FGSV-Nr. FGSV 002/127
Ort online-Konferenz
Datum 13.04.2021
Titel Flexible Tarife für den ÖPNV
Autoren Dipl.-Ing. Daniel Leonhäuser, Univ.-Prof. Dr.-Ing. Carsten Sommer
Kategorien HEUREKA
Einleitung

Der Beitrag gibt einen Überblick über das Vorgehen und die Ergebnisse des Forschungsprojekts „FlexiTarife“, das von den Autoren mit weiteren Partnern bearbeitet wurde. Die wesentlichen Ziele dieses Projekt waren die Entwicklung neuer flexibler Tarifprodukte für EFM-Systeme und die Ermittlung ihrer Nachfragewirkungen. Drei neue Tarifprodukte für Gelegenheitskunden des ÖPNV wurden im Rahmen des Projekts testweise umgesetzt und wissenschaftlich untersucht. Zu diesem Zweck wurden die Buchungsdaten der EFM-Systeme in Kombination mit Befragungsdaten analysiert, die während des Projekts generiert wurden. Im Ergebnis führten die drei neuen Tarifprodukte zu einer um zwischen 47 und 70% erhöhten Nachfrage. Daher kann die Empfehlung abgeleitet werden, die neuen Möglichkeiten einer flexibleren Tarifgestaltung für die Weiterentwicklung der Tarifsysteme im ÖPNV zu nutzen.

PDF
Volltext

Der Beitrag ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Einführung

In den vergangenen Jahren wurden elektronische Fahrgeldmanagementsysteme (EFM-Systeme) (vgl. [1]) in verschiedenen Verkehrsverbünden und -unternehmen eingeführt. Diese sollen mittels elektronischem Zugangsmedium die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) für Kunden komfortabler gestalten. Neben dem vereinfachten Zugang aus Kundensicht können EFM-Systeme aber auch verschiedene weitere Vorteile bieten. Durch die elektronische Erfassung der Nutzung in Systemen der zweiten oder dritten Stufe gemäß der Definition des Verbands deutscher Verkehrsunternehmen (vgl. [2]) ergeben sich zum Beispiel Potentiale die herkömmlichen Fahrgastbefragungen zu ergänzen. Die Buchungsdaten aus solchen Systemen stellen Beobachtungsdaten des realisierten Verhaltens dar und ermöglichen die Analyse dieses Mobilitätsverhaltens im Längsschnitt. Diese Datenlage war bisher mittels herkömmlicher Erhebungsmethoden nicht mit vertretbarem Aufwand realisierbar. Neben dieser Bereicherung der Datenlage, die als „Abfallprodukt“ der elektronischen Abrechnung entsteht, bieten EFM-Systeme aber auch die Möglichkeit neue Tarifprodukte einzuführen, die im bisherigen analogen Vertrieb nicht praktikabel gewesen wären. Tarifprodukte dieser Art können besser auf die Anforderungen der Kunden bzw. Kundengruppen abgestimmt werden. Bisher wurde in EFM-Systemen häufig das analoge Tarifsystem auf das elektronische Medium übertragen, da zunächst die wesentliche Hürde in der technischen Umsetzung bestand. Dies gilt z.B. für die Handyticket-Systeme, in denen häufig Teile des bestehenden Fahrscheinsortiments erworben werden können. Teilweise wurde dabei als Anreiz für die Nutzung ein Preisnachlass gegenüber dem herkömmlichen Vertrieb gewährt. Neue Tarifprodukte sind aber bisher sehr selten für EFM-Systeme entwickelt worden.

Im Projekt FlexiTarife sollten neue Tarifprodukte im Speziellen für Gelegenheitskunden auf Basis von EFM-Systemen entwickelt und deren Wirkungen untersucht werden. Die beiden EFM-Systeme, in denen die neuen Tarifprodukte im Rahmen von Pilotversuchen getestet wurden, waren das Handyticket-System des Nordhessischen Verkehrsverbunds (NVV) und das Kolibri-System des Kreisverkehr Schwäbisch Hall (KSH). Der NVV bietet seit 2012 ein Handyticket-System an, über welches elektronische Fahrscheine eines reduzierten Sortiments erworben werden können. Dieses reduzierte Sortiment beinhaltete bisher Einzelfahrscheine, Tageskarten und eine Tageskarte für Kleingruppen bis 5 Personen und damit das wesentliche Angebot für Gelegenheitskunden. Der KSH bietet seit 2006 die sogenannte „KolibriCard“ an, die den Zugang zum eigenen Check-In/Check-Out-System des Verbunds ermöglicht. Die Kunden konnten mit der KolibriCard bisher Einzelfahrscheine abrechnen, die gegenüber dem jeweiligen Einzelfahrschein im herkömmlichen Vertrieb um ca. 15% rabattiert wurden [3].

2 Bestehende Ansätze flexibler Tarifprodukte

EFM-Systeme ermöglichen verschiedene Differenzierungsmöglichkeiten bei der Preisbildung. Fahrpreise können z.B. nach verschiedenen Angebotsqualitäten oder der Tageszeit differenziert werden, wie bei der Oystercard in London [4], [5]. Dies ermöglicht in gewissem Umfang eine Steuerung der Nachfrage, kann aber je nach Ausgestaltung auch die Einstiegshürde für die ÖPNV-Nutzung absenken. Auch im herkömmlichen Vertrieb sind bereits Zeitkarten bekannt, die bspw. erst ab 9 Uhr gültig sind, um Kunden zur Nutzung außerhalb der Morgenspitze zu bewegen. EFM-Systeme ermöglichen aber einen höheren Differenzierungsgrad und eine höhere Flexibilisierung. Dies wird beim FlexAbo der Stadtwerke Münster deutlich, das als Zeitkarte für alle Fahrten an Werktagen ab 8 Uhr sowie an Wochenenden gilt. Für die Nutzung vor 8 Uhr an Werktagen muss der Kunde einen Aufpreis zahlen [6], sodass ein monetärer Anreiz für spätere Fahrten besteht. Jedoch unterscheidet sich das Handling aus Kundensicht nicht. Eine weitere Möglichkeit, die im Fernverkehr bereits analog etabliert ist, durch elektronischen Vertrieb jedoch vereinfacht werden könnte, stellt das so genannte Grundpreismodell dar. Es entspricht im Prinzip der Bahncard in Deutschland [7] oder dem Halbtax in der Schweiz [8]. Der Kunde entrichtet für eine bestimmte Gültigkeitsdauer einen Grundpreis und erwirbt damit das Recht vergünstigte Fahrscheine zu beziehen. Ein neuer Ansatz flexibler Tarifierung, der auf der aufgezeichneten Nutzungshistorie basiert und daher nur mit EFM-Systemen der zweiten und dritten Stufe in Deutschland umsetzbar ist, erzeugt umsatzabhängige Gutschriften, die wiederum für die Nutzung des ÖV eingesetzt werden können. Ein Tarif dieser Art wurde in Peking in Verbindung mit der Beijing Transportation Card umgesetzt. Dabei erhält der Kunde ein Guthaben für die Nutzung des U-Bahn-Systems im Folgemonat in Abhängigkeit seines Umsatzes mit der U-Bahn im aktuellen Monat. Die Gutschrift wird ab einer bestimmten Umsatzschwelle (100 Yuan ≙ ca. 13 Euro) erzeugt und beträgt 20% des Umsatzes. Für einen Umsatz zwischen 150 und 400 Yuan erhält der Kunde 50% als Gutschrift im Folgemonat. Für Umsätze, die 400 Yuan übersteigen, wird keine weitere Gutschrift gewährt (vgl. [9]). Einige weitere Instrumente flexibler Tarifierung und deren beabsichtigte Wirkungen sind in [10] dargestellt.

3 Entwicklung neuer Tarifprodukte für die EFM-Systeme im NVV und KSH

Zum Zweck der Entwicklung neuer Tarifprodukte für die beiden EFM-Systeme in Nordhessen und Schwäbisch Hall wurden historische Buchungsdaten analysiert. Diese stellen formal Beobachtungsdaten des realisierten Verhaltens der ÖV-Kunden dar, die das System nutzen und ermöglichen daher zum einen die Analyse dieses Verhaltens und zum anderen eine Abschätzung der Wirkungen eines neuen Tarifprodukts mit entsprechenden Annahmen. Bei der Analyse der Daten ist jedoch zu beachten, dass diese mindestens für einen Teil der Kunden nur einen Ausschnitt der ÖV-Nutzung im jeweiligen Verbund darstellen. Dies ist zum Beispiel damit zu begründen, dass nicht das gesamte Ticketsortiment zur Verfügung steht und einige Kunden ihre Fahrscheinkäufe nicht vollumfänglich über das EFM-System realisieren können. Die Analyse der Buchungsdaten des Kolibri-Systems ergab, dass mit einer relativen Häufigkeit von 53% Kunden an den Tagen, an denen Sie mit ihrer KolibriCard den ÖPNV nutzen, nur eine Fahrt am Tag durchführen (vgl. Bild 1). Dies könnte auf den genannten Umstand zurückzuführen sein, dass eventuell nur ein Ausschnitt der ÖV-Nutzung in den Daten abgebildet ist. Allerdings scheint ein Wechsel des Vertriebswegs innerhalb eines Tages für ein Wegepaar aus Hin- und Rückweg im Fall des Kolibri-Systems nicht plausibel. So wäre der Kauf eines Einzelfahrscheins für den jeweiligen Hin- oder Rückweg allein aus ökonomischen Gründen nicht sinnvoll, weil der Kunde auf den preislichen Vorteil des Kolibri-Systems verzichten würde. Der Kauf einer Tages- oder Wochenkarte wäre auch nur damit zu erklären, dass dem Kunden zu spät aufgefallen ist, dass sich diese noch lohnen könnte. Wahrscheinlicher scheint, dass die Kunden sich für die übrigen Wege ihrer Wegekette, in denen einmalig der ÖPNV genutzt wurde, für andere Verkehrsmittel entschieden haben. Der Umstand, dass nur eine Fahrt am Tag mit dem ÖPNV durchgeführt wird, ist dabei kein Spezifikum des Kolibri-Systems. In Daten des get»in-Systems in Hanau wurde Ähnliches beobachtet (vgl. [11]). Eine Überprüfung mit Daten des Deutschen Mobilitätspanels und zwei studentische Arbeiten an der Universität Kassel haben das Phänomen bestätigt, wobei der Anteil der Tage, an denen nur eine einzige ÖPNV-Nutzung stattfand, insgesamt geringer als im KSH war. Im Rahmen der genannten Studienarbeiten [12] und [13] wurden in Fahrgastbefragungen die Gründe für die singuläre Nutzung des ÖPNV innerhalb einer Wegekette und das bzw. die weiteren genutzten Verkehrsmittel erhoben. Die Ergebnisse für verschiedene Personengruppen zeigen, dass die anderen Wege einer Wegekette mit einer einzigen Fahrt im ÖPNV häufig zu Fuß und bzw. oder als Pkw-Mitfahrer zurückgelegt werden. Die Gründe für dieses gezeigte Verhalten sind vielfältig. In den Befragungen wurden in etwa 40% der Fälle objektive Gründe, wie bspw. ein inadäquates Angebot (z.B. „keine Verbindung zum gewünschten Zeitpunkt“) dafür genannt, dass eine Wegekette nur einen Weg mit dem ÖPNV enthielt. Allerdings spielen subjektive Gründe (z.B. Bequemlichkeit, Bewegungsdrang als Begründung für zu Fuß gehen oder Wartezeiten) in Summe eine größere Rolle bezüglich der Entscheidung gegen den ÖPNV für die übrigen Wege einer Wegekette.

Bild 1: Fahrtenhäufigkeit der Kolibri-Kunden im Jahr 2016 [14]

Aufgrund dessen wurden die weiteren Wege eines Tages, die von den registrierten ÖPNV-Kunden im Kolibri-System nicht mit dem ÖPNV zurückgelegt werden, im KSH mindestens teilweise als Nachfragepotential eingeschätzt. So entstand die Idee einen tariflichen Anreiz für die Nutzung des ÖPNV für mehr als einen Weg am Tag zu schaffen, um die Gesamtnachfrage zu erhöhen. Aufgrund dessen wurde der „FlexiTarif“ für den Pilotversuch im KSH so gestaltet, dass für die Pilotkunden jede Nutzung des ÖPNV nach der ersten mit einem konstanten Preisnachlass von 50% angeboten wurde. Zusätzlich wurden alle Nutzungen an Wochenenden mit demselben Rabatt angeboten, um die Kunden abseits der Nachfragespitzen weiterhin an eine häufigere Nutzung des ÖPNV zu gewöhnen.

Für das Handyticket-System des NVV wurden zwei Tarifprodukte entwickelt, die sich an vorhandenen Anreizsystemen orientierten. Im Unterschied zum Pilotversuch im KSH mussten sich die Pilotkunden im NVV während der Registrierung für eines der beiden neuen Tarifprodukte entscheiden. Der „HandyFlexTarif 25“ wurde in Anlehnung an das Gutschrift-Modell aus Peking umgesetzt. Die Kunden, die diesen Tarif wählten, hatten die Möglichkeit durch den Umsatz im Monat eine Gutschrift zu erzeugen, die im darauffolgenden Monat für den Fahrscheinkauf im Handyticket-System eingesetzt werden konnte. Nach Erreichen einer Umsatzschwelle von zehn Euro wurde eine Gutschrift über 25% des monatlichen Umsatzes generiert. Die Umsatzschwelle konnte durch den Kauf weniger Fahrscheine bzw. eines Fahrscheins in der höchsten Preisstufe erreicht werden. Das Modell richtete sich damit eher an Gelegenheitskunden mit geringer ÖPNV-Nutzungshäufigkeit. Diese sollten animiert werden, den ÖPNV kontinuierlicher zu nutzen, wenn sie eine Gutschrift erhalten hatten. Auf lange Sicht sollte dadurch eine Gewöhnung an den ÖPNV erreicht werden.

Der „HandyFlexTarif 50“ entspricht dem in Kapitel 2 erläuterten Grundpreismodell. Die Pilotkunden, die sich für diesen Tarif entschieden, mussten sich mindestens für drei Monate vertraglich binden und monatlich einen Grundpreis von fünf Euro zahlen. Dafür erhielten sie die Möglichkeit Einzelfahrscheine in der App zum halben Preis zu beziehen. Der Break-Even, ab dem sich der Tarif aus Kundensicht in einem Monat gelohnt hat liegt damit bei einem Umsatz von fünf Euro durch rabattierte Fahrscheine. Der Preisnachlass wurde bewusst hoch und der Grundpreis gering angesetzt, da es sich um einen Pilotversuch mit begrenzter Kundenzahl handelte und dadurch das Erlösrisiko überschaubar blieb. Da sich die Kunden für einen bestimmten Zeitraum binden und monatlich den Grundpreis entrichten mussten, richtete sich dieses Angebot eher an Kunden, die planen konnten, den Break-Even regelmäßig zu erreichen und die damit ein überschaubares Risiko trugen. Dabei handelt es sich eher um Gelegenheitskunden mit mittlerer ÖPNV-Nutzungshäufigkeit (ca. 4-12 Fahrten pro Monat), die aber nicht davon ausgehen, die Nutzenschwelle einer entsprechenden Zeitkarte zu erreichen.

4 Pilotversuche zur Wirkungsermittlung

In beiden beteiligten Verbünden wurden die entwickelten Tarife mit einem geschlossenen Nutzerkreis im Rahmen eines jeweils sechsmonatigen Pilotversuchs getestet, um die Wirkungen zu ermitteln. Im KSH fand dieser Pilotversuch von November 2017 bis April 2018 statt. Der Verbund führte in den Monaten vor dem Pilotversuch eine Testkundenakquise durch, im Rahmen derer sowohl die Bestandskunden des Kolibri-Systems als auch Neukunden angesprochen werden sollten. Zu diesem Zweck wurden die Bestandskunden postalisch über den geplanten Versuch und die Möglichkeit zur Teilnahme am Versuch informiert. Zusätzlich wurden diverse Werbekanäle genutzt, um weitere Kunden zu erreichen. Insgesamt registrierten sich 254 Personen für den Test des neuen FlexiTarifs. Diese setzten sich zu 93% aus Bestandskunden des Kolibri-Systems, zu 1% aus Neukunden und zu 6% aus Kunden zusammen, die bisher zwar den ÖPNV des Verbunds nutzten, aber keine KolibriCard hatten. Die Versuchsteilnehmer mussten direkt beim Registrierungsvorgang an einer Befragung teilnehmen, bei der im Wesentlichen verschiedene Aspekte des bisherigen Mobilitätsverhaltens inkl. der bisherigen Nutzung der KolibriCard und weiterer Fahrkarten des Verbunds sowie einige Soziodemographika abgefragt wurden. Auf diese Weise konnte zumindest bezüglich der Einstiegsbefragung ein vollständiger Rücklauf erreicht werden. Zum Abschluss des Pilotversuchs wurde eine zweite Befragung der Testkunden durchgeführt, bei der einige Fragen in vergleichbarer Weise zur ersten Befragung gestellt wurden, um einen direkten Vergleich zwischen den beiden Zuständen (vor und während des Pilotversuchs) zu ermöglichen. Darüber hinaus wurden auch Spezifika der Versuchsteilnahme, Verhaltensänderungen und -hintergründe, Zufriedenheit, Zahlungsbereitschaft und Persönlichkeitsmerkmale erhoben. An dieser zweiten Befragung nahmen 143 Testkunden teil, was einer Response-Quote von 56% entspricht.

Der Pilotversuch in Nordhessen verlief organisatorisch ähnlich wie in Schwäbisch Hall. Der wesentliche Unterschied bestand darin, dass die Kunden im Vorfeld wählen mussten, welchen Tarif sie testen. Im Rahmen der Kundenakquise und während des Registrierungsprozesses wurden die Kunden daher über die beiden Tarife informiert. 390 Teilnehmer entschieden sich daraufhin für den HandyFlexTarif 25 und 574 Teilnehmer für den HandyFlexTarif 50. Der Anteil der Bestandskunden des Handyticket-Systems lag hier mit 37% bzw. 40% niedriger als beim Versuch im KSH. Die größte Gruppe bildeten die Kunden, die bisher ausschließlich andere Vertriebswege des NVV nutzten, mit einem Anteil von 47% bzw. 46% der Versuchsteilnehmer. Der Registrierungsprozess selbst und die einleitende Befragung wurden analog zum Versuch in Schwäbisch Hall umgesetzt. Die Feldphase lief ab März 2018 und wurde im September desselben Jahres analog zum Pilotversuch in Schwäbisch Hall mit der Abschlussbefragung der Testkunden beendet. An dieser Befragung nahmen 83 Kunden mit HandyFlexTarif 25 und 227 mit HandyFlexTarif 50 teil. Die Response-Quote lag damit bei 21% bzw. 40%.

5 Wirkungsermittlung der entwickelten Tarife

5.1 Methodisches Vorgehen

Die Wirkungsermittlung der getesteten Tarife basiert auf den Nutzungsdaten der EFM-Systeme (Buchungsdaten) im Zustand vor Einführung der Tarife (Vorher-Zustand) und nach Einführung der Tarife während des Pilotversuchs (Nachher-Zustand) sowie auf den Daten der jeweiligen Vorher- und Nachherbefragung. Bei der Auswertung beider Pilotversuche war zu beachten, dass die Wirkungen, die sich anhand der Nutzungs- und Befragungsdaten messen lassen, nur den sogenannten Bruttoeffekt abbilden. Dieser besteht neben dem Nettoeffekt aus externen Störfaktoren und eventuellen Designeffekten der Erhebung (s. Bild 2). Die Kenngröße, die eigentlich untersucht werden soll, ist der Nettoeffekt, der sich aufgrund der überlagerten Effekte nicht direkt messen lässt. Bei der Durchführung von Versuchen unter Laborbedingungen oder der Wirkungsermittlung von Maßnahmeneffekten in Modellen können die anderen Effekte häufig durch verschiedene Methoden minimiert oder sogar eliminiert werden. Bei Pilotversuchen unter Realbedingungen und mit echten Kunden sind externe Störfaktoren dagegen in der Regel nicht auszuschließen. Beim Versuchsdesign und der Auswertung des Datenmaterials sollte darauf geachtet werden, dass die Einflüsse der Störfaktoren so gering wie möglich sind und keine Designeffekte durch die Erhebung entstehen.

Bild 2: Brutto- und Nettoeffekte einer Maßnahme nach [15]

Aufgrund dessen wurde der Vorher-Zustand durch die Nutzungsdaten des Zeitraums repräsentiert, der genau ein Jahr vor dem Pilotversuch lag. Auf diese Weise konnten saisonale Einflüsse auf ein ggf. verändertes Mobilitätsverhalten der Testkunden ausgeschlossen werden. Darüber hinaus wurde nur die zweite Hälfte des jeweiligen Versuchszeitraum und des Vergleichszeitraums im Jahr vorher verglichen (Monate vier bis sechs des Pilotversuchs), weil davon auszugehen ist, dass sich die Maßnahmenwirkung nicht unmittelbar nach Einführung eines Tarifs einstellt, sondern sich zunächst eine Verhaltensroutine bei den Kunden einstellen muss. Zusätzlich wurde bei der Auswahl der Nutzungsdaten darauf geachtet, dass jeweils beide Vergleichszeiträume die identische Anzahl an Wochenenden, Feiertagen und Schulferientagen umfassen, um eine Verzerrung der Ergebnisse aufgrund veränderten Verhaltens an diesen Tagen ausschließen zu können. Aufgrund dieser Rahmenbedingung wurden die beiden Vergleichszeiträume bezüglich des Pilotversuchs des KSH noch um wenige Tage gekürzt.

Bei der Auswertung der Pilotversuche waren grundsätzlich drei Kundengruppen zu unterscheiden. Die erste Gruppe bildeten diejenigen Kunden, die bereits vor dem Pilotversuch Kunden des jeweiligen EFM-Systems waren und von denen aufgrund dessen auch Nutzungsdaten des Vorher-Zustands verfügbar waren. Die zweite Gruppe bestand aus den Testkunden, die sich erst im Rahmen der Registrierung für den Pilotversuch beim jeweiligen EFM-System angemeldet haben, vorab aber bereits öffentliche Verkehrsmittel des jeweiligen Verbundes nutzten. Die dritte Gruppe bildeten die tatsächlichen Neukunden des jeweiligen Verbundes, die bisher noch kein Angebot des Verbunds nutzten. Für die beiden letztgenannten Gruppen lagen keine Nutzungsdaten für den Vorher-Zustand vor. Ihre ÖPNV-Nutzungshäufigkeit vor dem Versuch, und damit auch die Zugehörigkeit zur zweiten oder dritten genannten Gruppe, konnte nur anhand der Angaben aus der Vorher-Befragung ermittelt werden.

Aus diesem Grund konnte die Wirkungsermittlung der getesteten Tarife hinsichtlich der Nachfrageentwicklung der Testkunden nicht allein anhand der Buchungsdaten realisiert werden. Hinzu kommt, dass die Buchungsdaten auch für einen Teil der Bestandskunden nur einen Ausschnitt der gesamten Nutzung darstellen, weil zusätzliche Fahrkarten im herkömmlichen Vertrieb erworben wurden. In beiden Versuchen wurden diese Wechselwirkungen im Vertrieb unter den Testkunden festgestellt. Bild 3 zeigt für den Pilotversuch des NVV, dass auch ein großer Teil der Bestandskunden des Handyticketing vor dem Pilotversuch Fahrkarten im herkömmlichen Vertrieb erwarben. Die KolibriCard in Schwäbisch Hall ist darüber hinaus übertragbar. Daher können die registrierten Buchungen einer Karte von mehr als einer Person verursacht worden sein.

Im Rahmen der Befragungen vor und nach dem Pilotversuch wurde die Nutzung der Probanden gemäß der eigenen Einschätzung erhoben. Hierzu ist allerdings bereits durch verschiedene Studien bekannt, dass diese Angaben nicht notwendigerweise verlässlich sind (vgl. [16]). Mittlere Nutzungshäufigkeiten lassen sich über einen längeren Zeitraum nur durch die Abfrage in Häufigkeitsklassen erheben. Im Rahmen der Befragungen wurde hierfür eine Klasseneinteilung gewählt, die beispielweise auch in der Erhebung „Mobilität in Deutschland 2017“ (vgl. [17]) verwendet wurde. Eine Veränderung der Nutzung lässt sich mit diesen Häufigkeitsklassen aber nur dann nachweisen, wenn sich die Häufigkeit aus Vorher- und Nachher-Zustand unterschiedlichen Klassen zuordnen lässt. So kann selbst eine Verdopplung der Nutzungshäufigkeit eines Kunden aus der Angabe in den Befragungen nicht ersichtlich werden, wenn der ÖPNV im Zustand vorher einmal im Monat und im Zustand danach zweimal im Monat genutzt wird und der Kunde in beiden Fällen korrekterweise die Antwortmöglichkeit „an einem bis drei Tagen pro Monat“ auswählt.

Bild 3: Fahrkartenerwerb im herkömmlichen Vertrieb der Handyticket-Bestands- und Neukunden vor dem Pilotversuch [14]

Aus den oben genannten Gründen wurde die Wirkungsermittlung auf Basis einer Kombination der Buchungs- und Befragungsdaten realisiert. Für einen Teil der Kunden lagen sowohl Befragungs- als auch Buchungsdaten vor und im Rahmen der Befragung wurden die Wechselwirkungen mit dem herkömmlichen Vertrieb und die Nutzung der Übertragbarkeit der KolibriCard in Schwäbisch Hall abgefragt. Daher konnten in beiden Pilotversuchen für Vorher- und Nachher-Zustand die Daten der Testkunden ausgewählt werden, die ausschließlich das EFM-System nutzten, keine weiteren Fahrkarten mittels anderer Vertriebskanäle erwarben und die Karte nicht mit anderen Personen teilten.

Für diese Kunden ist die ÖPNV-Nutzung im betreffenden Verkehrsverbund vollständig durch die Nutzungsdaten repräsentiert. Daher konnte auch die Angabe der Nutzungshäufigkeit aus der Befragung mit der tatsächlichen Nutzung abgeglichen werden. Auf diese Weise ließ sich die „Verschätzung“ der Nutzung ermitteln bzw. die tatsächliche Nutzung bestimmen, die mit den jeweiligen Antwortkategorien korrespondiert. Unter der Annahme, dass sich diese „Verschätzung“ zwischen den Kunden, für die alle notwendigen Informationen vorlagen, und den übrigen Kunden nicht unterscheidet, konnten die durchschnittlichen Fahrtenzahlen je Antwortkategorie auf alle Angaben aus den Befragungen übertragen werden. Auf diese Weise konnte die Nutzung aller Versuchsteilnehmer anhand der Angaben in der jeweiligen Vorher- und Nachherbefragung ermittelt werden.

5.2 Ergebnisse des Pilotversuchs im NVV

105 Bestandskunden des NVV gaben in der ersten Befragung an, immer das NVV-Handyticket für den Erwerb von Fahrkarten zu nutzen, sodass die Buchungsdaten des Vergleichszeitraums im Jahr 2017 (Vorher-Zustand) ohne Einschränkung nutzbar waren. Tabelle 1 zeigt für diese Kunden die Auswertung der Fahrten pro Monat bei Angabe einer bestimmten Nutzungshäufigkeit. Dabei ist zu beachten, dass der Antwortkategorie „nie“ aus Plausibilitätsgründen eine Fahrtenhäufigkeit von „0“ zugeordnet wurde. Die Fahrtenanzahl wurde dabei anhand der gekauften Fahrkarten im Handyticket-System abgeschätzt, wobei für die Tageskarten (MultiTicket und MultiTicketSingle) die mittleren Nutzungshäufigkeiten berücksichtigt wurden, die der NVV aus eigenen Daten ermittelt hat.

Tabelle 1: Durchschnittliche Fahrtenanzahl pro Monat der Kunden mit der angegebenen ÖPNV-Nutzungshäufigkeit im NVV vor dem Pilotversuch [14]

Mit diesen durchschnittlichen Fahrtenzahlen je selbsteingeschätzter Nutzungshäufigkeit und den Angaben aus der Vorherbefragung aller Pilotkunden (vgl. Bild 4) konnte ein valider Schätzwert für die Anzahl der Fahrten vor dem Pilotversuch ermittelt werden.

Bild 4: ÖPNV-Nutzungshäufigkeit der Pilotkunden im NVV (Sommerhalbjahr) vor dem Pilotversuch laut erster Befragung [14]

Mit demselben methodischen Ansatz wurden die Angaben aus der zweiten Befragung mit den Buchungsdaten aus dem Pilotversuch in mittlere Fahrtenzahlen pro Monat für jede Häufigkeitsangabe umgerechnet. Das Ergebnis ist in Tabelle 2 dargestellt.

Tabelle 2: Durchschnittliche Fahrtenanzahl pro Monat der Kunden mit der angegebenen ÖPNV-Nutzungshäufigkeit im NVV während des Pilotversuchs [14]

Der Vergleich offenbart direkt, dass die gleiche Häufigkeitseinschätzung vor dem Pilotversuch deutlich weniger Fahrten entspricht als während des Pilotversuchs. Der Grund für dieses Ergebnis kann anhand der vorliegenden Daten nicht ermittelt werden. Allerdings sind beide Ergebnisse weitgehend plausibel (vgl. Bild 5). Ein Kunde, der an einem bis drei Tagen pro Monat öffentliche Verkehrsmittel des Verbundes nutzt, kann dabei im Schnitt 2,6 oder auch 4,0 Fahrten zurücklegen. Die Tatsache, dass die Angabe in der Befragung nicht die Nutzungsintensität pro Tag beinhaltet und die abgefragten Zeitintervalle aus Gründen einer geringeren Belastung für den Probanden und validerer Ergebnisse keine exakten Aussagen zulassen, lässt beide Ergebnisse korrekt erscheinen. Lediglich bei der Angabe „seltener als monatlich“ ist die Fahrtenanzahl aus dem Pilotversuch als bemerkenswert hoch einzustufen.

Bild 5: Spannweite plausibler Fahrtenhäufigkeiten bezüglich der verschiedenen selbsteingeschätzten Nutzungshäufigkeiten [14]

Die in der zweiten Befragung während des Pilotversuchs angegebenen Nutzungshäufigkeiten sind in Bild 6 dargestellt. Beim Vergleich mit Bild 4 lassen sich zunächst für beide getesteten Tarife keine wesentlichen Veränderungen des Nutzungsverhaltens ableiten.

Bild 6: ÖPNV-Nutzungshäufigkeit der Pilotkunden im NVV während des Pilotversuchs laut zweiter Befragung [14]

Mit den erhöhten Fahrtenzahlen je zugehöriger Antwortkategorie während des Pilotversuch ergibt sich aber durch die Kombination aus Befragungs- und Buchungsdaten ein anderes Bild. Das Ergebnis zeigt, dass diejenigen Kunden, die sich für den HandyFlexTarif 25 entschieden haben, durchschnittlich 4,6 Fahrten pro Person und Monat mit Verkehrsmitteln des NVV im Vorher-Zustand unternommen haben. Während des Pilotversuchs erhöhte sich diese spezifische Fahrtenhäufigkeit auf einen Wert von 7,8. Die Nachfrage dieser Gruppe konnte also durch das angebotene Anreizsystem um rund 70% gesteigert werden. Die Kunden, die sich für den HandyFlexTarif 50 entschieden, unternahmen im Vorher-Zustand durchschnittlich 6,3 Fahrten pro Person und Monat im NVV. Die Fahrtenhäufigkeit lag damit erwartungsgemäß über dem entsprechenden Wert der Kunden mit HandyFlexTarif 25. Während des Pilotversuchs erhöhte sich dieser Wert auf 9,7 Fahrten pro Person und Monat, was einer Nachfragesteigerung von rund 54% entspricht.

5.3 Ergebnisse des Pilotversuchs im KSH

In Schwäbisch Hall wurden mit demselben methodischen Ansatz die Fahrtenhäufigkeiten der Kunden ermittelt, deren Nutzung in den Buchungsdaten des Kolibri-System vollständig dokumentiert war, da sie keine anderen Fahrkarten erwarben und die Karte ausschließlich persönlich nutzten. In Tabelle 3 sind die Fahrtenhäufigkeiten, die mit der jeweiligen selbsteingeschätzten Nutzungshäufigkeit aus der entsprechenden Befragung korrespondieren sowohl für den Vorher- als auch für den Nachher-Zustand dargestellt.

Tabelle 3: Durchschnittliche Fahrtenanzahl pro Monat der Kunden mit der angegebenen ÖPNV-Nutzungshäufigkeit im KSH [14]

Die ermittelten Werte für den Vorher-Zustand liegen in vergleichbarer Größenordnung wie beim Versuch in Nordhessen. Die größte prozentuale Abweichung ist bei der Antwortkategorie „seltener als monatlich“ zu erkennen. Diese Angabe entsprach beim KSH vor dem Pilotversuch im Mittel weniger Fahrten. Die Werte des Nachher-Zustands lagen auch beim KSH erkennbar deutlich über denen des Vorher-Zustandes. Dennoch befinden sich auch die für Schwäbisch Hall ermittelten Werte alle innerhalb der plausiblen Spannweiten (vgl. Bild 5). Erneut ist lediglich der Wert der Kategorie „seltener als monatlich“ bemerkenswert hoch. Dies deutet darauf hin, dass diese Antwortkategorie mit den größten Unsicherheiten behaftet ist.

Durch die ermittelten Fahrtenzahlen je Antwortkategorie im KSH konnte auch für den getesteten FlexiTarif die Nachfrage vor und während des Pilotversuchs ermittelt werden. Die Teilnehmer des Pilotversuchs haben demnach im Vorher-Zustand durchschnittlich 6,4 Fahrten pro Person und Monat durchgeführt. Im Nachher-Zustand mit dem neuen FlexiTarif erhöhte sich dieser Wert um rund 47% auf 9,4 Fahrten pro Person und Monat. Dieser Tarif hat demnach ebenfalls zu einer höheren Nachfrage durch die Testkunden geführt.

6 Fazit und Ausblick

Das Projekt FlexiTarife hat gezeigt, dass bei einem EFM neue, nutzungsabhängige Tarifprodukte im ÖPNV möglich sind und entsprechende Anreizsysteme positive Auswirkungen auf die Fahrgastnachfrage haben. Alle drei getesteten Tarife führten zu einer Nachfragesteigerung. Mindestens für die Gelegenheitskunden, auf die die entwickelten Tarife abgestimmt waren und für die eingangs ein Mangel an adäquaten Tarifangeboten im ÖPNV festgestellt wurde, besteht damit ein hohes Potential für eine häufigere Nutzung. Aufgrund dessen kann im Zusammenhang mit der zunehmenden Verbreitung der EFM-Systeme die Empfehlung ausgesprochen werden, die höhere Flexibilität bei der Tarifgestaltung auszunutzen, um eine Weiterentwicklung der Tarifsysteme zu realisieren.

Bei der Interpretation der Ergebnisse ist jedoch zu beachten, dass die Versuchsteilnehmer keine zufällige Stichprobe der Gelegenheitskunden darstellen, sondern sich aktiv für die Teilnahme und den Test eines Tarifs angemeldet haben. Wahrscheinlich haben dadurch im Wesentlichen Personen die Tarife getestet, die sich einen Vorteil dadurch erhofften (Selbstselektionseffekt). Der durchschnittliche Gelegenheitskunde profitiert also ggf. weniger stark als die Versuchsteilnehmer und würde aus diesem Grund auch weniger stark sein Nutzungsverhalten ändern. Daher sind die beobachteten Effekte beim FlexiTarif im KSH und dem HandyFlexTarif 25 eher als Obergrenze der Nachfragereaktion einzuordnen. Für den HandyFlexTarif 50 gilt diese Einschränkung nicht, da ein entsprechendes Modell im Regeltarif, analog zum Pilotversuch, auch eine aktive Anmeldung der Kunden erfordern würde. Damit würden auch im Regeltarif nur Kunden den Tarif wählen, die sich Vorteile davon versprechen.

Der Rhein-Main-Verkehrsverbund testet seit einigen Jahren einen neuen entfernungsabhängigen Tarif „RMVsmart“ mit der dazugehörigen RMVsmart App für mobile Endgeräte. Bereits im Jahr 2017 wurde der Test durch das neue Angebot RMVmart 50 ergänzt, das ursprünglich mit denselben Konditionen wie der HandyFlexTarif 50 (5 Euro pro Monat, Einzelfahrt zum halben Preis) umgesetzt wurde. Zum 1.10.2019 wurde der monatliche Grundpreis auf 10 Euro erhöht. Dieses Angebot hat ebenfalls zu einer erheblichen Steigerung der Nachfrage geführt und stützt daher die erzielten Ergebnisse. Der NVV hat bereits angekündigt, dass der HandyFlexTarif 50 im Jahr 2020 eingeführt werden soll. Der RMV stellt ebenfalls Überlegungen für eine Überführung des RMVsmart in den Regeltarif an und entwickelt das RMVsmart-Angebot kontinuierlich weiter. Daran zeigt sich, dass beide Verbünde von den jeweiligen Versuchsergebnissen überzeugt sind und die Einführung EFM-basierter Tarife unterstützen.

Bei einer dauerhaften Einführung des HandyFlexTarif 50 sind allerdings Wanderungen von Zeitkarten-Kunden in den neuen Tarif nicht auszuschließen. In Abhängigkeit der Parameter Grundpreis und Rabatthöhe könnten Nutzenschwellen für den Erwerb einer Zeitkarte nach oben verschoben werden. Darüber hinaus ist die räumliche Unabhängigkeit im Gegensatz zur herkömmlichen, raumgebundenen Zeitkarte ein weiterer Vorteil des Tarifmodells, der die Entscheidung der Fahrkartenwahl beeinflussen kann. Die Reaktion der ÖPNV-Kunden mit einer Nutzungshäufigkeit, die etwa im Bereich der Nutzenschwellen liegt, kann erst über einen längeren Zeitraum nach der Einführung und mittels entsprechender Begleitforschung untersucht werden.

Neben der Nachfragereaktion auf diese neuen Tarifprodukte ist aus Verbundsicht auch die Erlöswirkung ein entscheidender Erfolgsindikator. Da die Erlöse der Kunden im herkömmlichen Vertrieb unbekannt sind und im Rahmen der Befragungen nicht valide erfasst werden konnten, steht eine Abschätzung der Erlöswirkung aktuell noch aus.

7 Literatur

[1]    Plank-Wiedenbeck, U.; Stopka, U.: Elektronisches Fahrgeldmanagement, 2014, https://www.forschungsinformationssystem.de/servlet/is/339460/ [Zugriff am: 16.06.2017].

[2]    Ackermann, T.: Handbuch Marketing im ÖPNV, ÖPNV Wissen, DVV Media Group GmbH, Hamburg, 2016.

[3]    KreisVerkehr Schwäbisch Hall GmbH: Zonenplan und Preise des Kreisverkehr Schwäbisch Hall, https://kreisverkehr-sha.de/fileadmin/user_upload/downloads/Zonenplan-und-Preise.pdf [Zugriff am: 25.01.2019].

[4]    Transport for London: Bus and tram fares, https://tfl.gov.uk/fares/find-fares/bus-and-tram-fares?intcmp=54718 [Zugriff am: 18.06.2019].

[5]    Transport for London: Tube and rail fares, https://tfl.gov.uk/fares/find-fares/tube-and-rail-fares?intcmp=54713 [Zugriff am: 18.06.2019].

[6]    Stadtwerke Münster GmbH: Informationsseite zum FlexAbo der Stadtwerke Münster, https://www.stadtwerke-muenster.de/privatkunden/busverkehr/abos/flexabo/produktuebersicht.html [Zugriff am: 14.12.2017].

[7]    Deutsche Bahn, V.G.: Informationen zu sämtlichen BahnCards, https://www.bahn.de/p/view/bahncard/bahncard-vergleichen.shtml?dbkanal_007=L01_S01_D001_KIN0004_bc50_vergleich_LZ01 [Zugriff am: 19.07.2019].

[8]    Schweizerische Bundesbahnen SBB: Das Halbtax, https://www.sbb.ch/de/abos-billette/abonnemente/halbtax.html [Zugriff am: 18.06.2019].

[9]    Beijing subway Limited: FAQ zur public transportation card, https://www.bjsubway.com/en/support/jzhc/ [Zugriff am: 28.01.2019].

[10]  Leonhäuser, D.; Dietrich, A.-M.; Sommer, C.; Sauer, J.: Flexible Tarife im Praxistest – Potenziale von EFM-Systemen zur Weiterentwicklung des Tarifangebots im ÖPNV. In: Der Nahverkehr (2019), Heft 10.

[11]  Leonhäuser, D.; Sommer, C.: Analyse der Nutzungsdaten aus E-Ticketing-Systemen. In: Universität Kassel, I.f.V. (Hrsg.): Nahverkehrs-Tage 2017 – Digital und Disruptiv - Neue Daten und Methoden für einen kundengerechten ÖPNV, Schriftenreihe Verkehr Heft 28. kassel university press, 2017.

[12]  Deike, A.; Humann, P.; Flocken, P.; Dannenberg, M.: Phänomen der „ÖPNV-Einweg-Fahrten“ – Analyse und Folgerung für Planung und Marketing. Abschlussbericht des Masterprojekts, Kassel 2018.

[13]  Hagedorn, A.; Kraft-Bogatzki, H.; Schmidt, C.; Friedrich, M.; Oswald, T.: Phänomen der "ÖPNV-Einweg-Fahrten" – Analyse und Folgerungen für den Gewinn von Gelegenheitskunden. Abschlussbericht des Masterprojekts, Kassel 2019.

[14]  Leonhäuser, D.: Entwicklung und Wirkungsermittlung flexibler Tarifprodukte für elektronische Fahrgeldmanagementsysteme im öffentlichen Personennahverkehr – unveröffentlichter Entwurf der Dissertationsschrift am Fachbereich 14 der Universität Kassel.

[15]  Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen: Hinweise zur Evaluation von verkehrsbezogenen Maßnahmen, FGSV W1 - Wissensdokumente Heft 157, FGSV Verlag GmbH, Köln, 2012.

[16]  Brög, W.: Wenn „(fast) täglich“ nur an jedem dritten Tag ist. – Kann man Verhalten auch mit verbalen Häufigkeits-Vorgaben messen? In: mobilogisch (2016), Heft 1.

[17]  infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft: Informationsseite über die bundesweite Haushaltsbefragung "Mobilität in Deutschland", http://www.mobilitaet-in-deutschland.de/index.html [Zugriff am: 12.06.2019].