FGSV-Nr. FGSV B 33
Ort Berlin
Datum 19.06.2019
Titel Verfügbarkeit natürlicher Gesteinskörnungen für die Bauindustrie in Deutschland
Autoren Dr.-Ing. Olaf Enger
Kategorien Betonstraßen
Einleitung

Gesteinskörnungen stellen die Basis moderner Verkehrsinfrastruktur dar. Kein Verkehrssystem und keine der derzeit praktizierten Bauweisen im Straßenbau kommt ohne erhebliche Mengen an Gesteinskörnungen aus. Angesichts der angekündigten Steigerung der Investitionen in Verkehrswege, aber auch der politisch gewollte Anstieg des Wohnungsbaus soll die zukünftige Verfügbarkeit von Gesteinsprodukten hier hinterfragt werden. Da die Ansprüche an die Haltbarkeit und Qualität insbesondere der Straßen steigen und damit tendenziell auch ein steigender Anspruch an die Leistung der Gesteinskörnungen gestellt wird, ist – bei gegebenen und unveränderbaren Lagerstätten – die Frage zu diskutieren, ob und wie sich dies auf die Nutzungsdauern dieser Lagerstätten auswirken kann.

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1 Bedarf und Produktion

Gesteinskörnungen stellen den größten Anteil an der Rohstoffnachfrage in Deutschland dar. Jährlich werden etwa 540 Millionen t Sande, Kiese und gebrochene Natursteine einschließlich Kalke und Tone nachgefragt. Diese Menge wird in Deutschland von etwa 1600 Unternehmen in rund 3200 Werken produziert. Die Werke sind relativ gleichmäßig in ganz Deutschland verteilt, so dass sich im Mittel eine geringe bis moderate Lieferentfernung zu den Abnahmestellen ergibt.

Rohstoffnachfrage in Deutschland [1000 t] Quelle: BGR 2013

Die Branche beschäftigt mit 25.000 Mitarbeitern eine vergleichsweise geringe Zahl von Menschen. Wichtig für die politische Interessenvertretung des Industriezweiges ist, dass etwa mindestens 50 %, je nach Betrachtungsweise aber auch bis zu 80 % der Gesteinskörnungs-Produktion für öffentliche Aufträge verwendet werden.

Wenngleich die Branche, wie auch deren Produkte in der Regel der Bevölkerung nur rudimentär bekannt sind, sind wir alle doch von diesen Erzeugnissen stets und ständig umgeben. Um einen Eindruck von dem Umfang an Gesteinskörnungen zu geben, der für die Aufrechterhaltung unseres modernen Lebens erforderlich ist, sei der Hinweis auf den Rohstoffverbrauch für die Herstellung eines konventionellen Wohngebäudes erlaubt, für welches allein ohne Keller bereits über 100 t Material benötigt wird. Wird ein Keller gebaut, verdoppelt sich diese Menge. Aber auch beispielsweise im Bereich der Energieversorgung werden große Mengen dieser Produkte verwendet. So werden für die Fundamente von Windrädern große Mengen Gesteinskörnungen verarbeitet. Grob gesagt benötigt man etwa 500 m³ Beton und damit rund 500 t Gesteinskörnungen je Megawatt Anlagenleistung. Für ein normales Windradfundament werden somit deutlich über 1000 t Gesteinskörnungen verbaut. Der Verkehrswegebau bildet den wichtigsten Nachfrager für Gesteinskörnungen. Bezogen auf 1 km werden für die Errichtung einer Autobahn mit über 200.000 t spezifisch die meisten Mengen benötigt, jedoch selbst für Radwege ist der Bedarf mit über 10.000 t/km sehr beachtlich. Natürlich schwanken diese Werte je nach lokalen Voraussetzungen und Bauweise erheblich.

2 Verfügbarkeit

Der normale Verbraucher mag sich wenig Gedanken zu der Verfügbarkeit der Rohstoffe machen – sie sind einfach da. Dass das in Deutschland – jedenfalls meistens – so ist, kann sicherlich als eine beachtenswerte Leistung der Gesteinsindustrie bewertet werden, da jedes einzelne Vorhaben von der Öffentlichkeit äußerst kritisch betrachtet wird und in der Regel nur gegen großen Widerstand durchzusetzen ist.

Die geologischen Voraussetzungen für eine Gewinnung von Gesteinskörnungen in Deutschland sind dagegen gut. Mit wenigen Ausnahmen liegt eine recht gleichmäßige Verteilung brauchbarer Vorkommen von Locker- oder Festgesteinen über das gesamte Bundesgebiet vor. Diese Vorkommen sind so umfangreich, dass die Rohstoffe zur Herstellung der Gesteinskörnungen aus geologischer Sicht auch bei aktueller Produktionshöhe noch – teilweise für mehrere Jahrhunderte1) – ausreichend verfügbar sind. Gemäß der Definition der Nachhaltigkeit, dass diese dann gegeben ist, wenn die Chancen nachfolgender Generationen nicht gefährdet werden2), erfolgt die aktuelle Gewinnung der Gesteinsrohstoffe somit nachhaltig.

BGR Rohstoffpotenzial-Karte (BGR 2016)

Aber die Gewinnung der Rohstoffe setzt neben einer geologisch verfügbaren Lagerstätte auch die Erlangung einer Reihe von Genehmigungen voraus. In den entsprechenden, äußerst aufwendigen Verwaltungsverfahren sind vor allem verschiedenste Arten von Schutzgebieten zu beachten. Aber auch die derzeitige bzw. geplante Nutzung der Oberfläche wie auch die Interessen der Grundeigentümer und die politischen Rahmenbedingungen stehen einer Mineralgewinnung nicht selten entgegen. In einigen Regionen scheint die Verhinderung von Rohstoffabbau geradezu ein Ziel der Politik zu sein3).

In einigen Gebieten führen diese faktischen Restriktionen bereits zu Lieferengpässen. Natürlich gibt kein Unternehmer gerne zu, dass seine Lieferfähigkeit begrenzt ist, aber es sind inzwischen Fälle bekannt, in denen Abnehmer (z. B. StrassenNRW Ende 2017) von konkreten Materialengpässen berichten oder wo bei bestimmten Betonsorten wegen der Lieferschwierigkeiten einzelner, besonderer Körnungen mit Wartezeiten von mehreren Wochen gerechnet werden muss.

1) Schulz, M., Quantitative Entwicklung und wirtschaftliche Perspektiven des Kies- und Sandabbaus, Materialien zur Bodendenkmalpflege im Rheinland, Heft 8, Köln 1997, S. 19-24

2) Gemäß Definition des Brundtland-Berichtes der Vereinten Nationen von 1987; https://www.nachhaltigkeit.info/ artikel/definitionen_1382.htm

3) Vgl. dazu: Rohstoffsicherung – kein alter Hut!, M. Schulz, N. Schröder, B. Vulpius, Sonderdruck der Stein-Verlag Baden-Baden GmbH, Iffezheim, © 2013

3 Ersatz durch Recycling?

In der politischen Diskussion wird gerne argumentiert, dass der Abbau von natürlichen Gesteinsvorkommen zukünftig nicht mehr erforderlich sein wird, da der Bedarf durch eine Steigerung des Recyclings zu decken sei. Betrachtet man jedoch die Möglichkeiten des Recyclings, so stellt man zunächst fest, dass in Deutschland jährlich rund 200 Millionen t4) mineralische Baustoffbauabfälle anfallen. Allein diese Zahl, die nur rund ein Drittel des Bedarfs an Gesteinsrohstoffen beträgt, zeigt, dass selbst einer 100 %-igen Wiederverwendung ein vollständiger Ersatz natürlicher Gesteinskörnungen nicht möglich wäre. Berücksichtigt man zusätzlich, dass ein nennenswerter Teil dieser Abfälle auf Grund ihrer Eigenschaften nicht oder nur bedingt geeignet ist und entweder zu beseitigen ist (aktuell rund 8 %) bzw. aus qualitativen Gründen nur einer sonstigen Verwertung, wie dem Deponiebau oder der Verfüllung zugeführt werden muss (aktuell ca. 57 %), so verbleiben für die Herstellung von Recyclingbaustoffen nur noch etwa 70 Millionen t/a oder rund 35 % des Aufkommens an mineralischen Bauabfällen. Diese Masse stellt ca. 12 % des Bedarfs an Gesteinsrohstoffen dar.

In diesem Umfange werden bereits heute natürliche Gesteine durch RC-Material ersetzt und die Lagerstätten entsprechend geschont. Eine nennenswerte Erhöhung dieser Menge ist indes nicht zu erwarten, da es aus technischen Gründen sehr aufwändig ist, aus den heute der „sonstigen Verwertung“ oder gar der „Beseitigung“ zugeführten Massen für anspruchsvolle Baumaßnahmen brauchbare Anteile zu extrahieren.

Eine Studie des Bundesverband Baustoffe Steine Erden kommt auch aus diesem Grund zu dem Ergebnis, das mindestens bis zum Jahr 2035 der Bedarf nach primären Steine- und Erdenrohstoffen bei deutlich über 500 Millionen t5) liegen wird. Der Anteil der Sekundärrohstoffe wird in diesem Zeitraum sogar eher sinken, da bedingt durch die sogenannte Energiewende die Stromerzeugung aus Stein- und Braunkohle rückläufig sein wird und daher beispielsweise der Anfall an Kraftwerksnebenprodukten zurückgehen wird.

Dass recykelte Baustoffe zu einem nennenswerten Anteil im Unterbau von Straßen, Wegen und Plätzen eingesetzt werden, wird bisweilen als „Downcycling“ abqualifiziert. Dagegen wird der Einsatz von RC-Material als Betonzuschlag geradezu zum Idealbild einer sinnvollen Verwendung hochstilisiert. Vergessen wird dabei jedoch, dass auch beim Einsatz als Unterbaumaterial technische Anforderungen zu erfüllen sind, die alternativ nur mit Primärbaustoffen zu erfüllen sind. Daher ersetzt diese Verwendung des RC-Materials also den Abbau natürlicher Rohstoffe und stellt damit einen sinnvollen Materialeinsatz dar.

Weiterhin ist bei dem dargelegten Denkansatz zu berücksichtigen, dass die Aufbereitung des RC-Materials für den Einsatz in hochwertigen Produkten, wie z. B. Beton, nur durch Aushalten eines erheblichen Anteils insbesondere an Feinanteilen möglich ist. Für solche Feinanteile gibt es bereits heute keine qualifizierte Verwendung, so dass die Recyclingquote durch die Umsetzung solcher „Upcycling“-Ideen sinken dürfte.

4) Datenquelle: Initiative Kreislaufwirtschaft Bau, 2012

5) Quelle: bbs-Studie „Die Nachfrage nach Primär- und Sekundärrohstoffen der Steine-Erden-Industrie bis 2035 in Deutschland“, Berlin, März 2016

Die Gesellschaft wird also noch viele Jahre auf natürliche Gesteinskörnungen angewiesen sein.

Umso wichtiger ist, dass alle Beteiligten zu einem verantwortlichen Umgang mit den Lagerstätten beitragen.

4 Ist Import eine Lösung?

Der Anteil im- und exportierter Mengen an Gesteinskörnungen nach und von Deutschland ist aktuell mit 2 bzw. 5 % der Nachfrage statistisch gesehen gering.

Eine wesentliche Steigerung des Imports mit dem Ziel, absehbare Materialengpässe zu beheben oder gar die Gewinnung von heimischen Gesteinsrohstoffen gravierend einzuschränken ist kaum vorstellbar. In den meisten umliegenden Ländern sind ähnliche Restriktionen des Abbaus wie in Deutschland bekannt. Die einzigen vorstellbaren Ausnahmen dürften allenfalls Schottland und Norwegen darstellen. Von dort werden aktuell rund 3,5 Mio. t, und damit unter 1 % der Nachfrage importiert. Die Zielmärkte dieser Importe liegen naturgemäß in Norddeutschland. Um aus dieser – statistisch gesehen – nahezu unbedeutenden Menge eine relevante Größe zur Versorgung der deutschen Bauindustrie werden zu lassen, wären entsprechend gewaltige Steigerungen erforderlich.

Ob dies auf Interesse der Exportregionen stößt ist fraglich. Zudem würde die Änderung der Lieferströme mit einem entsprechenden Anstieg des Güterverkehrs in Deutschland einhergehen, was aus Umweltgründen sowie angesichts der bereits heute hohen Auslastung des Transportsystems Straße kaum vorstellbar erscheint. Bei Verlagerung der Transporte auf die Bahn würde sich die Frage der Flexibilität und bei Verlagerung auf das Binnenschiff zudem die Frage der Versorgungssicherheit bei Frost, Hoch- bzw. Niedrigwasser stellen. Insgesamt würden sich nach überschlägiger Kalkulation die Materialkosten – ohne Berücksichtigung des Effektes der Anbieterkonzentration auf den Preis – allein aufgrund des steigenden Transportaufwandes um den Faktor 4 vergrößern.

5 Was können „Sie“ tun?

Angesichts der somit dauerhaft unverzichtbaren Nutzung der heimischen Lagerstätten muss es ein gesamtgesellschaftliches Ziel sein, den hohen volkswirtschaftlichen Wert dieser Geschenke der Natur anzuerkennen. Es ist zudem zu vermitteln, dass Lagerstätten bezüglich ihrer Lage, ihrer Eigenschaften und ihrer Rohstoffmengen unveränderbar, unvermehrbar und daher schützenswert sind. Diese Erkenntnis versuchen die einzelnen Rohstoffunternehmen, aber insbesondere ihre Verbände der Öffentlichkeit nahe zu bringen.

Auch der Verbraucherseite sollte an diesem Ziel gelegen sein, da die Verfügbarkeit eines vielfältigen Gesteinsangebotes in allen Regionen Deutschlands sicheres und preisgünstiges Bauen erst ermöglicht. Neben der Minimierung der Transportkosten sollte das Interesse des Verwenders zudem in der Erhaltung einer breiten Anbieterpalette liegen, um einen möglichst großen Wettbewerbsdruck aufrecht zu erhalten.

Zudem können gerade die institutionellen Verbraucher mit einem angemessenen Nachfrageverhalten zu einer nachhaltigen Schonung der vorhandenen Rohstoffstandorte beitragen. Dazu sollten die Nachfrager – und hier ist insbesondere der Straßenbau angesprochen – für anstehende Baumaßnahmen soweit technisch möglich von den lokal verfügbaren Baustoffen und damit den lokalen Lagerstätten ausgehend planen und nicht die maximal möglichen Materialeigenschaften ansetzen und ausschreiben. Letzteres führt zum Ausschluss lokaler, ggf. etwas weniger leistungsfähiger Vorkommen und damit zur Erhöhung der Transportkosten sowie des damit verbundenen ökologischen Profils der eingesetzten Baustoffe. Es können aber nicht selten die Bauziele ohne Nachteile für die Qualität des Bauwerkes auch mit Gesteinskörnungsprodukten erreicht werden, die geringfügig geringere Leistungsdaten aufweisen. Dieses Verhalten dient durch die Nutzung partiell etwas weniger leistungsfähiger Lagerstätten auch der Streckung der Reichweite des gesamten Lagerstättenbestandes.

Die Eigenschaften einer Lagerstätte sind nicht veränderbar. Die Beeinflussung der wesentlichen Eigenschaften des abgebauten Gesteins kann in der Regel nur durch Selektion, also den Ausschluss einzelner Partien der Lagerstätte erfolgen. Dies betrifft die Gesteinsimmanenten Werte wie zum Beispiel alle Widerstandswerte (gegen Zertrümmerung, Verschleiß etc.), die Rohdichte sowie die chemische Zusammensetzung bzw. Reaktivität.

Nach Ausschluss der – gemessen an einem bestimmten Qualitätsziel – nicht brauchbaren Teile einer Lagerstätte besteht die Möglichkeit der aufbereitungstechnischen Qualitätsbeeinflussung im Wesentlichen in der Veränderung der Form und Größe bzw. Größenverteilung der Gesteinskörnungen. Dies erfolgt durch Brechen und Klassieren (meist durch Sieben).

Die Beeinflussung des Ergebnisses des Brechvorganges ist insofern nur unbefriedigend möglich, als stets und unvermeidbar nicht nur die gewünschte Kornklasse, sondern auch feineres Korn mit anfällt. Der Feinkornanfall kann durch die richtige Brecherauswahl und -steuerung zwar beeinflusst, aber nicht gänzlich vermieden werden. Sofern diese feineren Körnungen nicht in einer anderen Kornklasse untergebracht werden können, müssen sie aus dem Produktionsprozess ausgeschleust werden. Der nicht verwendbare Anteil wird dabei umso höher, je strengere Ansprüche an die Sieblinie gestellt werden.

Während aus gröberen Überschuss-Körungen durch weiteres Brechen immer noch bedarfsweise kleinere erzeugt werden können, stellen die Brechsande in der Regel das Ende der Bearbeitungsmöglichkeit dar. Sie sind zudem meist schwer bzw. nur zu unzureichenden Preisen absetzbar und verbleiben nicht selten als unbrauchbare Reste in der Lagerstätte.

Zu berücksichtigen ist zudem, dass die Herstellung besonders hochwertiger Gesteinskörnungsklassen – die aber heute praktisch als Standard gefordert werden – in der Regel nur durch die Nacheinanderschaltung mehrerer Brechstufen möglich ist, bei denen jeweils ein entsprechender Anteil unerwünschter Körnung/Brechsand anfällt.

Insgesamt reduziert sich bei Erhöhung der qualitativen Ansprüche an das Produkt damit der Umfang des sinnvoll nutzbaren Lagerstättenanteils. Dies bedeutet auch, dass Ansprüche, die für eine Baumaßnahme unnötig hoch gesetzt werden, auch unnötig hohe Lagerstättenverluste und damit volkswirtschaftliche Verluste erzeugen.

Der Wunsch der Gesteinskörnungshersteller ist somit, dass

1. die Anforderungen an Gesteinskörnungen stets zweckentsprechend, zumindest aber konform der TL Gestein-StB bzw. innerhalb der Kategorien der harmonisierten europäischen Normen gewählt werden,

2. zudem soweit möglich versucht wird, mit lokal verfügbaren Baustoffen zu arbeiten. Hierzu sollte auch über eine Gesteins-entsprechende Anpassung der Bauweise und Rezepturen nachgedacht werden.

3. soweit technisch möglich mit den größtmöglichen Korngrößenklassen gearbeitet wird, da – wie beschrieben – jeder Brechprozess die Lagerstättenverluste vergrößert.

Als Beispiele6) für überzogene Anforderungen seien die folgenden, in der praktischen Erfahrung der Verbände bisweilen beobachteten Anforderungen genannt:

6) Aus: Forderungen an Gesteinskörnungen immer praxisgerecht?, M. Schumacher, FGSV-Gesteinstagung 2012

Beispiel 1: Anforderung Kornform „FI10“ bzw. „SI10“ für Abstreusplitt 2/5 oder FI8 bzw. SI8 für OPA

Die Prüfung der Kornform ist nur an der Fraktion 4/5 möglich. Aus dem Ergebnis ist keine Aussage für die Fraktion 2/5 abzuleiten. Nach TL Gestein-StB sind zudem FI15 bzw. SI15 als maximale Anforderungen definiert. Diese Anforderung soll in der Ausschreibung nun nochmals verschärft werden.

Hier ist auf die laufende Forschung der FGSV zur Bestimmung der Kornform an Sanden zu verweisen. Nachdem ein Prüfverfahren entwickelt ist, kann anfangen werden, die Korrelation zwischen der Kornform und den Gebrauchseigenschaften der Gesteinskörnung wissenschaftlich nachzuweisen – wenn er gegeben sein sollte. Solange dieser Zusammenhang jedoch nicht belegt ist, ist davon auszugehen, dass die Steigerung der Anforderung nicht automatisch eine Verbesserung der Eigenschaft bringt. Damit ist eine Forderung wie oben dargelegt nicht sinnvoll. Die Kategorien FI8/SI8 für OPA stellen nicht einmal eine Kategorie nach hEN (bzw. TL Gestein-StB) dar und somit ohnehin nicht zulässig.

Insgesamt sind die Anforderungen somit nicht erfüllbar bzw. unsinnig. Soweit die Erfüllung durch den anbietenden Betrieb aber versucht wird, ist das Material zumindest durch eine weitere Brechstufe zu geben. Eher wahrscheinlich ist aber, dass die Forderung zum Ausschluss eines (eigentlich geeigneten) Lieferwerkes führt. Das Material wäre somit im Zweifel von einem weiter entfernten Werk und damit zu höheren Frachtsätzen anzufahren. Ob damit ein Qualitätsvorteil für die Baumaßnahme erkauft würde, ist fraglich.

Beispiel 2: Verwendung von nicht definierten bzw. nicht existenten „Eigenschaften“ oder Marketingbegriffen in Ausschreibungen

Es wurden beispielsweise die Begriffe „Hartgestein“ oder „Tiefengehärtetes Silikatgestein“ in Ausschreibungen verwendet. Dabei handelt es sich eher um einen Begriff aus der Produktwerbung. Unklar ist, ob eine bestimmte „Härte“ (nach welcher Definition?) nachgewiesen werden soll. Im zweiten Fall ist die Frage, ob (und mit welcher Begründung) ein bestimmter SiO2-Anteil gefordert ist und „wie tief“ das Gestein gehärtet worden sein soll.

Auch der Begriff des „kalkfreien“ Gesteins wurde verwendet. Auch hier stellt sich die Frage nach der Definition – soll das Gestein Carbonatfrei sein, oder keinen CaO-Anteil besitzen? Oder soll kein Kalkstein verwendet werden? In jedem Falle ist die technische Begründung wie auch das Nachweisverfahren nicht ersichtlich. Klar jedenfalls ist, dass die Anforderung keinesfalls der TL-Gestein sowie einer der einschlägigen Europäischen Normen entspricht.

Das Ergebnis der beiden Forderungen dürfte wohl der Ausschluss der eigentlich geeigneten, aber den genannten überzogenen Forderungen nicht entsprechenden Lieferwerke sein. Dies führt wieder zu den oben beschriebenen Nachteilen für den Auftraggeber.

Beispiel 3: Bruchflächigkeit:

Minimale Unterschiede (z. B. C90/1 zu C90/3 oder C95/1 etc.) sind – so die Forschungsergebnisse der FGSV – mit dem unzeitgemäßen weil unpräzisen Prüfverfahren in der Prüfung kaum korrekt zu trennen. Zudem besteht dieser Forschung zufolge asphalttechnologisch zwischen gut gebrochenem Kies und Granit praktisch kein Unterschied in der Wärmestandfestigkeit. Die Ausschreibung nur einer dieser Werte führt aber ggf. zum Ausschluss eines technisch geeigneten Lieferwerkes.

Eine Beeinflussung der Produkteigenschaft würde eine zusätzliche Brechstufe mit den oben geschilderten Nachteilen der erhöhten Feinkornproduktion nach sich ziehen.

Beispiel 4: Polierwiderstand

Gerade zu dieser Produkteigenschaft ist bisweilen eine große Zahlengläubigkeit zu beobachten. Zwar führte die Einführung des Herrnholzer Granit auf Grund der FGSV-Forschung zu einer besseren Verfügbarkeit sowie stabileren Qualität des Kontrollgesteins, jedoch konnte die Präzision des PSV-Verfahrens bislang noch nicht erhöht werden. Bei dieser wurde die Kategorienbreite schließlich nicht ohne Grund mit ± 3 Punkten definiert. Hieraus ist zu folgern, dass es besser ist, statt anhand der Zahlen singulärer Prüfergebnisse zu entscheiden, die langzeitige Erfahrung mit den regional verfügbaren Vorkommen zu berücksichtigen. Andernfalls führt dies ggf. zum Ausschluss einer (tatsächlich geeigneten) Lagerstätte.

Beispiel 5: unberechtigte Umweltanforderungen:

Gerne wir die Forderung erhoben, die eingesetzten Gesteinskörnungen sollen den Zuordnungswerten der LAGA Z0 entsprechen. Diese Forderung ist einerseits formal unzulässig, da nach TL Gestein-StB, Abs. 2.4 bei natürlichen Gesteinskörnungen die Umweltverträglichkeit grundsätzlich als gegeben angesehen wird. Auch sollte – gerade bei der lokalen Verwendung der Rohstoffe – die geogene Hintergrundbelastung am Ort der Baumaßnahme beachtet werden. Nicht selten liegen diese Werte über oder wenigstens auf dem Niveau der entsprechenden Werte der Gesteinskörnungen. Mit einer solchen unzulässigen Forderung wird die lokal verfügbare Lagerstätte ggf. zu Unrecht und zu allseitigem Nachteil ausgeschlossen.

6 Zusammenfassung

Die aktuelle Versorgungslage mit Gesteinskörnungen in Deutschland ist noch ausreichend. In fast allen Regionen des Bundesgebietes sind leistungsfähige Gesteinsbetriebe zu finden, was in der Regel eine lokale oder zumindest regionale Versorgung ermöglicht. Aus geologischen Gesichtspunkten ergibt sich absehbar keine Beschränkung der Versorgung, jedoch ist zu beobachten, dass mit teilweise starken politischen Restriktionen – bei großen regionalen Unterschieden – die Tätigkeit der Gesteinsindustrie erschwert wird. Im günstigsten Falle gibt es in wenigen Regionen keinen grundsätzlichen politischen Widerstand, dann sind nur die langwierigen Genehmigungsverfahren sowie die Frage der privatrechtlichen Verfügbarkeit von Gewinnungsflächen die begrenzenden Faktoren. Im Ergebnis führen beide Situationen zum gleichen Ergebnis: die Erweiterung bzw. der Neuaufschluss von Lagerstätten wird behindert. Bei aktuell stark gestiegenem Bedarf reduziert sich somit die Leistungsfähigkeit der Gesteinsindustrie immer weiter, so dass mit einer weiteren Verknappung des Angebotes am Markt und damit einer Ausweitung der Lieferengpässe zu rechnen ist. Das Phänomen der Bauverzögerungen durch Materialmangel dürfte damit in Zukunft häufiger auftreten.

Eine Lösung durch „mehr Recycling“ ist wegen des beschränkten Aufkommens an Abbruchmassen nicht zu erwarten. Bereits heute werden über 90 % dieser Massen wiederverwendet, können aber nur 12 % des Bedarfs an Gesteinskörnungen ersetzen. Die aktuell im Rahmen der Mantelverordnung diskutierte Verschärfung der Grundwasserverordnung dürfte vielmehr die Anforderungen an die verwendbaren Materialien nochmals steigern und damit die Verwendung von RC-Material erschweren.

Wachsende – und zum Teil unnötige – qualitative Ansprüche an die Gesteinskörnungen haben einen nennenswerten Einfluss auf die Nutzung der Lagerstätten. Hier kann seitens der Abnehmer mit einer angemessenen Wahl der Ansprüche an die Gesteinskörnungen ein erheblicher Einfluss auf die Inanspruchnahme der Lagerstätten und damit auf deren volkswirtschaftlich sinnvollen Einsatz ausgeübt werden.

Grundsätzlich ist die Gesteinsindustrie jedoch selbstverständlich bereit und in der Lage, die sinnvolle technische Weiterentwicklung der verschiedenen Bauweisen zu unterstützen und auch zukünftig anforderungsgerechte und qualitativ hochwertige Produkte – nicht nur für den Straßenbau – bereitzustellen.