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1 Einleitung
Mit der Einführung der Bauproduktenrichtlinie (BPR) wurde im Dezember 1988 der Weg für die harmonisierte Normung von Bauprodukten in Europa eingeschlagen. Ziel war es, den freien Warenverkehr von Bauprodukten innerhalb der Europäischen Union zu ermöglichen. Nach der jahrelangen Anwendung der BPR und den Erfahrungen daraus wurde eine Überarbeitung der BPR begonnen, die zur Erstellung und Einführung der Bauproduktenverordnung (BauPVO) geführt hat. Erste Teile der neuen Verordnung waren ab dem 24. April 2011 gültig. Die BauPVO ist zum 1. Juli 2013 vollständig in Kraft getreten und hat damit die BPR ersetzt.
Mit der BauPVO sollen weiterhin Handelshemmnisse beseitigt werden. Ferner sollen der Rechtsrahmen vereinfacht und die Wirksamkeit verbessert werden. Im Gegensatz zu einer europäischen Richtlinie, die erst in jedem Mitgliedsland der Europäischen Union umgesetzt werden muss, gilt eine Verordnung unmittelbar.
Die CE-Kennzeichnung bescheinigt nach gründlicher Prüfung die Konformität des Bauproduktes mit der erklärten Leistung. Somit wird die Marktbefähigung des Bauproduktes zum Ausdruck gebracht.
2 Die Europäische Normung
Der Weg zur CE-Kennzeichnung eines Bauproduktes führt über eine notifizierte Stelle, die als unabhängiger Dritter dessen Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit auf Basis einer harmonisierten Europäischen Norm durchführt. Die Konformität nach einer harmonisierten Norm darf dabei nicht mit einem Qualitätssiegel verwechselt werden. Die Anbringung des CE-Kennzeichens erlaubt lediglich die Annahme der Vermutung der Brauchbarkeit des Produktes. Unbrauchbare Produkte sollen im Europäischen Wirtschaftsraum nicht in Verkehr gebracht werden.
Für die harmonisierte Europäische Normung wird durch die Europäische Kommission der Europäischen Normenorganisation (CEN) ein Mandat zur Erstellung einer harmonisierten Norm erteilt. In diesem Mandat werden neben den zu normierenden Eigenschaften auch die Systeme zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit festgelegt (Bild 1). Die BauPVO kennt fünf Systeme zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit (Assessment and Verification of Constancy of Performance, AVCP).
Alle fünf Systeme erfordern die Durchführung einer werkseigenen Produktionskontrolle durch den Hersteller sowie eine Typprüfung des Produktes. Bei letzterer gibt es verschiedene Zuständigkeiten, die sowohl beim Hersteller als auch bei der notifizierten Stelle liegen können. Bild 1: Systeme zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit In den Systemen 1+, 1 und 2+ kommt die Prüfung von Proben nach festgelegtem Prüfplan durch den Hersteller hinzu. Die notifizierte Stelle führt die Erstinspektion des Werkes und der werkseigenen Produktionskontrolle sowie die laufende Überwachung, Beurteilung und Anerkennung der werkseigenen Produktionskontrolle durch und erstellt die Bescheinigung der Leistungsbeständigkeit. Nur das System 1+ kennt darüber hinaus die Stichprobenprüfung des Produktes durch die notifizierte Stelle. Für Straßenausstattungsprodukte wie z. B. ortsfeste vertikale Verkehrszeichen, Nachstreumittel für Fahrbahnmarkierungen oder Rückhaltesysteme wird das System 1 angewandt.
3 Akkreditierung und Notifizierung
Die Verordnung gilt im Gegensatz zur Richtlinie direkt in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Das Bauproduktengesetz (BauPG) ist daher nicht mehr für deren Umsetzung wie noch bei der BPR erforderlich. Es beschränkt sich nun auf die Durchführungsregelungen zur BauPVO. In diesen Durchführungsregelungen wird das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) als notifizierende Behörde benannt. Neu ist, dass für die Drittstellen die Akkreditierungspflicht vorgeschrieben wird. Die Begutachtung und Überwachung dazu erfolgt durch die Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS).
Unter der Akkreditierung ist der Nachweis des fachlichen Könnens zu verstehen. Hier wird die Kompetenz der Drittstelle durch die DAkkS überprüft. Mit der Notifizierung wird als Abschluss des Verfahrens der Nachweis des rechtlichen Dürfens erbracht. Die Drittstelle erhält die Berechtigung zur Durchführung ihrer Tätigkeiten durch das DIBt.
Entsprechend der Rahmenbedingungen aus den Systemen zur Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit wird die Drittstelle nach den verschiedenen Tätigkeitsfeldern notifiziert. Je nach System gibt es nur eine notifizierte Stelle. Der Umfang der Akkreditierung kann mehrere Stellen und somit Tätigkeitsfelder umfassen.
In den Systemen 1+ und 1 wird die Notifizierung für die Produktzertifizierungsstelle erteilt. Hier findet die DIN EN ISO/IEC 17065 für die Akkreditierung Anwendung. Darüber hinaus muss der Kompetenznachweis auch für die erforderliche Prüftätigkeit erbracht werden, was die Akkreditierung einer entsprechenden Prüfstelle nach DIN EN ISO/IEC 17025 erfordert. Im System 2 wird nur die Zertifizierungsstelle für die werkseigene Produktionskontrolle notifiziert (DIN EN ISO/IEC 17065), während im System 3 nur das Prüflabor notifiziert wird (DIN EN ISO/IEC 17025). Bild 2: Der Weg zur Notifizierung Das Notifizierungsverfahren beginnt mit der Akkreditierung einer Drittstelle durch die DAkkS für die Tätigkeiten, die die Drittstelle für die erforderliche Notifizierung abdecken muss. Die DAkkS prüft und bewertet neben der fachlichen Kompetenz auch ganz besonders die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Drittstelle. Über die erfolgreich durchlaufene Akkreditierung wird eine Akkreditierungsurkunde erstellt, mit der beim DIBt die Notifizierung zu beantragen ist. Die Akkreditierung wird zeitlich befristet für fünf Jahre ausgestellt. Während dieser Zeit müssen im Abstand von 12 bis 18 Monaten je nach Art der Akkreditierung (Prüf- oder Zertifizierungsstelle) regelmäßig Überwachungsaudits durchgeführt werden. Nach Ablauf der Befristung ist die Akkreditierung durch ein Wiederholungsaudit zu erneuern.
Das DIBt trifft die Entscheidung über die Befugnis, die Tätigkeit als notifizierte Prüf- oder Zertifizierungsstelle auszuführen. Die Notifizierung erfolgt mit der Benennung gegenüber der Europäischen Kommission. Nach Ablauf einer Einspruchsfrist von zwei Wochen durch die Kommission oder die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union kann die notifizierte Stelle ihre Tätigkeit aufnehmen (Bild 2). Die notifizierte Stelle wird mit ihrer Kennnummer im „Nando (New Approach Notified and Designated Organisations) Information System“ aufgelistet. Diese Liste ist im Internetauftritt der Europäischen Kommission veröffentlicht. Mit dem Suchwort „NANDO“ ist sie leicht auffindbar und bietet jedem Hersteller die Möglichkeit, sich europaweit über die verfügbaren notifizierten Stellen für seinen Produktbereich zu informieren.
4 Die Normenreihe DIN EN 12899
Das Mandat 111 beschreibt die Vorgaben für die Normung der Straßenausstattungsprodukte. Die Europäische Normenorganisation (CEN) erhält damit den Auftrag zur Erstellung einer harmonisierten Europäischen Norm. Mit der Normenreihe EN 12899 werden die ortsfesten, vertikalen Straßenverkehrszeichen genormt. Sie untergliedert sich in mehrere Teile. Die Teile 1, 2 und 3 sind die harmonisierten Produktnormen (ortsfeste Verkehrszeichen, innenbeleuchtete Verkehrsleitsäulen, Leitpfosten und Retroreflektoren). Die Teile 4 und 5 sind unterstützende Normen, die die werkseigene Produktionskontrolle und die Erstprüfung des Produktes beinhalten.
Die Ratifizierung dieser harmonisierten Normenreihe erfolgte am 7. 11. 2007. Innerhalb von sechs Monaten müssen die Mitgliedsländer diese Norm in eine nationale Fassung übersetzen. Im Februar 2008 ist die DIN EN 12899-1:2008-02 erschienen. Die DIN EN wurde durch Veröffentlichung im europäischen Amtsblatt (Official Journal of the European Union, OJEU) eingeführt (16. 12. 2008), weil es sich um eine harmonisierte Norm handelt. Die Einführung der DIN EN erfolgte durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger, die spätestens neun Monate nach Bekanntmachung im europäischen Amtsblatt erfolgen muss (Nr. 42 vom 18. 3. 2009).
Die Koexistenzphase, in der die CE-Kennzeichnung bereits angebracht werden kann, jedoch noch nicht obligatorisch ist, lief bis 31. 12. 2012. Ab dem 1. 1. 2013 müssen vertikale Verkehrszeichen und Aufstellvorrichtungen für Verkehrszeichen neben der Fahrbahn mit dem CEZeichen gekennzeichnet werden.
5 Ortsfeste, vertikale Verkehrszeichen
Jede harmonisierte Europäischen Norm enthält einen Anhang ZA, in dem die Verknüpfung der Vorgaben laut Mandat mit den Anforderungen und Prüfverfahren, die in der Norm beschrieben sind, vorgenommen wird. In der DIN EN 12899-1 erfolgt dies in sechs verschiedenen Tabellen, weil damit die unterschiedlichen Produkte oder Teile davon erfasst werden (Bild 3). Bild 3: Gliederung Tabellen im Anhang ZA der DIN EN 12899-1
Das Bild 4 zeigt die Zuordnung der Eigenschaften der vertikalen Verkehrszeichen zum Mandat sowie zu den freiwillig in der Europäischen Norm enthaltenen Eigenschaften und den auf nationalen Grundlagen basierten Eigenschaften.
Das CE-Kennzeichen ist ein Konformitätszeichen, das nur die Konformität der mandatierten Eigenschaften mit der harmonisierten Europäischen Norm dokumentiert. Eine Kennzeichnung der freiwilligen Eigenschaften der Europäischen Norm wird damit nicht vorgenommen. Bild 4: Zuordnung der Eigenschaften der vertikalen Verkehrszeichen Die nationale Eigenschaften resultieren aus in Deutschland gültigen Gesetzen und technischen Spezifikationen wie der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), dem Katalog der Verkehrszeichen (VzKat) und anerkannten Gütebedingungen (Gütesicherung Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen, RAL-GZ 628). Diese beschreiben im Gegensatz zur Normung der Bauprodukte im Wesentlichen Anforderungen an die Ausführung der Verkehrszeichen und Aufstellvorrichtungen. Sie stellen damit Anforderungen an das Bauwerk, die Verkehrszeichenanlage, dar. Für deren Ausführung und Kontrolle wird die Anwendung eines Qualitätssystems gefordert. Dieses wird dokumentiert durch die Anbringung eines anerkannten Qualitätskennzeichens wie das RAL-Gütezeichen für Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen.
Mit den „Technischen Liefer- und Prüfbedingungen für vertikale Verkehrszeichen“ (TLP VZ) und den „Zusätzlichen Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für vertikale Verkehrszeichen“ (ZTV VZ) wurden durch die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen Regelwerke erstellt, die neben den nationalen Anforderungen auch die auf Basis DIN EN 12899-1 erforderliche Auswahl der Klassen aus EN (physikalische und visuelle Anforderungen) beinhalten. Die TLP VZ fordert ein national anerkanntes Qualitätskennzeichen für freiwillige und nationale Eigenschaften (Bild 5). Bild 5: Kennzeichnungen Die Regelwerke TLP VZ und ZTV VZ wurden durch die Europäische Kommission überprüft, um den Grundsatz des freien Warenverkehrs sicher zu stellen und keine Handelshemmnisse zuzulassen. Dieses Verfahren der Notifizierung haben TLP VZ und ZTV VZ erfolgreich durchlaufen und wurden im Jahr 2011 veröffentlicht. Damit existieren europäisch anerkannte Regelwerke, mit deren Anwendung es dem Beschaffer von Straßenausstattungsprodukten ermöglicht wird, diese in der Ausschreibung vollständig zu beschreiben.
6 Zusammenfassung
Mit der Europäischen Normung und der CE-Kennzeichnung von Bauprodukten wird der freie Warenverkehr innerhalb der Europäischen Union ermöglicht. Auf dem Weg dahin werden akkreditierte und notifizierte Stellen für die Produktprüfung und Zertifizierung eingesetzt. An diese Drittstellen werden höchste Anforderungen sowohl an die Fachkenntnis als auch die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit gestellt. Die dafür zu durchlaufenden Verfahren stellen sicher, dass von diesen europaweit vorhandenen Stellen ein gleichartig hohes Niveau zu erwarten ist.
Am Beispiel der ortsfesten, vertikalen Verkehrszeichen wird jedoch auch deutlich, dass Europäische Normung oft nicht ausreichend ist, alle erforderlichen Eigenschaften der Straßenausstattungsprodukte vollständig zu beschreiben. Insbesondere bei den vertikalen Verkehrszeichen existieren aus StVO, VwV-StVO und VzKat eine Vielzahl von Anforderungen an die Ausführung der Verkehrszeichenanlage als Bauwerk, für deren Einhaltung zusätzliche Kontrollen und Nachweisverfahren erforderlich sind. Diese sind mit den bei der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen erstellten und in Europa notifizierten Regelwerken TLP VZ und ZTV VZ in der Praxis eingeführt.
Literaturverzeichnis
Deutsches Institut für Normung (2005): DIN EN ISO/IEC 17025:2005-08: Allgemeine Anforderungen an die Kompetenz von Prüf- und Kalibrierlaboratorien, Beuth Verlag, Berlin
Deutsches Institut für Normung (2013): DIN EN ISO/IEC 17065:2013-01: Konformitätsbewertung – Anforderungen an Stellen, die Produkte, Prozesse und Dienstleistungen zertifizieren, Beuth Verlag, Berlin
Deutsches Institut für Normung (2008): DIN EN 12899-1:2008-02: Ortsfeste, vertikale Straßenverkehrszeichen – Teil 1: Ortsfeste Verkehrszeichen, Beuth Verlag, Berlin
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2011): Technische Liefer- und Prüfbedingungen für vertikale Verkehrszeichen (TLP VZ), Ausgabe 2011, Köln (FGSV 394)
Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2011): Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für vertikale Verkehrszeichen (ZTV VZ), Ausgabe 2011, Köln (FGSV 395)
Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung (2010): RAL-GZ 628, Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen – Gütesicherung, Beuth Verlag, Berlin |