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1 Wesentliche Inhalte und Ziele der Wasserrahmenrichtlinie
Mit der im Jahr 2000 in Kraft getretenen europäischen Wasserrahmenrichtlinie sollen neben der Vermeidung einer weiteren Verschlechterung des Zustandes der Gewässer folgende Ziele erreicht werden:
– für Oberflächengewässer soll ein guter ökologischer und chemischer Zustand erreicht werden,
– für Oberflächengewässer mit künstlichen oder erheblich veränderten Wasserkörpern soll zumindest ein gutes ökologisch Potenzial und ein guter chemischer Zustand erreicht werden und
– für Grundwasser soll ein guter Zustand erreicht werden.
Der gute ökologische Zustand bedeutet, dass die für ein bestimmtes Gewässer typischen Organismen in charakteristischer Zusammensetzung und Häufigkeit vorkommen. Der gute chemische Zustand wird durch die Einhaltung von Umweltqualitätsnormen umfangreicher Stofflisten definiert.
Zur Umsetzung dieser Ziele gibt die Wasserrahmenrichtlinie den Mitgliedsstaaten einen straffen Fahrplan mit festen Terminen und Fristen vor:
– Bis Ende 2004 musste in einer ersten Bestandsaufnahme eine Charakterisierung und Typisierung der Wasserkörper vorgenommen werden, auf deren Grundlage eine Zustandsbewertung vorzunehmen war.
– Bis Ende 2006 sollten diese Bewertungen durch ein Monitoring und Programme zur Gewässerbeobachtung validiert werden.
– Bis Ende 2009 waren Bewirtschaftungspläne mit den Entwicklungszielen für die unterschiedlichen Gewässer aufzustellen und verbindliche Maßnahmenprogramme zu erarbeiten.
– Bis Ende 2012 war in einem Bericht darzulegen, wie und mit welchen Fristen die Maßnahmenprogramme umgesetzt werden sollen.
Zielvorgabe ist, dass bis Ende 2015 die oben beschriebenen Ziele erreicht sein sollen, wobei die Richtlinie Fristverlängerungen vorsieht, falls diese Ziele nicht flächendeckend erreicht worden sind. In diesen Fällen sind bis Ende 2015 ein zweiter und bis Ende 2021 ein dritter Bewirtschaftungsplan mit dazugehörigem Maßnahmenprogramm aufzustellen. Die vollständige Umsetzung soll bis Ende 2027 erfolgt sein.
Die Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme orientieren sich räumlich an Flussgebieten und Grundwasserkörpern und nicht an Verwaltungsgrenzen und Zuständigkeiten. Im Zuge der Erarbeitung war also eine teilweise eine enge Kooperation benachbarter Verwaltungseinheiten erforderlich. In NRW handelte es sich dabei um die Flussgebiete des Rheins, der Weser, der Ems und der Maas, die wiederum in Teileinzugsgebiete und weiter in Planungseinheiten untergliedert wurden.
Seit dem 22.12.2009 liegt für NRW ein behördenverbindliches Maßnahmenprogramm vor. Bewirtschaftungsplan und Maßnahmenprogramm wurden am 24. 2. 2010 vom zuständigen Landtagsausschuss einvernehmlich zur Kenntnis genommen.
Die wesentlichen Aussagen des Bewirtschaftungsplans sind:
– Die Wasserqualität der Oberflächengewässer in NRW ist überwiegend gut, was auf die seit vielen Jahren intensiven Anstrengungen der Abwasserreinigung zurückgeführt wird. Gleichwohl wird auch hier noch ein Handlungsbedarf insbesondere für die Einleitung von Niederschlags- und Mischwasser gesehen, weil die Schadstoffbelastung wegen der hohen Bevölkerungsdichte nach wie vor relevant ist (MUNLV 2009 a, S. 8–4)
– Die Qualität der Grundwasserkörper ist insbesondere in Gebieten mit landwirtschaftlicher Nutzung nicht zufriedenstellend.
– Der ökologische Zustand an den Gewässern ist noch an vielen Stellen zu verbessern. (MUNLV 2009 a, S. 1–7).
Dementsprechend konzentriert sich das Maßnahmenprogramm auf drei Handlungsfelder:
– Die ökologische Aufwertung der Oberflächengewässer mit dem Programm „Lebendige Gewässer“. Hier geht es darum, insbesondere durch wasserbauliche Maßnahmen die Durchgängigkeit der Gewässer wiederherzustellen. Da die Nutzungsintensität in einem so dicht besiedelten Land wie NRW einem flächendeckenden Umbau der Gewässer entgegensteht, wird auf das Strahlwirkungskonzept zurückgegriffen, bei dem die Durchgängigkeit durch Schaffung von Strahlursprüngen und Trittsteinen auch über streckenweise ausgebaute Gewässerabschnitte hinweg gewährleistet werden kann (MUNLV 2009 b, S. 4–14). Entsprechend der in der Bedarfsanalyse festgestellten Defizite handelt es sich bei dem Programm
„Lebendige Gewässer“ um einen Schwerpunkt des Maßnahmenprogramms (MUNLV 2009 a, S. 1–7).
– Die stoffliche Belastung des Grundwassers durch diffuse Quellen. Hier steht im Wesentlichen die Landwirtschaft im Vordergrund.
– Stoffliche Belastung der Oberflächengewässer durch Punktquellen. Hier liegt der Schwerpunkt bei Maßnahmen an der Einleitung von Misch- und Niederschlagswasser (MUNLV 2009 b, S. 2–8).
2 Berührungspunkte des Straßenbaulastträgers mit der Wasserrahmenrichtlinie
Eine unmittelbare Zuständigkeit der Straßenbaulastträger ist nicht gegeben. Zuständig für die Umsetzung der Richtlinie sind die für Wasserwirtschaft und Gewässerschutz zuständigen Landesministerien und die für die Unterhaltung der Gewässer zuständigen Behörden, in der Regel die Kommunen und Wasserverbände.
Berührungspunkte können sich allerdings immer dann ergeben, wenn Straßen Gewässer kreuzen oder in dichtem Abstand parallel führen und dort Maßnahmen zur ökologischen Aufwertung geplant sind. In diesen Fällen kann es zu Konflikten zwischen den Anforderungen der Straßenbauverwaltungen und dem Handlungsfeld der ökologischen Aufwertung der Gewässer kommen. Die konkreten Anforderungen sind abhängig von der Örtlichkeit und dem ökologischen Zustand der Gewässer. Da bestehende Straßen zunächst einmal Bestandschutz genießen und außerdem die Bewirtschaftungsziele zumindest in NRW nicht ordnungsrechtlich, sondern im einvernehmlichen Wege zwischen allen Beteiligten umgesetzt werden sollen (MUNLV 2009 b, S. 4–8), ist im Zusammenhang mit der ökologischen Aufwertung der Gewässer mit nur geringen Auswirkungen der Wasserrahmenrichtlinie auf den Straßenbau zu rechnen.
Im Zusammenhang mit der ökologischen Aufwertung von Gewässern werden eine räumliche Konzentration der entsprechenden Maßnahmen und Synergieeffekte zu anderen Vorhabenplanungen angestrebt. Das führt dazu, dass Maßnahmen sich auf Biotopverbundflächen oder Kompensationsflächen konzentrieren (MUNLV 2009 b, S. 4–14). Da die Straßenbauverwaltungen über zahlreiche Ausgleichsflächen verfügen, ergeben sich auch hier Berührungspunkte mit der Wasserrahmenrichtlinie.
Ein dritter Berührungspunkt ist die Einleitung von Straßenoberflächenwasser in Oberflächengewässer. Im Zusammenhang mit dem Handlungsfeld der stofflichen Belastung der Oberflächengewässer durch Punktquellen kommen dem Neubau und der Anpassung von Anlagen zur Ableitung, Behandlung und zum Rückhalt von Niederschlagswasser im Trennsystem sowie der Optimierung ihrer Betriebsweise eine zentrale Rolle zu (MUNLV 2009 b, S. 2–5). Im Zusammenhang mit der stofflichen Belastung der Oberflächengewässer wurden in NRW als wichtige Verursacherbereiche insbesondere die Entwässerung stark befahrener Straßen sowie die Einleitung von Dach- und Fassadenabwässern identifiziert (MUNLV 2009 a; S. 8–12), was unter anderem aus einer in 2006 in NRW durchgeführten Auswertung der Metallbelastung von punktuellen Einleitungsstellen abgeleitet wird, bei der die Metallbelastung in Gewichtstonnen für die drei Quellen kommunales Trennsystem (528 t), Straße (479) und Mischwasserentlastung (172 t) erfasst wurden (Bewirtschaftungsprogramm NRW, S. 8–16) (s. Bild 1).
Bild 1: Metallbelastung durch verschiedene Einleitungsstellen
Das Maßnahmenprogramm NRW führt deshalb zur Straßenentwässerung aus:
„Auch Niederschlagswasser von Verkehrsflächen sowohl aus innerörtlichen als auch außerörtlichen abflusswirksamen Flächen können einen Belastungsschwerpunkt oberirdischer Gewässer darstellen. Für den Innenbereich sind in den meisten Fällen aufgrund rechtlich verankerter Instrumentarien (Abwasserbeseitigungskonzepte) trägerbezogene Maßnahmenpläne und Prioritätenlisten der Kommunen vorhanden oder werden erstellt. Für den Außenbereich gilt dies nicht. Die individuelle Relevanz vieler kleiner Einleitungen, auch die der Straßenbaulastträger, kann derzeit noch nicht abschließend beurteilt werden. Deshalb sind konzeptionelle Maßnahmen – wie Niederschlagswasserbeseitigungskonzepte …(als Maßnahmen)... aufgenommen worden, mit denen vorhandene Kenntnislücken geschlossen werden können… Es ist Aufgabe der Abwasserbeseitigungspflichtigen entsprechende Daten und Planungen beizusteuern. Dies betrifft somit auch die Straßenbaulastträger, die im Falle der Identifizierung eines Maßnahmenbedarfes dann auch Maßnahmenträger sind.“ (Maßnamenprogramm NRW, S. 2–10).
Die Bereitstellung von Daten zur Straßenentwässerung an den Außerortsstraßen und die sich daraus möglicherweise ergebenden Maßnahmen zur Nachrüstung der vorhandenen Behandlungs- und Rückhalteeinrichtungen stellen somit eine große Herausforderung für die Straßenbauverwaltung dar.
3 Pilotprojekt zur Erfassung und Bewertung der Einleitung von Straßenoberflächenwasser
Eine flächendeckende und umfassende Übersicht der vorhandenen Straßenentwässerung liegt beim Landesbetrieb Straßenbau NRW noch nicht vor. Aus diesem Grunde wurde seit 2003 damit begonnen, die vermessungstechnischen Daten der Straßenentwässerung, die bei Neu-, Um- und Ausbaumaßnahmen erstellt werden, in der Straßendatenbank abzulegen und bei freien Kapazitäten der Vermessung sukzessive auch die Straßenentwässerung im Bestand aufzunehmen. Der Umfang und damit die absehbare Dauer, die diese sehr detaillierte Datenerfassung in Anspruch nimmt, kollidiert mit den engen Fristen, die die Wasserrahmenrichtlinie setzt. Hierbei ist zu bedenken, dass mit der Bereitstellung der Daten noch keine bauliche Maßnahme umgesetzt ist. Ein Verweis auf die möglichen Fristverlängerungen im Zuge des zweiten oder dritten Bewirtschaftungsplans ist insoweit nicht zielführend. Aus diesem Grunde wurde auf Initiative des Rheinisch-Bergischen Kreises in Absprache mit den Nachbarkreisen und der Regionalniederlassung Rhein-Berg des Landesbetriebs Straßenbau ein Pilotprojekt initiiert, mit dem die Erfassung und Bewertung der Einleitungsstellen in beschleunigter Form erprobt werden sollte. Nach Vorstellung der Projektskizze beim damaligen Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (MUN-LV) konnte eine Projektförderung von 80 % erreicht werden.
3.1 Ziele und Gegenstand des Pilotprojektes
Ansatz und Konzeption des Projektes wurden bereits im Rahmen des Betriebsdienstkolloquiums vorgestellt (Togler 2009).
Zentrale Aufgabe des Projektes war die Entwicklung eines Erfassungstools, mit dem durch Einbindung der vorhandenen Daten zur Straßenentwässerung aus der Straßendatenbank und der Erschließung weiterer Datenquellen wie Luftbilder, Kartenmaterial und Befahrungsvideos die Art der Straßenentwässerung identifiziert und die ungefähre Lage der Einleitungsstelle abgeschätzt werden konnte. Parallel wurden ergänzende Angaben zur Straßenentwässerung aus Aktenlage und Wasserbuch recherchiert, um die für eine spätere Bewertung erforderlichen Angaben zu erfassen, wie Art der Vorbehandlung, eingeleitete Wassermenge oder Genehmigungsfristen. Eine Übertragung der im Erfassungstoolabgelegten Daten in die Straßendatenbank und die Landesdatenbank der Wasserbehörden ist gewährleistet.
Mit diesem Erfassungstool wurde durch mehrere Ingenieurbüros die Bestandsdatenerfassung für die drei beteiligten Flächenkreise im Zuständigkeitsbereich der Regionalniederlassung Rhein-Berg durchgeführt. Hierbei wurden sie durch die beteiligten Verwaltungen durch Bereitstellung der entsprechenden Unterlagen und Akten intensiv unterstützt.
In einer ersten Projektphase, die mittlerweile weitgehend abgeschlossen ist, wurden zunächst die Daten für die drei Flächenkreise Rheinisch-Bergischer Kreis, Oberbergischer Kreis und Rhein-Sieg-Kreis erfasst. In einer späteren Phase sollen dann auch die Daten der kreisfreien Städte im Pilotgebiet erfasst werden.
Nach Vorliegen der Bestandsdaten wurden die Einleitungsstellen stofflich und hydraulisch bewertet.
Die stoffliche Bewertung bestand in dem Abgleich, ob die Straßenentwässerung dem aktuellen Regelwerk entspricht. Abhängig von der Lage in Wasserschutzgebieten wurden hierzu entweder die RAS-Ew oder die RiStWag herangezogen.
Bei der hydraulischen Bewertung wurde in Anlehnung an den vereinfachten Nachweis nach BWK-M 3 (einem „Merkblatt zur Ermittlung der hydraulischen Belastbarkeit eines bestimmten Gewässers“) ermittelt, ob die von der Straße in das Gewässer eingeleitete Menge einem vorgegebenen Sollwert entspricht bzw. um wie viel dieser überschritten wird. Die hydraulische Bewertung ist noch nicht vollständig abgeschlossen.
Aus beiden Bewertungen sollen Einleitungsstellen mit Defiziten ermittelt und in Abhängigkeit von der Größe des Defizits in eine Rangfolge gebracht werden, die eine erste Priorisierung von Maßnahmen erlaubt. Wegen der noch nicht abgeschlossenen hydraulischen Bewertung wurde die Priorisierung bislang nur auf der Grundlage der stofflichen Bewertung vorgenommen.
3.2 Ergebnisse des Pilotversuchs: Erfassung der Einleitungsstellen
Durch die systematische und gezielte Recherche sowie die umfassende Nutzung der vorhandenen Daten, der Aktenlage, ergänzender Informationsquellen und Befragung ortskundiger Personen in den Straßen- und Autobahnmeistereien war eine fast vollständige Erfassung der bekannten und (bislang) unbekannten Einleitungsstellen möglich (KUA NRW S. 25). Damit ist nun von jedem Streckenabschnitt bekannt, wie und wohin das Straßenoberflächenwasser abgeleitet wird.
Bei der Einleitungsart wurde unterschieden in:
– direkte Einleitung in Oberflächengewässer
– gezielte Versickerung über Versickeranlagen
– dezentrale Versickerung im Seitenraum (über die Schulter) und
– Einleitung in die kommunale Kanalisation.
Insgesamt wurden in den drei beteiligten Kreisen insgesamt 4.034 Einleitungsstellen erfasst. Der überwiegende Teil der Streckenabschnitte (55 %) entwässern dezentral über den Straßenseitenraum, 32 % direkt in ein oberirdisches Gewässer, 7 % in die kommunale Kanalisation und in 6 % erfolgt eine gezielte Versickerung in das Grundwasser. Die Zuordnung zu den einzelnen Straßenklassen und der Einleitungsart ist dem Bild 2 zu entnehmen.
Das Gros der Einleitungsstellen entfällt auf die Landesstraßen, da sie auch den größten Streckenanteil besitzen. Der überwiegende Teil der erfassten Streckenabschnitte der Landes- und Kreisstraßen entwässert über den Seitenraum.
Bild 2: Anzahl der Einleitungsstellen nach Art und Straßenklasse
3.3 Ergebnisse des Pilotversuches: stoffliche Bewertung
Da die Entwässerung über die Schulter dem Stand der Technik entspricht und die Einleitungen in die kommunale Kanalisation im Regelfall erfasst und bewertet sind, wurde für die entsprechenden Streckenabschnitte kein Handlungsbedarf gesehen. Die Bewertung konzentrierte sich also auf die Einleitungen direkt in Gewässer und die gezielte Versickerung ins Grundwasser. Für diese Einleitungsstellen wurde in einem automatisierten Verfahren ermittelt, welche Vorbehandlung für das Straßenoberflächenwasser nach RAS-Ew bzw. RiStWag in Abhängigkeit von der Lage in der Schutzzone und dem DTV-Wert vorgesehen ist. Dieser Sollwert wurde mit dem tatsächlichen Ist-Zustand verglichen. Bei vorhandenen Behandlungsanlagen wurde ermittelt, ob die Bemessung für die angeschlossene Verkehrsfläche ausreichend ist (KUA S. 30).
Insgesamt wurden 1.126 Einleitungsstellen identifiziert, bei denen Behandlungsanlagen entweder nachgerüstet oder zumindest erweitert werden müssen. Das entspricht 74 % aller in die Bewertung eingeflossenen Einleitungsstellen. Die Verteilung der festgestellten Defizite auf die unterschiedlichen Straßenklassen (s. Bild 3) ist zum einen abhängig von ihrem Anteil am erfassten Streckennetz, zeigt aber auch, dass bauliche Aus- und Umbaumaßnahmen und damit auch Anpassungen der Straßenentwässerung im Bundesfernstraßennetz häufiger stattfinden (KUA S. 33).
Bild 3: Prozentuale Verteilung der Defizite auf die Straßenklassen
Je nach Einleitungsart (Einleitung in oberirdische Gewässer oder Versickerung ins Grundwasser) und der Lage in Wasserschutzgebieten lassen sich folgende Maßnahmen unterscheiden:
– Bau oder Erweiterung von Absetzbecken mit Leichtflüssigkeitsabscheider und Versickerbecken (Absetzb. + Versickerung),
– Bau oder Erweiterung einer RiStWag-Anlage (RistWag),
– Bau oder Erweiterung eines Regenklärbeckens mit Tauchwand im Dauerstau (RKB).
Außerdem wurde zusätzlich ermittelt, ob die Einleitungsstelle in einem Quellbereich liegt. Sofern dies der Fall war, wurde außerdem eine Verlegung der Einleitungsstelle als Maßnahme vorgesehen. Eine Übersicht über die Anzahl der unterschiedlichen Maßnahmen nach Straßenklassen ist im Bild 4 dargestellt.
Bild 4: Anzahl der Maßnahmen nach Art und Straßenklasse
Die überwiegende Anzahl der erforderlichen Nachrüstungsmaßnahmen konzentriert sich auf die Landesstraße und dort auf die Errichtung oder Erweiterung von Regenklärbecken mit Tauchwand in Dauerstau (KUA S 34).
Für diese Maßnahmen wurde unter Verwendung pauschalierter Kostenansätze der Finanzmittelbedarf abgeschätzt (KUA S 57). Dieser ist im Bild 5 dargestellt.
Insgesamt errechnet sich ein Investitionsbedarf in Höhe von 183 Mio. €.
Bild 5: Finanzmittelbedarf für die Behebung von Defiziten aus der stofflichen Bewertung
3.4 Ergebnisse des Pilotprojektes: hydraulische Bewertung
Bei der hydraulischen Bewertung wird beurteilt, ob und in welchem Maße Einleitungen in Gewässer die potenziell naturnahe jährliche Hochwasserspende übersteigen. Dabei werden sämtliche Einleitungen in einen bestimmten Gewässerabschnitt betrachtet. Damit kann auch der Beitrag, den eine bestimmte Einleitung an der hydraulischen Belastung eines Gewässerabschnittes hat, ermittelt werden. Im Pilotprojekt wurden die entsprechenden Berechnungen mit dem Programm GISBREIN durchgeführt (KUA S. 40). Da für die automatisierte Berechnung mit dem Programm im Unterschied zu den sonst üblichen Nachweisen für einzelne Gewässerabschnitte verallgemeinerte Annahmen getroffen werden mussten (Verwendung landesweit einheitlicher Datengrundlagen), ist zu beachten, dass die Gewässerbelastung dadurch im Regelfall eher überschätzt wird (KUA S. 51). Es handelt sich um eine „Worst-Case“-Betrachtung.
Im Pilotgebiet haben die Einleitungen von Straßenoberflächenwasser in Oberflächengewässer einen Anteil von 32 % an der Anzahl der Direkteinleitungen. Bezogen auf die angeschlossene befestigte Fläche machen die Straßenflächen jedoch nur 2,7 % aus (KUA S. 49).
Insgesamt wurden 2.855 Gewässerabschnitte hinsichtlich ihrer hydraulischen Belastung bewertet. An 573 Abschnitten (20 %) wurde eine Überlastung festgestellt, an der die Einleitung von Straßenoberflächenwasser in unterschiedlichem Maße beteiligt war.
Im Bild 6 sind die Gewässerabschnitte dargestellt, an deren Belastung die Einleitungen von Straßenoberflächenwasser unterschiedliche Anteile haben. Es zeigt sich, dass der überwiegende Teil der hydraulisch belasteten Gewässerabschnitte (65 %) mit Beteiligung von Straßeneinleitungen die Straßeneinleitungen lediglich einen geringen Beitrag leisten. Lediglich 22 % der Gewässerabschnitte sind überwiegend durch Straßeneinleitungen überlastet und bei 13 % ist die Straßeneinleitung zusammen mit anderen Quellen von Bedeutung (KUA S. 50).
Im Zuge der weiteren hydraulischen Bewertung soll einleitungsstellenscharf die Abweichung vom Sollwert der Einleitungsmenge ermittelt und der Kostenaufwand für die Nachschaltung oder Erweiterung von Regenrückhaltebecken abgeschätzt werden.
Bild 6: Belastete Gewässerabschnitte mit unterschiedlichen Anteilen von Straßeneinleitungen
3.5 Ergebnisse des Pilotprojektes: Priorisierung
Ziel der Priorisierung ist es, die Maßnahmen in eine Rangfolge zu bringen, bei der Einleitungen in besonders sensible Bereiche und Maßnahmen mit einem hohen Nutzen-Kosten-Verhältnis als dringlich erkannt werden. Bislang wurde die Priorisierung nur auf Basis der stofflichen Bewertung durchgeführt.
Für die Bildung der Rangzahlen wurden folgende Faktoren gewählt:
– DTV-Wert als Maß für die Schadstoffbelastung, wobei der DTV-Wert von 2.000 KFZ/24 Std. als Bagatellgrenze angesehen wurde und zur Faktorbildung der DTV-Wert durch den Wert „2.000“ dividiert wurde.
– Größe des Einzugsgebietes in ha als Maß für die Schadstofffracht.
– Berücksichtigung vorhandener Behandlungsanlagen, in dem das errechnete Beckenvolumen durch das vorhandene geteilt wurde. (KUA S. 36)
Die drei Faktoren wurden multipliziert und durch die veranschlagten Kosten dividiert und so der „Kosten-Nutzen-Faktor“ (KNF) errechnet. Damit erhalten Maßnahmen mit einer großen Wirkung und verhältnismäßig geringen Kosten einen hohen KNF und solche mit geringer Wirkung und hohen Kosten einen geringen KNF (KUA S. 39).
Zur Berücksichtigung sensibler Bereiche werden für Quellbereiche oder Wasserschutzgebiete in Abhängigkeit von der Zone unterschiedliche Zusatzpunkte auf den KNF der Einleitungsstelle addiert, um den einzelnen Maßnahmen Bewertungspunkte zuzuordnen.
In dem Bild 7 sind die Maßnahmen in der Rangfolge ihrer jeweiligen Bewertungspunkte dargestellt, wobei die blauen Säulen die Zusatzpunkte für die sensiblen Bereiche, die grünen Säulen den jeweiligen KNF und die rote Linie ihre Summe wiedergeben. Somit lassen sich die Maßnahmen mit vordringlichem Sanierungsbedarf leicht identifizieren. Zur Festlegung der eigentlichen Prioritätenliste ist zusätzlich ein Abgleich mit den jeweiligen Bauprogrammen vorgesehen.
Bild 7: Rangfolge der Maßnahmen nach Bewertungspunkten (KUA S. 55)
4 Ausweitung der Erfassung auf die Gesamtfläche von NRW
Mit dem Pilotprojekt wurde ein Verfahren zur zügigen Erfassung der Einleitungsstellen und ihrer Charakterisierung erarbeitet und erprobt. Außerdem wurden Verfahren zur stofflichen und hydraulischen Bewertung angewandt, welche die Identifikation der Maßnahmen mit vordringlichem Sanierungsbedarf erlauben.
Aktuell geht es um eine Anwendung dieser Methode auf den gesamten Zuständigkeitsbereich des Landesbetriebes Straßenbau NRW. Bei dem Pilotprojekt hat sich gezeigt, dass die Ingenieurbüros, die die eigentliche Erfassung durchgeführt haben, auf die intensive Zuarbeit von landesbetriebseigenen Personal angewiesen waren, das die relevanten Akten und Planungsunterlagen zusammengestellt und durch ihre Ortskenntnisse weitere Informationen bereitgestellt hat. Aus diesem Grunde wurde entschieden, dass die Erfassung in der Fläche durch eigenes Personal erfolgen soll. Am 19. 9. 2011 hat die Geschäftsführung des Landesbetriebs Straßenbau NRW beschlossen, dass hierzu je Niederlassung für zunächst drei Jahre befristet eine Vollarbeitskraft mit der Erfassung der benötigten Daten betraut werden soll. Im Zusammenhang mit dem zum 1. 1. 2012 beim Landesbetrieb eingeführten Mastermodell bei den Straßen- und Autobahnmeistereien konnten hierfür ehemalige Meistereileiter gewonnen werden, die über die entsprechenden örtlichen und fachlichen Kenntnisse verfügen. Das Projekt „Vorerfassung Straßenentwässerung“ ist am 1. 4. 2012 gestartet. Parallel wurde das für das Pilotprojekt entwickelte Erfassungstool für den Einsatz in Gesamt-NRW weiterentwickelt.
Die Erfassung der Einleitungsstellen erfolgt nicht nur aufgrund der Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie und zur Befriedigung des Informationsbedarfes der Unteren Wasserbehörden zur Niederschlagswasserbeseitigung, sondern auch aus Eigeninteresse. Die Straßenbaulastträger sind für das Straßenoberflächenwasser beseitigungspflichtig und Betreiber der entsprechenden Anlagen und Einrichtungen. Im betrieblichen Alltag stellen sich immer wieder Aufgaben, für deren Bewältigung die genaue Kenntnis der Straßenentwässerung zwingend erforderlich ist:
– Verbleib ausgelaufener Betriebsmittel nach einem Unfall,
– Anfragen von Anliegern und Behörden zur Straßenentwässerung bei Überflutungsschäden,
– Kontrolle, Reinigung und Wartung von Anlagen zur Straßenentwässerung.
Aus diesem Grunde werden im Rahmen der räumlichen Ausweitung der Einleitungsstellenerfassung jetzt auch zusätzliche Daten erhoben, die nicht im Zusammenhang mit der Wasserrahmenrichtlinie stehen. Dabei handelt es sich um ergänzende Angaben zu den Einleitungen in die kommunale Kanalisation (Kanalbetreiber, Gebührenrelevanz, Verweise auf mögliche Vereinbarungen) und zu möglichen Fremdeinleitern in das straßeneigene Leitungsnetz.
Nach Abschluss der Datenerfassung werden diese in die Straßendatenbank des Landesbetriebs Straßenbau NRW überführt. Änderungen im Zuge von Neu-, Um- oder Ausbaumaßnahmen werden dadurch berücksichtigt. Zukünftig kann der Landesbetrieb Straßenbau NRW für jeden einzelnen Streckenabschnitt die Entwässerungsart und die nach Aktenlage und Ortskenntnis bekannten Daten auf Knopfdruck abrufen. Es ist abzusehen, dass auch nach dieser Erfassung noch nicht flächendeckend alle erforderlichen Daten in ausreichender Genauigkeit und Belastbarkeit vorliegen werden, aber Streckenabschnitte mit Klärungsbedarf sind dann bekannt. Dies wird insbesondere Strecken mit unterirdischen Leitungen betreffen, da hier die im Erfassungstool genutzten Datenquellen keine gesicherten Aussagen zulassen. Auf diese Streckenabschnitte können dann gezielt die begrenzten Kapazitäten der vermessungstechnischen Erfassung konzentriert werden, die seit 2003 sukzessive mit der detaillierten Entwässerungserfassung befasst ist.
Nachfolgend eine Übersicht der wesentlichen Daten, die im Zuge der jetzt durchgeführten Erfassung je Einleitungsstelle erhoben werden.
Einleitungsstelle
Zugeordnete Streckenabschnitte mit Angaben über die Art der Wasserableitungsstrecke (Leitung, Mulde, etc.) Einleitungsart Einleitungsmenge (Näherungswert) Bei Einleitung in Gewässer
Bei Einleitung in Gewässer:
Bei Einleitung in Grundwasser
Bei Einleitung in Kanal:
Angaben zur Genehmigung
Angaben zu Sonderbauwerken
Angaben zu Fremdeinleitern
Koordinaten und Bezeichnung
Als Teil- und aufsummierte Gesamtfläche in m²
Oberirdisches Gewässer oder gezielte Versickerung oder in die Kanalisation oder über die Schulter
Errechnet sich automatisch aus Bemessungsregen und angeschlossener Fläche
Gewässername und Stationierung
Angabe über Versickerungsanlage
Kanalbetreiber, Vereinbarungen, Gebührenrelevanz
Genehmigungsbehörde, Art der Genehmigung, Befristung, genehmigte Einleitungsmenge
Auflistung sämtlicher der Einleitungsstelle zugeordneten baulichen Anlagen mit Angabe zum Typ der Anlage und Beckengröße
Angaben zur Genehmigung/Vereinbarung und zur Einleitungsmenge
Da die Daten aus dem Erfassungstool zu den Datenbanken der Umweltverwaltung übertragen werden können, können die erhobenen Daten auch zur Durchführung der stofflichen und hydraulischen Bewertung herangezogen werden. Über den genauen Ablauf müssen mit den Wasserbehörden noch Abstimmungsgespräche geführt werden.
Literaturverzeichnis
KUA, KommunalAgentur NRW GmbH (2013): Abschlussbericht zum Projekt Aufstellung eines Maßnahmenplans mit Prioritätenliste für alle Einleitungsstellen des Landesbetriebs Straßenbau NRW (Entwurfsfassung)
MUNLV (2009 a): Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen: Bewirtschaftungsplan für die nordrhein-westfälischen Anteile von Rhein, Weser, Ems und Maas 2010 – 2015, Düsseldorf
MUNLV (2009 b): Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen: Maßnahmenprogramm für die nordrhein-westfälischen Anteile von Rhein, Weser, Ems und Maas 2010 – 2015, Düsseldorf
Togler, R. (2009): Erfassung und Bewertung von Oberflächenwasser vor dem Hintergrund der neuen europäischen Richtlinie, In: Kolloquium Straßenbetriebsdienst 2009, S. 89–95 (FGSV 002/94) |