Einleitung |
Die Globalisierung und die hieraus resultierende Personen- und Güterverkehrszunahme, die Herausforderungen des technologischen und demografischen Wandels, die Notwendigkeit die Ökologie und Ökonomie auszubalancieren und der projizierte Klimawandel machen es erforderlich, die Straßenverkehrsinfrastruktur dem Wandel der Zeit anzupassen, weiterzuentwickeln und umzugestalten. Hierzu bedarf es innovativer Lösungen, die derzeit in zahlreichen Projekten des BMVI-Forschungsprogramms „Straße im 21. Jahrhundert“ erarbeitet werden, so dass die künftige Straßenverkehrsinfrastruktur sicher, verlässlich, intelligent, emissionsarm, energiesparend und nachhaltig ist und einen aktiven Beitrag als Teil des Lebensraums sowie als Innovationsträger leistet. Zur Förderung und Umsetzung von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen sowie zur Sicherung und Fortschreibung des Qualitätsstandards bei der Beurteilung sowohl einzelner Baumaßnahmen als auch netzweiter Betrachtungen wird die Bundesanstalt für Straßenwesen ein neues Demonstrations-, Untersuchungs- und Referenzareal (duraBASt) einrichten. Die Demonstrations- und Untersuchungsabschnitte sind für eine in-situ und großmaßstäbliche Anwendung neuer Materialien und Technologien vorgesehen. Innovative Entwicklungen können hier bevor sie eine Anwendung im Straßennetz finden mittels realitätsnaher Einzel- und Systemuntersuchungen auf geeigneten Testflächen beurteilt werden. Die Referenzabschnitte werden für die Qualitätssicherung und Weiterentwicklung von Messsystemen zur Erfassung der Oberflächeneigenschaften wie Längs- und Querebenheit, Griffigkeit, Textur und Substanzmerkmalen genutzt. Mit der Einrichtung eines neuen Demonstrations-, Untersuchungs- und Referenzareals im AK Köln-Ost eröffnet sich die Möglichkeit, unterschiedliche Aspekte des Gesamtsystems „Straße im 21. Jahrhundert“ in einen Zusammenhang zu stellen, zu untersuchen und zu bewerten. Hierdurch werden die Chancen für eine erfolgreiche Anwendung von Innovationen in der Baupraxis maximiert und somit eine nachhaltige Anpassung der Straßenverkehrsinfrastruktur an die zukünftigen Herausforderungen geschaffen. |
Volltext |
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1 Einführung
Die Situation der Straßenverkehrsinfrastruktur in der Bundesrepublik Deutschland wird sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten deutlich verändern. Hervorgerufen durch eine zunehmende Globalisierung und der Notwendigkeit sowie dem Interesse an Mobilität werden der Individual- und Güterverkehr weiter ansteigen. Die vorhandene Straßenverkehrsinfrastruktur altert, der projizierte Klimawandel wirkt sich auch auf die Infrastruktur aus. Rohstoffe werden knapp und die alternde Gesellschaft stellt andere Ansprüche an die Straßenverkehrsinfrastruktur.
Unter diesen veränderten Randbedingungen die für das Wohl der Gesellschaft erforderliche Mobilität zukünftig zu gewährleisten stellt eine große Herausforderung dar. Daher hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) das Forschungsprogramm „Straße im 21. Jahrhundert“ initiiert, um innovative Lösungen zu erarbeiten. In verschiedensten Forschungsprojekten werden die Elemente der zukünftigen Straßenverkehrsinfrastruktur in Laboren und Versuchshallen entwickelt. Programmatische Schwerpunkte sind die Globalisierung, der Güterverkehrsbedarf, Nachhaltigkeit, der technologische Wandel, der demografische Wandel und der klimatische Wandel. Konkretes Ziel ist, die bisher verwendeten fossilen Rohstoffe zu ersetzen, die Dauerhaftigkeit der Straßeninfrastruktur zu erhöhen, Erhaltungsmaßnahmen zu verbessern, die Verfügbarkeit der Straße zu erhöhen, alternative Antriebsvarianten zu entwickeln, intelligente Kommunikationstechniken in die Straßeninfrastruktur zu integrieren, auf die Bedürfnisse der älter werden Gesellschaft einzugehen und den Auswirkungen des Klimawandels zu begegnen. Die dabei gewonnenen Forschungsergebnisse müssen vor ihrer standardmäßigen Umsetzung im Straßennetz beweisen, dass sie dem hohen Sicherheitsbedürfnis genügen und ökonomische, ökologische sowie sozial verträgliche Alternativen zu den bisherigen Standards sind.
Mit den sich verändernden Randbedingungen nimmt die Betrachtung der Straßeninfrastruktur und deren Erhaltungsplanung eine zunehmend wichtige Rolle ein. Grundlage dieser Planung ist unter anderem die regelmäßige Straßenzustandserfassung (ZEB), wobei die hierfür eingesetzte Messtechnik regelmäßig zu überprüfen und weiterzuentwickeln ist. Dazu bedarf es einer Referenzstrecke mit Abschnitten, die dauerhaft unverändert gleiche Griffigkeits-, Textur, Ebenheitsanforderungen und Oberflächenbilder bietet.
2 Beschreibung des Areals und der Funktionalitäten
Um die genannten Aufgaben zu bewältigen, hat die BASt zusammen mit dem BMVI und dem Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen (Straßen.NRW) eine bisher ungenutzte Fläche im Autobahnkreuz Köln-Ost (BAB A 3/A 4) ausgewählt. Dort sind ein 4-stöckiges Brückenbauwerk, eine tunnelähnlich ausgebildete Brücke, Lärmschutzwände, und freie Streckenabschnitte sowie Entwässerungsanlagen vorhanden. Damit stellt das Areal eine Miniatur der heutigen Straßenverkehrsinfrastruktur und des unmittelbaren Straßenraums dar. Hier können innovative Lösungen und Maßnahmen im vollen Umfang ganzheitlich und unter realen klimatischen Einwirkungen erprobt und demonstriert werden. Die unmittelbare Nähe zur Bundesanstalt für Straßenwesen sichert eine nachhaltige Nutzung. Ferner fördert die Nähe zu den Metropolen Köln und Bonn die Vernetzung mit nationalen und internationalen Partnern aus Wissenschaft, Industrie und Politik.
Auf dieser Fläche wird das Demonstrations-, Untersuchungs-, und Referenzareal (duraBASt) realisiert und die Ergebnisse aus dem Forschungsprogramm „Straße im 21. Jahrhundert“ werden unter realen Bedingungen und baupraktischen Gesichtspunkten als Demonstratoren und Untersuchungsflächen verwirklicht und getestet. Weiterhin werden Flächen ausgewiesen, auf denen die Bauindustrie eigene Innovationen realisieren kann. Diese werden von der BASt belastet, messtechnisch begleitet und bewertet. Als drittes Element wird eine dauerhaft verfügbare Referenzstrecke zur Kalibrierung und Weiterentwicklung der ZEB-Messfahrzeuge realisiert.
Das Areal mit einer Grundfläche von ca. 0,2 km² und einer Gesamtlänge von 1,1 km befindet sich unmittelbar neben der BAB A 3 und es ist durch die Verbindungsrampe von Frankfurt (BAB A 3) nach Köln und der Auffahrt der BAB A 4 auf die BAB A 3 in Richtung Oberhausen begrenzt. Das Bild 1 zeigt die Lage des duraBASt im Autobahnkreuz Köln-Ost. Bild 1: Lage des duraBASt im Autobahnkreuz Köln-Ost Das geplante duraBASt besteht im Wesentlichen aus den Abschnitten der Demonstration und der Untersuchung (ca. 800 m) sowie der Referenz (ca. 1600 m). Des Weiteren gibt es Flächen für Parken, Wenden, Zufahrt und ein Betriebsgebäude. Zur Kompensation der Höhenunterschiede des Areals werden im Zuge der geplanten Baumaßnahme vier Stützeinrichtungen mit Höhen von 1,0 bis 1,5 m und Längen von 33 m bis 114 m erforderlich. Weiterhin wird um das gesamte duraBASt am äußeren Fahrbahnrand ein Leitungskanal im Bankettbereich angeordnet. Die vorhandenen Entwässerungseinrichtungen (Leitungen, Becken) unmittelbar neben dem duraBASt bleiben bestehen. Die Bild 2 zeigt zwei Panoramaansichten des Geländes. Bild 2: Panoramaansichten des Geländes
2.1 Untersuchung und Demonstration
Die Arbeiten im Rahmen des Forschungsprogramms des BMVI „Straße im 21. Jahrhundert finden überwiegend im Labormaßstab an kleinformatigen Probekörpern statt. Aus Gründen der Verkehrssicherheit können die vorliegenden Ergebnisse nicht unmittelbar im öffentlichen Straßenbau eingesetzt werden. Hier ist zwingend ein Zwischenschritt erforderlich bei dem innovative Beläge und Straßenkonstruktionen unter realen Bedingungen maschinell eingebaut werden und der Witterung ausgesetzt sind. Für diese Demonstratoren ist auf dem duraBASt eine Fläche von etwa 1200 m² ausgewiesen. Das Bild 3 zeigt einen Ausschnitt des Lageplans des duraBASt. Exemplarisch sind die Demonstratoren als „Nanoasphalt“ und „Temperierte Straße“ ausgewiesen. Bild 3: Untersuchung und Demonstration auf dem duraBASt Weitere Flächen werden darüber hinaus noch simuliert beschleunigt belastet, mit Sensorik ausgestattet und messtechnisch begleitet. Diese etwa 2000 m² großen Flächen für Untersuchungen sind im Bild 3 exemplarisch als Industrie I, Industrie II und Inno-Bond bezeichnet. Die Belastung der Flächen mit realem Verkehr ist nicht vorgesehen. Zur Aufbringung einer Belastung kann die im Jahr 2013 beschaffte Belastungseinheit MLS 10 (Mobile Load Simulator 10 t, Bild 4) eingesetzt werden. Bild 4: Belastungseinheit MLS 10 Vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) wurde das Forschungsprojekt „Temperierte Straße“ bearbeitet. In diesem Projekt wurde eine Straße entwickelt, die mittels Erdwärme im Winter erwärmt und im Sommer gekühlt wird. Somit können in besonders gefährdeten Bereichen im Winter Eisglätte und im Sommer Spurrinnenbildung vermieden werden. Das Bild 5 zeigt eine Prinzipskizze der „Temperierten Straße“, die auf dem duraBASt realisiert wird.
Bild 5: Demonstrator „Temperierte Straße“ Ein weiteres Beispiel für einen Demonstrator auf dem duraBASt ist die im Bild 6 dargestellte „Intelligente Brücke“. Es ist geplant eine Brücke mit Sensorik auszustatten, sodass Veränderungen in Form von z. B. Rissbildung, Feuchteeintrag oder Korrosion automatisch erfasst werden und an eine Kontrollinstanz weitergereicht werden. Bild 6: Demonstrator „Intelligente Brücke“ Von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen wird aktuell das Forschung Projekt „Simulationsgestützte Entwicklung neuer Straßenbaustoffe (INNOBOND)“ bearbeitet. Im Rahmen dieses Projektes wird eine neue offenporige Deckschicht mit alternativem Bindemittel erarbeitet. Die Entwicklung erfolgt auf Basis der einzelnen Komponenten des Mischgutes und wird mittels Computersimulationen durchgeführt und von Laboruntersuchungen an kleinformatigen Probekörpern begleitet. Das Bild 7 zeigt die Vorgehensweise bei der Simulationsrechnung und eine Zugfestigkeitsprüfung des neuen Bindemittels. Nach Abschluss des Forschungsprojektes wird die neue Deckschicht auf dem duraBASt ausgeführt. Dies ist als erster Abschnitt der Untersuchungsfläche mit simulierter Belastung vorgesehen. Bild 7: Forschungsprojekt „INNOBOND“ Es ist geplant weitere innovative Beläge und Straßenkonstruktionen auf den Untersuchungsflächen des duraBASt zu realisieren, beschleunigt zu belasten, messtechnisch zu begleiten und in Bezug auf die Praxisanwendung zu bewerten. Diese Innovationen müssen dabei nicht zwingend die Ergebnisse von Forschungsprojekten der BASt sein. Es wird auch der Industrie Gelegenheit gegeben eigene Entwicklungen einzubringen.
Mit dem Instrument der Demonstratoren und Untersuchungen auf dem duraBASt werden zukünftig Innovationen schneller den Weg in die baupraktische Anwendung finden.
2.2 Referenz
Die Straße im 21. Jahrhundert muss mehrere funktionale Anforderungen erfüllen, wie z. B. Ebenheitsanforderungen längs und quer, Griffigkeit bei Nässe etc. Hierzu werden verschiedene Messsysteme eingesetzt, die die Fahrbahnoberflächen mit Messgeschwindigkeiten von bis zu 80 km/h befahren und hierbei Messwerte mit hoher Präzision aufnehmen. Bisher werden Kalibrierungen und Geräteprüfungen statisch im Labor bzw. in der Prüfhalle sowie dynamisch auf realen Straßen durchgeführt. Diese Oberflächen decken im Allgemeinen nur den Durchschnitt aller Straßen hinsichtlich der Oberflächeneigenschaften ab, sodass die Messsysteme nicht in den Grenzbereichen, die aber in der Praxis bei Messungen auftreten können, überprüft werden können. Mit der Einrichtung der Referenzstrecke auf dem duraBASt, welches nicht unter Verkehr liegt, eröffnet sich die Möglichkeit künstlich große Bereiche der möglichen Messgrößen nachzubilden. Die in der Praxis auftretenden Grenzbereiche der verschiedenen Kennwerte werden realitätsnah und unmittelbar hintereinander angeordnet. Auf diese Weise können auf einer kurzen Strecke die verschiedenen Systeme geprüft werden. Auch unterschiedliche Erfassungstechniken lassen sich auf derartigen Referenzflächen vergleichen und neue Techniken, die die Anforderungen erfüllen, können in die Erfassung des Oberflächenzustandes mit einbezogen werden. Hierdurch wird ein Beitrag zur Qualitätssicherung im Bereich der Erfassung von Oberflächeneigenschaften und somit ein Beitrag zur Verkehrssicherheit und zur nachhaltigen Straße geleistet. Konkret werden eine Längsebenheitsstrecke, eine Querebenheitsstrecke, eine Griffigkeitsstrecke und eine Texturstrecke hergestellt. Auf einer Strecke für Substanzmerkmale (Oberfläche) werden Fugen, Einzelrisse mit unterschiedlichen Öffnungsweiten und Ausrichtungen, Netzrisse und Flickstellen in Beton- und Asphaltbauweise realisiert. Bild 8: Multifunktionales Erfassungssystem zur Fahrbahnoberflächenanalyse (MEFA), Seitenkraftmessverfahren (SKM) Von der BASt werden auch akustische Eigenschaften und der Rollwiderstand von Straßenbelägen untersucht. Das Bild 9 zeigt zwei der BASt-eigenen Messanhänger. Um diese zu kalibrieren und weiter zu entwickeln sind ebenfalls Referenzflächen mit exakt definierten dauerhaft gleichen Oberflächeneigenschaften in Beton- und Asphaltbauweise erforderlich. Dazu werden auf dem duraBASt entsprechende Flächen eingerichtet. Bild 9: Rollwiderstandsmessgerät, Lärmmessanhänger Um die beschriebenen Referenzstrecken definiert herzustellen sind ein Anforderungsprofil und Maßnahmen zur Qualitätssicherung erforderlich, die über die Festlegungen im Standardstraßenbauregelwerk deutlich hinausgehen. Um dies zu erarbeiten wurde von der BASt eine Projektgruppe bestehend aus Vertretern von Straßen.NRW, mehrerer Planungs- und Ingenieurbüros und der BASt selbst initiiert. Zur baupraktischen Absicherung der Festlegungen erfolgten Probeeinbauten auf dem Gelände der BASt in Bergisch Gladbach. Künstliche Risse unterschiedlicher Ausprägungen wurden mittels Abgüssen realisiert. Das Bild 10 zeigt dazu ein Beispiel. Für die verschiedenen Griffigkeits- und Texturniveaus wird eine Gussasphaltdeckschicht gefertigt und anschließend bearbeitet. Das Bild 11 zeigt exemplarisch die abtragenden Verfahren Schleifen und Kugelstrahlen. Bild 12 zeigt das auftragende Verfahren Epoxidharz mit Abstreuung. Bild 10: Abguss eines realen Risses im Asphalt Bild 11: Oberflächenbearbeitung Schleifen, Kugelstrahlen Bild 12: Oberflächenbeschichtung Epoxidharz mit Abstreuung
3 Stand des Verfahrens/Ausblick
Das duraBASt wird vom Landesbetrieb Straßenbau NRW zusammen mit der BASt realisiert. Die baurechtliche Genehmigung liegt vor und die Planung ist abgeschlossen. Das Bild 13 zeigt die Durchführung von Bodenerkundungen auf dem Gelände. In den Jahren 2015 und 2016 werden die Infrastruktur, ein Betriebsgebäude und die Referenzstrecke baupraktisch umgesetzt. Danach kann die Referenzstrecke für die Fahrzeuge der Straßenzustandserfassung und weitere Belange genutzt werden. Gleichzeitig können die ausgewiesenen Flächen für Demonstratoren und Untersuchungen genutzt werden. Dies bietet die Möglichkeit die Ergebnisse des Forschungsprogramms „Straße im 21. Jahrhundert“ und andere Innovationen schneller in die Praxis umzusetzen. Das Bild 14 zeigt eine 3-D-Computergrafik des fertigen Areals. Bild 13: Bodenerkundung Bild 14: Ansicht der duraBASt (3-D-Computergrafik) |