast mit ihrer Extremwertverteilung zu berücksichtigen. Für die jeweils andere Last, ist die Momentanwertverteilung zu wählen. Der größere berechnete Wert für die Versagenswahrscheinlichkeit wird maßgebend.

Wann innerhalb des Betrachtungszeitraumes die maßgebende Belastungssituation eintritt, ist selbstverständlich unbekannt. Damit bleibt auch unklar mit welchem Wert die im Abschnitt 4 beschriebenen zeitlich veränderlichen Größen angesetzt werden müssen. Wenn jeweils der ungünstigste, also am Ende des Betrachtungszeitraumes gültige Wert angesetzt wird, so liefert die Berechnung eine obere Schranke für die Ausfallwahrscheinlichkeit. Die Berechnung liegt damit auf der sicheren Seite. 

6 Kalibrierung

Mit dem beschriebenen Verfahren lässt sich die Versagenswahrscheinlichkeit der Einzelplatte und damit der Anteil der ausgefallenen Platten für einen bestimmten Zeitraum berechnen. Durch wiederholte Berechnungen im Rahmen einer Iteration kann somit der Zeitpunkt bestimmt werden, an dem der Schwellenwert überschritten wird, welcher den Nutzungsausfallzeitpunkt definiert.

Es ist aber zu berücksichtigen, dass das verwendete mathematisch-mechanische Modell zahlreiche Idealisierungen enthält. Ebenso ist die verwendete Datenbasis naturgemäß unvollständig und von unterschiedlicher Genauigkeit. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die berechnete Versagenswahrscheinlichkeit nur eine obere Grenze darstellt.

Damit ist zu konstatieren, dass nicht gesichert ist, dass das Berechnungsverfahren Ergebnisse mit hinreichender Genauigkeit liefert. Eine praktische Anwendung des Berechnungsverfahrens ist nur sinnvoll, wenn eventuelle Fehlweisungen des Berechnungsmodells durch eine Kalibrierung korrigiert werden können. Diese Kalibrierungsmöglichkeit besteht, weil der zum aktuellen Zeitpunkt konkret vorliegende Anteil ausgefallener Platten im zu bewertenden Streckenabschnitt vor Ort ermittelt werden kann.

Die Kalibrierung erfolgt pragmatischer weise so, dass die Biegemomente der Platte mit einem Kalibrierungsfaktor multipliziert werden. Der Faktor ist iterativ so zu bestimmen, dass das Berechnungsergebnis mit dem vor Ort ermittelten Wert übereinstimmt.

ARa = AR(Ta, k ⋅ M)          (13)

ARa                 – aktuell vorhandenen Ausfallrate

AR(Ta,k ⋅ M)   – rechnerische Ausfallrate für den aktuellen Zeitpunkt nach Kalibrierung.

Das so kalibrierte Verfahren liefert für den Bewertungszeitpunkt das exakt richtige Ergebnis. Für die mit diesem Verfahren berechneten Prognosewerte ergibt sich damit eine hohe Sicherheit. 

7 Verteilungsfunktion für die Lebensdauer

Mit dem vorgestellten Verfahren ist es möglich, die strukturelle Substanz zu bestimmen. Allerdings ist die aufwendige Berechnung des 4-fach-Integrals vielfach durchzuführen, weil der Nutzungsausfallzeitpunkt iterativ bestimmt werden muss. Es wäre deshalb vorteilhaft, über eine geschlossene Formel für die Verteilung der Lebensdauer der Betonplatte zu verfügen. So eine Verteilungsfunktion gibt für jeden beliebigen Zeitpunkt den Anteil ausgefallener Platten an.

Diese Lebensdauerfunktion kann mit Hilfe der sogenannten Hazardfunktion hergeleitet werden. (siehe Spaethe 1992, Rackwitz 2006) Die Gleichung für die Hazardfunktion lautet:

Formeln im PDF

Die Hazardfunktion kann interpretiert werden als die Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Bauteil beim nächsten Belastungszustand versagt, unter der Voraussetzung, dass es bis dahin überlebt hat.

Definiert man eine Überlebensfunktion als

Formeln im PDF

Dann gilt:
Formeln im PDF

Bei Integration auf beiden Seiten erhält man:

Formeln im PDF

Die Integration von 0 bis zum Zeitpunkt T liefert:

Formeln im PDF

Bei Anwendung der Logarithmengesetze ergibt sich:

Formeln im PDF

Die Überlebensfunktion ist also nur von der Hazardfunktion abhängig. Die Formel für die Hazardfunktion ist zwar unbekannt, es lassen sich aber einzelne Werte berechnen, wenn man folgende Näherung benutzt:

Formeln im PDF

Der Wert FT(t), also die Versagenswahrscheinlichkeit für den Zeitraum t, lässt sich über Formel (12) für beliebige Zeitpunkte berechnen. Der Differenzwert DFT(t) kann aus der Versagenswahrscheinlichkeit in zwei aufeinanderfolgenden Jahren berechnet werden. Die Schrittweite Dt ist dann 1 (also ein Jahr).

Werden nach dieser Methodik einige Werte für die Hazardfunktion berechnet, so kann mittels Regression eine Näherungsfunktion bestimmt werden. In den meisten Fällen sind drei bis vier Funktionswerten ausreichend um eine sehr gute Übereinstimmung zu erreichen.

Als Ansatzfunktion für die Regression sind verschiedenen Funktionstypen geeignet. Der folgende einfache Funktionsansatz lieferte bei Testrechnungen in einem weiten Parameterbereich sehr gute Anpassungen.

Formeln imPDF

A,B,C    –    frei anzupassende Parameter

Die Überlebensfunktion ergibt sich damit zu:

Formeln im PDF

Entsprechend gilt für die Lebensdauerverteilung:

Formeln im PDF

Wie oben erläutert, kann aus der Lebensdauerverteilung direkt abgelesen werden, wann der Schwellenwert für den Nutzungsausfallzeitpunkt überschritten wird. Im Bild 1 sind die Ergebnisse einer Beispielrechnung dargestellt.

Bild 1: Entwicklung der Ausfallrate über 90 Jahre

Die roten Säulen zeigen die mit der Integration entsprechend Gleichung 12 berechneten Ausfallraten. Die blaue Kurve ist die mit der Hazardfunktion ermittelte Lebensdauerverteilung. Die Übereinstimmung der Ergebnisse ist nahezu perfekt. Für die Parameteranpassung der Hazardfunktion wurde der Levenberg-Marquardt-Algorithmus benutzt. Es wurden 4 Funktionswerte als Stützstellen verwendet. Für die Berechnung der Lebensdauerverteilung ist also achtmal die Integration entsprechend Gleichung 12 durchzuführen. Bei Benutzung von nur drei Stützstellen ist die Anpassung nur wenig schlechter. 

8 Ausblick

Es wurden die Grundzüge eines Verfahrens vorgestellt, mit dem es möglich ist, die strukturelle Substanz entsprechend der vorgegebenen Definition zu berechnen.

Für die Weiterentwicklung des Verfahrens ist es notwendig, den Verlauf der zeitlich veränderlichen Parameter aufzuklären.

Das Berechnungsverfahren ist so weiter zu entwickeln, dass nicht nur die jeweils am Ende des Betrachtungszeitraumes gültigen Parameterwerte, sondern die gesamte Parameterentwicklung bei der Berechnung der Ausfallwahrscheinlichkeit berücksichtigt wird. 

Literaturverzeichnis

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2009): Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung von Betondecken im Oberbau von Verkehrsflächen (RDO-Beton 09), Köln, FGSV 497

Großmann, A.; Villaret, St. (2009): Restwertermittlung von Asphalt- und Betonstraßen, Straße und Autobahn 60, 6, Kirschbaum Verlag, Bonn, 380–385

Rackwitz, R. (2006): Zuverlässigkeit und Lasten im konstruktiven Ingenieurbau, Teil 1: Zuverlässigkeitstheoretische Grundlagen, TU München

Spaethe, G. (1992): Die Sicherheit tragender Baukonstruktionen, Springerverlag

Villaret; Kayser; Kiehne; Pfeifer; Riwe (2007): Weiterentwicklung der Bemessungsmethoden für Verkehrsflächen – Teil Betonstraßen, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 976, Bonn

Villaret; Kayser; Kiehne; Pfeifer; Riwe (2010): Grundlagen zur Erfassung der Belastung für die analytische Dimensionierung von Straßenbefestigungen – Teil Betonstraßen, Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 1050, Bonn

Villaret; Kiehne; Riwe (2010): Probabilistische Verfahrensweisen für die Dimensionierung von Fahrbahnbefestigungen, Forschungsbericht BASt 2010 (FE 04.0218/2008/ARB, unveröffentlicht)

Zander; Ehlert; Golkowski; Jähnig; Lorenzl; Wellner (2011): Richtlinien zur Bewertung der strukturellen Substanz des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschicht (RSO Asphalt 12) (Entwurf)