FGSV-Nr. FGSV 001/24
Ort Leipzig
Datum 16.10.2012
Titel Europa und nationale Freigaben für Straßenausstattung: Ein Widerspruch?
Autoren Dipl.-Ing. Maike Zedler
Kategorien Kongress
Einleitung

Europa bedeutet nicht nur eine gemeinsame Währung, sondern auch die Schaffung eines gemeinsamen Marktes verbunden mit dem Abbau von Handelshemmnissen. Dies bedeutet für Produkte aus dem Bereich Straßenausstattung, dass die unterschiedlichen nationalen Anforderungen durch einheitliche europäische Anforderungen ersetzt werden. Nationale Freigaben scheinen daher nicht im Sinne Europas zu sein, da durch zusätzliche nationale Anforderungen Handelshemmnisse eher aufgebaut als abgebaut werden. Die nationalen Freigaben im Bereich Straßenausstattung dienen jedoch nicht dem Aufbau neuer Handelshemmnisse, sondern der Umsetzung europäischer Vorgaben auf nationaler Ebene. Durch die mit Hilfe der nationalen Freigaben getroffene Vorauswahl können bereits während der Ausschreibungsphase Produkte erkannt werden, die die nationalen Randbedingungen nicht erfüllen bzw. beim Einsatz zu Kompatibilitätsproblemen führen. Um dies zu verdeutlichen, werden exemplarisch für den Bereich Straßenausstattung die europäischen Anforderungen sowie die zusätzlichen Anforderungen aus den nationalen Freigaben für Fahrzeug-Rückhaltesysteme, Verkehrszeichenfolien und Fahrbahnmarkierungen betrachtet.

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1 Einleitung

Bereits 1957 hat man sich mit dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft darauf geeinigt, einen gemeinsamen Markt zu schaffen und Handelshemmnisse abzubauen. Nach Öffnung der Märkte hat sich jedoch gezeigt, dass die nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten weitere Handelshemmnisse darstellen. Die Beseitigung dieser Handelshemmnisse konnte entweder durch gegenseitige Anerkennung oder durch Harmonisierung erfolgen. Man war sich einig, dass eine gegenseitige Anerkennung im Baubereich nicht umsetzbar ist. Als Folge dessen wurde mit der Erarbeitung einer Rahmenrichtlinie zur Harmonisierung begonnen. Die ersten Entwürfe scheiterten jedoch aufgrund politischer Vorbehalte einzelner Mitgliedstaaten. Mit dem 1985 verabschiedeten „Neuen Ansatz“ wurden schließlich die Randbedingungen für eine zukünftige Harmonisierung beschlossen. Entsprechend den Vorgaben des Neuen Ansatzes sollen sich die Richtlinien zur Harmonisierung auf die wesentlichen Anforderungen ihres Geltungsbereiches beschränken. Detailregelungen sollen hauptsächlich in harmonisierten Europäischen Normen getroffen werden (Zedler, 2008). Als eine der ersten Richtlinien nach dem Neuen Ansatz wurde 1989 die „Bauproduktenrichtlinie“ verabschiedet. Die Harmonisierung beschränkt sich auf die wesentlichen Anforderungen. Zu den wesentlichen Anforderungen gehören die mechanische Festigkeit und Standsicherheit, der Brandschutz, Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz, die Nutzungssicherheit, der Schallschutz sowie Energieeinsparung und Wärmeschutz. Diese Anforderungen beziehen sich jedoch nicht auf den eigentlichen Regelungsgegenstand, sondern auf Bauwerke. Es wird davon ausgegangen, dass die wesentlichen Anforderungen an Bauwerke erfüllt werden, wenn die Bauprodukte, aus denen die Bauwerke bestehen, brauchbar sind. Die Brauchbarkeit kann durch die Erfüllung der Anforderungen der harmonisierten Europäischen Normen nachgewiesen werden. Produkte aus dem Bereich Straßenausstattung (Bild 2) gehören auf europäischer Ebene ebenfalls zu den Bauprodukten, auch wenn man sie nicht zu den herkömmlichen Bauprodukten wie Zement oder Mauersteine (Bild 1) zählen würde. Sie unterliegen damit auch den Anforderungen der Bauproduktenrichtlinie und dürfen nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie mit den Anforderungen der zugehörigen Europäischen Normen übereinstimmen.

Bild 1: Herkömmliche Bauprodukte

Bild 2: Produkte aus dem Bereich Straßenausstattung

2 Europäische Anforderungen

Gemäß dem Neuen Ansatz sollen Detailregelungen hauptsächlich in harmonisierten Europäischen Normen festgelegt werden. Diese harmonisierten Europäischen Normen werden aufgrund von Normungsaufträgen (Mandaten) der Europäischen Kommission erarbeitet. In den Mandaten wird auch festgelegt, welche Produkte und welche zugehörigen Eigenschaften genormt werden sollen. Für den Bereich Straßenausstattung gibt es das Mandat M111 und das Mandat M132. Die Erarbeitung der Normen erfolgt durch das Europäische Komitee für Normung (CEN), in dem alle nationalen Normungsinstitute der Mitgliedstaaten vertreten sind. Für den Bereich Straßenausstattung ist das Technische Komitee TC 226 zuständig (Kehrein, 1997). Im TC 226 sind schon zahlreiche harmonisierte Europäische Normen erarbeitet und anschließend veröffentlicht worden, u. a. die nachfolgend aufgelisteten Normen:

– DIN EN 1317-5 Fahrzeug-Rückhaltesysteme,

– DIN EN 12352     Warn- und Sicherheitsleuchten,

– DIN EN 12368     Signalleuchten,

– DIN EN 12899-1  Verkehrszeichen,

– DIN EN 12899-3  Leitpfosten und Reflektoren,

– DIN EN 12966-1  Wechselverkehrszeichen.

Lediglich für Fahrbahnmarkierungen existieren noch keine harmonisierten Europäischen Normen. Hier gelten noch die nationalen Regelungen jedes einzelnen Mitgliedstaates. Dieser Zustand ist jedoch nur eine Frage der Zeit, da sich die Entwürfe der Europäischen Normen für Fahrbahnmarkierungen zurzeit im endgültigen Abstimmungsverfahren beim Europäischen Komitee für Normung (CEN) befinden. Das Abstimmungsverfahren endet Anfang März 2013.

Diese harmonisierten Europäischen Normen enthalten alle einen Anhang ZA, der den Bezug zum Mandat und zur Bauproduktenrichtlinie herstellt. Darüber hinaus enthält der Anhang ZA auch Angaben der anzuwendenden Abschnitte der Norm, die einzuhalten sind, damit die Brauchbarkeit des Produktes gewährleistet ist.

Neben den harmonisierten Europäischen Normen gibt es auch nicht harmonisierte Europäische Normen. Diese enthalten keinen Anhang ZA und damit besteht auch kein direkter Bezug zum Mandat und zur Bauproduktenrichtlinie. Diese nicht harmonisierten Europäischen Normen werden beispielsweise im Bereich Fahrbahnmarkierungen von den zukünftigen harmonisierten Europäischen Normen in Bezug genommen.

Mit dem Vorliegen einer harmonisierten Europäischen Norm müssen alle nationalen, der Norm entgegenstehenden Regelungen zurückgezogen werden. Gleichzeitig sind die Hersteller verpflichtet, die Leistung, das heißt die technischen Eigenschaften ihres Produktes entsprechend den Anforderungen der harmonisierten Europäischen Norm prüfen und, falls vorgeschrieben, auch zertifizieren zu lassen. Im Bereich Straßenausstattung sieht das Mandat vor, dass nahezu alle Produkte durch eine unabhängige, dritte Stelle geprüft und zertifiziert werden, da das potenzielle Sicherheitsrisiko als hoch eingeschätzt wird. Nach erfolgter Prüfung und Zertifizierung ist der Hersteller berechtigt, gleichzeitig aber auch verpflichtet, an seinem Produkt ein CE-Kennzeichen (Bild 3) anzubringen.

Bild 3: CE-Kennzeichen

Bild 4: Mindestinformationen für CE-Kennzeichnung

CE-gekennzeichnete Produkte (Bild 4) dürfen dann frei innerhalb der Europäischen Union in den Verkehr gebracht, das heißt vermarket und angeboten, werden. Die europäischen Anforderungen werden im Folgenden exemplarisch an Fahrzeug-Rückhaltesystemen, Verkehrszeichenfolien und Fahrbahnmarkierungen konkretisiert.

2.1 Europäische Anforderungen an Fahrzeug-Rückhaltesysteme

Die europäischen Anforderungen an Fahrzeug-Rückhaltesysteme sind in der harmonisierten Europäischen Norm „DIN EN 1317-5“ festgelegt. Die Norm unterscheidet zwischen den unterschiedlichen Arten von Fahrzeug-Rückhaltesystemen – Schutzeinrichtung, Anpralldämpfer, Anfangs-/Endkonstruktion, Übergangskonstruktion und kombinierte Fahrzeug-/Fußgängerbrüstungen. Um die Leistung eines Fahrzeug-Rückhaltesystems angeben zu können, müssen die Leistung bei Anprall und die Dauerhaftigkeit bestimmt werden. Die einzelnen Parameter, aus denen sich die Leistung bei Anprall zusammensetzt, variieren je nach Art des FahrzeugRückhaltesystems. Für Schutzeinrichtungen beispielsweise bestimmt sich die Leistung bei Anprall aus der Aufhaltestufe, der Anprallheftigkeit, dem (normierten) Wirkungsbereich, der (normierten) dynamischen Durchbiegung und der (normierten) Fahrzeugeindringung (Bild 5).

Bild 5: Anforderungen an Schutzeinrichtungen nach Tabelle ZA.1.b der DIN EN 1317-5

2.2 Europäische Anforderungen an Verkehrszeichenfolien

Europäische Anforderungen an Verkehrszeichenfolien sind in der harmonisierten Europäischen Norm „DIN EN 12899-1“ festgelegt. Die europäischen Anforderungen unterteilen sich in Anforderungen an Sichtbarkeitsmerkmale und Anforderungen an die Dauerhaftigkeit (Bild 6). Zu den Sichtbarkeitsmerkmalen gehören die Normfarbwertanteile bei Tag und der
Leuchtdichtefaktor sowie der spezifischen Rückstrahlwert. Die Dauerhaftigkeit beinhaltet Anforderungen an die Schlagfestigkeit und den Widerstand bei Bewitterung.

Bild 6: Anforderungen an Verkehrszeichenfolien nach Tabelle ZA.1 der DIN EN 12899-1

2.3 Europäische Anforderungen an Fahrbahnmarkierungen

Unabhängig davon, dass es noch keine harmonisierten Europäischen Normen für Fahrbahnmarkierungen gibt, nach denen eine CE-Kennzeichnung erfolgt, gibt es bereits Europäische Normen, die die Anforderungen an die Leistung, das heißt die technischen Eigenschaften sowie die Prüfmethode regeln.

Europäische Anforderungen für Fahrbahnmarkierungen sind in der Europäischen Norm „DIN EN 1436“ geregelt (Bild 7). In dieser Norm sind Mindestanforderungen an die verkehrstechnischen Eigenschaften aufgelistet. Zu den verkehrstechnischen Eigenschaften zählen die Griffigkeit, die Tages- und die Nachtsichtbarkeit. Darüber hinaus gibt die Norm auch vor, wie die verkehrstechnischen Eigenschaften zu messen sind.

Bild 7: Zusammenstellung der Mindestanforderungen nach DIN EN 1436

Neben den verkehrtechnischen Eigenschaften werden auf europäischer Ebene auch Anforderungen an die Dauerhaftigkeit von Fahrbahnmarkierungen gestellt. Für die Prüfung der Dauerhaftigkeit sind 2 unterschiedliche Prüfmethoden zulässig. Die Europäische Norm „DIN EN 1824“ regelt die Randbedingungen für Feldprüfungen (Bild 8) und die Europäische Norm „DIN EN 13197“ regelt die Randbedingungen für Prüfungen auf einem Verschleißsimulator (Bild 9).

Bild 8: Feldprüfung

Bild 9: Verschleißsimulator (Rundlaufprüfanlage)

3 Nationale Anforderungen

Die harmonisierten Europäischen Normen dienen der Erfüllung der Anforderungen der Bauproduktenrichtlinie. Gleichzeitig müssen die bisher vorhandenen nationalen Regelwerke angepasst werden. Produktspezifische Anforderungen in nationalen Regelwerken müssen durch produktneutrale und leistungsbezogene Anforderungen ersetzt werden (Zedler, 2010). Gleichzeitig ist dabei zu beachten, dass Europa nur die technischen Anforderungen bezogen auf die Leistung, das heißt die technischen Eigenschaften eines Produktes, und das Inverkehrbringen, nicht jedoch die Verwendung bzw. den Einsatz des Produktes regelt. Jeder Mitgliedstaat bleibt weiterhin für die Sicherheit in seinem Land und damit auch auf seinen Straßen zuständig. Nicht nur die Bauproduktenrichtlinie, sondern bereits der Neue Ansatz sehen vor, dass die Mitgliedstaaten weiterhin auf ihrem Hoheitsgebiet für die Sicherheit von Personen, Haustieren und Gütern sowie die Beachtung anderer wesentlicher Anforderungen zum Schutz des Allgemeinwohls, insbesondere zum Schutz der Gesundheit, der Verbraucher und der Umwelt, verantwortlich bleiben. Durch diese Forderung soll das bestehende und begründete Sicherheitsniveau der einzelnen Mitgliedstaaten bestehen bleiben. Ein CE-Kennzeichen auf einem Produkt bedeutet also nicht zwangsläufig, dass dieses Produkt problemlos überall eingesetzt werden kann. Dies hat mehrere Gründe. Zum einen stellen die europäischen Anforderungen an die technischen Eigenschaften bzw. die Leistung eines Produktes eine Einigung auf europäischer Ebene auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner dar und das bereits bestehende Sicherheitsniveau einzelner Mitgliedstaaten kann die Einhaltung höherer Anforderungen vorschreiben. Zum anderen regeln die europäischen Anforderungen ausschließlich die Vermarktung eines Produktes und nicht dessen Einsatz. Aus dem Einsatzort bzw. aus den vorhandenen Randbedingungen vor Ort ergeben sich zusätzliche Anforderungen, die auch durch ein CE-gekennzeichnetes Produkt erfüllt werden müssen.

Zusätzliche Anforderungen aufgrund des Einsatzortes ergeben sich beispielsweise bei der Verankerung von Schutzeinrichtungen auf einer deutschen Brückenkappe entsprechend den „Richtzeichnungen für Ingenieurbauwerke (RiZ-ING)“ (Bild 10). Es dürfen nur Anker mit einer maximalen Ankerlänge von 13 cm verwendet werden, da die deutsche Brückenkappe eine gesonderte Konstruktion mit geringer Bauhöhe ist.

Die nationalen Anforderungen werden, unabhängig davon, ob sie sich durch das Sicherheitsniveau oder den Einsatzort ergeben, in nationalen Regelwerken wie Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen (ZTV) oder Technischen Lieferbedingungen (TL) festgelegt.

Bild 10: Verankerung einer Schutzeinrichtung auf einer Brückenkappe Kap 1 nach RiZ-ING

Im Folgenden werden die nationalen Anforderungen analog zu den europäischen Anforderungen an Fahrzeug-Rückhaltesystemen, Verkehrszeichenfolien und Fahrbahnmarkierungen konkretisiert.

3.1 Nationale Anforderungen an Fahrzeug-Rückhaltesysteme

Die nationalen Anforderungen an Fahrzeug-Rückhaltesysteme sind in Deutschland in den „Richtlinien für den passiven Schutz an Straßen durch Fahrzeug-Rückhaltesysteme“ (RPS), Ausgabe 2009 festgelegt. Die RPS schreiben als eine wesentliche Forderung vor, dass Fahrzeug-Rückhaltesysteme die Anforderungen der Europäische Norm DIN EN 1317 erfüllen müssen. Die Erfüllung der Anforderungen ist durch Vorlage von entsprechenden Prüfberichten nachzuweisen. Aufgrund der Prüfergebnisse erfolgt die Einteilung in Leistungsklassen, die sich wiederum aus der Europäische Norm ergeben. Neben den allgemeinen Anforderungen, die aus der Europäischen Norm abgeleitet sind, enthalten die RPS 2009 auch nationale einsatzspezifische Anforderungen (Ellmers, 2011). Aufgrund des Einsatzortes ergeben sich beispielsweise für Schutzeinrichtungen weitere Anforderungen an die Aufhaltestufe (Bild 11).

Bild 11: Anforderungen aufgrund des Einsatzortes an die Aufhaltestufe nach den RPS

3.2 Nationale Anforderungen an Verkehrszeichenfolien

Die nationalen Anforderungen für Verkehrszeichenfolien sind in den „Technischen Lieferund Prüfbedingungen für vertikale Verkehrszeichen“ (TLP VZ), Ausgabe 2011 festgelegt. In den TLP VZ werden aus den europäischen Anforderungen an vertikale Verkehrszeichen die für Deutschland relevanten Klassen ausgewählt und durch weitere nationale Anforderungen ergänzt. So kann davon ausgegangen werden, dass ein Verkehrszeichen sowohl die europäischen als auch die nationalen Anforderungen erfüllt, wenn die TLP VZ eingehalten werden. Im Gegensatz zu der Europäischen Normen sind in den TLP VZ sowohl Anforderungen an Folien mit Glasperlentechnik als auch für mikroprismatische Folien enthalten. Für mikroprismatische Folien liegen europäische Anforderungen ausschließlich in Form von Europäischen Technischen Zulassungen (ETA) vor. Die harmonisierte Europäische Norm lässt 2 Klassen für den Farbbereich im Neuzustand zu – eine große und eine kleine Farbbox. Die TLP VZ dagegen schreiben vor, dass die kleinere Farbbox im Neuzustand und die größere Farbbox nur im Gebrauchszustand einzuhalten sind. Darüber hinaus lassen die TLP VZ – im Gegensatz zur DIN EN 12899-1 – keine Reduzierung des spezifischen Rückstrahlwertes von im Siebdruck erstellten Aufsichtsfarben auf 70 % zu.

Neben den Anforderungen an den Farbbereich und den spezifischen Rückstrahlwert verweisen die TLP VZ für die Art der Signalbilder und der Beschriftung auf den nationalen Katalog der Verkehrszeichen (VzKat). Dies bedeutet, dass nicht jedes beliebige Signalbild und jede beliebige Farbe für ein Verkehrszeichen in Deutschland verwendet werden darf (Bilder 12 und 13).

Bilder 12 und13: Verkehrszeichen in Deutschland sowie im europäischen Ausland

3.3 Nationale Anforderungen an Fahrbahnmarkierungen

Die nationalen Anforderungen an Fahrbahnmarkierungen sind in den „Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und Richtlinien für Markierungen an Straßen“ (ZTV M 02), Ausgabe 2002 und den „Technischen Lieferbedingungen für Markierungen“ (TL M 06), Ausgabe 2006 enthalten (Bild 14).

Bild 14: Mindestanforderungen nach den ZTV M 02 bzw. nach den TL M 06

Die nationalen Anforderungen an Fahrbahnmarkierungen ergeben sich aus den europäischen Anforderungen. Es wurden jedoch nicht für alle verkehrstechnischen Eigenschaften die Mindestanforderungen aus der Europäischen Norm DIN EN 1436 übernommen. Für die lichttechnischen Anforderungen (Tages- und Nachtsichtbarkeit) wurden höhere Klassen als nationale Mindestanforderungen festgelegt. Darüber hinaus müssen Fahrbahnmarkierungen für den Einsatz in Deutschland die Anforderungen an den Verschleiß sowie die Überrollbarkeit erfüllen.

4 Nationale Freigaben

Die Anpassung der nationalen Regelwerke an die europäischen Vorgaben, hat dazu geführt, dass produktspezifische Anforderungen durch produktneutrale und leistungsbezogene Anforderungen ersetzt werden mussten. Die praktische Umsetzung der angepassten nationalen Regelwerke erweist sich immer wieder als schwierig, da nicht alle Randbedingungen, die sich aus dem Einsatz ergeben, vollständig abgedeckt werden. Das führt dazu, dass die Lücke zwischen produktneutraler Ausschreibung und tatsächlichem Einsatz geschlossen werden muss. Hier helfen die nationalen Freigaben.

Nationale Freigaben gibt es in Deutschland bereits im Bereich Fahrzeug-Rückhaltesysteme sowie im Bereich der Verkehrszeichenfolie. Im Bereich Fahrbahnmarkierungen gibt es bereits seit langem nach nationalem Regelwerk eine Freigabe, auch wenn es hier noch keine harmonisierten Europäischen Normen und keine CE-gekennzeichneten Produkte gibt.

4.1 Nationale Freigaben für Fahrzeug-Rückhaltesysteme

Ziel der nationalen Freigabe für Fahrzeug-Rückhaltesysteme ist die Beibehaltung des nationalen Sicherheitsniveaus, die Rücksichtnahme auf den Bestand, die Schaffung sinnvoller Randbedingungen für einen funktionierenden Markt sowie eine Vereinfachung für die Verwaltungen. Durch die Freigabe sollen in Deutschland weiterhin sichere, geprüfte, zertifizierte und miteinander kompatible Fahrzeug-Rückhaltesysteme eingesetzt werden (Kübler, 2012). Ein CE-Kennzeichen bedeutet nicht zwangsläufig, dass das Fahrzeug-Rückhaltesystem für den jeweiligen Einsatzort geeignet ist und das gewünschte Sicherheitsniveau erzielen kann. Im Rahmen der nationalen Freigabe, im Bereich der Fahrzeug-Rückhaltesysteme als Einsatzfreigabe bezeichnet, wird anhand von allgemein zugänglichen Kriterien überprüft, an welchen Einsatzorten (z.B. Fahrbahnrand, Mittelstreifen, Brücke) das Fahrzeug-Rückhaltesystem eingesetzt werden kann. Diese Einsatzfreigabekriterien unterteilen sich in drei Abschnitte:

– Grundvoraussetzungen,

– Anforderungen aufgrund des Einsatzortes,

– Bedarfsanforderungen.

Zu den Grundvoraussetzungen gehören die formalen Anforderungen (u. a. CE-Kennzeichen), die Modularität des Gesamtsystems sowie die Materialanforderungen. Dabei spielt die Modularität eine wesentliche Rolle, da für einen längeren Ausbauabschnitt allein die Anforderungen aus der Europäischen Norm nicht ausreichend sind. Für den Ausbauabschnitt sollten sinnvollerweise die unterschiedlichen Randbedingungen (z. B. Abschnitte mit Bauwerken, Abschnitte mit Schilderbrücken im Mittelstreifen, Mittelstreifenüberfahrten sowie Anschlussmöglichkeiten an vorhandene Schutzeinrichtungen am Beginn und Ende) durch ein Gesamtsystem abgedeckt werden. Die Einsatzfreigabekriterien aufgrund des Einsatzortes ergeben sich aus den Einsatzbereichen nach den RPS (Bild 15). Neben den Anforderungen aufgrund des Einsatzortes werden auch die zu der jeweiligen Schutzeinrichtung zugehörige Übergangskonstruktion (Bild 15) sowie Anfangs- und Endkonstruktionen beurteilt. Zu den Bedarfsanforderungen zählen besondere Anforderungen beispielsweise hinsichtlich der Haltesichtweite, der Winterdiensttauglichkeit oder des Motorradfahrerschutzes.

Fahrzeug-Rückhaltesysteme, die die Einsatzfreigabekriterien erfüllen, werden in die Einsatzfreigabeliste aufgenommen. Diese Liste wird von der Bundesanstalt für Straßenwesen im Internet veröffentlicht.

Bild 15: Übergangskonstruktion von Beton auf Stahl

4.2 Nationale Freigaben für Verkehrszeichenfolien

Die nationale Freigabe von Verkehrszeichenfolien dient in erster Linie der Vereinfachung für die Verwaltung aber auch für die Hersteller. Im Rahmen der nationalen Freigabe für Verkehrszeichenfolien wird die Einhaltung der Anforderungen der TLP VZ überprüft. Im Gegensatz zu der Einsatzfreigabe für Fahrzeug-Rückhaltesysteme deckt die Freigabe von Verkehrszeichenfolien ausschließlich die in der TLP VZ vorgegebenen europäischen und nationalen Anforderungen ab. Aus dem Einsatzort ergeben sich keine gesonderten Anforderungen, die im Rahmen der Freigabe zu überprüfen sind. Neben der Überprüfung des Farbbereiches und des spezifischen Rückstrahlwertes werden die  Verkehrszeichenfarbe sowie die durchgeführte Bewitterung überprüft. Nur bei erfolgter Freibewitterung kann eine endgültige Freigabe erfolgen. Da eine Freibewitterung jedoch 3 Jahre dauert, wird in der Regel von der Möglichkeit, eine künstliche Bewitterung durchzuführen, Gebrauch gemacht, um eine vorläufige Freigabe zu erhalten. Im Rahmen der Freigabe wird für mikroprismatische Folien die Vorzugsrichtung dokumentiert. Eine erfolgte Freigabe soll zukünftig in einer Freigabeliste, die derzeit in Vorbereitung ist, dokumentiert werden. Bislang erhalten ausschließlich die Antragsteller ein Schreiben mit der erfolgten Freigabe.

4.3 Nationale Freigaben für Fahrbahnmarkierungen

Auch wenn die nationale Freigabe von Fahrbahnmarkierungen zurzeit noch nach ausschließlich nationalen Anforderungen und nicht nach europäischen Anforderungen erfolgt, ist sie vergleichbar mit der Freigabe von Verkehrszeichenfolien. Die Freigabe dient auch hier der Vereinfachung für die Verwaltung sowie die Hersteller und der Information. Markierungssysteme, die die nationalen Anforderungen der ZTV M 02 und der TL M 06 erfüllen, werden für den Einsatz in Deutschland freigegeben. Im Rahmen der nationalen Freigabe werden keine zusätzlichen Anforderungen überprüft. Die Auswahl eines für den jeweiligen Einsatzort und das zugehörige Verkehrsaufkommen ist nicht Bestandteil der Freigabe. Dies muss im Rahmen der jeweiligen Ausschreibung berücksichtigt werden. Dabei gibt die ZTV M 02 bereits vor, dass auf mehrbahnigen Straßen vorzugsweise Markierungssysteme des Typs II (Bild 16) eingesetzt werden sollen.

Die nationale Freigabe erfolgt in Form einer auf der Internetseite der Bundesanstalt für Straßenwesen veröffentlichen Datenbank. In der Datenbank sind alle für den Einsatz auf deutschen Bundesfernstraßen freigegebenen Markierungssysteme aufgelistet, sofern der Antragsteller dieser Veröffentlichung zugestimmt hat. Hinweise, ob die nationalen Anforderungen erfüllt sind, finden sich ebenfalls auf dem Prüfzeugnis wieder.

Bild 16: Markierungssysteme des Typs II

Mit Blick in die Zukunft stellt sich jetzt schon die Frage, ob und in welcher Form eine nationale Freigabe von Fahrbahnmarkierungen erfolgen soll. Da nach Harmonisierung der Europäischen Normen keine BASt-Prüfzeugnisse mehr ausgestellt werden können, sondern alle erforderlichen Informationen zu dem Markierungssystem der CE-Kennzeichnung entnommen werden müssen, scheint eine Freigabe mit dem Ziel der Vereinfachung für Hersteller und Verwaltung sinnvoll. Gleichzeitig würde die Freigabe dazu beitragen, dass sinnvolle Randbedingungen für einen funktionierenden Markt geschaffen werden.

5 Zusammenfassung und Fazit

Die europäischen Anforderungen beziehen sich ausschließlich auf die Leistung, das heißt die technischen Eigenschaften eines Produktes. Die Erfüllung dieser Anforderungen wird mit dem CE-Kennzeichen dokumentiert und der Hersteller kann sein Produkt nicht nur im Herstellungsland, sondern auch in allen anderen Ländern der Europäischen Union in Verkehr bringen. Die unterschiedlichen nationalen Anforderungen sind durch einheitliche europäische Anforderungen ersetzt worden.

Den europäischen Anforderungen gegenüber stehen die nationalen Anforderungen, die erforderlich sind, da die Verwendung allgemein bzw. aufgrund spezieller Randbedingungen vor Ort nicht durch europäische Vorschriften geregelt wird. Weiterhin sind die nationalen Anforderungen erforderlich, um das bereits bestehende Sicherheitsniveau aufrecht zu erhalten. Über die Festlegung der Verwendung in den nationalen Anforderungen hinaus sind Hilfestellungen für alle beteiligten Akteure sinnvoll. Diese Hilfestellung erfolgt durch nationale Freigaben. Anhand der nationalen Freigabe können beispielsweise nicht geeignete Produkte oder Produkte, die zu Kompatibilitätsproblemen führen, bereits während der Ausschreibungsphase erkannt und bei der Wertung der Angebot entsprechend berücksichtigt werden. Dies hilft Anbietern wie Auftraggebern.

Nationale Anforderungen sowie Freigaben führen dazu, dass nicht alle CE-gekennzeichneten Produkte überall eingesetzt werden können. Die technischen Eigenschaften, die ein Produkt zur Erlangung eines CE-Kennzeichens erfüllen muss, sind aufgrund der harmonisierten, europäischen Anforderungen in allen Mitgliedstaaten identisch. Daraus lässt sich ableiten, dass Europa und nationale Freigaben nicht im Widerspruch zueinander stehen, sondern sich ergänzen. Europa vereinheitlicht die technischen Anforderungen und darauf aufbauend sind nationale Regelungen bzw. Freigaben als Hilfestellung erforderlich, um die europäischen Anforderungen auf nationaler Ebene wirkungsvoll umzusetzen, ohne das bestehende nationale Sicherheitsniveau und damit auch die Verkehrssicherheit zu gefährden. Die nationalen Anforderungen einer Freigabe stellen keinesfalls das CE-Kennzeichen bzw. die technischen Eigenschaften eines Produktes infrage. Es werden lediglich aus einer sehr großen Angebotspalette die Produkte ausgewählt, die die für die Verwendung in Deutschland vorgeschriebenen Anforderungen erfüllen, die sich aus dem konkreten Einsatzort ergeben.

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