FGSV-Nr. FGSV B 34
Ort Aschaffenburg
Datum 26.09.2020
Titel Erkenntnisse aus der Geschichte des Betonstraßenbaues
Autoren Em. Univ.-Prof. Dr.techn. Dr.-Ing. E.h. Rupert Springenschmid
Kategorien Betonstraßen
Einleitung

Die Bauweise der RAB, 22 cm Beton auf Papierlage und dünner Sandschicht wurde bis in die Sechzigerjahre beibehalten, bald baute man aber zuvor Frostschutzschichten ein und verwendete die in Amerika entwickelten Luftporenmittel. Später hat man begonnen auf Stahlmatten zwischen Unter- und Oberbeton ebenso wie auf Raumfugen, zu verzichten und den Abstand der Querfugen auf nur 5 m zu verringern. Mitte der Achtzigerjahre wurde auf die in den USA schon 3 Jahrzehnte hindurch bewährte Gleitschalungsfertigung umgestellt, was u.a. den Verzicht auf die bisher vorgeschriebenen Schutzzelte nötig machte. Verbesserungen der Herstelltechnik, der eingesetzten Maschinen und der Prüftechnik führten zur heutigen hohen Qualität.

Der Güterfernverkehr wird sich in den nächsten 30 bis 50 Jahren verdoppeln. Noch größere Staus, vor allem an Baustellen, werden künftig noch heftigere Kritik auslösen. Andererseits stoßen selbst Verbreiterungen von Autobahnen in zunehmendem Maße auf den Widerstand der Anrainer, neue Strecken sind kaum mehr durchsetzbar. Der von Jahr zu Jahr größer werdende Mangel an qualifizierten Fachkräften wird besonders Baulastträger und Baufirmen treffen. Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden muss eine möglichst große Lebensdauer unserer Straßen und Brücken das vordringlichste Ziel von Forschung und Gestaltung der Regelwerke sein. Maßgebend für den volkswirtschaftlichen Nutzen einer Straße sind nicht die Baukosten, sondern die Gesamtkosten des Lebenszyklus bezogen auf die zu erwartende Nutzungszeit. Das gilt auch für die Umweltbelastungen. Unsere Bauweisen müssen robuster, weniger fehlerempfindlich gemacht werden. Alle Anforderungen, auch an die Ausgangsstoffe, müssen auf ihre Notwendigkeit überprüft und möglichst vereinfacht werden. Schließlich sind auch Verbesserungen in der internationalen Zusammenarbeit nötig, um aus Neuerungen anderer Länder rascher Gewinn zu erzielen. Ebenso nötig ist eine Verbesserung der Vertrauenskultur zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer.

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1 Einführung

„So ist es eben“ waren die Worte von Hans Christoph Seebohm, dem ersten Bundesminister für Verkehr, auf eine Kritik des Rechnungshofes. Offensichtlich hatte einer seiner Leute eine Bauweise in Auftrag gegeben, die etwas mehr kostete als eine andere, die vom Rechnungsprüfer als gleichwertig, gleich dauerhaft eingestuft wurde. Seebohm reagierte mit den Worten: „So ist es eben. Der Rechnungshof denkt sehr viel nach. Wir aber denken voraus.“

In den schnoddrigen Worten des Politikers steckt eine tiefe Wahrheit. Wir nutzen heute noch die Infrastruktur, Wasserbauten, Eisenbahntrassen und Brücken des 19. Jahrhunderts und sind froh, wenn wir nur wenig erneuern müssen. Wir freuen uns über romanische und gotische Kathedralen aus einer Zeit, in der es noch keine Lebensdauerbemessung gab. Übrigens, Seebohm hat 17 Jahre lang ununterbrochen sein Ressort geleitet, so lange wie kein anderer Bundesminister mehr, selbst als er Vizekanzler unserer Bundesrepublik war.

Die Geschichte unseres Betonstraßenbaues ist eine Erfolgsgeschichte, leider auch mit manchen Irrwegen, ähnlich wie auch bei all den anderen technischen Entwicklungen. Man denke nur an die Concorde oder die Boing 737max, oder wer kann sich noch an den Kreiskolbenmotor von Wankel erinnern? Vorausdenken heißt aber auch aus Fehlern lernen, dazu muss man kritisch und auch selbstkritisch vorgehen.

2 Entwicklung der Bauweise

Eine 5 cm dicke Sandschicht auf den Untergrund, darauf Autobahnpapier und dann gleich 22 cm Beton, gleichsam als Gliederkette, war die Bauweise aus der Vorkriegszeit nach der Anweisung für den Bau von Beton-Fahrbahndecken der Reichsautobahnen, der ABB von 1939. Sie wurde bei Wiederbeginn des Autobahnbaues übernommen. Bald erkannte man aber, dass Schäden durch Tausalz nur mit den in Amerika entwickelten Luftporenmitteln verhindert werden können, auch zeigte sich in vielen Fällen, dass Frostschutzschichten vorgesehen werden müssen (Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen, 1963). Ein dickerer Unterbau, und später auch Tragschichten kamen noch hinzu.

Gegen Stahlmatten zur Bewehrung jedes Deckenfeldes musste ich noch 1965, 20 Jahre nach dem Krieg, bei der österreichischen Südautobahn ankämpfen, obwohl klar war, dass man durch eine Stahlbewehrung keine Risse verhindert, sondern nur größere Öffnungsweiten vermeiden kann. In den Nachkriegsjahren wollte uns aber noch so mancher, mitunter sogar sehr profilierter Brückenbauer, weismachen, dass man die Probleme des Betonstraßenbaues nur durch höhere Zugfestigkeit des Betons lösen kann. Es gab sogar vorgespannte Betondecken und solche mit massiver Stahlbewehrung, wie es die Russen lange gemacht haben. Finsterwalder meinte, man müsse vorgespannte Betonstangen einbetonieren. Für Fahrbahndecken aus Beton gelten aber eigene technische Grundlagen, die erst erarbeitet werden mussten. Betondecken sind keine Brücken, die einstürzen, wenn die Tragfähigkeit erschöpft ist, sondern werden schon viel früher rumpelig und nicht mehr befahrbar für den heutigen schnellen Verkehr.

Anfangs waren uns die Amerikaner um einiges voraus, weil sie die große Motorisierungswelle schon drei Jahrzehnte vor uns hatten. Zur Lösung des Fugenproblems bauten sie große Versuchsstrecken, bei denen auch einiges kaputtgehen durfte, ja musste, und der Unternehmer nicht dafür haften musste. Neue Erkenntnisse waren wichtiger. Nicht weniger Fugen, sondern mehr, alle 15 Fuß, also 5 m, (Springenschmid, 1962). Es dauerte sehr lange bis sich diese Erkenntnisse auch bei uns durchsetzten. Wir brauchten dazu eine überzeugende Theorie, die uns Eisenmann nach Messungen der Temperaturgradienten zwischen oben und unten im Beton lieferte (Eisenmann, 1965). Weggelassen wurden endlich auch die Raumfugen, aus denen im Sommer der Verguss heraus gedrückt wurde.

Einzelne amerikanische Staaten haben auch angefangen, die Deckendicke wirtschaftlich zu optimieren, um Dollars einzusparen. Dazu wurde angenommen, was ein halber Zoll Mehrdicke kostet, was an Kapitalzinsen zu erwarten ist und wie der Verkehr zunehmen wird. Mit einer Formel wurde berechnet, dass für eine so optimierte Lebensdauer von beispielsweise 21 Jahren eine Dicke von z.B. 7 ½ Zoll nötig sei. Dann kam aber alles ganz anders. Wirtschaftlich optimierte Decken gingen oft schon vor der halben Zeit kaputt, oft nach starken Regenfällen im November. Und man hatte obendrein vergessen, was es kostet, vor einem Neubau die alte Decke zu entfernen.

Bei unseren Autobahnen wurde damals noch der Beton zwischen höhengenau verlegten Schalungsschienen eingebaut, eine Mannschaft von an die 100 Mann war für Autobahnbaustellen nötig. Schalungsschienen für 22 cm Betoneinbaudicke waren teilweise noch vom Bau der Reichsautobahn (RAB) vorhanden. In Kalifornien hat man schon früh versucht, auf Schalungsschienen zu verzichten und hat Gleitschalungsfertiger entwickelt. Bis 1958 wurden dort schon über 1000 km Betonfahrbahnen mit einem Gleitschalungsfertiger hergestellt, (Springenschmid, 1960). Erst nachdem man in Frankreich, England, der Tschechoslowakei und selbst in der DDR mit einem Gleitschalungsfertiger arbeitete, wagte es in den Achtzigerjahren Theodor Moss von der Fa. Hochtief bei Landebahnen in Saudi-Arabien einen Gleitschalungsfertiger zu erproben und sein Personal einzuschulen. Für unsere Autobahnen war aber noch mühsame Überzeugungsarbeit nötig. Wie in anderen Ländern brauchten auch wir Verfahren, um Dübel und Anker ohne die bisherigen Stahlkörbe einzusetzen. Auch musste man auf die bis dahin vorgeschriebene Arbeitszelte für den Fertiger und auf einen oft 80 m langen Zug von Nachbehandlungszelten verzichten. Kein Zweifel, in unserem regenreichen Klima können Zelte von Vorteil sein. Aber, es ist mit guten Nachbehandlungsmitteln gelungen, auf diesen hohen Aufwand zu verzichten und auch ohne Zelte gute Betondecken zu bauen. Auch Decken mit mehr als 22 cm Einbaudicke waren endlich mit dem Gleitschalungsfertiger ohne besonderem Aufwand herzustellen, weil man keine auf die Einbaudicke abgestimmten Schalungsschienen mehr brauchte.

Um diese Zeit fand man auch, dass man die ohnehin hohe und gleichmäßige Griffigkeit von Betonoberflächen noch verbessern sollte. Mit den unterschiedlichsten Verfahren wurden die Oberflächen des frisch eingebauten Betons strukturiert, womit man gleichzeitig auch den Lärm rasch fahrender Fahrzeuge zu mindern suchte. Aber, Mörteloberflächen werden allmählich glatt. Anfang der Neunzigerjahre hat Prof. Sommer von Wien aus versucht, an Stelle des Mörtels die viel widerstandsfähigeren Gesteinskörner an die Oberfläche zu bringen. Ein Verfahren hierfür baustellenreif zu machen, war nicht einfach. Sommer hatte sich zuvor als Maschinenführer ausbilden lassen, was ihm dann auch half, das Baustellenpersonal einzuschulen, (Sommer, 18). Immer wieder mussten Rückschläge überwunden werden. Neuerungen erfordern eben oft sehr viel Mühe, Fachwissen und Fingerspitzengefühl bis endlich zufriedenstellende Ergebnisse gefunden werden. Obendrein auch Vertrauen der Geldgeber, damit die Arbeiten nicht abgebrochen werden müssen. Für den neuen Waschbeton mussten auch die nötigen Verzögerer und Nachbehandlungsmittel ebenso wie geeignete Prüfverfahren entwickelt werden. Die ersten Waschbeton-Oberflächen haben sich in Österreich schon 16 Jahre lang bewährt, als man die Bauweise auch in der Bundesrepublik durch ein ARS einführte.

Auch von der Verwaltung gingen Initiativen für Verbesserungen aus. Etwa von Hans-Jürgen Franke vom Niedersächsischen Landesamt für Straßenbau der, wie Sommer in Wien, die technischen Voraussetzungen dafür schuf, aus alten, abgängigen Betondecken die groben Gesteinskörnungen für neue Decken zu gewinnen.

In all den Jahrzehnten wurden unzählige Forschungsarbeiten durchgeführt, vor allem um bautechnische oder prüftechnische Detailprobleme zu lösen. Bei allen großen Neuerungen stand aber ein „Macher“ dahinter, der Ideen und Tatkraft hatte und sich schon über Jahrzehnte mit den Problemen der Praxis hautnah auseinandergesetzt hatte. Das hat uns vorwärts gebracht. Das war bei der Weiterentwicklung nötigen maschinellen Ausrüstung und bei den Zusatzmitteln und anderen Hilfsstoffen genau so.

Es ist nicht so lange her, dass ich auf einer Reise durch den Westen der USA, nahe Seattle, auf eine Betonstraße stieß, die mir auffiel, weil sie viel besser war, als das, was man heute in Amerika sieht. So gut, dass ich in München davon erzählte. Da stellte sich heraus, dass die Decke von einer deutschen Firma gebaut wurde. Auch ein Zeichen dafür, dass für gute Betonstraßen neben brauchbaren Regelwerken vor allem noch sehr viel Wissen und ein Stamm erfahrener Fachleute der ausführenden Firmen nötig sind.

3 Vorschau

3.1

Der freie Warenverkehr in Europa führt zwangsläufig dazu, dass der Schwerverkehr in Deutschland, dem Zentrum Europas, von Jahr zu Jahr zunimmt. Es gibt Prognosen, ob privat oder amtlich, wir wissen nicht, ob sie stimmen. Prognosen sind eben schwierig, besonderes, wie Karl Valentin (der Münchner Komiker) meinte, aber nur wenn sie die Zukunft betreffen sollen. Eine auch nur 1 ½ Prozent jährliche Verkehrszunahme führt nach 30 Jahren zu 60 % mehr Verkehr, nach 46 Jahren zu einer Verdoppelung, wenn das überhaupt noch möglich ist. Um das auszurechnen genügt Mathematik der Grundschule. Allein in den letzten 20 Jahren bis 2015 gab es beim Güterfernverkehr aber schon eine Zunahme um 60 %. Auf der Brenner-Autobahn in Tirol hat der Güterfernverkehr innerhalb von nur 6 Jahren um 38 % zugenommen. Zur größeren Anzahl von Fahrzeugen kommen aber noch zusätzliche Belastungen durch Neuerungen, die wir nur vorausahnen, aber nicht berechnen können, wie digital gesteuerten Kolonnen von Lastzügen, Gerichtsurteile, ähnlich wie zu den Fernbussen, Schwertransporte und unsere Unfähigkeit, Überlastungen einzelner Fahrzeuge nicht wirklich verhindern zu können. Die Verkehrslawine muss auf den Hauptrouten künftig zu noch mehr Staus führen, besonders an Baustellen. Dem Autofahrer ist eine Reduktion des Verkehrslärmes wichtig, ebenso eine gute Griffigkeit bei Nässe. Aber viele werden wütend, wenn sie nicht fahren können, sondern immer wieder in Staus stecken bleiben. Wir Bauleute bekommen die Prügel, auch wenn die Schuldigen woanders sitzen.

3.2

Der Mangel an qualifizierten Facharbeitern und einsatzbereiten Bauingenieuren ist heute oft schon drückend. Es fehlt an Nachwuchs. Kleinfamilien sind die Regel. Es ist heute für Firmen und Baubehörden oft schon schwer, gute Leute zu finden, mitunter selbst für Gerichte und die Polizei. Der Mangel wird nach den Regeln der Mathematik von Jahr zu Jahr größer werden. Dazu kommt noch, dass unsere Jugend in den Schulen für Umweltschutz, Biologie oder kaufmännische Fächer motiviert wird, aber nicht dafür, oft 12 Stunden oder mehr auf Baustellen zu stehen und Verantwortung zu tragen. Bei ausländischen Fachkräften kommt zu Sprachschwierigkeiten nicht selten noch dazu, dass sie kein Verständnis dafür aufbringen, dass bei uns die Einhaltung hochkomplizierter Regelwerke auf Punkt und Komma wichtiger ist als auf der Baustelle erkennbare technische Zusammenhänge.

3.3

Der heutigen Gesellschaft ist nicht mehr bewusst, worauf unser Wohlstand beruht. Grundlage für unseren Wohlstand ist auch ein freier Warenverkehr, um Produkte aus Niedriglohnländern zu beziehen. Soziale Sicherheit und Altersversorgung sind heute selbstverständlich. Die 38-Stundenwoche an Stelle der 48 Stunden in der Aufbauzeit, als wir noch alles selbst produzieren mussten, führt zu viel mehr Freizeit. Das ermöglicht auch eine Unzahl von Bürgerinitiativen, ohne Rücksicht darauf, ob dabei nicht an dem Ast gesägt wird, auf dem wir sitzen. Die Fertigstellung der A 94 von München zum ostbayrischen Industriegebiet, die kürzeste Verbindung nach Wien und Ungarn, hat 34 Jahre lang die Gerichte beschäftigt. Der Verkehr auf den engen Ortsdurchfahrten hat in dieser Zeit mehr Todesopfer gefordert als der Brückeneinsturz im italienischen Genua.

3.4

Der Umweltschutz beschränkt sich auf Maßnahmen, die die Entscheidungsträger in gutem Licht erscheinen lassen. Alibi-Maßnahmen, ohne quantitative Bewertung der Auswirkungen, wie wir es aus der Statik gewohnt sind. Dazu müsste auch der Flugverkehr eingeschränkt werden und zuvor noch Autorennen abgeschafft werden. Aber für uns Bauleute gelten strenge Regeln, die noch verschärft werden. Man kann nur hoffen, dass auch alle Bauwerke, die mit umweltfreundlich hergestellten Baustoffen hergestellt wurden, nicht schlechter als die bisherigen dem Zahn der Zeit standhalten. Denn jede Erneuerung belastet die Umwelt.

4 Was können wir tun?

Die vier Entwicklungen, Verkehrslawine, Personalmangel, Bürgerproteste und Umweltschutzmaßnahmen werden uns künftig in immer größerem Maße beschäftigen. Wir können sie nicht ändern, es bleibt uns nichts anderes übrig, als ihnen vorausschauend, soweit es in unseren Kräften steht, Rechnung zu tragen. Was können wir tun, was müssen wir tun?

4.1.

Unsere Straßen müssen so gebaut werden, dass sie länger als die bisherigen genutzt werden können. Nutzungsdauer ist wichtiger als Kosteneinzusparungen beim Bau oder die Schonung der Umwelt. Nichts nützt diesen Zielen mehr als größtmögliche Nutzungsdauer. Eine um 3 bis 5 cm größere Einbaudicke der Betondecke macht die Decke dauerhafter und sicherer gegen Überlastung. Nach Jahrzehnten können die Oberflächeneigenschaften nötigenfalls durch Grinding oder Grooving wieder nahezu auf den ursprünglichen Zustand gebracht werden. Wichtigstes Ziel muss sein, für den Bau neuer Betondecken die Voraussetzungen für die längste technisch mögliche Nutzungsdauer zu schaffen.

Die Praxis ist der maßgebende, der beste Lehrmeister, Theorien, Berechnungen, Prüfverfahren und Regelwerke sind nicht mehr als Hilfsmittel, oft sehr wichtige. Betonfahrbahnen, die erneuert werden müssen und auch solche, die schon 20 und 40 Jahre unter Verkehr stehen, sollten künftig kritisch untersucht werden. Entscheidend ist die Frage, was an unseren Bauweisen im Interesse einer längeren Nutzungsdauer verbessert werden muss. Zum Beispiel, ob bei speziellen Verhältnissen die Entwässerung verbessert werden muss? Wie unterschiedliche Tragschichten das Langzeitverhalten beeinflussen? Für diese wichtigen Untersuchungen sind hervorragende Fachleute mit langjähriger Baustellenerfahrung nötig. Die Frage ob ein Mangel vorliegt, den die ursprünglich ausführende Firma zu vertreten hat, darf dabei keine Rolle spielen.

4.2.

Unsere Bauweisen müssen robuster werden, um Risiken zu minimieren und die technische Komplexität zu reduzieren. Sie müssen weniger empfindlich bei Abweichungen von der geplanten Ausführung gemacht werden. Unsere Regelwerke müssen vereinfacht, die Grenzwerte müssen hinterfragt werden. Ungerechtfertigte Genauigkeitsanforderungen müssen herausgenommen werden.

Sind wir doch ehrlich, wie oft wurden in den Ausschüssen Anforderungen festgeschrieben, von denen wir nur wussten, dass sie gut sind für gute Straßen, manchmal haben wir das auch nur vermutet, ohne zu hinterfragen, ob sie auch notwendig sind, ob man das Ziel nicht auf einfachere Weise erreichen kann. Etwa, sind alle unsere Anforderungen an die Gesteinskörnungen wirklich notwendig. Sind die durch hohe Anforderungen verursachten Kosten und Belastungen durch lange Transportwege wirklich nötig für die Dauerhaftigkeit der Straße? Ist es nicht besser, die Tragfähigkeit durch größere Schichtdicken sicherzustellen und nicht durch schwer erzielbare Anforderungen an die Festigkeit des Betons. Bei den HGT haben wir doch gelernt, dass ausreichende Dicke wichtiger als höhere Festigkeit ist. Ja, wir müssen heilige Kühe schlachten und sollten nicht stolz darauf sein, wie lange wir gebraucht haben, um uns von schienengebundenen Fertigern und Zelten als Schutz für den frisch eingebauten Beton zu trennen. Der große Brückenbauer Fritz Leonhart hat einst für den Spannbeton gefordert, dass er so vereinfacht werden muss, dass auch mittelständige Firmen damit arbeiten können.

4.3.

Vorsicht ist bei Kostenvergleichen nötig. Ausgehungerte Konstruktionen wurden angeboten, um als Billigster den Auftrag zu bekommen. Das hat oft schon nach 6 oder 8 Jahren großen Ärger verursacht, auch bei Brücken. Man darf Kostenvergleiche nicht nur auf die Baukosten beziehen, maßgebend ist der gesamte Lebenszyklus einer Fahrbahnbefestigung, einschließlich Unterhalt. Wir brauchen Straßen, die über möglichst viele Jahrzehnte nahezu unbegrenzt verfügbar sind und nicht schon nach 20 oder 30 Jahren grunderneuert werden müssen. Kostenvergleiche sind gut, aber es darf dabei das Ingenieurdenken nicht fehlen. Auch bei allen Festlegungen in Regelwerken müssen wir über die damit verbundenen Kosten und Risiken nachdenken.

4.4

Die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene muss verbessert werden. Viele Neuerungen und wichtige Erkenntnisse haben wir aus anderen Industriestaaten übernommen, nur ging dies bei uns manchmal sehr langsam. Wir neigen leider dazu, nur das zu glauben, was wir selbst erfunden haben oder durch Berechnungen nachweisen können. Auch in englischen, belgischen oder amerikanischen Forschungsarbeiten findet man manchmal wertvolle Anregungen.

Noch wichtiger ist es, die Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer zu verbessern. Eine Vertrauenskultur zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer bringt letztlich für alle Beteiligten Vorteile. Das neue Modell der kooperativen Projektabwicklung, (Österreichische Bautechnische Vereinigung 18) ist richtungweisend. Der Wiener Hauptbahnhof, ein Projekt in der Größe des neuen Stuttgarter Bahnhofes konnte 2015 fertig gestellt werden. Nicht weniger als 140 Ingenieur- und Architektenbüros und eine noch größere Anzahl von Firmen waren beteiligt. Es wurde kooperativ zusammengearbeitet. So hat man sich große Streitfälle mit Rechtsanwälten oder Gerichten erspart.

5 Zur künftigen Infrastrukturgesellschaft

Der künftigen Infrastrukturgesellschaft kann man nur wünschen, dass sie klug das Kapital an vorhandenen Erfahrungen zu nutzen versteht. Ein Modell für die Loslösung von Autobahnen und Fernstraßen aus der Staatsverwaltung ist die österreichische ASFINAG. Sie hatte anfangs sehr damit zu kämpfen, dass die vielen in der Verwaltung vorhandenen Erfahrungen verloren gingen. Es gilt auch heute noch, was von Otto von Bismarck einst sagte: „Mit schlechten Gesetzen und guten Beamten lässt sich immer noch regieren. Bei schlechten Beamten aber helfen uns die besten Gesetze nichts.“

Literaturverzeichnis

Eisenmann, J. (1965): Theoretische Betrachtung zur Fortentwicklung der Fahrbahndecken aus unbewehrtem Beton. beton 15, H. 1, Verlag Bau + Technik GmbH, S. 19

Forschungsgesellschaft für das Straßenwesen (1963): Richtlinien für den Bau von Betonfahrbahnen. Köln

Österreichische Bautechnische Vereinigung (2018): Merkblatt Kooperative Projektabwicklung, Wien

Sommer, H. (2018): Die Entwicklung des Betonstraßenbaues in Österreich. Österreichische Ingenieur- und Architekten-Zeitschrift, 163, H.1-12, S. 187-196

Springenschmid, R. (1960): Der Bau von Betondecken ohne feste Schalung. Straßen- und Tiefbau 14, H. 8, S. 612-613

Springenschmid, R. (1962): Entwicklung des Betonstraßenbaues in Kalifornien. Straßen- und Tiefbau 16, H. 12