FGSV-Nr. FGSV B 35
Ort Bochum
Datum 05.10.2021
Titel Einsatz der Betonbauweise mit durchgehender Bewehrung Teil II – Aktueller Stand und geplante Aktivitäten in Deutschland
Autoren ORR Dipl.-Ing. Stefan Höller
Kategorien Betonstraßen
Einleitung

Die Verkehrsbelastung und der Anteil des Schwerverkehrs auf deutschen Straßen und Autobahnen steigen nahezu stetig. Hinzu kommen die Auswirkungen des Klimawandels, die Verknappung von Ressourcen und ein zunehmender Fachkräftemangel. Bisher konnte die Straßeninfrastruktur trotz der vielfältigen Herausforderungen auf einem hohen Niveau gehalten werden, aktuelle Untersuchungen zeigen aber, dass dafür eine hohe Anzahl und Dauer von Baustellen erforderlich ist, wodurch die Verfügbarkeit zunehmend eingeschränkt wird. Um die Mobilität zukünftig zu gewährleisten, sind deshalb Bauweisen mit maximaler Nutzungsdauer und minimalen Erhaltungsaufwendungen bei minimalen Verkehrseinschränkungen und minimalem Personalaufwand während des gesamten Lebenszyklus erforderlich. In Deutschland werden Betonfahrbahndecken als unbewehrte Platten mit Querfugen in regelmäßigen Abständen gefertigt und für Nutzungsdauern von 30 Jahren dimensioniert. Die Querfugen stellen dabei den schwächsten Teil in der Konstruktion dar. Betonfahrbahndecken können auch in einer anderen Bauweise gefertigt werden: als durchgehend bewehrte Betonfahrbahndecken (DBB). Dies wird u. a. in Belgien und den USA standardisiert ausgeführt. Dabei werden keine Querfugen hergestellt, sondern es stellt sich ein freies Rissbild mit schmalen Plattenstreifen ein. Um eine Querkraftübertragung zu sichern, wird die Rissöffnungsweite durch die Anordnung einer durchgehenden Längsbewehrung beschränkt. Als fugenlose Bauweise eignet sich die DBB in besonderem Maße für eine direkte oder spätere Überbauung mit einer Asphaltdeckschicht. Ausländische Erfahrungen zeigen, dass mit der DBB eine längere Nutzungsdauer und ein höherer Fahrkomfort erreicht werden und weniger Erhaltungsmaßnahmen erforderlich sind als mit anderen Bauweisen. Aufgrund der höheren Kosten dieser Bauweise ist es erforderlich, ihre Wirtschaftlichkeit – oder gar ihre Nachhaltigkeit – über den gesamten Lebenszyklus abzuschätzen, bevor eine größere Anwendung in Deutschland in Betracht gezogen werden kann. Von 1997 bis heute wurden in Deutschland sechs Versuchsstrecken mit DBB eingerichtet und dabei alle Teilaspekte dieser Bauweise betrachtet. Im Rahmen des laufenden Forschungsprojekts „Asphaltdeckschicht auf durchgehend bewehrter Betondecke“ untersuchen das ISAC, die RWTH Aachen und das Ingenieurbüro AB Road aus Brüssel im Auftrag der BASt diese Strecken, vergleichen sie mit Strecken in Belgien und nehmen eine Bewertung vor. Die Ergebnisse werden im Rahmen einer neuen Erprobungsstrecke baupraktisch umgesetzt. Gleichzeitig erarbeitet der FGSV-Arbeitskreis 8.3.4 ein Merkblatt und ebnet damit den Weg für eine standardisierte Anwendung auf Bundesautobahnen.

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Volltext

Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Einführung

Das Autobahnnetz in Deutschland hat eine Gesamtlänge von ca. 13.000 km. Davon wurden 74 % in den verschiedenen Asphaltbauweisen gefertigt und 26 % in Betonbauweise. Aktuell werden die Standardbauweisen für eine Nutzungsdauer von 30 Jahren dimensioniert. Im Autobahnnetz sind aber eine Anzahl von älteren Abschnitten vorhanden, die für eine Nutzung von 20 Jahren dimensioniert wurden. Für Deutschland als das Transitland Nr. 1 in Europa wird von 2010 bis 2030 eine Zunahme des Güterverkehrsaufkommens um + 17 % prognostiziert. Hinzu kommt ein erheblicher Mangel an Fachkräften in allen Bereichen und die Verknappung von Rohstoffen. Um unter diesen sich verschlechternden Randbedingungen Mobilität und den für die Wirtschaft erforderlichen Gütertransport reibungslos zu gewährleisten sind vor allem auf den Bundesfernstraßen Konstruktionen mit maximaler Nutzungsdauer, minimalen Erhaltungsaufwendungen, minimalen Verkehrseinschränkungen und minimalem Personaleinsatz über den gesamten Lebenszyklus erforderlich.

Eine Option für diese Aufgabenstellung ist die durchgehend bewehrte Betonfahrbahndecke (DBB). Dabei wird mittig in der neutralen Zone der Betondecke eine Bewehrung angeordnet. Mit Beginn des Betonschwindens reißt die Betondecke und es entstehen Plattenstreifen von etwa 0,7 m bis 1,4 m. Die Bewehrung wirkt rissweitenbeschränkend und begrenzt die Rissöffnungsweiten auf maximal 0,5 mm. In dem Bild 1 sind die Standardbauweise mit unbewehrten Platten und die DBB skizziert. Wesentlich ist, dass die Querkraftübertragung an einem freien Riss wesentlich höher ist, als an einer verdübelten Fuge bei der Plattenbauweise. Diese bewehrte Bauweise wurde 1921 in den USA erstmals ausgeführt und ist dort heute eine der Standardbauweisen. Belgische Kollegen brachten die Bauweise in den 1950er Jahren nach Europa. Heute besteht das belgische Autobahnnetz zu etwa 50 Prozent aus DBB. Andere Länder und Kontinente folgten. Die Bauweise zeichnet sich durch eine höhere Nutzungsdauer, geringere bis keine Erhaltungsaufwendungen, höheren Fahrkomfort und höhere Herstellungskosten aus.

Bild 1: Unbewehrte Betonplatten von 5 m Länge mit Querscheinfugen und DBB mit freiem Rissbild

 

2 Ausgeführte Strecken mit DBB

In Deutschland wurden von 1997 bis 2021 sechs Versuchsstrecken mit DBB fugenlos eingerichtet. Hier werden die einzelnen Strecken mit ihren Zielsetzungen vorgestellt.

B 56 bei Düren (1997/98)

Die erste fugenlose DBB wurde in den Jahren 1997/1998 auf der Bundesstraße B 56 bei Düren realisiert. Neben ersten baupraktischen Erfahrungen stand die Frage im Vordergrund, welchen Einfluss Querfugen auf das Reifen-Fahrbahn-Geräusch haben. Dazu wurde in unmittelbarer Nachbarschaft eine Betondecke in Plattenbauweise mit Fugen ausgeführt und unterschied-liche Oberflächentexturen realisiert.

Bild 2: Versuchsstrecke B 56 bei Düren, Konstruktionsaufbau und verlegte Bewehrung

BAB A 5 bei Darmstadt (2004/2010)

Im Jahr 2004 wurde auf der Autobahn A 5 bei Darmstadt erstmalig eine DBB auf einer höchstbelasteten Autobahn realisiert. Hier wurde das Verhalten einer DBB auf unterschiedlichen Trag- und Zwischenschichten direkt verglichen. Weiterhin war von Interesse, wie sich diese Bauweise im Rahmen einer grundhaften Erneuerung einer höchstbelasteten Autobahn realisieren lässt. Das Bild 3 zeigt die 1500 m lange Versuchsstrecke im Längsschnitt mit den fünf Tragschichtvarianten. Um dem gesamten Streckenabschnitt der A 5 ein einheitliches Erscheinungsbild zu geben, wurde auch die Versuchsstrecke im Jahr 2010 mit einer dünnen Deckschicht aus Splittmastixasphalt überbaut. Bei der Herstellung der bewehrten Betondecke traten auf den ersten 80 m einige Probleme auf. Die Betonqualität war in diesem Bereich nicht optimal. Trotzdem zeigte sich bei einer Streckenbegehung im Jahr 2020, dass die Asphaltüberbauung auch in diesem Bereich einwandfrei ist. Es konnten keine Risse, Asphaltausbrüche oder eine verminderte Ebenheit festgestellt werden.

Bild 3: Versuchsstrecke A 5 bei Darmstadt, Längsschnitt

Privatstraße bei Geseke/NRW (2009)

Im Jahr 2009 wurde bei Geseke von der Heidelberg Cement AG auf einer Privatstraße zwischen zwei Produktionsstätten eine DBB realisiert. Anforderungen und Verkehrsbelastungen entsprechen einer Bundesstraße. Das Bild 4 zeigt die streifenweise Herstellung der Strecke. Der Streifen links im Bild ist bereits fertig und dient aktuell als Baustraße für die Frischbetonanlieferung. Auf dem Streifen rechts wurde die Bewehrung verlegt und der Betoneinbau schreitet voran.

Bild 4: Versuchsstrecke Privatstraße bei Geseke, streifenweiser Einbau

BAB A 94 bei Forstinning (2011)

Im Jahr 2011 wurde auf der A 94 bei Forstinning eine DBB mit einer dünnen Deckschicht aus DSH-V realisiert. Ziel dieser Versuchstrecke war der direkte Vergleich von einer DBB mit dem Standard mit unbewehrten Platten. Weiterhin wurden eine Betondecke mit und eine ohne Asphaltüberbauung verglichen.

Das Bild 5 zeigt die drei Versuchsabschnitte unbewehrte Betonfahrbahnplatten mit Grindingtextur, durchgehend bewehrte Betonfahrbahndecke mit DSH-V-Überbauung und unbewehrte Betonfahrbahnplatten mit DSH-V-Überbauung. Jeder Abschnitt ist etwa 4 km lang. Auf der Strecke gibt es vier Durchchlässe für kleine Bäche. Die bewehrte Betondecke, Abschnitt 1, wurde daher, wie in dem Bild 5 dargestellt, an drei Stellen unterbrochen.

Bild 5: Versuchsstrecke A 94 bei Forstinning, Konstruktionsaufbauten und Aufteilung der Strecke

BAB A 5 bei Bruchsal (2015)

Im Jahr 2015 wurde auf der A 5 bei Bruchsal eine weitere Versuchsstrecke mit DBB realisiert. Auch hier war das Ziel die Standardbauweise mit DBB sowie unterschiedliche Tragschichten darunter zu vergleichen. Das Bild 6 zeigt die Aufteilung der Strecke. Auch hier wurde die bewehrte Betondecke an drei Stellen unterbrochen.

Bild 6: Versuchsstrecke A 5 bei Bruchsal, Lageplan

BAB A 61 bei Boppard (2021)

Zur Bauweise „Beton in Plattenbauweise neben Asphalt“ gibt es bereits vielfältige Erfahrungen und Entwicklungsschritte. Im Jahr 2021 wurde auf der A 61 bei Boppard im Rahmen einer Versuchsstrecke erstmalig eine DBB neben einer Asphaltbauweise ausgeführt. Der rechte Fahrstreifen zusammen mit dem Seitenstreifen erhielt eine DBB und auf dem linken Fahrstreifen wurde eine Asphaltkonstruktion mit Gußasphaltdeckschicht eingebaut. Das Bild 7 zeigt den Konstruktionsaufbau und den Betoneinbau. Besondere Aufmerksamkeit erhält die Längsfuge zwischen beiden Bauweisen.

Bild 7: Versuchsstrecke A 61 bei Boppard, Konstruktionsaufbau und Betoneinbau

 

3 Verhalten der Strecken mit DBB im Lebenszyklus

Zur Erreichung der eingangs genannten Ziele müssen innovative Bauweisen über den gesamten Lebenszyklus ein positives Verhalten zeigen. Dazu werden im Weiteren die Phasen der Planung, des Baus, des Betriebs und der Erneuerung näher betrachtet.

3.1 Planung

Die im Abschnitt 2 beschriebenen Strecken wurden mit den in der Tabelle 1 aufgelisteten Anforderungen realisiert und im Rahmen der bisherigen Praxiserfahrungen positiv bestätigt. Die Planung eines Autobahnabschnittes mit DBB unterscheidet sich nicht von der Planung einer Betondecke in Plattenbauweise bzw. einer entsprechenden Asphaltkonstruktion. Kosten und Personalaufwand sind gleich. Die Baukosten für DBB sind abhängig vom jeweils aktuellen Stahlpreis um etwa 20 % höher als bei der Betonbauweise mit unbewehrten Platten.

Tabelle 1: Anforderungen an DBB

Zwei Aspekte sind zu nennen, bei denen es für DBB Optimierungspotenzial gibt: Unterbrechungen der DBB und Querschnittsänderungen. Bei Unterbrechungen und an den Enden einer DBB im Übergang zu anderen Bauweisen oder Bauwerken, z. B. vor und hinter Brücken und Durchlässen sind Fixpunkte als Endverankerungen aus mehreren bewehrten Endspornen auszubilden. Das Bild 8 zeigt einen entsprechenden Plan und die Bewehrung eines von vier Endspornen vor der Betonage. Dieses System stellt einen Fixpunkt dar. Er verhindert, dass sich die bewehrte Betondecke aufschüsselt und dass Schubkräfte in benachbarte Straßenkonstruktionen oder Bauwerke eingeleitet werden. Dieses System hat sich als praktikabel und funktionsfähig erwiesen, es ist aber aufwendig und an den Querfugen im Übergang zu einer anderen Bauweise sind regelmäßige Erhaltungsmaßnahmen erforderlich.

Auf den Versuchsstrecken A 94 bei Forstinning und A 5 bei Bruchsal wurde die Trasse je dreimal von kleinen Brücken und Durchlässen gequert. An diesen Stellen wurde die bewehrte Betondecke unterbrochen und es wurden Endverankerungen ausgeführt. Die Bereiche vor, auf und hinter der Brücke wurden in Asphaltbauweise ausgeführt und im Anschluss die bewehrte Betondecke mit Endverankerungen beginnend fortgeführt. Im Rahmen von Streckenbegehungen war erkennbar, dass an diese Querfugen zwischen Asphalt und Beton gewisse Restbewegungen stattfinden und im weiteren Erhaltungsaufwand erforderlich werden.

Bild 8: Endverankerungen, Bewehrungsplan und baupraktische Ausführung

Alternativ könnten bewehrte Betondecken über kleine Brücken und Durchlässe ohne Unterbrechung hinweg geführt werden. Die Baukosten für die zusätzlichen Eigenlasten auf den Bauwerken wären minimal höher. Die Planungskosten könnten bei frühzeitiger Abstimmung zwischen Strecken- und Brückenplanung reduziert werden. Veränderungen im Technischen Regelwerk sind dafür nicht erforderlich. Die Ausführungsvariante ist bereits in den aktuellen Richtzeichnungen enthalten (s. Bild 9).

Bild 9: Richtzeichnung Betonfahrbahndecken auf Brücken

Ein weiterer wichtiger Aspekt sind Querschnittsveränderungen. Bei den ersten Versuchsstrecken wurden „scharfkantige“ Querschnittsänderung geplant und ausgeführt. Die Bilder zeigen beispielhaft einen angefügten Verzögerungstreifen an einer Ausfahrt und einen Straßeneinlauf (s. Bild 10). In beiden Fällen wurde der Versatz in einem Winkel von 90 ° und ohne Bewehrungszulagen ausgeführt. Im Ergebnis stellten sich in diesen Bereichen Risse ein, die unvorteilhaft sind. Es ist zu erwarten, dass es hier perspektivisch zu Betonausbrüchen und erforderlichen Erhaltungsmaßnahmen kommt.

Um dies zukünftig zu vermeiden, sollten „scharfkantige“ Querschnittswechsel vermieden werden. Das Bild 11 zeigt dazu ein Beispiel aus Belgien, bei dem eine Verkehrsinsel mit geschwungenen Übergängen ausgeführt wurde. Ist dies nicht möglich, so sind Bewehrungszulagen einzuplanen.

Bild 10: „Scharfkantige“ Querschnittsänderungen, Beispiele Verzögerungsstreifen und Straßeneinläufe

Bild 11: Geschwungene Querschnittsänderungen, Beispiel Verkehrsinsel

3.2 Bau

Bei der Herstellung einer bewehrten Betondecke sind einige Besonderheiten zu beachten. Mit der Bewehrungsverlegung kann der entsprechende Einbaustreifen nicht mehr für den Betontransport und die Beschickung vor Kopf genutzt werden. Mit der Ausnahme eines Autobahnneubaus ist in zwei Einbaustreifen zu fertigen und diese jeweils wechselseitig als Baustraße zu nutzen.

Bild 12: Betondeckenfertigung und vorbereitete Tagesendfuge

An Tagesendfugen darf die Bewehrung nicht gekappt werden. Entsprechende Konstruktionen aus Holz, Metall oder Hartschaum werden über und zwischen die Bewehrung eingebracht und der dahinter liegende Teil durch Platten vor Verschmutzung geschützt. Der Betoneinbau erfolgt bis zur vorbereiteten Tagesendfuge. Im Anschluss wird die vorbereitete Konstruktion geräumt und die Betonage kann bei durchgehender Bewehrung fortgesetzt werden (s. Bild 12).

Bild 13: Nachbehandlung mit befeuchtetem Vliesstoff

Der Einbau einer bewehrten Betondecke kann grundsätzlich bei den gleichen Temperaturen wie die einer unbewehrten Betondecke erfolgen. Mit dem Blick auf eine angestrebte Nutzungsdauer von 50 Jahren sollte aber besonderer Wert auf die Nachbehandlung gelegt werden. Das Bild 13 zeigt zusätzlich zu einem aufgesprühten Nachbehandlungsmittel einen vollflächig ausgebreiteten und feucht gehaltenen Vliesstoff. Mit dieser Maßnahme kann verhindert werden, dass der Beton im frühen Stadium zu schnell austrocknet und dadurch besser eine homogene Festigkeit erreicht.

Aktuell haben viele der in Deutschland agierenden Unternehmen die Betondecken herstellen mindestens einmal eine DBB realisiert und dabei eine hohe Herstellungsqualität erreicht. Sie konnten zeigen, dass die Bauweise bei uns unter den Randbedingungen aus Verkehr und Witterung ausführbar ist.

3.3 Betrieb

Die eingerichteten Strecken mit DBB wurden mit den in der Tabelle 1 gelisteten Anforderungen ausgeführt. Die Herstellungsqualität war mit wenigen punktuellen Ausnahmen hoch. Nach der Betonage und mit Abklingen der Hydratation stellten sich bei DBB die typischen freien Querrisse in Abständen von 0,7 m bis 1,4 m mit Rissöffnungsweiten von bis zu 0,5 mm ein. Diese Risse stellen keine Schäden dar, sondern sind Teil der Konstruktion. Das Bild 14 zeigt typische Beispiele.

Bild 14: Freie Querrisse in DBB

Untersuchungen in Belgien und den USA ergaben, dass sehr kleine Rissabständ, bis 30 cm, in Kombination mit anderen Einflüssen im weiteren Verlauf zu Betonausbrüchen (Punch Out) führen und sehr qroße Rissabstände, über 2,5 m, zu großen Rissöffnungsweiten führen und in der Folge Bewehrungskorrosion entsteht. Das Bild 15 zeigt Beispiele von Schäden. Durch die richtige Kombination von Beton, Stahl, Unterlage und einer ausreichenden Bauqualität lassen sich die meisten dieser Schäden verhindern. Auf den Versuchsstrecken wurden die freien Querrisse kartiert. Die meisten Rissabstände liegen in dem angestrebten Bereich. Ein Anteil über- bzw. unterschreitet die angestrebten Werte. Diese werden weiter beobachtet.

Bild 15: Ungünstige Rissabstände und die Folgen: Betonausbrüche (Punch Out) und Bewehrungskorrosion

Bei der Auswertung von Risskartierungen wurde auch die zeitliche Entwicklung der Risse betrachtet. Die meisten freien Querrisse entstehen in der Zeit von der Betonnage bis nach der ersten Frostperiode. Später treten wenige weitere Risse auf und nach etwa 4 Jahren ist die Rissentwicklung abgeschlossen. Das Bild 16 zeigt die Anzahl der Risse pro 100 m und die Umgebungstemperatur in den ersten vier Jahren am Beispiel der A 5 bei Darmstadt mit den fünf Versuchsabschnitten. Findet die Herstellung einer bewehrten Betondecke bei höheren Umgebungstemperaturen statt, so entwickeln sich die Querrisse schneller.

Bild 16: Zeitliche Entwicklung der Rissbildung in DBB

Weiterhin wurden Bohrkerne an ausgewählten Querrissen entnommen und die Rissöffnungsweiten über die Deckendicke bestimmt. Das Bild 17 zeigt ein Beispiel der A 5 bei Darmstadt. Ein Riss, der an der Oberfläche mit 0,5 mm Öffnungsweite erfasst wurde, verjüngt sich bis zur Bewehrungslage auf 0,1 mm bzw. 0,2 mm. In dieser Größenordnung ist keine Bewehrungskorrosion möglich.

Bild 17: Öffnungsweiten eines Querrisses über den Querschnitt

Bild 18: Schäden an DBB in USA: Querrisse mit Ausbrüchen, Längsrisse mit Stufenbildung und Punch Out (Quelle: FHWA)

Die Versuchsstrecken mit DBB liegen 0,5 bis 24 Jahre unter Verkehr. Das typische Rissbild hat sich eingestellt. Bisher sind keine Schäden in Form von Punch Out oder Bewehrungs-korrosion aufgetreten und es waren keine Erhaltungsmaßnahmen erforderlich. Hier steht die Frage nach der weiteren Entwicklung dieser Strecken im Raum: Welche Schäden und in welcher Häufigkeit sind zu erwarten? Welche Erhaltungsmaßnahmen werden erforderlich und welche verbleibende Restnutzungsdauer ist realistisch? Eine Recherche führte zu der amerikanischen Publikation „Durchgehend bewehrte Betonfahrbahndecken – Verlängerung der Nutzungsdauer bestehender Strecken“. Dort werden die wesentlichen Schadensfälle an DBB beschrieben: Querrisse mit Ausbrüchen, Längsrisse mit Stufenbildung und Punch Out (s. Bild 18). Es werden aber keine Angaben über deren Häufigkeit gemacht. Weiterhin sind die Randbedingungen für den Straßen- und Autobahnbau aus den USA nur bedingt auf die Verhältnisse in Europa bzw. Deutschland zu übertragen. Analysen aus Belgien kommen zu dem Schluss, dass Punch Out der wesentliche Schadensfall von DBB sind. Zwei nahe beieinanderliegende Querrisse, ein kurzer Längsriss am Rand der Betondecke zusammen mit Problemen im Untergrund in Form von lokalem Tragfähigkeitsverlust führen zu dieser Art Schaden. Die beiden anderen Schadensarten lassen sich durch entsprechende Anforderungen an Beton und Unterlage, sowie Qualitätssicherung vermeiden. Punch Out treten selten auf, sind aber nicht vollständig zu vermeiden. Sie sind abhängig vom Bewehrungsgrad und der Betondeckendicke. Das Ergebnis der Analyse ist im dreidimensionalen Diagramm im Bild 19 dargestellt. Bei der Anwendung des Diagramms auf die Versuchsstrecken mit Deckendicken von 24 cm und einem Bewehrungsgrad von 0,75 % ergibt sich 1 Punch Out pro km in 40 Jahren. In der bisherigen Nutzungsdauer von bis zu 24 Jahren ist kein Punch Out aufgetreten.

Bild 19: Punch Out in Abhängigkeit der Betondeckendicke und des Bewehrungsgrads

Um Hinweise auf zu erwartende Punch Out zu bekommen, wurden auf den Strecken Trag-fähigkeitsmessungen mit dem Falling-Weight-Deflectometer (FWD) in regelmäßigen Abständen von 20 m durchgeführt. Der Kraftstoß betrug 50 kN. In einer ersten Auswertung wurden die Deflektionen im Lastzentrum betrachtet. Das Bild 20 zeigt die Ergebnisse der Privatstraße Geseke. Nach einem und nach neun Jahren Verkehrsbelastung wurden die Messungen durchgeführt. Der überwiegende Teil (Station 300 bis 1000) der Ergebnisse liegt bei etwa 30 bis 80 µm. Innerhalb der neun Jahre haben sich die Deflektionen nicht wesentlich verändert. Auffällig ist aber der Bereich von Station 20 bis 200. Dort sind die Werte durchschnittlich von 60 µm in neun Jahren auf 100 µm gestiegen. Dieser Bereich wurde, wie aus dem Bild rechts zu entnehmen ist, auf einem neu geschütteten Damm errichtet. Es ist anzunehmen, dass hier Nachverdichtungen stattfinden und diese Einfluss auf den Straßenaufbau darüber haben. Positiv ist zu erwähnen, dass die Strecke auch in diesem Bereich eine hohe Ebenheit und entsprechenden Fahrkomfort bietet.

Das Bild 21 zeigt die Deflektionen im Lastzentrum auf der A 5 bei Darmstadt mit den fünf Versuchsabschnitten nach 15 Jahren Verkehrsbelastung. Alle Werte liegen zwischen 30 µm und 100 µm. Die Abschnitte mit Vliesstoff führen zu geringfügig höheren Deflektionen als die Abschnitte ohne Vliesstoff. Interessant ist weiterhin der Abschnitt ganz rechts mit SMA, DBB und ATS. In diesem Abschnitt gab es auf einer Länge von 80 m Probleme beim Betoneinbau. Dort ist die Betonqualität niedriger. Trotzdem wurden dort die geringsten Deflektionen gemessen.

Auf der B 56 bei Düren wurden auf der Strecke mit DBB (links) und angrenzend auf Beton in Plattenbauweise (rechts) nach 22 Jahren Verkehrsbelastung FWD-Messungen durchgeführt (s. Bild 22). Das Bild 15 zeigt die Ergebnisse. Alle Werte liegen in einem Bereich von 60 µm bis 100 µm. Bei gleicher Tragschicht, gleichen Einbaubedingungen und Verkehrsbelastung liegen die Deflektionen bei der Plattenbauweise im Mittel bei 100 µm und bei DBB im Mittel bei 80 µm.

Auf der A 94 bei Forstinning wurden nach 10 Jahren Verkehrsbelastung FWD-Messungen durchgeführt. Das Bild 23 zeigt die Ergebnisse analog zur B 56 auf einem Abschnitt mit DBB (rechts) und einem Abschnitt mit Plattenbauweise (links). Alle Werte liegen in einem Bereich von 40 µm bis 100 µm. Im Abschnitt mit Plattenbauweise sind sehr viele Wechsel in den Deflektionen zwischen 40 µm bis 60 µm und 80 µm bis 100 µm zu erkennen. Im Bereich mit DBB stellen sich vergleichsweise homogenere Deflektionen in einem Bereich von 40 µm bis 70 µm ein. Davon ausgenommen sind die bereits vorher erwähnten vier Brücken. Hier liegen die Deflektionen in einem Bereich von 100 µm bis 120 µm und unterscheiden sich deutlich von den jeweils angrenzenden Straßenaufbauten. Es ist nachvollziehbar, dass an diesen Übergängen als erstes Erhaltungsmaßnahmen erforderlich werden.

Bild 20: Privatstraße bei Geseke, FWD-Messungen nach 1 und 9 Jahren Verkehrsbelastung

Bild 21: A 5 bei Darmstadt, FWD-Messungen nach 15 Jahren Verkehrsbelastung

Bild 22: B 56 bei Düren, FWD-Messungen nach 22 Jahren Verkehrsbelastung

Bild 23: A 94 bei Forstinning, FWD-Messungen nach 10 Jahren Verkehrsbelastung

Die hier vorgestellten Ergebnisse der FWD-Messungen zeigen, dass in den bisher betrachteten Zeiträumen mit DBB geringe Deflektionen im Lastzentrum erreicht werden. Dies ist ein erster Anhaltspunkt für ein positives Verhalten. Offen ist, wie sich die Strecken bei weiteren Verkehrsbelastungen und Witterungseinwirkungen verhalten. Dazu wurden auf der E40 bei Leuven, einer der Haupt-Autobahnverbindungen in Belgien, nach 48 Jahren Verkehrsbelastung FWD-Messungen durchgeführt. In dem Bild 24 sind die Deflektionen im Lastzentrum dargestellt. Die Werte liegen bei wenigen Ausnahmen in einem Beriech von 50 µm bis 100 µm. Überträgt man diese auf die zuvor betrachteten Strecken in Deutschland, ist zu erwarten, dass sich die Deflektionen dort in den nächsten Jahrzehnten nicht erhöhen werden und die Strecken kontinuierlich ein positives Verhalten mit keinen bis wenigen Punch Out und wenigen Erhaltungsmaßnahmen zeigen.

Um diese Annahme zu bestätigen, wird das Verhalten der Strecken weiter untersucht. FWD-Messungen werden durch Ebenheitsmessungen ergänzt. Weitere Strecken mit langer Nutzungsdauer in Belgien werden in das Versuchsprogramm einbezogen.

Bild 24: E 40 bei Leuven, Belgien, FWD-Messungen nach 48 Jahren Verkehrsbelastung

3.4 Erneuerung

Bisher gibt es keine eigenen Erfahrungen mit dem Aufbruch und Recycling von DBB. Die Verfahren für unbewehrten Beton in Plattenbauweise, Polygonwalze, Fallschwert, „Glockenspiel“ oder Felsmeißel eignen sich aufgrund der Bewehrung technisch nur bedingt oder sind unwirtschaftlich. Eine Alternative stellt die Resonant Machine dar. Bei diesem Verfahren schlägt ein Druckstempel mit hoher Kraft, hoher Frequenz aber geringer Amplitude auf die auszubauende Betondecke und zertrümmert diese so, dass Beton und Bewehrung vollständig getrennt werden und ein weiteres Brechen nicht erforderlich ist. Bei diesem Vorgang bilden sich Risse im Winkel von etwa 30° aus, die sich aber ausschließlich auf die zu zertrümmernde Schicht beziehen. Darunter liegenden Tragschichten werden nicht beschädigt. Das Bild 25 zeigen das Wirkprinzip und die Maschine im Einsatz. Das Verfahren stammt aus Südamerika und ist seit über 25 Jahren im Einsatz. Die belgischen und niederländischen Kollegen setzen es seit vielen Jahren erfolgreich ein. In Deutschland beschränken sich die Anwendungen bisher auf Flugbetriebsflächen.

Bild 25: Resonant Machine, Funktionsprinzip und im Einsatz

 

4 Zusammenfassung und Ausblick

Deutschland als das zentrale Transitland in Europa benötigt ein Autobahnnetz mit einer sehr hohen Verfügbarkeit. Dies kann nur durch Bauweisen mit einem Optimum aus Nutzungsdauer, erforderlichen Erhaltungsaufwendungen, Verkehrseinschränkungen und Personaleinsatz über den gesamten Lebenszyklus erreicht werden. Eine Bauweise, die dieses Potenzial hat, ist die DBB. Von 1997 bis 2021 wurden sechs Untersuchungsstrecken dazu eingerichtet. Ziel war es, eine nahezu erhaltungsfreie Bauweise für eine Nutzung von 50 Jahren zu schaffen. Im Rahmen der messtechnischen und wissenschaftlichen Begleitung fand man heraus, dass die Anforderungen an DBB für den Beton, die Bewehrung, die Tragschichten, die Gesamtkonstruktion und Konstruktionsdetails zielführend sind und von der Praxis bestätigt werden. Die Planungskosten bewegen sich analog zu denen der Standardbauweisen. Die reinen Herstellungskosten sind etwa 20 % höher als bei den Standardbetonbauweisen. Die ausführenden Firmen haben sich in die Bauweise eingearbeitet. Sie ist unter den Randbedingungen aus Verkehr und Witterung in Deutschland ausführbar. An den 6 ausgeführten Strecken mit DBB auf Bundesfernstraßen mit bisherigen Nutzungen von bis zu 24 Jahren sind keine Schäden aufgetreten. Es waren keine Erhaltungsmaßnahmen erforderlich. Der Fahrkomfort der Strecken ist sehr gut. Die bisher gemessenen Deflektionen sind gering. Es sind langfristig hohe Tragfähigkeiten und Nutzungsdauern von 50 Jahren und mehr realistisch. Daher hat der FGSV-Arbeitsausschusses 8.3 „Konstruktion“ den Arbeitskreis 8.3.4 „Durchgehend bewehrte Betonfahrbahndecke“ beauftragt ein Merkblatt zur Bauweise zu erstellen. Dies stellt einen weiteren wichtigen Schritt bis hin zur Einführung als eine neue Standardbauweise in den RStO dar.

Unabhängig davon werden die vorhandenen Strecken weiter messtechnisch und wissenschaftlich begleitet. Optimierungspotenzial besteht in der Überbauung von DBB mit dünnen Deckschichten. Dies erfolgt im Rahmen des Forschungsprojektes FE 08.0248/2018/CGB Asphaltdeckschicht auf durchgehend bewehrte Betondecken; wissenschaftliche Begleitung der Versuchsstrecken während der Betriebsphase“ im Auftrag von: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Dort wird auch nach Möglichkeiten der rechnerischen Dimensionierung gesucht. Zur Absicherung der bisherigen Erkenntnisse zur DBB wird im Jahr 2022 auf einer Autobahn eine weitere Versuchsstrecke eingerichtet.

Literaturverzeichnis

1 FHWA: Continuously Reinforced Concrete Pavement: Extending Servicelife of Exsitig Pavement, erschienen April 2013

2 FGSV: Richtlinien für die Standardisierung des Oberbaus von Verkehrsflächen (RStO), Ausgabe 2012, Köln (FGSV 499)

3 REN, D.: Optimisation of the Crack Pattern in Continuously Reinforced Concrete Pavements. Delft: CPI Koninklijke Wöhrmann. 2015

4 Robert Otto Rasmussen R. R.: Continously Reinforced Concrete Pavement Design & Construction Guidelines, FHWA, 2011