FGSV-Nr. | FGSV 002/124 |
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Ort | Bergisch Gladbach |
Datum | 27.03.2019 |
Titel | Identifizierung und Quantifizierung von Feinstaubquellen im Raum Stuttgart mittels Inhaltsstoffanalysen und Positivmatrix-Faktorisierung (PMF) |
Autoren | Philipp Schwarz, Dr. Sebastian Scheinhardt, PD Dr. Dirk Schindler |
Kategorien | Luftqualität |
Einleitung | In Deutschland steht die baden-württembergische Landeshauptstadt Stuttgart im Fokus der Diskussionen über die Luftqualität und Feinstaub. Der Grund dafür sind die Überschreitungen des Tagesgrenzwerts für Feinstaub PM10 und die damit zusammenhängende Klage der EU gegen die Bundesrepublik Deutschland. Die Luftmessstation am Neckartor ist die einzige Station in Deutschland, an der die zulässige Anzahl von 35 Tagen mit einem Tagesmittelwert PM10 > 50 µg m-3 bis zuletzt überschritten wurde (UBA, 2018). Aufgrund der Grenzwertüberschreitungen am Neckartor ist das Land Baden-Württemberg dazu verpflichtet, Maßnahmen zur Reduzierung der Feinstaubimmissionen zu entwickeln und umzusetzen. Diese Maßnahmen beruhen bisher auf Ursachenanalysen, die mit Hilfe des baden-württembergischen Emissionskatasters erstellt werden. Das Kataster erfasst Emissionen bekannter und relevanter Quellen und bestimmt damit den Beitrag verschiedener Quellgruppen zum Feinstaubmesswert. Im Kataster sind Emissionswerte für verschiedene Quellgruppen wie dem Verkehr, der Industrie, kleine und mittlere Feuerungsanlagen sowie biogene Systeme hinterlegt (LUBW, 2017). Die Hauptproblematik bei der Anwendung des Katasters sind die Unsicherheiten in den Aktivitätsraten sowie in den Emissionsfaktoren. Diese Unsicherheiten treten auf, weil im Kataster nicht alle Emittenten hinterlegt sind und die Bestimmung der Häufigkeit, der Zeitdauer und der Menge der einzelnen Emissionen nicht für alle Quellen vorliegen und teilweise hochgerechnet werden. Zudem können sekundäre Bildungsprozesse oder bisher unbekannte Feinstaubquellen nicht erfasst werden (LUBW, 2017). Neben dem Emissionskataster gibt es die Möglichkeit mit Hilfe von Rezeptormodellen und auf Grundlage von Immissionsdaten Feinstaubquellen zu identifizieren und deren Beitrag zur PM-Konzentration zu bestimmen (Viana et al., 2008). Die Annahme bei der Anwendung von Rezeptormodellen ist die Massenerhaltung der Inhaltsstoffe zwischen der Emissionsquelle und dem Messpunkt (Rezeptor). Die Positivmatrix-Faktorisierung (PMF) ist ein Rezeptormodell, das mit Hilfe der EPA PMF 5.0-Software standardmäßig zur Quellzuordnung verwendet wird (Belis et al., 2014; EPA, 2014). |
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1. EinleitungIn Deutschland steht die baden-württembergische Landeshauptstadt Stuttgart im Fokus der Diskussionen über die Luftqualität und Feinstaub. Der Grund dafür sind die Überschreitungen des Tagesgrenzwerts für Feinstaub PM10 und die damit zusammenhängende Klage der EU gegen die Bundesrepublik Deutschland. Die Luftmessstation am Neckartor ist die einzige Station in Deutschland, an der die zulässige Anzahl von 35 Tagen mit einem Tagesmittelwert PM10 > 50 µg m-3 bis zuletzt überschritten wurde (UBA, 2018). Aufgrund der Grenzwertüberschreitungen am Neckartor ist das Land Baden-Württemberg dazu verpflichtet, Maßnahmen zur Reduzierung der Feinstaubimmissionen zu entwickeln und umzusetzen. Diese Maßnahmen beruhen bisher auf Ursachenanalysen, die mit Hilfe des baden-württembergischen Emissionskatasters erstellt werden. Das Kataster erfasst Emissionen bekannter und relevanter Quellen und bestimmt damit den Beitrag verschiedener Quellgruppen zum Feinstaubmesswert. Im Kataster sind Emissionswerte für verschiedene Quellgruppen wie dem Verkehr, der Industrie, kleine und mittlere Feuerungsanlagen sowie biogene Systeme hinterlegt (LUBW, 2017). Die Hauptproblematik bei der Anwendung des Katasters sind die Unsicherheiten in den Aktivitätsraten sowie in den Emissionsfaktoren. Diese Unsicherheiten treten auf, weil im Kataster nicht alle Emittenten hinterlegt sind und die Bestimmung der Häufigkeit, der Zeitdauer und der Menge der einzelnen Emissionen nicht für alle Quellen vorliegen und teilweise hochgerechnet werden. Zudem können sekundäre Bildungsprozesse oder bisher unbekannte Feinstaubquellen nicht erfasst werden (LUBW, 2017). Neben dem Emissionskataster gibt es die Möglichkeit mit Hilfe von Rezeptormodellen und auf Grundlage von Immissionsdaten Feinstaubquellen zu identifizieren und deren Beitrag zur PM-Konzentration zu bestimmen (Viana et al., 2008). Die Annahme bei der Anwendung von Rezeptormodellen ist die Massenerhaltung der Inhaltsstoffe zwischen der Emissionsquelle und dem Messpunkt (Rezeptor). Die Positivmatrix-Faktorisierung (PMF) ist ein Rezeptormodell, das mit Hilfe der EPA PMF 5.0-Software standardmäßig zur Quellzuordnung verwendet wird (Belis et al., 2014; EPA, 2014). 2. ZielsetzungenIn der vorliegenden Arbeit soll erstmals eine Ursachenanalyse der Feinstaubbelastung im Raum Stuttgart auf Grundlage von Immissionsdaten mittels Rezeptormodellierung durchgeführt werden. Dabei sollen die wichtigsten Feinstaubquellen identifiziert sowie deren Beitrag zur Feinstaubkonzentration quantifiziert werden. Des Weiteren soll geprüft werden, ob mit dieser Methodik bisher unbekannte Feinstaubquellen identifiziert werden können. Die Ergebnisse sollen neue Erkenntnisse über die räumliche und zeitliche Variabilität der Feinstaubzusammensetzung in Stuttgart liefern und dabei als Vergleich zur bisherigen Ursachenanalyse auf Basis des Emissionskatasters dienen. Darüber hinaus soll erstmals eine Quellzuordnung für Partikel PM2.5 durchgeführt werden und mit den Ergebnissen der Quellzuordnung für Partikel PM10 verglichen werden. 3. Material und Methoden3.1 MesspunkteFür die Ursachenanalyse wurden drei Luftmessstationen aus dem Messnetz der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) im Raum Stuttgart ausgewählt. Dazu gehören die städtische Verkehrsstation Stuttgart Am Neckartor, die städtische Hintergrundstation Stuttgart Bad Cannstatt sowie die Station in Gärtringen, die den ländlichen besiedelten Raum repräsentiert und ca. 30 km südwestlich von Stuttgart liegt. 3.2 MessmethodikDie Grundlage für die Ursachenanalyse mittels PMF bilden die Konzentrationen der verschiedenen Feinstaubinhaltsstoffe, die bei der LUBW in den letzten Jahren für die ausgewählten Stationen routinemäßig durchgeführt wurden. Um die Inhaltsstoffe analysieren zu können, wird der Feinstaub zunächst auf Filtern gesammelt und gravimetrisch bestimmt. Die Feinstaubbeprobung erfolgte mit dem High-Volume-Sampler DHA-80 der Firma DIGITEL. Zur Untersuchung konnten Filterproben für die Jahre 2015, 2016 und 2017 verwendet werden. Während an allen Stationen Partikel PM10 erfasst wurden, konnten im Jahr 2017 am Neckartor auch Filter PM2.5 auf ihre Inhaltsstoffe untersucht werden. Insgesamt wurden 27 verschiedene Inhaltsstoffe analysiert, darunter verschiedene Metalle (Pb, Cd, Ni, As, Sb, Vn, Cr, Cu, Co, Sn, Mg, Ba, Zn, Al, Fe), Ionen (Na, K, Cl, Ca, Mg, NO3, SO4, NH4) und kohlenstoffhaltige Inhaltsstoffe (EC, OC, Levoglucosan, Benzo[a]pyren). 3.3 DatenaufbereitungDie Daten wurden zunächst plausibilisiert und auf Datenlücken untersucht. Dabei wurden einzelne Datenlücken bei Benzo[a]pyren und Levoglucosan im Sommer mittels gewichtetem Mittelwert aufgefüllt. Alle weiteren Fehldaten wurden aus dem Datensatz entfernt. Zusätzlich wurde innerhalb der PMF-Software auf Grundlage der Messunsicherheiten und Nachweisgrenzen der einzelnen Inhaltsstoffe Unsicherheiten für die Modellläufe berechnet. Im Folgenden wurden die Zeitreihen der Inhaltsstoffe auf Extremwerte untersucht, die entweder durch Messfehler entstanden sind oder auf besondere Ereignisse zurückzuführen sind. Die Tage, an denen Extremwerte für eine oder mehrere Inhaltsstoffe aufgetreten sind, wurden aus dem Datensatz entfernt. Zu Extremwerten an allen Stationen kam es z.B. jeweils um den Jahreswechsel infolge der Silvesterfeuerwerke. 3.4 Quellzuordnung mittels Positivmatrix-Faktorisierung (PMF)Die Positivmatrix-Faktorisierung wurde mit Hilfe der EPA PMF 5.0-Software durchgeführt. Dabei gehen die Konzentrationen der Feinstaubinhaltsstoffe an den verfügbaren Messtagen als Matrix X in die Berechnung ein. Daraus werden bei der PMF für eine vom Modellierer vorgegebene Anzahl an Faktoren (p) die Faktorprofile (Matrix F), die Faktorbeiträge (Matrix G) und der Massenrest E berechnet (Abbildung 1). Abbildung 1: Prinzip der Lösung der PMF in Matrixschreibweise Nach der Datenaufbereitung wurden mit der Software verschiedene Modellläufe für jede Station einzeln generiert. Dabei wurde die Anzahl an Faktoren p variiert, um die somit identifizierten Faktorprofile zu vergleichen. Für jeden Datensatz bzw. jede Station konnten dadurch mehrere PMF-Lösungen mit unterschiedlichen Anzahlen von Emissionsfaktoren generiert werden. Die Wahl für das passendste Modell erfolgt nach Ermessen des Modellierers und wurde von verschiedenen Kriterien nach Belis et al. (2014) abhängig gemacht. Das wichtigste Kriterium ist dabei die Möglichkeit der Identifizierung der Quellen auf Grundlage sinnvoller physikalischer Bestandteile sowie plausibler Zeitreihen der Quellgruppen. Zusätzlich wurden Bootstrap (BS)- und Dispersionsanalysen (DISP) zur Identifizierung passender Modelllösungen sowie zur Abschätzung der Unsicherheiten der Modelle durchgeführt. 4. Ergebnisse und Diskussion4.1 Zusammensetzung und zeitlicher Verlauf der QuellprofileMit Hilfe der PMF konnten an allen drei Stationen die folgenden sieben Quellprofile identifiziert werden: Verkehr, Aufwirbelung von städtischem Staub, flüchtige und nicht flüchtige sekundäre anorganische Aerosole (SAA), Biomasseverbrennung, Streusalz sowie gealtertes Streu- und Meersalz. Im Folgenden werden die stofflichen Zusammensetzungen und die zeitlichen Verläufe der Quellprofile für die Station am Neckartor erläutert (Abbildung 2, Abbildung 3). Der Faktor Verkehr setzt sich hauptsächlich aus Eisen, EC und OC zusammen und beinhaltet den Großteil der Metallanteile. Der zeitliche Verlauf zeigt relativ konstante Beiträge über das Jahr gesehen, wobei der Beitrag im Zeitraum des Jahreswechsels sowie zu Ferienzeiten abnimmt, was über die Verkehrszählungen am Neckartor bestätigt werden kann. Der Faktor für die Aufwirbelung von städtischem Staub beinhaltet den Großteil der gemessenen Menge an Aluminium, Calcium und Magnesium. Diese Elemente sind Hauptbestandteile der Erdkruste. Des Weiteren trägt v.a. OC zum Faktorbeitrag bei sowie Vanadium, das durch den Straßenabrieb freigesetzt werden kann. Zusätzlich werden dem Faktor diejenigen Metalle zugeordnet, die auch im Verkehrsfaktor dominieren. Das spricht in Kombination mit dem ähnlichen zeitlichen Verlauf dafür, dass die Aufwirbelung hauptsächlich durch den Straßenverkehr verursacht wird. Der Faktor der nicht flüchtigen sekundären anorganischen Aerosole (SAA_nf) setzt sich hauptsächlich aus Ammonium und Sulfat zusammen. Das Ammonium stammt größtenteils aus der Landwirtschaft (Ammoniak aus Düngung), während das Sulfat in der Atmosphäre durch schwefelhaltige Verbindungen, z.B. aus der Industrie, gebildet wird. Der Jahresverlauf zeigt höhere Beiträge im Sommer als im Winter. Der Faktor der flüchtigen sekundären anorganischen Aerosole (SAA_f) wird hauptsächlich durch Ammonium und Nitrat gebildet. Nitrat kann in der Atmosphäre aus NOX (z.B. Straßenverkehr) entstehen. Ammoniumnitrat ist eine flüchtige Verbindung, die bei einer Lufttemperatur von ca. 20 °C von der Partikelphase in die Gasphase übergeht und deshalb im Sommer nur einen geringen Beitrag zur Partikelmasse leistet. Der Faktor für die Biomasseverbrennung zeigt hohe Beiträge von OC sowie den Großteil der Levoglucosan- und Benzo[a]pyrenkonzentrationen. Zusätzlich sind EC, Kalium, Blei, Cadmium und Nitrat für den Faktor relevant. Levoglucosan und Kalium gelten als Indikatoren für die Holzverbrennung, während das Auftreten von Benzo[a]pyren mit unvollständiger Biomasseverbrennung assoziiert wird. Der Beitrag von Blei und Cadmium könnte darüber erklärt werden, dass sich Schwermetalle beim Wachstum der Bäume im Holz ablagern können und bei der Holzverbrennung freigesetzt werden. Der Faktor Streusalz setzt sich aus Natrium und Chlorid zusammen und kann über den zeitlichen Verlauf gut identifiziert werden. Der Beitrag zur Feinstaubkonzentration steigt an denjenigen Tagen deutlich an, an denen am Neckartor gestreut wird. Der Faktor für gealtertes Streu- und Meersalz setzt sich aus Nitrat, Natrium, Sulfat sowie Eisen und geringen Mengen Magnesium zusammen. Natrium ist der Hauptbestandteil von Meer- und Streusalz. Magnesium kann neben Natrium dem Streusalz beigemischt sein. Nitrat und Sulfat sind Verbindungen, die sich sekundär in der Atmosphäre bilden und charakteristische Bestandteile von gealterten Salzpartikeln darstellen. Der Faktorbeitrag ist im Jahresverlauf, abgesehen einzelner Peaks, weitestgehend konstant. In Gärtringen wurde zusätzlich ein Faktor identifiziert, der hauptsächlich aus hohen Anteilen von Barium und Zink besteht, während Natrium, Nitrat und Sulfat den größten Beitrag zur Faktorkonzentration liefern. Die Zusammensetzung dieser Inhaltsstoffe lässt keine direkte Verbindung zu einer bestimmten Quellgruppe zu. Der hohe Anteil an Schwermetallen könnte auf einen Industriefaktor hindeuten. Da der Beitrag zur Feinstaubkonzentration mit rund 1 % sehr gering ausfällt, ist der Faktor zu vernachlässigen. Die Zusammensetzung der Quellprofile sowie die zeitlichen Verläufe und die im Folgenden dargestellten Quellbeiträge stimmen mit Ergebnissen aus weltweiten Studien sehr gut überein (Van Pinxteren et al., 2017; Amato et al., 2016; Karagulian et al., 2015; Visser et al., 2015; Kim et al., 2015; Waked et al., 2014; Bernadoni et al., 2011; Alleman et al, 2010). Abbildung 2: Stoffliche Zusammensetzung der Quellgruppen an der Station Stuttgart Am Neckartor mit dem Konzentrationsbeitrag der Inhaltsstoffe zur Quellgruppe und dem prozentualen Anteil des Inhaltsstoffs im Bezug zur gesamten Inhaltsstoffkonzentration Abbildung 3: Zeitlicher Verlauf des Beitrags der Quellgruppen zur Feinstaubkonzentration für die Station Stuttgart Am Neckartor 4.2 Beiträge der Quellgruppen zur Feinstaubkonzentration4.2.1 Mittlere Beiträge im Zeitraum zwischen 2015 und 2017Die höchste Feinstaubkonzentration wird im Messzeitraum zwischen 2015 und 2017 mit 35,8 µg m-3 am Stuttgarter Neckartor erreicht, gefolgt von Bad Cannstatt mit 17,0 µg m-3 und Gärtringen mit 12,7 µg m-3 (Abbildung 4). Die PM10-Konzentration liegt damit am Neckartor um mehr als das Doppelte höher als in Bad Cannstatt, während der Unterschied zwischen Bad Cannstatt und Gärtringen mit 4,3 µg m-3 deutlich geringer ausfällt. Die größten Unterschiede in den absoluten Quellbeiträgen treten zwischen den Stationen für den Faktor Verkehr und den Faktor Aufwirbelung auf. Diese Quellgruppen leisten am Neckartor den größten Beitrag zur Feinstaubkonzentration, was über den direkten Einfluss des Straßenverkehrs erklärt werden kann. Über die Nähe zur Straße lässt sich auch der höhere Streusalzanteil am Neckartor ableiten. Der Beitrag des Verkehrs nimmt zwischen Neckartor und Bad Cannstatt stark ab, während die Beiträge für die sekundären anorganischen Aerosole auf einem ähnlichen Niveau bleiben. Abbildung 4: Vergleich der mittleren absoluten Beiträge der Quellgruppen zur PM10-Konzentration an den Stationen Stuttgart Am Neckartor (SAN), Stuttgart Bad Cannstatt (SBC) und Gärtringen (GTR) im Zeitraum zwischen 2015 und 2017 An den Stationen in Bad Cannstatt und Gärtringen bilden die sekundären anorganischen Aerosole prozentual die wichtigsten Quellgruppen (Abbildung 5). Die Beiträge für die Biomasseverbrennung und das gealterte Salz fallen ebenfalls höher als am Neckartor aus. In verschiedenen Übersichtsartikeln werden ebenfalls die Quellgruppen für Verkehr, Erdkruste/Aufwirbelung, sekundäre Aerosole sowie Biomasseverbrennung und See- oder Straßensalz identifiziert (Karagulian et al., 2015; Belis et al., 2013; Viana et al., 2008). In diesen Studien wurden jeweils die bis dahin verfügbaren europäischen bzw. weltweiten Ergebnisse der Quellzuordnungen mittels Rezeptormodellen zusammengefasst. Nach Belis et al. (2013) sind der Verkehr und die sekundären Aerosole die wichtigsten Quellgruppen in Bezug auf den Beitrag zur PM-Masse. Diese Aussage lässt sich für die Region Stuttgart bestätigen. In dem Artikel von Karagulian et al. (2015), die weltweit mehr als 400 Studien ausgewertet haben, werden neben dem Verkehr die Industrie und die Biomasseverbrennung als wichtigste Faktoren genannt. Obwohl die Region Stuttgart ein wirtschaftliches Zentrum in Baden-Württemberg darstellt, konnte kein Faktor mit charakteristischen Inhaltsstoffen identifiziert werden, die auf industrielle Emissionen rückschließen lassen. Eine mögliche Erklärung dafür könnten die strengen Vorschriften der TA Luft sein. Lediglich der Barium-/Zink-Faktor in Gärtringen könnte auf lokale industrielle Emissionen zurückzuführen sein. 4.2.2 Mittlere Beiträge im JahresverlaufIm Jahresverlauf werden die höchsten PM10-Konzentrationen an allen Stationen im Winter erreicht, während die Werte im Sommer am niedrigsten liegen (Abbildung 6). Die geringere Feinstaubbelastung im Sommer ergibt sich aus den geringeren Beiträgen der Biomasseverbrennung, des Streusalzes und der flüchtigen sekundären anorganischen Aerosole im Vergleich zu den anderen Jahreszeiten. Diese Quellgruppen zeigen im Winter hohe absolute und prozentuale Beiträge. Der Hauptgrund dafür ist die niedrige Lufttemperatur, die zu einem erhöhten Heizbedarf und zum Streusalzaustrag führt. Zusätzlich verbleiben die flüchtigen sekundären Aerosole aufgrund der niedrigen Lufttemperatur in der Partikelphase und tragen zur Gesamtpartikelmasse bei. Zwischen Frühling und Herbst unterscheidet sich hauptsächlich der Anteil der Biomasseverbrennung, der im Herbst etwas höher liegt, sowie der Anteil an flüchtigen sekundären Aerosolen, deren Anteil im Frühling höher liegt. Des Weiteren wird im Herbst im Jahresverlauf der höchste Beitrag des Verkehrsfaktors erreicht. Die Verkehrszählungen am Neckartor ergeben ebenfalls im Herbst die höchste durchschnittliche tägliche Verkehrsdichte (DTV). Abbildung 5: Vergleich der mittleren prozentualen Beiträge der Quellgruppen zur PM10-Konzentration an den Stationen Stuttgart Am Neckartor (SAN), Stuttgart Bad Cannstatt (SBC) und Gärtringen (GTR) im Zeitraum zwischen 2015 und 2017 Abbildung 6: Vergleich der absoluten Beiträge der Quellprofile zur PM10-Konzentration in Stuttgart Am Neckartor für die Jahreszeiten Frühling (März-Mai), Sommer (Juni-August), Herbst (September-November) und Winter (Dezember-Februar) im Zeitraum 2015 bis 2017 4.2.3 Vergleich der mittleren Beiträge von PM10 und PM2.5Die mittlere PM10-Konzentration liegt am Neckartor im Jahr 2017 mit 33,8 µg m-3 deutlich höher als die PM2.5-Konzentration mit 15,0 µg m-3 (Abbildung 7). Dementsprechend fallen auch die absoluten Anteile aller Quellgruppen in PM2.5 niedriger aus als in PM10. Die größten Unterschiede treten bei der Aufwirbelung von städtischem Staub und beim Verkehr auf. Beide Quellgruppen zeigen deutlich höhere Beiträge zur PM10-Konzentration als zum PM2,5-Wert. Das bedeutet, dass der Großteil der Partikel aus dem Verkehr und der Aufwirbelung einen Durchmesser > 2,5 µm aufweisen. Abbildung 7: Vergleich der absoluten Beiträge der Quellprofile zwischen PM10 und PM2,5 in Stuttgart Am Neckartor für das Jahr 2017 4.2.4 Vergleich zwischen PMF und bisheriger UrsachenanalyseDer direkte Vergleich zwischen den Ergebnissen aus der PMF und der bisherigen Ursachenanalyse auf Basis des Emissionskatasters zeigt, dass letztere weniger und unspezifischere Quellen identifiziert als die PMF (Abbildung 8). Lediglich der Faktor für die Biomasseverbrennung sowie der Verkehrs- und der Aufwirbelungsfaktor tauchen in beiden Analysen auf. Werden Aufwirbelung und Verkehr zusammengerechnet und als gesamte Verkehrsemissionen betrachtet, ergeben beide Methoden denselben Beitrag. Die Beiträge von sekundären Partikeln, sowie Streusalz und gealtertem Salz können über das Kataster nicht erfasst werden. Bei der bisherigen Ursachenanalyse werden die Beiträge in lokale Anteile sowie Anteile des großräumigen Hintergrunds aufgeteilt. Dabei setzt sich die Hintergrundbelastung aus den Beiträgen derselben Quellgruppen zusammen und beinhaltet damit keine separaten Quellen. Bei der PMF entsprechen vor allem die sekundären Aerosole sowie das gealterte Salz der Hintergrundbelastung. Der Faktor für Offroad, biogene Systeme und sonstige Quellen aus der bisherigen Ursachenanalyse hat am Neckartor einen vernachlässigbar kleinen Anteil an der PM10-Konzentration und taucht auch in der PMF nicht als eigene Quellgruppe auf. Ebenso identifiziert die bisherige Ursachenanalyse den Beitrag der Industrie als nicht relevant. Auch mithilfe der PMF kann kein spezifischer Industriefaktor für das Neckartor identifiziert werden. Der Vergleich zeigt, dass das Emissionskataster bezüglich der sekundären Aerosole sowie bezüglich der Quellgruppen, deren Emissionen nicht erfasst werden (können), limitiert ist. Die PMF-Methode ermöglicht es, mehr Quellgruppen zu identifizieren und zusätzlich deren Quellprofile mit den Beiträgen der einzelnen Feinstaubinhaltsstoffen zu analysieren. Mit Hilfe der PMF lassen sich plausible Quellanalysen für den Raum Stuttgart erstellen, die die Aussagen der bisherigen Ursachenanalyse im Bereich Verkehr und Biomasseverbrennung am Neckartor bestätigen und darüber hinaus eine detailliertere Quellzuordnung als bisher zulassen. Abbildung 8: Vergleich der Ergebnisse der Quellzuordnung mittels PMF und Emissionskataster für die Station Stuttgart Am Neckartor im Zeitraum von 2015 bis 2017 4.3 FehlerabschätzungDie Unsicherheiten in den Modellergebnissen können aus unterschiedlichen Arbeitsschritten resultieren. Zunächst beeinflussen die Unsicherheiten bzw. die Fehler bei der Bestimmung der Inhaltsstoffkonzentrationen die Modellergebnisse. Des Weiteren können aufgrund von Modellannahmen Fehler bei der Modellanwendung auftreten und mathematische Artefakte in den Quellprofilen entstehen. Das bedeutet, dass das Modell bestimmte Inhaltsstoffanteile einer Quelle zuordnet, was aus mathematischer Sicht richtig ist, physikalisch gesehen aber nicht sinnvoll erscheint. Die Überprüfung und Interpretation der Modellergebnisse durch erfahrene Anwender ist deshalb für die Durchführung einer PMF unerlässlich. Die Fehlerabschätzung mittels Bootstrap und Dispersionsanalyse gibt Hinweise über die Unsicherheiten innerhalb des jeweiligen Modells. Dabei werden bei der DISP-Analyse vor allem die Auswirkungen zufälliger Messfehler und Messunsicherheiten abgeschätzt, indem einzelne Konzentrationswerte erhöht oder vermindert werden. Der Bootstrap erfasst die Robustheit des Modells, indem einzelne Tage oder Zeitabschnitte aus dem Datensatz entfernt werden. Die Ergebnisse der Analysen zeigen, dass die Änderungen der Konzentrationen der einzelnen Inhaltsstoffe in einem Faktor sehr gering ausfallen für diejenigen Inhaltsstoffe, die charakteristisch für den jeweiligen Faktor sind. Die BS- und DISP- Analysen ergeben, dass die verwendeten PMF-Modelle robust sind und sich zur Quellzuordnung eignen. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Literatur
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