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1 Einleitung Im Jahr 1991 erschienen die „Empfehlungen für Verkehrserhebungen“ (EVE 91). Das Regelwerk stellte über lange Jahre eine fundierte Grundlage für Verkehrserhebungen dar. Dies lag daran, dass die bereitgestellten Informationen die damals wichtigsten Verkehrserhebungen umfassten und dabei so allgemeingültig gehalten waren, dass es sich um – vergleichsweise – zeitlose Hinweise handelte. Warum also eine Überarbeitung?
Erhebungen und die Anforderungen an sie unterliegen einem stetigen Wandel:
- In den vergangenen Jahren sind neue Aufgaben entstanden, die methodische Weiterentwicklungen von Verkehrserhebungen, z. B. mittels Technologieeinsatz oder Aussagen zu neuen Erhebungsverfahren, wie z. B. zum Wirtschaftsverkehr, notwendig machten.
- Gesellschaftliche Rahmenbedingungen haben sich gewandelt, so dass auch Verkehrserhebungen auf diese Entwicklungen reagieren mussten, dies betrifft beispielsweise das Thema Teilnahmebereitschaft, Datenschutz aber auch den Einsatz von Telekommunikationsmitteln.
- Rechtliche Randbedingungen und Verfahrensvorschriften, wie z. B. Datenerfordernisse für Umweltplanungen, entwickeln sich weiter und veranlassen methodische Weiterentwicklungen von Erhebungen.
Auf die jetzt abgeschlossene Überarbeitung der EVE bezogen bedeutet dies konkret:
- Es gibt Erhebungsmethoden, die in der EVE 91 noch nicht oder nicht ausreichend behandelt waren, aber heutzutage als Standard anzusehen sind.
- Das Thema Statistik ist eine wesentliche Säule einer guten Erhebung; entsprechende Fachbücher passen teilweise nicht auf Fragen der Verkehrsplanung oder -forschung. Aussagen zu Stichprobenplanung, Hochrechnungsverfahren, Nonresponse-Analysen u. Ä. sind aber auch für Verkehrserhebungen entscheidend.
- Wesentliche gesellschaftliche Randbedingungen haben sich verändert; dies hat direkten oder indirekten Einfluss auf die Verkehrsteilnahme und damit unter anderem auf die notwendigen oder sinnvollen Erhebungszeiträume/Erhebungszeiten.
- Das Thema Datenschutz ist bei Verkehrserhebungen an verschiedensten Stellen zu berücksichtigen, sowohl als Auftraggeber als auch als Auftragnehmer. Darüber hinaus sind die spezifischen Anforderungen bei den verschiedenen Erhebungsmethoden ganz unterschiedlich, so dass es aktueller, verkehrsbezogener Aussagen bedurfte.
- Das Thema Daten- und Erhebungsdokumentation war bislang nicht behandelt, stellt aber nach allen Erfahrungen und internationalen Diskussionen ein wesentliches Qualitätsmerkmal dar.
Im Jahr 2011 wurden die neuen Empfehlungen für Verkehrserhebungen (EVE 2012) fertiggestellt. Hier hinter verbirgt sich ein 6-jähriger Arbeits- und ein umfangreicher Abstimmungsprozess. 2 Aufbau, wesentliche Inhalte und Neuerungen der EVE 2012 An dieser Stelle kann keine verkürzte Darstellung der „Empfehlungen für Verkehrserhebungen“ erfolgen, dazu sind die dort beschriebenen Einsatzbereiche und Erhebungsmethoden zu umfangreich. Es werden jedoch die Idee hinter der Überarbeitung, ihr praktischer Nutzen und die spezifischen Anforderungen an Verkehrserhebungen dargestellt sowie Hinweise zur praktischen Nutzung der EVE 2012 gegeben.
Folgende Grundsätze hat sich der FGSV-Arbeitskreis bei der Erarbeitung der aktuellen „Empfehlungen für Verkehrserhebungen“ gesetzt:
- Erarbeitung in enger Abstimmung mit dem Arbeitsausschuss,
- ausgewogene Zusammensetzung des Arbeitskreises aus Praxis (Ingenieurbüros, Verwaltungen) und Wissenschaft (Universitäten, Forschungseinrichtungen),
- Beibehaltung des Empfehlungscharakters und „kein Fachbuch“,
- anwenderfreundliche Aufbereitung wesentlicher Kernaussagen/-entscheidungen,
- Konzentration auf aktuell gängige Erhebungsverfahren,
- „wert- bzw. produktunabhängige“ Aufbereitung der Verfahren,
- gleicher Aufbau jedes Kapitels/Unterkapitels,
- ausgewogenes Verhältnis der Kapitelumfänge zueinander und Aufbereitung nach dem Prinzip „so viel wie nötig, so kurz und klar wie möglich“,
- Berücksichtigung aktueller Erkenntnisse und Forschungsvorhaben, u. a. „Ermittlung von Standards für anforderungsgerechte Datenqualität bei Verkehrserhebungen“ der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt).
Dies führt in Summe zu einem sehr einheitlich strukturierten Aufbau der EVE 2012, sowie zu sehr klaren Abgrenzungen sowie knappen, aber konkreten Erläuterungen und den erwähnten notwendigen inhaltlichen Ergänzungen. 2.1 Aufbau und „Lesehilfe“ der EVE 2012
Der Aufbau der aktuellen „Empfehlungen für Verkehrserhebungen“ ist wie folgt:
1. Einführung
2. Statistische Grundlagen von Erhebungen
3. Zählungen
4. Messungen
5. Beobachtungen
6. Mobilitätsbefragungen
7. Erfassung von Verhaltensreaktionen in hypothetischen Märkten
8. Qualitative Erhebungsverfahren
9. Datenschutz bei Verkehrserhebungen
10. Literatur
11. Anhang
Zu den Neuerungen zählen damit
- ein Übersichtskapitel zu statistischen Grundlagen, mit praktischen Hinweisen zur Stichprobenplanung und zu Hochrechnungsverfahren,
- ein neues Unterkapitel zu Erhebungen im Wirtschaftsverkehr, das heißt zu Befragungen von Kfz-Haltern und zu Betriebs- bzw. Unternehmensbefragungen,
- ein Kapitel zu Befragungen von Verhaltensreaktionen in hypothetischen Märkten,
- ein neues Kapitel zu qualitativen Ansätzen, angefangen von qualitativen Interviews bis Stadtteilspaziergängen,
- Empfehlungen zu Erhebungs- und Datendokumentation, mit Hinweisen zum notwendigen Umfang von Dokumentationen je Erhebungsart und zu Metadaten,
- ein Kapitel zum Datenschutz mit Hinweisen zur aktuellen Rechtslage und den aktuellen Anforderungen an Datenschutzkonzepte.
Die methodischen Unterkapitel 3 bis 8 (Zählungen, Messungen, Beobachtungen, Befragungen, Erfassung von Verhaltensreaktionen in hypothetischen Situationen, Qualitative Erhebungsverfahren) sind jeweils identisch aufgebaut:
x.1 Anwendungsgebiete
x.2 Grundsätzliche Verfahrenshinweise x.3 Erhebungsverfahren
x.3.1 Merkmale und Kennzeichen der Methode
x.3.2 Eignung und Einsatzgebiet
x.3.3 Hinweise zur Organisation und Durchführung
x.3.4 Fehlerquellen
x.3.5 Datenaufbereitung x.x Datenaufbereitung und Datendokumentation
x.x.1 Datenaufbereitung
x.x.2 Gewichtung und Hochrechnung
x.x.3 Datenarchivierung und Dokumentation Wesentlich bei der Erarbeitung und damit für die Benutzung der EVE 2012 ist Folgendes:
- Übergreifende Informationen finden sich in den Abschnitten 1 „Einführung“, 2 „Statistische Grundlagen“ und 9 „Datenschutz“.
- Die Abschnitte, die sich mit den jeweiligen Erhebungsverfahren beschäftigen, können
- ergänzt um die allgemeinen Hinweise – jeweils für sich gelesen und verwendet werden. Bezüge zu anderen Verfahren sind kenntlich gemacht.
- Jedes Kapitel hat zunächst einen allgemeinen Oberbau, die Unterkapitel zu den Erhebungsverfahren sind dann jeweils verkehrsmittel- oder themenbezogen aufgebaut.
- Hinweise zu Erhebungszeiten finden sich einmal im Abschnitt 3. Die Tabelle 7 dient als „Dach“ für alle Erhebungen. Besonderheiten durch die jeweilige Fragestellung bzw. aufgrund der später zu verwendenden Hochrechnungsverfahren sind durch den Nutzer dann eigenständig vorzunehmen, zu begründen und zu dokumentieren.
- Der Anhang enthält eine Reihe von ergänzenden Hinweisen zu Berechnungsgrundlagen beispielsweise zur Stichprobenplanung oder zu Hochrechnungsverfahren, aber auch beispielhafte Erhebungsformulare.
Nachfolgend werden zur Verdeutlichung dieser grundsätzlichen Aspekte einige vertiefende Ausführungen zu den Inhalten und den Ansprüchen der „Empfehlungen für Verkehrserhebungen“ gemacht. 2.2 Wesentliche Inhalte der EVE 2012
2.2.1 Grundlagen für die Wahl der richtigen Erhebungsmethode Die Wahl der Erhebungsmethoden richtet sich nach der zu bearbeitenden Fragestellung und den Zielvorstellung, die vorab festzustehen hat. Häufig erfolgt im Vorfeld keine eindeutige Identifizierung der Frage bzw. im Nachgang zu einer Erhebung entstehen weitergehende Fragen, die „ja auch mal mit den Daten beantwortet werden könnten“. Häufig ist dies nicht möglich oder nicht sachgemäß.
Darum an dieser Stelle der Hinweis, dass vor dem Hintergrund der kontinuierlich ansteigenden Komplexität von Fragestellungen und Aufgaben und dabei gleichzeitig bestenfalls stagnierenden Haushaltsmitteln für derartige Untersuchungen, die Vorüberlegungen nicht systematisch und gründlich genug erfolgen können. Dies gilt auch für Fragen der Stichprobenplanung bzw. -umfänge. Manchmal lohnt es sich an dieser Stelle, sich hier noch einmal zusätzlichen fachlichen Rat, beispielsweise bei einem Statistiker und einem mit der Statistik sehr vertrauten Verkehrsingenieur, zu holen. Auf der anderen Seite sollte und kann man einzelne Erhebungen nicht inhaltlich überfrachten, weil sonst die Teilnahmebereitschaft der Befragten sinken kann und damit das Gesamtergebnis gefährdet wird.
Die Auswahl einer geeigneten Erhebungsmethode kann anhand folgender Fragen erfolgen:
- Was ist der Erhebungsanlass?
- Was ist das Ziel bzw. sind die Ziele der Erhebung?
- Welche Erfahrungen aus vorangegangenen Erhebungen können in die Planungen einbezogen werden?
- Was ist die angestrebte Aussagegenauigkeit?
- Sind die Untersuchungsmerkmale eindeutig zu erheben?
Es gibt nicht „die eine“ Erhebungsmethode, die alle Fragen beantworten kann. Es gibt immer nur Erhebungsmethoden, die für konkret anstehende Aufgaben als am geeignetsten anzusehen sind. Hierzu ist die inhaltliche und räumliche Abgrenzung der Aufgabenstellung (Erhebungsziel) notwendig. Die zu wählende Erhebungsmethode und deren Umfang stellen dabei immer einen Ausgleich zwischen dem Erhebungsziel, den methodischen Möglichkeiten und den notwendigen bzw. vorhandenen Finanzmitteln dar.
Bei den in der EVE 2012 vorgestellten Erhebungsmethoden werden grob Zählungen, Befragungen und Beobachtungen unterschieden.
Zählungen
Zählungen dienen dazu, Ortsveränderungen von Personen und Gütern auf den Verkehrswegen eines Untersuchungsraums zu erfassen.
- Objektzählungen sind Zählungen von Personen und/oder Fahrzeugen, die sich während eines Zeitabschnittes in einem klar abgrenzbaren Raum aufhalten (z. B. Zählungen von
Personen auf einem Platz oder Zählungen von parkenden Fahrzeugen).
- Mit Querschnittszählungen werden Personen und/oder Fahrzeuge erfasst, die während eines definierten Zeitabschnittes einen Zählquerschnitt passieren.
- Knotenpunkterhebungen dienen zur Erfassung von Verteilungen der Verkehrsströme; bei überschaubaren Verkehrsabläufen an einem Knotenpunkt können nach Geh- oder Fahrtrichtung getrennte Querschnittszählungen erfolgen.
- Bei Zählungen von Fahrzeugen im Netz werden Verkehre für einen größeren Planungsraum erfasst. Bei Kordonerhebungen, das heißt definierten Ein- und Ausfahrtquerschnitten in/aus einem Planungsraum, werden alle ein- und ausströmenden Verkehre erfasst. So lassen sich dann Ziel-, Quell- und Durchgangsverkehrsanteile bestimmen.
Befragungen
Mit Befragungen werden bei Personen erinnerte und/oder beabsichtigte Verkehrsaktivitäten und Verkehrsverhaltenshintergründe erfasst; dies erfolgt zudem mit eindeutigen zeit-, raumund soziodemografischen Bezügen.
- Befragungen im Verkehrsnetz sind zumeist Kurzbefragungen von Personen an ausgewählten Punkten im Verkehrsnetz, auf Parkplätzen oder in Verkehrsmitteln des öffentlichen
Personenverkehrs. Zentrale Inhalte der Erhebung sind meist Quell- und Zielangaben, Wegezwecke sowie soziodemografischen Strukturen.
- Befragungen im Haushalt erfolgen bei zufällig ausgewählten Haushalten meist mittels standardisierter Fragebögen zur Erfassung aushäusiger Verkehrsaktivitäten.
- Befragungen am Aktivitätsort finden z. B. auf Parkplätzen im Bereich von Freizeitanlagen statt.
- Befragungen im Betrieb oder Unternehmen dienen zur Erfassung des Wirtschafts- oder Besucherverkehrs sowie für Pendlererhebungen. Aufgrund der Komplexität des Wirtschaftsverkehrs erfolgt so zumeist nur eine ausschnitthafte Erfassung der zugehörigen Verkehrsaktivitäten bzw. ihrer Erklärungsvariablen.
Beobachtungen
Beobachtungen dienen zur Erfassung äußerer Merkmale und sichtbarer Verhaltensweisen von Personen. Es können nur die unmittelbar sichtbaren Verhaltensweisen bei der Verkehrsteilnahme und nicht die Verhaltenshintergründe erfasst werden. Heutzutage setzt sich in diesem Zusammenhang immer stärker der Einsatz von Videoaufzeichnungen im Straßenraum durch. Hier sind aber heute deutliche höhere datenschutzrechtliche Anforderungen zu erfüllen als noch vor ca. 10 Jahren.
Die entsprechenden Details zu den verschiedenen Erhebungen können den aktuellen „Empfehlungen für Verkehrserhebungen“ entnommen werden. Nachfolgend sollen ein paar wesentliche Aussagen und Ansprüche der EVE 2012 noch mal verdeutlicht werden. 2.2.2 Qualität bei Verkehrserhebungen und der Beitrag der EVE 2012 Ein Dreh- und Angelpunkt in der Diskussion um die Überarbeitung der „Empfehlungen für Verkehrserhebungen“ war die Frage, wie man eine „gute Qualität von Verkehrserhebungen sicherstellen kann“ und welche Aussagen die EVE 2012 enthalten muss, um hierzu einen Beitrag zu leisten. Unterstützt wurden wir in dieser Diskussion durch ein Forschungsprojekt der BASt, das diese Frage noch einmal separat und umfangreich behandelt hat (Bäumer, Hautzinger et al. 2010).
Für die Qualität von Daten im Verkehrswesen liegen bislang keine allgemein verbindlichen Definitionen vor. Ausgehend von der allgemeinen Definition des Begriffes Qualität in der DINEN-ISO 9000 lassen sich folgende Merkmale für die Beschreibung der Qualität von Daten auch im Verkehrswesen heranziehen:
- Vollständigkeit,
- Genauigkeit,
- Aktualität,
- Zuverlässigkeit.
Legt man diese Kriterien zugrunde, so wird die Bedeutung einer fundierten Abgrenzung der Aufgaben- bzw. Fragestellung (Vollständigkeit), die zugehörigen notwendigen Kenntnisse zur Stichprobenplanung sowie zur Gewichtung und Hochrechnung der Daten (Genauigkeit), aber auch die notwendige Zeitnähe der erfassten Daten, das heißt die Gültigkeit der Ergebnisse zum Zeitpunkt der Nutzung der Daten (Aktualität), und natürlich die Tatsache, dass die erzeugten Daten die gestellte Fragestellung hinreichend genau beantworten (Zuverlässigkeit), deutlich. Im Bild 1 ist das Ablaufschema von Verkehrserhebungen dargestellt. Bild 1: Arbeitsschritte einer Verkehrserhebung (Quelle: EVE 2012) Das Bild 1 dürfte im Großen und Ganzen aus anderen Fachbüchern und der EVE 91 bekannt sein, allerdings ist hier eine Ergänzung eingearbeitet, die einem wesentlichem Aspekte der Datenqualität geschuldet ist: die Datendokumentation. Sowohl die internationalen Diskussionen zu Standards, als auch die Diskussionen im Arbeitskreis und angeführten Forschungsprojekt haben gezeigt, dass die Anforderungen und damit die Ausprägungen von Verkehrserhebungen so vielfältig sind, dass es kein eindeutiges „Wenn – dann“ gibt. Gemeinsamer Nenner ist die Erkenntnis, dass vor allem eine fundierte, bestimmten Ansprüchen genügende Dokumentation (vgl. unter anderem Abschnitt 1.7, der EVE 2012 (FGSV 2012a)) dazu nötigt, systematisch vorzugehen und damit bestimmte Standards von Verkehrserhebungen einzuhalten – ohne die Erhebungsvielfalt durch zu umfangreiche Vorgaben einzuschränken.
2.2.3 Warum es ein eigenes Kapitel zu Datenschutz gibt und warum das drin steht, was drin steht Bereits in Zusammenhang mit der Überarbeitungsnotwendigkeit der EVE 91 sowie bei der Frage von Kennzeichenerfassungen ist das Thema Datenschutz angeklungen. Die Überarbeitung sah daher vor, entsprechende, möglichst aktuelle und konkrete Hinweise zu geben.
Bei der Erarbeitung der EVE wurde deutlich, dass sich die Anforderungen, die sich aus dem Datenschutz ergeben, in den vergangenen 10 Jahren deutlich gewandelt und weiter entwickelt haben. Da auch zu erwarten steht, dass diese Entwicklung – auch vor dem Hintergrund der fortschreitenden Telekommunikationsmittel – noch nicht abgeschlossen ist, konnte dies Kapitel die Thematik anreißen und bestimmte grundlegende Hinweise geben. Im Detail wird jeder Einzelne, das heißt sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer von Verkehrserhebungen, mit dem jeweils zuständigen Datenschutzbeauftragten des Landes oder des Bundes, zeitnah zu jeder neuen Erhebung die wesentlichen Randbedingungen abstimmen müssen. Neben den allgemeinen Datenschutzgesetzen (Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), den Landesdatenschutzgesetzen) gibt es eine Vielzahl bereichsspezifischer Datenschutzregelungen. Hintergrund ist das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, das heißt jede Person kann grundsätzlich selbst darüber entscheiden, wem sie welche persönlichen Informationen bekannt gibt.
Zwei Kernfragen haben Sie sich zu stellen:
1. Welche rechtliche Grundlage liegt für die Erhebung vor?
2. Was muss ich in Zusammenhang mit der gewählten Erhebungsmethode datenschutzrechtlich berücksichtigen?
Hilfreich in der Abstimmung mit den jeweiligen Datenschutzbeauftragten ist es, wenn es eindeutige Gesetze gibt, die einen eindeutigen Zusammenhang zur durchzuführenden Erhebung herstellen (vgl. § 13, BDSG). Kommunale Planung und die damit in Verbindung stehenden Erhebungen haben eine rechtliche Grundlage aufgrund der Datennotwendigkeiten beispielsweise zur Erfüllung von EU-Gesetzen, zur Vorhaltung von Infrastrukturnetzen o. Ä. Grundsätzlich möglich sind Erhebungen, wenn der beispielsweise Befragte seine Zustimmung gibt.
Unter anderem müssen bei Erhebungen die folgenden Aspekte berücksichtigt werden:
- Datensparsamkeit,
- Anonymisierung bzw. Pseudonymisierung,
- Zweckbindung,
- Datenweitergabe,
- Information des Betroffenen über Datenverarbeitung,
- Technische, organisatorische Maßnahmen (wie z. B. Zutritts-, Zugangs-, Zugriffs-, räumliche und organisatorische Trennung von anderen Arbeitsbereichen, Datentrennung).
In dem Zusammenhang sind Stichworte wie „privacy in design“ und „privacy in default“ zu erwähnen.
Kurz zusammengefasst und auch dies gehört zum Thema Qualität von Verkehrserhebungen:
- Informieren Sie sich vor der Erhebung über die zum Zeitpunkt der Erhebung geltende Rechtsprechung.
- Erarbeiten Sie vorab ein Datenschutzkonzept, das die skizzierten Aspekte berücksichtigt.
- Stimmen Sie sich frühzeitig mit dem jeweiligen Datenschutzbeauftragten ab.
- Als Auftraggeber: Klären Sie rechtzeitig das Thema Aufsichtspflicht.
3 Zusammenfassung Dies war ein sehr kleiner Abriss über die aktuellen „Empfehlungen für Verkehrserhebungen“, ihrer Inhalte und ihrer Ansprüche. Die EVE 2012 sind eine Zusammenfassung der methodischen Grundlagen sowie der wesentlichen Erhebungen, sie stellt aber kein Fachbuch dar, das die verschiedenen Vor- und Nachteile einzelner Ansätze beleuchtet. Sie versucht zwischen den verschiedenen „Schulen“ zu vermitteln, um allgemeingültige Empfehlungen zu geben.
Da sie auf diese Weise aber schon sehr umfangreich geworden ist, können einzelne Aspekte nicht in dem Detaillierungsgrad behandelt werden, wie es gegebenenfalls wünschenswert wäre. Darum werden die EVE 2012 ergänzt um neue, aktuelle Hinweispapiere, die bestimmte Teilaspekte genauer beleuchten. Dies betrifft beispielsweise die Hinweispapiere zu
- Messung von Präferenzstrukturen mit Methoden der Stated Preferences (FGSV 1996),
- computergestützte Erhebungen zum individuellen Verkehrsverhalten (FGSV 2004),
- kurzzeitigen automatischen Erfassung von Daten des Straßenverkehrs (FGSV 2010),
- Panel- und Mehrtageserhebungen zum Mobilitätsverhalten (FGSV 2012b).
Was ist nun neu und anders an den Empfehlungen für Verkehrserhebungen (EVE 2012)? (Tabelle 1).
- Sie ist dicker ... dies bedeutet, dass mehr Erhebungsverfahren beschrieben sind und dass methodische Grundlagen teilweise umfassender dargestellt sind.
- Sie enthält anwenderfreundliche Übersichten zur Entscheidungsfindung, z. B. zu den Indikatoren und zugehörigen Erhebungsmethoden, zur Stichprobenauswahl, zu den Hochrechnungsverfahren bei Straßenverkehrszählungen u. Ä.
- Sie enthält modifizierte Angaben zu Erhebungszeiten (Abschnitt 3.2, Tabelle 7), die einen gemeinsamen Rahmen für alle Erhebungen und Zielgruppen darstellt, der aber je nach detaillierter Fragestellung auch anpassbar ist. Dies ist einmal in „Tabelle 7“ als Kernübersicht für alle Erhebungszeiten zusammengefasst.
- Sie enthält – auch für Nicht-Statistiker – verständliche Übersichten zu den Stichprobenauswahlen, Rechenbeispiele für Stichprobenplanungen und praktische Hinweise zu Hochrechnungsverfahren.
- Sie enthält kurze, aber praktische Ausführungen zu Fragen des Datenschutzes.
- Sie enthält bewährte und neue Beispielformulare für die verschiedenen Erhebungsmethoden.
Ziel der neuen „Empfehlungen für Verkehrserhebungen“ war es dabei nicht, alle denkbaren Erhebungsformen, sondern die am stärksten verbreiteten Verfahren zu beschreiben, ergänzt um planungspraktische Hinweise und methodisches Spezialwissen. Sie zeigt manchmal mehrere Wege auf, da noch nicht für alle Fragen abschließende Forschungserkenntnisse oder Lösungen erarbeitet sind. Auf jeden Fall ist sie als Hilfestellung bei der Erhebungsbeauftragung, -durchführung und -auswertung gedacht, um einen ausreichenden Qualitätsstandard zu gewährleisten. Sie müssen, wie auch die Ersteller der EVE, immer abwägen im Dreiklang von Qualität (Datenqualität versus Aufwand), Validität (Belastbarkeit und Angemessenheit von Aussagen) und Reliabilität (Verlässlichkeit der Daten). Tabelle 1: Beispiel für praktische Hinweise zu Plausibilitätskontrollen; hier: Zählung im Kfz-Verkehr
Die Kernbotschaft der EVE 2012 lautet: Nehmen Sie die EVE als Arbeitsgrundlage, wenden Sie sie auf Ihre Fragestellung an und vor allem dokumentieren Sie Ihre Arbeiten so genau wie möglich. Eine gute Erhebung zeichnet sich „natürlich“ durch die „richtige“ Zahl aber viel mehr noch durch eine saubere Dokumentation der Vorgehensweise aber auch der Datensätze aus. Viel Vergnügen und Erfolg bei der Anwendung der neuen EVE 2012!
Für alle, die aktuell oder dies zukünftig vorhaben, an neuen Verfahren zu arbeiten, die verkehrliche Kennziffern als Input benötigen, so sei an dieser Stelle die Bitte formuliert, sich im Vorfeld mit den Erhebungsmöglichkeiten und -grenzen zu befassen. Wir haben bereits jetzt umfangreiche methodische Kenntnisse, was geht und was nicht erfassbar – oder gar fortschreibbar bzw. prognostizierbar – ist. Methoden bzw. Berechnungsverfahren, die diesen Möglichkeiten und Grenzen nicht Rechnung tragen, sind langfristig für den Planungsbereich eher schädlich als dass sie positive Impulse für die Weiterentwicklung von Erhebungsmethoden geben. Literaturverzeichnis
B ä u m e r, M.; H a u t z i n g e r, H.; K a t h m a n n, T.; S c h m i t z, S.; S o m m e r, C.; W e r m u t h, M. (2010): Ermittlung von Standards für anforderungsgerechte Datenqualität bei Verkehrserhebungen, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Reihe Verkehrstechnik, Heft V 200, Bergisch Gladbach
Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) vom 20. Dezember 1990, neugefasst durch Bekanntmachung vom 14. Januar 2003 (BGBI I S. 66), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. 7. 2009 (BGBI I S. 2254), durch Artikel 5 des Gesetzes vom 29. 7. 2009 (BGBI I S. 2255 [2384]) und durch Gesetz vom 14. 8. 2009 (BGBI I S. 2814)
Europäisches Institut für Normung (2000): DIN-EN-ISO 9000
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (1996): Hinweise zur Messung von Präferenzstrukturen mit Methoden der Stated Preferences, Köln, FGSV 129
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2001): Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen (HBS), Köln (Neufassung in Vorbereitung)
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2004): Hinweise zu Methoden computergestützer Erhebungen zum individuellen Verkehrsverhalten, Köln, FGSV 138
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2010): Hinweise zur kurzzeitigen automatischen Erfassung von Daten des Straßenverkehrs, Köln, FGSV 120
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2012a): Empfehlungen für Verkehrserhebungen, Köln, FGSV 125
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2012b): Hinweise zu Panel- und Mehrtageserhebungen zum Mobilitätsverhalten – Methoden und Anwendung, Köln, FGSV 160
Für vergleichbare internationale Ansätze in diesem Feld siehe: http://www.travelsurveymanual.org/ |