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1 Einleitung
Seit einigen Jahren nimmt das Auftreten von Schadsymptomen im Straßenbegleitgrün deutlich zu. Dabei handelt es sich nicht nur um Insekten oder Pflanzenkrankheiten Krankheiten sondern zusätzlich auch noch eine Vielzahl an Neophyten und invasive Arten. Diese treten zum Teil sehr massiv auf, verdrängen heimische Arten und einige bergen zusätzlich noch gewisse Gesundheitsrisiken für Verkehrsteilnehmer und das Betriebsdienstpersonal in sich.
Nicht jedes Auftreten von Krankheiten und Insektenbefall muss etwas Neuartiges sein, nur weil man bis dato vielleicht noch nicht davon gehört hat. So hat es z. B. den Eichenprozessionspinner bereits 1826 hier in Deutschland nachweislich gegeben, mit all seinen Symptomen, die heute auch noch diskutiert werden.
Befallsszenarien rücken jedoch heute deutlicher in die Wahrnehmung. Wenn z. B. ein kranker Baum aus Gründen der Verkehrssicherheit gefällt werden muss, erregt das Aufmerksamkeit und die Gründe für die Fällung (Krankheit/Holzfäule) werden dargestellt. Noch öffentlichkeitswirksamer sind natürlich spektakuläre Arten oder gar Gefährdungspotenziale für den Menschen. Darüber wird in den Medien dann gern und ausführlich berichtet, allerdings auch häufig sehr emotional.
Die nachfolgende Abbildung (Quelle: Straßen.NRW) gibt einen Überblick über aktuell auftretende Befallsszenarien:
Auffällig ist das Auftreten von sogenannten Komplexkrankheiten, das heißt Kombinationen der Schadsymptome. Diese können sich einstellen, wenn die Wirtspflanze bereits durch andere Ursachen (z. B. Trockenheit, mechanische Verletzungen, o. Ä.) geschwächt sind und dann leicht von weiteren Erregern besiedelt werden können (z. B. Schwächeparasiten, Pilzsporen, etc.).
2 Ursachen
Es gilt inzwischen als ziemlich sicher, dass das vermehrte Auftreten von Schädlingen und Krankheiten eng mit dem Klimawandel und damit einhergehenden Witterungsbedingungen verknüpft ist.
Das gesamte Artenspektrum kann sich z. B. verändern, wenn sich statt einer Population nun aufgrund veränderter Rahmenbedingungen mehrere Populationen/Jahr entwickeln können. Es kommt zwangsläufig zu Massenvermehrungen und etablierte Arten werden dadurch be- und verdrängt.
Des Weiteren spielt die Globalisierung eine nicht unerhebliche Rolle. Fremde Arten werden auf unterschiedlichsten Wegen um den Erdball transportiert und in Regionen eingebracht, in denen sie sich konkurrenzlos ausbreiten können. Beispielhaft seien hier Bockkäfer aus Asien genannt, die als Larven in Palettenholz mit chinesischem Granit oder Pflanzenmassenware eingeführt worden sind.
Zudem leiden Bäume in Städten und im Nahbereich von Verkehrswegen in der Regel unter Standortbedingungen, die als pflanzenfeindlich bezeichnet werden müssen. Dass diese Gehölze riesige Probleme haben, sich artspezifisch zu entwickeln darf nicht wundern. Der daraus resultierende Vitalitätsmangel ist dann eine Einladung für Schwächeparasiten und die betroffenen Bäume werden sich kaum erholen können.
3 Beispiele
Eichenprozessionsspinner (Thaumetopoea processionea)
Der EPS kommt aktuell in nahezu ganz Europa vor und ist auch in Deutschland kein Unbekannter. Die aktuelle Befallswelle in Nordrhein-Westfalen begann 2002 am Niederrhein. Dort hatte sich der Bestand nach 2 Jahren schon vervielfacht und weiter in Richtung Osten ausgebreitet. Heute kommt der Eichenprozessionsspinner (EPS) in großen Teilen NRW vor:
Der EPS ist ein an Eichen vorkommender Nachtfalter. Neben seinen Auswirkungen auf die befallenen Bäume (Fraßschäden), die in der Regel durch einen erneuten Laubaustrieb kompensiert werden, stellen die Raupenhaare des Insektes eine akute gesundheitliche Gefährdung für den Menschen dar.
Die Falter erreichen eine Flügelspannweite von 25 bis 35 mm. Die Vorderflügel sind gelbbraun bis graubraun gefärbt und tragen 3 schwarz-graue Querlinien. Die Hinterflügel sind weißgrau. Die erwachsenen Raupen sind bläulich-schwarz gefärbt, seitlich weißlich und erreichen eine Körperlänge von ca. 3,5 cm. Der Körper, auf dem sich acht rötliche Knopfwarzen befinden, ist dicht mit weißen Haaren besetzt.
Von August bis September ist das Auftreten der Falter zu beobachten, die plattenförmige Eigelege an den Feinästen des Baumes ablegen. Die Überwinterung erfolgt im Eistadium. Im Frühjahr (April-Mai) schlüpfen die Larven, die insgesamt sechs Stadien durchlaufen. Ab dem dritten Stadium entwickeln sich Gifthaare, in denen sich ein Eiweißgift befindet. Die Larven leben in großen Gespinstnestern, von denen aus sie nachts in dicht gedrängten Reihen (Prozessionen) in die Astregionen wandern. Dort ernähren sie sich von den Blättern, bis sie in den Morgenstunden wieder in ihr Nest zurückkehren. Bei Futtermangel können die Raupen auf andere Bäume überwechseln. Im Juli bis August erfolgt die Verpuppung in den Gespinsten.
Der Eichenprozessionsspinner ist ein bedeutender Eichenschädling. Bäume können vollständig kahlgefressen werden (s. Bild 3, Quelle: Straßen.NRW). Zwar kompensiert die Eiche den Schaden durch einen erneuten Blattaustrieb im Juni („Johannistrieb“), jedoch wird bei mehrjährig aufeinander folgendem starken Fraß die Vitalität geschwächt, die Anfälligkeit der Bäume gegenüber weiteren Schädlingen erhöht sich. Die Folgen sind deutliche Zuwachsverluste und langfristig kann es zu einem Absterben des Baumes kommen.
Eine akute gesundheitliche Gefährdung für den Menschen stellen die leicht abbrechenden, feinen Brennhaare dar, die durch Luftströmungen über weite Strecken getragen werden können. Die Haare haben Widerhaken, sind hohl und enthalten als Brennsubstanz das Eiweißgift Thaumetoporin. Bei Kontakt kann es zu allergischen Reaktionen kommen. Zu den Symptomen gehören lokale Hautausschläge (Raupendermatitis), die sich in punktuellen Hautrötungen, leichten Schwellungen, starkem Juckreiz und Brennen äußern. Reizungen an Mund- und Nasenschleimhaut durch Einatmen der Haare können zu Bronchitis, schmerzhaftem Husten und Asthma führen. Begleitend können Allgemeinsymptome wie Schwindel, Fieber, Müdigkeit und Bindehautentzündungen auftreten.
Die akute Gefahr ist während der Raupenfraßzeit am größten. Zudem stellen alte Gespinstnester, in denen die Larvenhäute nach der Häutung verblieben sind, am Baum und auf dem Boden eine anhaltende Gefahrenquelle dar. Die dort in hoher Konzentration vorhandenen Raupenhaare besitzen eine lange Haltbarkeit und können somit über mehrere Jahre hinweg die Umgebung anreichern. Durch Aufwirbelungen (Mäharbeiten, Wind) kommt es immer wieder zu Massenfreisetzungen der allergenen Haare.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Bekämpfung. Durch Absaugen oder Abflämmen lassen sich die Nester mit hohem Aufwand mechanisch reduzieren. Zur chemischen Bekämpfung stehen unterschiedliche Mittel zur Verfügung, die, je nach Verwendungszweck nach Biozid- oder Pflanzenschutzrecht zugelassen sein müssen. Erste Erfolge sind inzwischen auch durch das Ausbringen von Nematoden erzielt worden.
Massariapilz an Platanen
Eine Pilzerkrankung (der Pilz Splanchnonema platani) tritt momentan unter der Bezeichnung Massaria massiv an Platanen auf. Durch den Pilzbefall und die dadurch bedingte Holzzersetzung kommt es zu einer erhöhten Bruchanfälligkeit von Ästen mit entsprechenden Folgen für die Verkehrssicherheit.
Auch wenn das erste Auftreten des Pilzes in Deutschland auf das Jahr 2003 datiert wird, so muss man doch davon ausgehen, dass es sich hier keineswegs um eine „neue“ Erkrankung handelt. Vielmehr scheint es sich hier um einen Astreinigungspilz zu handeln, der beschattete Äste im unteren Bereich der Krone befällt, in der Vergangenheit aber nie so stark in Erscheinung getreten ist. Erst das massive Auftreten in den letzten Jahren und der Befall auch stärkerer Äste haben dieses Symptom in den Vordergrund gebracht.
Der Verursacher ist ein Ascomyzet, ein Schlauchpilz mit zwei verschiedenen Fruchtkörperformen. Ein auslösender Faktor ist offensichtlich Trockenstress.
Der Beginn des Befalls wird durch eine Rosafärbung auf der Astoberseite angezeigt, anfänglich unter der Borke (s. Bilder 4 und 5, Quelle: Straßen.NRW). Vom Boden aus ist der Befall kaum zu erkennen, was zu einem erhöhten Aufwand bei der Baumkontrolle führt.
Nachfolgend bildet der Pilz Fruchtkörper und Sporen aus mit der Folge, dass weitere Äste befallen werden.
Massaria verursacht eine schnell fortschreitende Holzzersetzung, die sich bis ins Zentrum des Astes fortsetzt. Im Endstadium kommt es unweigerlich zum Bruch.
Sofern bekannt ist, dass ein Massariabefall vorhanden ist, verlangt die Rechtsprechung eine zweimalige Kontrolle. Diese erfolgt mittels Hubsteiger, da der Befall auf der Oberseite der Äste von unten nur erschwert zu sehen ist. Kontrolle bedeutet in diesen Fällen, dass befallene Äste unmittelbar entfernt werden.
Die Notwendigkeit dieser intensiven Kontrollen verursacht einen nicht unerheblichen Mehraufwand mit entsprechenden Zusatzkosten.
Herkulesstaude (Heracleum mantegazzianum)
Die Herkulesstaude (s. Bild 6, Quelle: Straßen.NRW) stammt aus dem Kaukasus und wurde schon im 19. Jahrhundert als dekorative Zierpflanze nach Europa eingeführt. In den letzten Jahrzehnten breitet sich die Staude immer stärker aus. Die Vermehrung der Herkulesstaude geschieht über die große Anzahl von Samen. Ausgewachsene Pflanzen können weit mehr als 10.000 schwimmfähige Samen bilden, die bis 8 Jahre keimfähig sind.
Vor allem Gewässer mit ihren Überschwemmungsgebieten sowie Verkehrsanlagen (Verwirbelung entlang der Straßen und Gleise) bilden die Hauptverbreitungswege. Darüber hinaus werden die Samen über Erdbewegungen sowie über den Menschen (Zierpflanze im Garten) verbreitet.
Neben der Verdrängung der heimischen Flora und Fauna rückt insbesondere die gesundheitliche Gefahr für den Menschen in den Vordergrund. Der Saft aller Pflanzenteile enthält phototoxische Substanzen (Furocoumarine), die in Verbindung mit Sonnenlicht (UV-Licht) zu schweren, verbrennungsähnlichen Erscheinungen auf der Haut führen können. Bei manuellen Arbeiten (z. B. Freischneider, o. Ä.) ist daher entsprechende Schutzkleidung zu tragen.
Manuelle oder mechanische Bekämpfungsmöglichkeiten beschränken sich auf das Ausstechen der Wurzelrübe (bei Einzelpflanzen) oder das Entfernen der Blütenstände. Das mehrmalige Abmähen der Pflanzen wirkt erst ab 5 oder 6 Mähgängen erfolgversprechend.
Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ist durch rechtliche Regelungen eingeschränkt. Grundsätzlich dürfen Pflanzenschutzmittel ohne Genehmigung nur auf landwirtschaftlich, gärtnerisch oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen, nicht jedoch unmittelbar an Gewässern ausgebracht werden. Ausnahmegenehmigungen (§6 (3) Pflanzenschutzgesetz) müssen bei den zuständigen Pflanzenschutzdiensten der Bundesländer beantragt werden.
Wirksame Herbizide sind RoundUp (Glyphosat) oder Garlon 4 (Triclopyr). Der Vorteil des Mittels Garlon besteht darin, dass es ein selektiv wirkendes Mittel ist, das heißt: es wirkt nur gegen die Herkulesstaude und greift die vorhandene Vegetationsdecke aus Gräsern nicht an (s. Bild 7, Quelle: LWK NRW). Dagegen handelt es sich bei RoundUp um ein Totalherbizid, wodurch der Boden vegetationslos wird. Darin vorhandenes Samenpotenzial der Herkulesstaude kann somit konkurrenzlos keimen und die nächste Generation wächst unmittelbar heran.
Japanischer Staudenknöterich (Fallopia japonica)
Der Japanische Staudenknöterich verursacht aufgrund seiner enormen Wüchsigkeit Probleme mit der Verkehrssicherheit (Lichtraumprofil, Durchdringen von Pflasterfugen, u. Ä.) und muss aus diesem Grund zurückgedrängt werden. Zusätzlich verdrängt er konkurrenzbedingt die heimische Flora (s. Bild 8, Quelle: Straßen.NRW).
Die Pflanze stammt ursprünglich aus Südostasien und ist ebenso wie die Herkulesstaude als dekorative Zierpflanze eingeführt worden (1825). Der Knöterich kann bis zu 4 m hoch werden und breitet sich dynamisch über Wurzelausläufer (Rhizome) aus. Ein Zuwachs von 10 bis 30 cm am Tag ist keine Seltenheit.
Eine weitere Ausbreitungsdynamik liegt in der Fähigkeit der Pflanze begründet, aus kleinsten Sprossteilen wieder auszutreiben. Im Rahmen von Baumaßnahmen ist regelmäßig zu beobachten, dass durch Bodenbewegungen Fragmente des Knöterichs in eine bislang „saubere“ Region verbracht werden, sich dort etablieren und massiv ausbreiten.
Eine manuelle/mechanische Bekämpfung (Mähen, Ausgraben, o. Ä.) ist nahezu ausgeschlossen, da sich ca. 2/3 der Biomasse im Boden befindet. Nach einem Mähgang erfolgt ein sofortiger Wiederaustrieb (s. Bild 9, 4 Wochen nach erfolgter Mahd, Quelle: Straßen.NRW).
Eine chemische Bekämpfung ist möglich (Pflanzenschutzgesetz beachten). Der beste Zeitpunkt für eine chemische Bekämpfung ist der Spätsommer. Nach einer letzten Mahd sollte der Wiederaustrieb dann mit Glyphosat (RoundUp) behandelt werden.
4 Fazit/Ausblick
Die vorgestellten Beispiele stellen nur einen kleinen Ausschnitt aus der aktuellen Befallssituation dar. Die Vielseitigkeit der momentan auftretenden Symptome, der tendenziell steigende Befallsdruck sowie das zeitgleiche Zusammentreffen unterschiedlichster Schadursachen (Komplexkrankheiten) werden den Betriebsdienst zunehmend belasten.
Ursachen wie Klimawandel und Globalisierung werden weiterhin zu einer Ausweitung und Verfremdung des hiesigen Artenspektrums beitragen. Schutzmechanismen (Kontrollen infizierter Waren und Verpackungen) und einheitliche Bekämpfungsstrategien sind unumgänglich. |