FGSV-Nr. FGSV 001/21
Ort Karlsruhe
Datum 11.10.2006
Titel Die Gebrauchseigenschaft Griffigkeit: Verkehrssicherheit, Bauvertragliche Anforderungen und Verantwortlichkeiten im Rahmen der ZEB
Autoren Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Bernhard Steinauer
Kategorien Kongress
Einleitung

In der StVO ist festgelegt, dass jeder Verkehrsteilnehmer nur so schnell fahren darf, dass er innerhalb der übersehbaren Strecke halten kann“. Dies bedeutet aber, dass die Straßenbaulastträger eine Mindestgriffigkeit der Fahrbahn vorhalten müssen.

Im Griffigkeitsmerkblatt wurden die Warn- und Schwellenwerte definiert und das Procedere vorgeschlagen, wenn die genannten Griffigkeitsgrenzwerte unterschritten werden. Da die Griffigkeit im Lauf der Zeit durch die Polierwirkung der Fahrzeugreifen in der Regel abnimmt muss ein gewisses Vorhaltemaß beim Neubau von Deckenbaumaßnahmen berücksichtigt werden. In den Regelwerken der ZTV Asphalt-StB und ZTV Beton-StB sind die Mindestanforderungen bei der Abnahme und nach Ablauf der Gewährleistung festgelegt. Es kann erfreulicherweise festgestellt werden, dass entsprechend der Messkampagnen der BASt auf Bundesauftobahnen die Straßengriffigkeit sich in den letzten Jahren verbessert hat. Damit ist durch Einführung des Griffigkeitsmerkblattes und die Anforderungen im Rahmen der ZTVen ein wichtiger Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit geleistet.

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Nach § 3, Abs. 1 StVO „.darf jeder Verkehrsteilnehmer nur so schnell fahren, dass er innerhalb der übersehbaren Strecke halten kann“. Der Anhalteweg in einer Notsituation hängt aber entscheidend von der Griffigkeit der Straßenoberfläche ab. Da der Verkehrsteilnehmer die Griffigkeit aus dem fahrenden Fahrzeug nicht abschätzen, kann ist es zwingend notwendig, dass der Baulastträger ein gewisses Mindestgriffigkeitsniveau vorhält, auf das sich der Verkehrsteilnehmer verlassen kann. Ein sicheres Fahren in fahrdynamischer Hinsicht setzt den Einklang von Geschwindigkeit – Sichtweite – Griffigkeit voraus.

Der Arbeitsausschuss 4.3 „Rauheit“ der FGSV hat 2003 das „Merkblatt zur Bewertung der Straßengriffigkeit bei Nässe“ erarbeitet. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen hat dieses Merkblatt eingeführt. Darin werden neben Abnahme- und Gewährleistungsgrenzwerten für bauvertragliche Maßnahmen vor allem auch Warn- und Schwellenwerte für die Straßenbauverwaltungen festgelegt (Bild 1).

Sind die Abnahmewerte für die Griffigkeit aus der Machbarkeit entwickelt worden, so sind die für die Verkehrssicherheit besonders wichtigen Schwellenwerte entsprechend dem Rechtsgutachten Prof. Bartlsperger aus dem Jahr 1998 wissenschaftlich begründet herzuleiten. Diese Vorgabe wurde vom Arbeitsausschuss „Rauheit“ der FGSV einerseits durch Unfallanalysen, andererseits durch fahrdynamische Nachweise aufgegriffen daraus wurden die Warn- und Schwellenwerte entwickelt.

Hierzu wurden auf Autobahnen in Bayern und NRW die Unfallzahlen bei Nässe aus den Jahren 1996 – 1998 herangezogen und in Trocken- und Nassunfälle unterteilt (Bild 2). Es ist klar zu erkennen, dass umgerechnet auf die Trocken- und Nasszeit der Fahrbahn bei nasser Fahrbahn wesentlich mehr Unfälle passieren. Nun daraus direkt einen Zusammenhang zwischen Griffigkeit und Unfallkostendichte einer Strecke abzuleiten, schlägt in den meisten Fällen fehl.

Bild 1: Anforderungen an die Griffigkeit mit dem Messverfahren SCRIM (Stand: Juli 2003)

Bild 2: Unfallzahlen auf BAB zwischen 1996 und 1998 getrennt nach Straßenzustand (Landschaftsverband Rheinland)

Im Bild 3 ist zu erkennen, dass es keine Korrelation zwischen Nassunfallkostendichte bzw. Nassunfallkostenrate und Griffigkeit gibt. Dies ist auf dem ersten Blick verwunderlich – trotzdem nach näherem Hinschauen verständlich. Das Sicherheitsniveau einer Straße hängt von einer ganzen Anzahl von Parametern ab und nicht nur von der Griffigkeit.

Nimmt man sich allerdings die unfallauffälligen Bereiche einer Straße vor, dann kann man sehr wohl erkennen, dass die Griffigkeit im Hinblick Verkehrssicherheit eine wichtige Rolle spielt.

Im Bild 4 ist die Wahrscheinlichkeit für das Vorhandensein einer Nassunfallhäufungsstelle als Funktion der Griffigkeit dargestellt. Es ist hier eindeutig zu erkennen, dass mit abnehmender Griffigkeit die Wahrscheinlichkeit einer Unfallhäufungsstelle zunimmt. Vergleicht man beispielsweise eine Straße mit einer Griffigkeit von 0,47 (mit der SCRIM bei 80 km/h gemessen) mit einem sehr niedrigen Wert von 0,27, so sieht man, dass die Wahrscheinlichkeit bei 0,27 5-mal so hoch ist, eine Nassunfallhäufungsstelle anzutreffen als bei 0,47.

Bild 3: Nassunfallkostendichte und -rate für Unfallhäufungsstellen in Abhängigkeit der Griffigkeit des rechten Fahrstreifens (Landschaftsverband Rheinland)

Bild 4: Wahrscheinlichkeit für das Vorhandensein einer Nassunfallhäufungsstelle in Abhängigkeit der Griffigkeit des rechten Fahrstreifens

Neben diesen Zusammenhängen im Hinblick Unfallsituation wurden auch fahrdynamische Berechnungen durchgeführt, um Schwellenwerte der Straßengriffigkeit abzuleiten. Die Ergebnisse sind für verschiedene Geschwindigkeiten im Bild 5 dargestellt. Legt man die Haltesichtweite nach RAS-L zugrunde, so kann man den erforderlichen Mindestkraftschluss einer Straße mit etwa 0,32 festhalten. Das entspricht in diesem Fall auch dem Wert 0,32 der SCRIM-Messung bei einer Messgeschwindigkeit von 80 km/h.

Dieser im o. a. Merkblatt festgelegte Schwellenwert lässt sich auch gut durch die Erkenntnisse der Unfalluntersuchungen untermauern. Nimmt nämlich die Griffigkeit weiter ab, so kann gemäß Bild 4 gut erkannt werden, dass die Wahrscheinlichkeit einer Unfallhäufungsstelle dort sehr stark zunimmt.

Wird bei der periodischen Überprüfung der Straßengriffigkeit ein geringerer Wert als 0.32 festgestellt, so ist eine abschnittsbezogene ingenieurmäßige Überprüfung dieser Strecke auf alle Fälle notwendig (Bild 6). In diesem Zusammenhang sei auf ein BGH-Urteil verwiesen, wonach zur Verkehrssicherungspflicht einer Gemeinde gehört, sich um gefährliche Streckenabschnitte zu kümmern. „Gefährlich ist dabei eine Straßenstelle, deren Beschaffenheit die Möglichkeit eines Unfalls auch dann nahelegt, wenn der Verkehrsteilnehmer, bei zweckgerechter Benutzung, die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann.“

Bild 5: Zusammenhang Haltesichtweite und erforderliche Kraftschlussbeiwerte

Bild 6: Bewertung der Griffigkeit – Empfohlene Konsequenzen und Maßnahmen

Das Gericht hat rechtirrtumsfrei festgestellt, dass die Mikrogriffigkeit des Straßenbelages im besonderen Maß gefährlich war. Den Baulastträgern wird dringend geraten, die Straßengriffigkeit in ihrem Netz in periodischen Abständen zu überprüfen und dies auch zu dokumentieren. Sind die Warn- und Schwellenwerte unterschritten so sind zur eigenen Absicherung die im Merkblatt vorgesehenen Maßnahmen durchzuführen.

Bezüglich der bauvertraglichen Griffigkeitsfestlegung im Rahmen der ZTV Asphalt-StB und ZTV Beton-StB ist folgendes zu bemerken: Die Straßengriffigkeit nimmt tendenziell mit der Zeit ab (Polierwirkung des Verkehrs). Deshalb ist ein gewisses Vorhaltemaß beim Neubau von Straßendecken notwendig. Nun muss aber dieses Vorhaltemaß so gewählt werden, dass einerseits durch die Polierwirkung des Verkehrs nicht schon nach ein paar Jahren der Schwellenwert erreicht ist, andererseits muss der Abnahmewert aber auch so gewählt werde, dass die Baufirmen bei sorgfältiger Ausführung und einwandfreiem Material diesen Wert in der Regel einhalten können. Dieser Abnahmewert wurde schließlich anhand von Häufigkeitsverteilungen festgelegt (Bild 7). Das heißt, in den ZTVen wurde für den Neubau von Straßendecken der Wert 0,46 gewählt (Bild 1).

Dieser Wert wird heute nicht mehr in Zweifel gestellt – er ist machbar und stellt ein ausreichendes Vorhaltemaß dar.

Bild 7: Häufigkeitsverteilung aller 100-m-Werte mit zugehöriger Normalverteilung für den Abnahmewert

Bild 8: Entwicklung der Griffigkeit von 1991 bis 2005 – Verschiebung der Griffigkeit vom niedrigen zum hohen Griffigkeitsbereich (Bundesautobahnen, FS 1)

Allerdings war das Messverfahren SCRIM zur Feststellung der Griffigkeit zunächst nicht befriedigend. Inzwischen wurde vom Arbeitsausschuss „Rauheit“ der FGSV eine überarbeitete TP Griff-StB (SCRIM) (nunmehr TP Griff-StB (SKM)) erstellt. Aufgrund von Forschungsergebnissen konnten Erkenntnisse in die neue Technische Prüfvorschrift einfließen und damit die Genauigkeit der Messergebnisse wesentlich erhöht werden. So werden beispielsweise die Messspur in einem genauen Abstand zur Randmarkierung definiert und Temperaturkorrekturen vorgenommen. Es ist geplant, die Technische Prüfvorschrift TP Griff-StB (SKM) im Jahr 2007 für die Bauvertragspartner zur Verfügung zu stellen.

Für kommunale Straßen, untergeordnete Straßennetze sowie an engen Radien von Autobahnanschlussstellen kann im Rahmen von ZEB-Messungen mit dem GripTester die Griffigkeit gemessen werden. Hierzu wurde vom Arbeitsausschuss „Rauheit“ eine Arbeitsanleitung erstellt.

Mit Genugtuung kann festgestellt werden, dass sich entsprechend der Messkampagnen auf Bundesautobahnen die Straßengriffigkeit in den letzten Jahren verbessert hat (Bild 8).

Damit ist schon viel erreicht worden, dank:

  • FGSV: Ausarbeitung der Regelwerke
  • BMVBS: Einführung der Regelwerke
  • Bauverwaltung: Umsetzung der Regelwerke
  • Bauindustrie: Anpassung ihres Es zeigt sich hiermit:

Die Griffigkeit lässt sich dauerhaft durch Anpassung des Baustandards zum besseren Kraftschluss zwischen Fahrzeug und Fahrbahn verändern. Dadurch wird ein wichtiger Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit geleistet.