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1 Einleitung
Die wesentlichen Regelungen zur Reduktion von Luftschadstoffen sind von der EU in der Luftqualitätsrichtlinie (Richtlinie 2008/50/EG) zusammengefasst. Um diese Reduktionen zu erreichen existieren mittlerweile mannigfaltige Konzepte zur Minderung verkehrsbedingter Schadstoffbelastungen. Diese reichen von Verkehrsverlagerungen, städtischen Umweltzonen oder Geschwindigkeitsbegrenzungen, bis hin zur Verbesserung des Verkehrsfluss oder Reduktion der Schadstoffwerte an der Quelle selbst, dem Kfz. Ein nicht zu vernachlässigender Faktor des Einsparungspotentials kann durch emissionsminimierende Fahrverhalten (Eco-Driving) erzielt werden.
Eco-Driving spiegelt demnach ein bewusstes und emissionsminimierendes Fahrverhalten wider, welches perfekt auf die moderne Fahrzeugtechnologie abgestimmt ist. Im Sinne der nachhaltigen Mobilität trägt Eco-Driving somit zum Klimaschutz und zur Reduktion der Schadstoffe bei. In [1] wurden 25 Eco-Drive Studien aus den Jahren 1985 bis 2011 ausgewertet. Im Mittel über alle Studienergebnisse wurden bei der Sparfahrt mit konventionellen Fahrzeugen ca. 12% Kraftstoff im Vergleich zur Normalfahrt eingespart, bei einer Bandbreite von 3% Mehrverbrauch bis ca. 40% Minderverbrauch.
Die verbrauchsoptimale Wahl des Fahrstils und des Gangwechsels bei Fahrzeugen mit herkömmlichen Verbrennungskraftmaschinen ist demnach wohl bekannt und wurde bereits über einen langen Zeitraum, siehe auch [2], untersucht. Im Gegensatz dazu sind die zugrundeliegenden Verhaltensmuster für Fahrer, um das Potential von Hybridfahrzeugen zu maximieren, nicht ausreichend erforscht. Die volle Nutzung der Energiesparpotenziale von Hybridfahrzeugen erfordert eine andere Fahrweise als bei konventionellen Antrieben. Daher definiert sich das Ziel des Projekts "EcoDrive for Hybrid Electric Vehicles - EHEV"1 dahingehend, eine emissionsminimierende Fahrweise für Hybridfahrzeuge, insbesondere parallel angetriebene hybride Stadtbusse, zu erarbeiten. Die Ergebnisse sollen eine spezifische Eco-Driving Schulung für Hybridfahrzeughalter in Bezug auf die beste Wahl der Fahrweise ermöglichen, um sowohl den Kraftstoffverbrauch, Schadstoffausstoß als auch den Batterieverschleiß zu verringern.
Mit Hilfe von mikroskopischen Verkehrsflusssimulationen (Softwareprodukt VISSIM der PTV- Group) gelingt es, Fahrtverläufe von Kraftfahrzeugen genau genug nachzubilden, um daraufhin fahrzeugfeine Berechnungen von Abgasemissionen und Energieverbrauch zu ermöglichen. Diese anschließenden Emissionssimulationen werden mittels des Längsdynamik- und Emissionsmodells PHEM (Passenger car and Heavy duty Emission Model) durchgeführt, welches am Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik an der technischen Universität Graz entwickelt wurde [3]. Die Kopplung dieser zwei Simulationsprogramme wurde bereits in [4] erfolgreich vollzogen.
Um die Grundlagen für einen EcoDrive-Stil für Hybridfahrzeuge zu erarbeiten und Kalibrierungsgrößen für die zwei zugrundeliegenden Modelle abstimmen zu können, wurden zudem umfangreiche Fahrversuche mit Hybridbussen durchgeführt. Anhand dieser Messfahrten wurden auch die Alterungserscheinungen der Batterien in Abhängigkeit vom Fahrverhalten quantifiziert.
2 Aufbau der Simulationsumgebung für energiespezifische Hybridbusanalysen
Der Aufbau der Simulationsumgebung umfasst die Kopplung des mikroskopischen Verkehrsflusssimulationsmodells mit dem anschließenden Längsdynamik- und Emissionsmodell. Dabei werden simulierte Fahrtrajektorien der Hybridbusse in 1 Hertz-Auflösung aus dem Verkehrsflussmodell via Fahrzeugprotokolle an das Emissionsmodell übergeben, welches emissionstechnische Kenngrößen auf Basis von Motorkennfeldern berechnet. Anhand dieser Kenngrößen können daraufhin energieoptimierte Fahrverhalten eruiert werden. Im Zuge dieses Projektes wurden neue Motorkennfelder speziell für parallel angetriebene Hybridbusse auf Basis derer Batterieladezustände erstellt.
Die wesentlichen Vorteile von Simulationen im Kontext der Evaluierung von ökologischen und ökonomischen Fahrstilen mit Hybridfahrzeugen sind unter anderem die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse, welche zudem nicht von sich ändernden Randbedingungen während der Messfahrten im Realbetrieb beeinflusst werden.
2.1 Aufbau und Kalibrierung der mikroskopischen Verkehrsflusssimulation
Der innerstädtische Bereich der Stadt Salzburg, welcher zahlreiche Buslinien mit teilweise getrennten Busspuren enthält, dient als virtuelles Testgebiet für die mikroskopischen Simulationszyklen. Der mikroskopische Netzaufbau erfolgt über den ANM-Import eines makroskopischen Stundenmodells für das Bundesland Salzburg. Der ANM-Import bestimmt neben dem Streckennetz auch die Zuflussbelastungen und statischen Routenverläufe des Verkehrsflussmodells. Um diese Eingangsgrößen in bestmöglicher Qualität zu gewährleisten, wurde das makroskopische Stundenmodell mit Hilfe von Detektordaten und Knotenstromzählungen weiter feinjustiert und fuzzyfiziert. Anhand von Luftbildern wurden die Streckenverläufe und genauen Knotengeometrien im mikroskopischen Verkehrsflussmodell weiter verfeinert, siehe Bild 1.
Bild 1: Darstellung der Simulationsumgebung
Die Simulation wurde für die Morgenspitze zwischen 7 und 9 Uhr aufgebaut und beinhaltet eine ausreichend bemessene Vorlaufzeit von 30 Minuten, zum Zweck der Vorbelastung des Simulationsmodells. Für die entsprechende zu simulierende Zeitspanne wurden die Signalprogramme für die 7 Lichtsignalanlagen des Simulationsgebietes implementiert. Zudem werden jegliche relevanten Verkehrsmodi (Pkw, Lkw, Stadtbus, Postbus, Fußgänger, Rad) in der Simulation abgebildet. Die der Verkehrsflusssimulation zu Grunde liegenden Fahrverhaltensparameter (Beschleunigungsverteilung, Wunschgeschwindigkeiten, Verhaltensänderungen in Bezug auf Fahrstreifenwechsel und LSA-Annäherung, etc.) von motorisierten Fahrzeugen wurden anhand von insgesamt 60 Stunden umfassenden hochauflösenden (20-100 Hertz) GPS unterstützten Messfahrten kalibriert. Dabei konnte anhand der Ergebnisse der zwischengeschalteten PHEM-Analyse (mit den GPS-Trajektorien als Eingangsgrößen) durch manuelle Analysen auf Parameter geschlossen werden, welche zur Anpassung des lateralen und longitudinalen Bewegungsmodells herangezogen wurden (Bild 2), analog [5].
Das Emissionsmodul PHEM lieferte für die simulierten Fahrtrajektorien verkehrstechnische Kenngrößen, wie Stillstandsanteile, Reisezeiten, Durchschnittsgeschwindigkeiten, Anteile von positiven oder negativen Beschleunigungen beziehungsweise Cruising Anteile. Vergleicht man diese Kenngrößen mit jenen der Trajektorien der GPS-gestützten Messfahrten im Simulationsgebiet so ermöglicht dies eine Feinjustierung der Fahrverhaltensparameter des motorisierten Verkehrs der Simulation. Dabei wurden die Beschleunigungs- und Verzögerungskurven genauso adaptiert, wie auch die Wunschgeschwindigkeitsverteilungen und weitere Fahrverhaltensparametersätze welche die Längs- und Querbewegungen der simulierten Fahrzeuge beeinflussen.
Bild 2: Iterativer Prozess der Anpassung des lateralen und longitudinalen Bewegungsmodells der Verkehrsflusssimulation
Zusätzlich wurden sämtliche Buslinien laut Fahrplan (Stand 2012) in das mikroskopische Simulationsmodell eingebettet und eine definierte Stadtbuslinie (Linie 3) als Hybridbus definiert. Die Hybridbuslinie 3 durchfährt das Simulationsnetz auf einer Länge von jeweils 3,5 Kilometer pro Fahrtrichtung mit einem 10 Minutentakt und hält bei jeweils 5 Haltestellen, welche stochastische Aufenthaltszeiten der Busse hinterlegt haben. Die Kalibrierung des Fahrverhaltens des Hybridbusses in der mikroskopischen Verkehrsflusssimulation erfolgte gesondert und ist in Abschnitt 2.4 beschrieben.
2.2 Fahrverhaltensmessungen der Hybridbusse in situ
Den nächsten Teil der Arbeit bildeten intensive Analysen des Einflusses der Fahrer auf den Kraftstoffverbrauch und den Verschleiß der Batterie bei Hybridbussen. Zu diesem Zweck wurden Messungen mit einem Testfahrzeug2 auf einer Teststrecke mit festen Positionen für Gas- und Bremspedal und zusätzlich mit unterschiedlichen Fahrstilen auf Buslinie 31 im Grazer Stadtverkehr durchgeführt. Das Arretieren des Gas- beziehungsweise Bremspedals dient dazu die unterschiedlichen Fahrverhaltensweisen abzubilden und zu klassifizieren [6]. Zudem wurden der relevante mechanische und elektrische Energieverbrauch sowie das Potential zur Rekuperation und die Batterie während der Messzyklen gemessen.
Gemessen wurde mit dem PEMS (Portable Emission Measurement System) [7]. Bei diesem Messsystem wird die Abgas-Strömungsgeschwindigkeit mittels Blende und Differenzdrucksensor ermittelt sowie ein Teilstrom entnommen und bezüglich der stofflichen Zusammensetzung analysiert. Es wurden die Emissionen Kohlendioxid (CO2), Stickoxid (NOx), Kohlenwasserstoffe (HC) und Kohlenmonoxid (CO) ausgewertet. Über die Kohlenstoffbilanz und mit der Annahme idealer Verbrennung kann mittels Kohlenstoffbilanz aus den CO2-, CO- und HC-Emissionen auf den Verbrauch zurückgerechnet werden: 1 kg-CO2/km entspricht (bei üblicherweise sehr niederen CO- und HC-Emissionen) etwa 38,2 L-Diesel/100km oder 44,4 L-Benzin/100km. Der Messaufbau ist in Bild 3 dargestellt.
Bild 3: PEMS Abgasstrecke (l.), Abgas-Analysegeräte (m.), Ballast (r.) [8]
Der künstliche Buszyklus wurde im Februar 2012 auf der Magna-Teststrecke in Graz-Thondorf mit dem Hybridbus gemessen. Der Testzyklus besteht aus einem Beschleunigsvorgang bis 40 km/h, kurzer Fahrt mit konstanter Geschwindigkeit und Stand über 20 Sekunden, siehe Bild 4. Die maximalen Pedalwege von Gas und Bremse wurden mit mechanischen Anschlägen fixiert. Dabei zeigt sich, dass der Bremspedalweg einen wesentlichen größeren Einfluss auf das Kraftstoffeinsparpotential hat als der Gaspedalweg. Herstellerseitig wurde am Bremspedal bei 20% Betätigung ein leichter Widerstand verbaut, den man spürt, aber übertreten kann. Bis dahin wird rein elektrisch gebremst, also die Bremsleistung voll rekuperiert. Darüber werden die mechanischen Radbremsen zugeschaltet. Der Teil der Bremsleistung, der nicht von der Elektromaschine rekuperiert wird, geht an den Bremsscheiben in Abwärme an die Umgebung über, was einen Energieverlust darstellt. Wenn die Verkehrssituation es erlaubt, sollte dies vermieden werden.
Der Hybridbus wurde ebenfalls im Februar 2012 mit passivem und aggressivem Fahrstil im Straßenverkehr auf der Grazer Linie 31 vermessen, welche 20 km lang ist. Diese Linie ist eine Kombination aus Innenstadt- und Vorortverkehr. Dabei wurden Lehrfahrer der Holding Graz Linien (HGL) gebeten, die Strecke sowohl im üblichen Fahrstil im Linienbetrieb (aggressiven Fahrstil) möglichst schnell als auch sparsam/passiv abzufahren.
Aus den Messfahrten mit Arretierung des Gas- und Bremspedals auf der Teststrecke sowie aus den Messungen der Buslinie 31 im Realbetrieb in Graz wurden 5 resultierende Beschleunigungskurven (acc.) sowie 6 resultierende Verzögerungskurven (br.) gebildet.
• Gas 50 % (acc. 50)
• Gas 65 % (acc. 65)
• Gas 75 % (acc. 75/pass. entspricht “EcoDrive“ Beschleunigen im Realbetrieb)
• Gas 100 % (acc. 100/aggr. entspricht aggressivem Beschleunigen im Realbetrieb)
• Gas durchschnittlich (acc. avrg.) aus den Beschleunigungswerten im Realbetrieb (acc. aggr. und acc. pass.)
• Bremse 20 % (br. 20)
• Bremse 23 % (br. 23)
• Bremse 26 % (br. 26)
• Bremse 30 % (br. 30/aggr. entspricht aggressivem Bremsen im Realbetrieb)
• Bremse passiv (br. pass. entspricht “EcoDrive“ Bremsen im Realbetrieb)
• Bremse durchschnittlich (br. avrg.) aus den Bremswerten im Realbetrieb (br. aggr. und br. pass.)
Bild 5 zeigt die Mittelwerte der unterschiedlichen Beschleunigungs- und Verzögerungskurven in Abhängigkeit der Geschwindigkeit. Jede Kurve besitzt zudem eine obere und untere Schranke, um ein stochastisches Fahrverhalten in der Verkehrsflusssimulation abbilden zu können; diese Schranken sind hier nicht abgebildet.
Bild 5: Geschwindigkeitsabhängige Beschleunigungs- und Verzögerungskurven aus den Messfahrten
Anhand der Arretierungseinstellungen des Gas- und Bremspedals wurden 25 unterschiedliche Fahrverhalten definiert, welche auch im Realbetrieb fahrdynamisch machbar sind. Dabei wurden die 25 unterschiedlichen Fahrverhaltens-Variationen aus den vorliegenden Kurven gebildet, welche dem Hybridbusmodell in der mikroskopischen Simulationsumgebung von Salzburg hinterlegt wurden. 24 Fahrverhalten setzen sich aus der Kombination von 4 Gaspedal- (exklusive acc. avrg.) mit jeweils 6 Bremspedalarretierungen zusammen. Zudem wurde ein durchschnittliches Fahrverhalten (#25) simuliert, welches aus dem im Realbetrieb gemessenen Beschleunigungs- und Verzögerungsverhalten der aggressiven und passiven Fahrweise gemittelt wurde (acc. avrg./ br. avrg.). Die 25 Variationen sind auf der Abszisse (Fahrverhaltensbezeichnung) von Bild 10 ersichtlich.
2.3 Kennfelderstellung der Hybridbusse und Kalibrierung des Emissionsmodells
Bei dem Modell PHEM handelt es sich um ein kennfeldbasiertes Emissionsmodell, aufbauend auf einem Fahrzeuglängsdynamikmodell zur Berechnung der aktuellen Antriebs- und Motorleistung. Die Emissionen sind in dreidimensionalen Kennfeldern über Motordrehzahl und Motorleistung abgelegt und werden mit einer Korrektur für den Transientbetrieb versehen. Für die Interpolation der Emissionen aus den Kennfeldern wird neben der Motorleistung somit auch die Motordrehzahl benötigt. Diese wird aus der Fahrzeuggeschwindigkeit, dem dynamischen Radhalbmesser und der Getriebeübersetzung berechnet. Somit können aus den Kennfeldern für jede Sekunde im Fahrzyklus die Emissionen für den warmen Betriebszustand berechnet werden. PHEM ist in der Lage, den Kraftstoffverbrauch und diverse Abgasemissionen wie NOx (Stickoxide), CO (Kohlenmonoxid), NO (Stickstoffmonoxid), HC (Kohlenwasserstoff) und auch PM (Feinstaub) der simulierten oder gemessenen Geschwindigkeitstrajektorien zu berechnen. Zudem berechnet das Emissionsmodell fahrdynamische Kenngrößen wie Anteile von Fahrzuständen (Beschleunigungs-, Verzögerungs- oder Cruising-Anteil) oder auch das Beschleunigungsrauschen (Acceleration Noise), was der Standardabweichung der Beschleunigung eines Fahrzeugs in einem Verkehrsstrom entspricht.
Ein Hemmnis bei der Erstellung der Fahrzeugmodelle war, dass weder genaue technische Daten zu den Umwandlungswirkungsgraden von Verbrennungsmotoren und Elektrosystem (EM, Umrichter, Batterie) vorlagen, noch die implementierte Betriebsführung des Hybridsystems bekannt war. Die präzisesten Simulationsmodelle für Einzelfahrzeuge mit den echten Leistungsdaten und allen Reglereinstellungen liegen nur bei den OEM (Original Equipment Manufacturer) vor, und wurden aus Geheimhaltungsgründen von Volvo für das Projekt nicht frei gegeben. Auch für industrielle Zulieferer werden immer nur so viele Daten und Reglereinstellungen freigegeben, wie für den definierten Arbeitsauftrag gerade notwendig sind ("Least-to-know"-Prinzip). Man stelle sich den Bordrechner als unbekannten Regler vor, der mit Eingabegrößen wie Geschwindigkeit, Batterie-Ladestand, Pedalstellungen uvm. "irgendwie" Verbrennungsmotor und/oder Elektromaschine ansteuert.
Für die Simulation ist man deshalb darauf angewiesen, mit Erfahrungswerten Standardmodelle zu parametrisieren, welche auf Kennlinien und Kennfeldern basieren, und dann so lange die Eingangsparameter iterativ anzupassen bis das Simulationsergebnis mit den Messwerten eine gute Übereinstimmung liefert. Vom wissenschaftlichen Standpunkt verfolgt man demnach die Methode des „Reverse Engineering“. Damit ist es gelungen, ein Modell für den Hybridbus zu erstellen, welches für normale und Eco-Fahrstile realistische Ergebnisse liefert. Der Antriebsstrang des untersuchten Hybridbusses inklusive der Nebenverbraucher ist in Bild 6 schematisch dargestellt.
Bild 6: Antriebsstrang und Nebenverbraucher des Hybridbusses [9]
Mittels einer Längsdynamikrechnung wurde für alle Fahrten das Drehmoment am Getriebeeingang bestimmt. Aus einem skalierten Standardkennfeld für einen Dieselmotor wurde mit den bekannten Messwerten für Drehzahl und Verbrauch (aus CO2) die mechanische Leistung bestimmt. Davon wurde der Leistungsbedarf der mechanischen Nebenverbraucher Lüfter, Generator 24 V und Luftpresser abgezogen, um die Netto-Antriebsleistung zu bestimmen. Die Differenz zwischen dem Soll-Drehmoment am Getriebeeingang und dem von der VKM (Verbrennungskraftmaschine) gelieferten Drehmoment entspricht dem Drehmoment der Elektromaschine. Das Ergebnis dieser Rechnung für alle gemessenen Betriebspunkte wurde in einem Steuerkennfeld [Batterie-Ladestand (State of Charge - SOC) – Drehmoment Getriebeeingang (M) – Drehmoment Elektromaschine (M_EM)] zusammengefasst, siehe Bild 7.
Bild 7: Motorkennfeld für parallel angetriebenen Hybridbus auf Basis SOC
Dieses Steuerkennfeld bildete die Basis für das Modell des Hybridbusses in PHEM, welches an die Messergebnisse angepasst wurde. Bild 8 zeigt die Abweichung vom simulierten zum gemessenen Kraftstoffverbrauch für verschiedene Messfahrten, die mit dem endgültigen Simulationsmodell nachgerechnet wurden.
Bild 8: Vergleich von Kraftstoffverbrauch aus Simulation und Messung
Die Abweichungen resultieren aus den unzureichenden Genauigkeiten des Wirkungsgradkennfeldes der elektrischen Maschine sowie des Verbrauchskennfeldes des Verbrennungsmotors. Für exaktere Ergebnisse müssten spezifische Kennfelder aus der Vermessung der einzelnen Komponenten verfügbar sein. Bei den Straßenmessungen im aggressiven und passiven Fahrstil lag der Betrag der Abweichung im Mittel bei 3,8%, mit einer Schwankungsbreite von - 6 bis + 6%. Die Verbrauchssimulation von realistischen Geschwindigkeitsverläufen im Straßenbetrieb ist mit ausreichender Genauigkeit möglich.
2.4 Kalibrierung der Hybridbusse in der mikroskopischen Verkehrsflusssimulation
Weiterer Kalibrierungsaufwand war notwendig, um die unterschiedlichen Fahrverhalten der Hybridbusse im mikroskopischen Verkehrsflussmodell in angemessener Genauigkeit zu gewährleisten. Besonderes Augenmerk bei der Kalibrierung wurde auf die Abbildung der 25 unterschiedlichen Fahrverhalten gelegt, welche durch ihre Beschleunigungs- und Verzögerungskurven und Wunschgeschwindigkeitsverteilungen charakterisiert werden. Auch Feinjustierungen der Fahrzeugfolgemodellparameter innerhalb des psycho-physischen Fahrzeugfolgemodells Wiedemann99 wurden unternommen.
Bild 9 zeigt für zwei Fahrverhalten die Häufigkeitsverteilungen der Beschleunigungs- und Verzögerungswerte über der Geschwindigkeit aufgetragen. Bei den gezeigten Fahrverhalten handelt es sich um das aggressive (#22) und passive (#17) Fahrverhalten, welche im Realbetrieb gemessen wurden.
Bild 9: Kalibrierungsentwicklung der Beschleunigungs- und Verzögerungsverhalten
Die zwei linken Diagramme repräsentieren die Häufigkeitsverteilung der eigentlichen Messung im Linienbetrieb und lassen die Schaltvorgänge klar erkennen. Bereits hier ist die weitreichendere Streuung des aggressiven Fahrstils gegenüber dem passiven ersichtlich.
Die mittleren Diagramme zeigen die ersten Simulationsergebnisse, wobei hier die Begrenzungskurven (obere und untere Schranke) der stochastischen Verteilung der Wunschbeschleunigung und -verzögerung eine zu geringe Bandbreite widerspiegeln. Das ist sowohl an den fehlenden Häufigkeitspunkten bei Beschleunigungswerten gegen 0 m/s², als auch an den fehlenden Häufigkeitspunkten der maximalen und minimalen Beschleunigungen zu erkennen. Mehrere Kalibrierungsschritte führten zu den endgültigen Simulationsergebnissen auf der rechten Seite. Vergleiche des Kraftstoffverbrauchs zwischen den modellierten und gemessenen Fahrtrajektorien der Hybridbusse zeigen, dass die relativen Abweichungen bei der hier erzielten Kalibrierungsqualität innerhalb einer 4 prozentigen Schwankungsbreite liegen.
Das mikroskopische Simulationsmodul VISSIM verfügt bis dato über kein Rekuperationsmodul, welches vorausschauende Nutzbremsungen von Hybridfahrzeugen berücksichtigen kann. Die Quantität des Kraftstoffverbrauchs bei den Messfahrten ist jedoch aufgrund der vorhandenen Nutzbremsung primär von der Verzögerung abhängig, die Beschleunigung spielt lediglich eine untergeordnete Rolle. Die Beschleunigungsparameter in VISSIM ergaben jedoch Unterschiede in den resultierenden Fahrzyklen, welche in PHEM eine größere Änderung im Verbrauch bewirkten, als es bei der Messung der Fall war. Während die simulationsgestützten Absolutwerte des Kraftstoffverbrauches also nicht genau die Realität widerspiegeln können, so lassen sich dennoch Relativvergleiche der 25 simulierten Fahrverhalten untereinander anstellen (Bild 10).
3 Untersuchungsergebnisse
3.1 Einfluss des Fahrverhaltens im Simulationsnetz auf die Emissionen
Aus den Fahrtrajektorien der Hybridbusse mit den hinterlegten 25 unterschiedlichen Fahrverhalten, welche aus den mikroskopischen Verkehrsflusssimulationen unter Zuhilfenahme multipler Startzufallszahlen stammen, wurden die Emissionen mittels PHEM berechnet. Bild 10 zeigt den Kraftstoffverbrauch als repräsentative emissionstechnische Kenngröße. Der Kraftstoffverbrauch schwankt zwischen 37,6 und 48 Liter/100 Kilometer.
Bild 10: Simulationsergebnisse der Kraftstoffverbrauche und zugehöriger Durchschnittsgeschwindigkeiten der 25 Fahrverhalten
Die rot dargestellten Ergebnisbalken der Simulation repräsentieren die Fahrverhalten der Referenzmessung im Realbetrieb, während die blauen Darstellungen Fahrverhalten aus den Referenzmessungen auf der Teststrecke mit festen Positionen für Gas- und Bremspedal zeigen. Somit gilt die straßenseitig gemessene aggressive Fahrweise (#22), welche auch im Realbetrieb als Standardfahrweise anzusehen ist, als jene mit dem höchsten Kraftstoffverbrauch. Die straßenseitig gemessene passive Fahrweise (#17), welche nicht dem Standard im Linienbetrieb entspricht, weist bereits ein Einsparungspotential von 16% des Kraftstoffes gegenüber der aggressiven Fahrweise als Referenzwert auf. Beachtlich dabei ist, dass die mittlere Geschwindigkeit der observierten Hybridbusse jedoch lediglich um etwa 3% sinkt. Dies ist insbesondere dann von Relevanz, wenn man den Fahrplan trotz adaptierten EcoDrive-Fahrverhalten dennoch einhalten kann. Das maximale Einsparungspotential des Kraftstoffes entspricht etwa 22% mit einhergehender Reduktion der Durchschnittsgeschwindigkeit von 13% für das zweite Fahrverhalten mit Gaspedalarretierung von 50% und Bremspedalarretierung von 23% (acc.50/br.23).
3.2 Einfluss des Fahrverhaltens auf den Batterieverschleiß
Die Verwendbarkeit von Batterien in Hybridfahrzeugen richtet sich nach der zur Verfügung stehenden Energie und der Leistungsfähigkeit der Batterie. Diese werden wiederum von deren Kapazität und deren äquivalenten Widerstand bestimmt. Sowohl die Kapazität als auch der äquivalente Widerstand sind kalendarischen Alterungen, bei der Lagerung des Systems, und zyklischen Alterungen, beim Betrieb des Systems, unterworfen. Die kalendarische Alterung wird maßgebend von dem Ladungszustand (State of Charge – SOC) und der Temperatur bestimmt. Die zyklische Alterung hängt von vielen unterschiedlichen Einflussfaktoren ab. [10] zeigte im Rahmen von extensiven Versuchsreihen zur Lebensdauerabschätzung von Batterien, dass auch hier die Temperatur, der Ladungszustand und zusätzlich die Leistung die maßgebenden Einflussfaktoren sind. Um beide Alterungen zu minimieren sollten der Ladungszustand, die Leistung und die Temperatur nicht zu hoch sein.
Der Alterungszustand der Batterie wurde durch einen Algorithmus ermittelt, der den Alterungsfortschritt anhand der aktuellen Verwendung des Systems berechnet. Dabei erfolgte im Betrieb der Fahrzeuge eine laufende messtechnische Erfassung der beeinflussenden Faktoren. Auf Seiten der Batterie wurde gemessen, dass diese im Realbetrieb langsamer altert, als vorerst angenommen. Dieser Umstand wirkt sich positiv auf die Lebensdauer der Batterie aus.
Die Ergebnisse des Einflusses der Fahrweise auf die Batteriealterung ergeben sich aus den straßenseitigen Messfahrten, die im Rahmen des Projektes durchgeführt und analysiert wurden. Anhand der Alterungssimulation wurde berechnet, dass bei aggressiver Fahrt die Batterielebensdauer im Vergleich zur durchschnittlichen Belastung 7% kürzer und bei passiver Fahrt 11% länger wird. In Betriebsstunden ausgedrückt entspricht das – 1.050 oder + 1.650 h. Bei einer angenommenen Jahresbetriebsdauer von 5 000 h wären das - 2,5 oder + 4 Monate.
3.3 Leitfaden zum Zwecke energieoptimierter Fahrverhaltensweisen für Hybridfahrzeuge
In [11] wird darauf hingewiesen, dass es bei der Durchführung von Eco-Driving Schulungen essentiell ist auch auf den Aufbau und die Funktionsweise von Hybridantrieben einzugehen, um das Verständnis für eine zurückhaltende Bremspedalbetätigung für einen geringen Kraftstoffverbrauch zu erweitern. Die Nutzbremsfunktion kann nur dann voll ausgenutzt werden, wenn die Bremsleistung kleiner beziehungsweise gleich groß wie die maximale Generatorleistung der Elektromaschine ist. Um die Einsparmöglichkeiten per Eco-Driving Fahrverhalten maximieren zu können soll die Bremspedalstellung somit wenn möglich nicht über 20% liegen, die Gaspedalstellung nicht über 70%. Hierfür könnte ein Fahrerassistenzsystem auf Basis eines Beschleunigungsreglers wie in [12], zielführend sein. Dabei erhöht sich der Widerstand des Gas-/Bremspedals wenn ein unerwünschtes Beschleunigungsniveau, welches zu hohen Verbrauch führt, erreicht wird. Die Busfahrer der Holding Graz Linien regten zu einem zusätzlichen Retarderhebel an der Lenkradsäule an, mit dessen Hilfe sich die elektrische Nutzbremse fein steuern ließe.
Die Grundregeln für Eco-Driving von konventionellen Kraftfahrzeugen mit Verbrennungskraftmotoren bleiben auch für die Hybridantriebe weiter von Relevanz. Folgende Empfehlungen können demnach zusammengefasst werden:
1. Recherche der maximalen Nutzbremsfähigkeit des Kfz (Bedienungsanleitung, Händler)
2. Vermeiden von starken Bremsvorgängen (volle Rekuperation) (<20% Gaspedalstellung)
3. Direkt nach dem Start des Motors losfahren (nicht im Stand warmlaufen lassen)
4. Sanfter Fahrstil, keine starken Beschleunigungen (<70% Gaspedalstellung)
5. Fahrzeug bei konstanter Geschwindigkeit bewegen
6. Vorausschauende Fahrweise
7. Eingekuppelt mit geschleppten Motor bremsen (kein Kraftstoff wird gefördert)
8. Frühes Hochschalten bei niedrigen Drehzahlen
9. Klimaanlage und elektrische Zusatzverbraucher wenig benutzen
10. Motor bei längerem Stillstand abstellen
4 Zusammenfassung und Ausblick
Die vorliegenden Ergebnisse bestätigen das Potential zur Kraftstoffverbrauchsreduktion von Hybridbussen bei entsprechend angepasstem Fahrverhalten und quantifizieren dieses mit rund 20%. Unter Berücksichtigung betrieblicher Vorgaben der Verkehrsbetriebe, wie der Einhaltung der Fahrpläne, ist dieses Potential lediglich als obere Grenze anzusehen. Anhand einer Alterungssimulation der Batterie eines Hybridbusses wurde berechnet, dass bei passiver Fahrt die Batterielebensdauer im Vergleich zur durchschnittlichen Belastung 11% länger wird.
Des Weiteren kann angemerkt werden, dass ein hoher Aufwand in die Erstellung des Steuerkennfeldes von Hybridbussen und der Kalibrierung der Simulationsumgebung, sowohl des Verkehrsflussmodells unter Berücksichtigung des implementierten Verkehrsmodus Hybridbus, als auch des Emissionsmodells, zu investieren ist. Dieser Aufwand spiegelt sich jedoch in der Qualität der Simulationsergebnisse wieder, welche jederzeit reproduziert werden können. Anhand der fertiggestellten Simulationsumgebung können nachfolgende, vertiefende Untersuchungen effizient vollzogen und unter variierten Verkehrsbelastungszuständen auf deren Sensitivität überprüft werden. So kann eine eingehende Verkehrsflussanalyse den Einfluss von im EcoDrive-Modus fahrenden Hybridbussen im Simulationsnetz auf die Leistungsfähigkeit des Gesamtnetzes aufzeigen, wobei eine Korrelation des Ausstattungsgrades der Busflotte als Hybride offensichtlich wird.
Nichtsdestotrotz wurde gezeigt, dass es ohne einem Rekuperationsmodul im Verkehrsflusssimulationsprogramm, welches vorausschauende Nutzbremsungen von Hybridfahrzeugen berücksichtigen kann, nur schwerlich möglich ist, das optimale Fahrverhalten für Hybridfahrzeughalter auch simulationstechnisch abzubilden.
5 Literatur
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[3] Hausberger, S. (2003) Simulation of Real World Vehicle Exhaust Emissions. VKM-THD Notes Technical University Graz. Vol. 82. Graz.
[4] Hirschmann, K.; Fellendorf, M. (2010) A toolbox to quantify emission reductions due to signal control. in: TRB 2010 - 89th Annual Meeting (2010), Washington.
[5] Fellendorf, M.; Vortisch, P. (2010) Microscopic Traffic Flow Simulator VISSIM. Barceló, J. & Kuwahara, M. (ed.), Fundamentals of Traffic Simulation, Springer, Berlin Heidelberg, p.63 - 93.
[6] André, M. (2004) Real-world driving cycles for measuring cars pollutant emissions – Part A: The ARTEMIS European driving cycles. Report INRETS-LTE 0411, France.
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[9] Kies, A.; Luz, R.; Silberholz, G.; Hausberger, S.; Haberl, M.; Fellendorf, M. (2013) Influence of the driving style on fuel consumption and battery wear of a parallel hybrid city bus. in: 13th Stuttgart International Symposium “Automotive and Engine Technology”, Stuttgart.
[10] Doczy S. (2010) Versuchsplanung für Lithium-Ionen Batteriesysteme. Workshop „Modellbasierte Kalibriermethoden“, Wien: TU Wien, Christian Doppler Labor für modellbasierte Kalibriermethoden. – http://mbc.tuwien.ac.at/fileadmin/t/cdl/ Vortraege_Workshop_17092010/Doczy.pdf
[11] Kies A. (2013) EcoDrive für Hybridfahrzeuge - Ein Leitfaden. Graz: TU Graz, IVT, Fb Emissionen.
[12] Larsson, H.; Ericsson, E. (2009) The effects of an acceleration advisory tool in vehicles for reduced fuel consumption and emissions. Transportation Research Part D: Transport and Environment 14, 141-146. |