FGSV-Nr. FGSV 002/127
Ort online-Konferenz
Datum 13.04.2021
Titel Entwicklung einer regelbasierten NBA für NRW mit Nutzung von FCD-Reisezeiten
Autoren Dr.-Ing. Anja Estel, Dr.-Ing. Martin Rose
Kategorien HEUREKA
Einleitung

Bis 2021 werden insgesamt über 170 dWiSta an gut 90 Entscheidungspunkten des nordrhein-westfälischen Bundesautobahnnetzes zur Wechselwegweisung installiert sein. Für eine möglichst wirkungsvolle dynamische Beeinflussung der Verkehrsabläufe in diesem hochkomplexen Autobahnnetz wird eine einheitliche automatische Steuerung der dWiSta entwickelt, die zu stets korrekten und nachvollziehbaren Empfehlungen und Hinweisen an die Verkehrsteilnehmenden führt. Die Steuerung wird als regelbasiertes Expertensystem umgesetzt. Die Regeln für die dWiSta-Anzeigen als Reaktion auf die Verkehrslage im Netz lassen sich sehr flexibel in einer externen Regelbasis von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verkehrszentrale NRW festlegen. Als Eingangsgröße des Systems werden Reisezeiten genutzt, die aus einer Vielzahl von Fahrzeugdaten (FCD) berechnet wurden.

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1 Einleitung

1.1 Ausgangslage

Die Verkehrszentrale im Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen plant, baut und betreibt neben verschiedenen Verkehrsbeeinflussungsanlagen schwerpunktmäßig auch Anlagen zur situationsgerechten Netzbeeinflussung in Form dynamischer Wegweiser mit integrierter Stauanzeige (dWiSta). Bis 2021 werden unter anderem im Rahmen des Verkehrsmanagements auf Bundesfernstraßen im Ruhrgebiet (VMBR), der Beeinflussung der Netzmasche Leverkusen-Hilden-Wuppertal und des Umleitungskonzepts zum Neubau der Rheinbrücke Neuenkamp knapp 90 weitere dWiSta in NRW installiert und an die Verkehrszentrale angeschlossen, so dass in NRW insgesamt über 170 dWiSta an gut 90 Entscheidungspunkten für die Netzbeeinflussung zur Verfügung stehen werden (siehe Bild 1).

Historisch bedingt stehen der Verkehrszentrale NRW durch die Übernahme der ehemals regional organisierten Verkehrssteuerung und -lenkung in NRW mehrere Systeme zur Steuerung der dWiSta zur Verfügung: die Netzbeeinflussungsanlage (NBA) Köln-Koblenz, die modifiziert auch für das Ruhrgebiet eingesetzt wird, die dWiSta-Bedienung des Kernsystems und eine Software zur Abstimmung von Strategien mit der Stadt Düsseldorf im Rahmen des Projekts dMotion.

Bild 1: Ausschnitt des BAB-Netzes mit bestehenden und geplanten dWiSta in NRW

Das Schalten und Kontrollieren der Zustände der dWiSta erfolgt mit allen NBA-Bedienungen manuell, da die bestehenden Automatikschaltungen aufgrund einer intransparenten Schaltbildgenerierung oft nicht nachvollziehbar sind und die vorhandenen Detektoren teilweise bzw. zeitweise für eine ausreichend genaue Prognose der Reisezeiten nicht genügen. Jedoch zeigt sich im Betrieb, dass eine manuelle Kontrolle und Steuerung der zahlreichen dWiSta in einem hochkomplexen Autobahnnetz für eine wirkungsvolle Netzbeeinflussung nicht ausreicht. Dies gilt umso mehr, wenn der oben genannte Ausbau der dWiSta umgesetzt wird.

1.2 Zielsetzung

Für eine möglichst wirkungsvolle dynamische Beeinflussung der Verkehrsabläufe auf den Bundesautobahnen in NRW wird eine einheitliche automatische Steuerung der dWiSta entwickelt, die zu stets korrekten und nachvollziehbaren Empfehlungen und Hinweisen an die Verkehrsteilnehmenden führt.

Die automatische Steuerung der dWiSta wird als regelbasiertes Expertensystem entwickelt, bei dem jede Regel eine Bedingung an die Eingangsgrößen für den dWiSta bzw. die beiden dWiSta an einem Entscheidungspunkt darstellt. Ist die Bedingung erfüllt, wird eine bestimmte Anzeige auf den dWiSta ausgelöst. Die Regeln müssen zwingend allgemein verständlich sein, um ihre Akzeptanz und eine exakte Rückverfolgbarkeit der Schaltgründe zu gewährleisten.

Die Eingangsgrößen müssen die Verkehrssituation in Bezug auf die Anforderungen der NBA aktuell, korrekt und vollständig beschreiben. Zur Steuerung der dWiSta werden hierfür neben den Eingaben in der NBA-Bedienung hauptsächlich Reisezeiten für alle Fahrbahnabschnitte im Netz verwendet, die insbesondere auf Floating Car Data (FCD) basieren.

2 Dynamische Netzbeeinflussung

Die dynamische Beeinflussung der Verkehrsabläufe in einem Straßennetz erfolgt über aktuell an die Situation des Verkehrs und ihres Umfelds angepasste Wegweisungen. Sie liefert Umleitungsempfehlungen, Warnungen vor Störungen im Netz, Hinweise zu wichtigen Ereignissen oder speziellen Verkehrsführungen. Sie ist als kollektive Netzbeeinflussung der öffentlichen Hand keine Konkurrenz, sondern Grundlage für individuelle Navigationssysteme.

Die überwiegende Mehrzahl der von Verkehrszentralen für Bundesautobahnen umgesetzten dynamischen Netzbeeinflussungen berücksichtigt einzelne Netzmaschen, wodurch sich die Situationserkennung auf singuläre Störungen auf der Haupt- oder Alternativroute beschränkt. Die große Komplexität der Wechselwegweisung für mehrere gleichzeitige Störungen, wie sie im nordrhein-westfälischen Autobahnnetz regelmäßig auftreten, wird bislang vernachlässigt.

Auch fehlt ein Verfahren, um die Wirksamkeit einer aus mehreren, sich beeinflussenden Maßnahmen bestehenden, dynamischen Netzbeeinflussung zu bestimmen. Derzeit werden vom BMVI nur störungsbedingte Reisezeiten aller Fahrzeuge in einer Netzmasche als positive Wirkung anerkannt, die durch eine Umleitungsempfehlung vermieden werden können. In einem komplexen Netz sind Umleitungen, Warnungen, Hinweise und Informationen sowie deren Kombinationen und gegenseitige Wechselwirkungen zu betrachten, wobei die maximale Wirkung nur bei korrekten Wegweisungen erreicht wird.

Vor der Darstellung der dynamischen Netzbeeinflussung in NRW am Ende dieses Kapitels werden entsprechend der Systematik des aktuellen Merkblatts für die Ausstattung von Verkehrs­rechnerzentralen und Unterzentralen (siehe MARZ 2018, [1]) zunächst allgemein die Bestimmung der Verkehrssituationen auf den Fahrbahnabschnitten und deren Abgleich im Straßennetz erläutert. Anschließend erfolgt die Darstellung möglicher Wegweisungs­maßnahmen und ihr Abgleich in einer NBA.

2.1 Verkehrssituation auf einem Fahrbahnabschnitt

Eine Wegweisung wirkt ausschließlich in den Zuläufen auf die Knotenpunkte im Straßennetz, wo die Richtung für die weitere Route eines Fahrzeugs entschieden werden muss. In einem Autobahnnetz ist ein solcher Entscheidungspunkt ein Autobahnkreuz, ein Autobahndreieck oder eine Anschlussstelle, wenn die untergeordnete Straße zum beeinflussten Netz gehört.

Damit eine Streckenbeeinflussungsanlage (SBA) direkt auf das Fahrverhalten entlang eines Fahrbahnabschnitts einwirken kann, muss eine Verkehrssituation entsprechend detailliert beschrieben sein. Dies setzt eine entsprechend hochverdichtete Erfassung von Verkehrs- und Umfelddaten voraus. Im Gegensatz dazu reicht bei einer NBA das Erkennen aller für die Netzbeeinflussung relevant gestörten Fahrbahnabschnitte zwischen zwei aufeinander folgenden Entscheidungspunkten aus. Entscheidend sind der Typ (z. B. Vollsperrung), der Ort (z. B. Stauende) und die Länge der relevanten Störung. Der Aufwand zur Situationserkennung in einem Straßennetz ist allerdings nicht zu unterschätzen, muss doch auf jedem Fahrbahnabschnitt des beeinflussten Netzes die Störung erkannt werden.

Auf einem Fahrbahnabschnitt kann sich die relevante Störung aus mehreren Störungen zusammensetzen. Die Zusammensetzung lässt sich durch Priorisierung verschiedener Störungstypen (z. B. 1: Vollsperrung, 2: Stau, 3: Arbeitsstelle …) oder Vereinigung von Störungen gleichen Typs (z. B. Vereinigung zweier Staus auf einem Abschnitt) erreichen.

2.2 Situationsabgleich im Straßennetz

Die Situation des Verkehrs und seines Umfelds im Straßennetz ergibt sich durch den Abgleich der Verkehrssituationen auf allen Fahrbahnabschnitten des Netzes. Die Situation in einem Knotenpunkt muss für eine Netzbeeinflussung nicht zwingend detailliert beschrieben werden und lässt sich daher auf den jeweiligen Anfang der stromabwärtigen Fahrbahnabschnitte abbilden.

Da die Überlagerung mehrerer Störungen bereits mit der Bestimmung der Verkehrssituation auf einem Fahrbahnabschnitt erfolgt und die Fahrbahnabschnitte zwischen den Entscheidungspunkten getrennt sind, entspricht der Situationsabgleich einem einfachen Zusammensetzen aller Fahrbahnabschnitte mit ihren Verkehrssituationen zum Straßennetz. Eine Priorisierung oder ein Zusammenschluss mehrerer Einzelsituationen ist nicht notwendig.

2.3 Maßnahmen zur dynamischen Netzbeeinflussung

2.3.1 Wechselwegweisung

Die typischen Hilfsmittel zu Orientierung in einem Straßennetz sind wegweisende Beschilderungen und Karten. Temporäre Verkehrsführungen oder Behinderungen im Straßennetz lassen sich neben Verkehrsnachrichten im Rundfunk durch zusätzliche oder geänderte Wegweiser (z. B. Verkehrslenkung durch die Polizei) bzw. Karten (z. B. im Flyer einer Veranstaltung) realisieren. Wechselverkehrszeichen ermöglichen dynamische Anzeigen für geänderte Verkehrssituationen im Straßennetz mit (zur statischen Blaubeschilderung) additiven oder substitutiven Wechselwegweisern. dWiSta sind additive Wechselwegweiser.

Navigationsgeräte und Verkehrsportale im Internet stellen dynamisch an die Verkehrslage angepasste Karten bereit. Auch wenn diese individuell wirkenden Geräte keine kollektive Netzbeeinflussung im eigentlichen Sinne darstellen, könnten sie eine gute Alternative zu den stationären Wechselwegweisungen sein. Dazu ist jedoch die Bereitschaft der Hersteller bzw. Betreiber zur Übernahme kollektiver Beeinflussungsstrategien als Grundlage ihrer Navigation notwendig. Wie die übernommenen Strategien im Fahrzeug weiter genutzt werden, ist in den Einstellungen des Fahrzeugs festzulegen.

2.3.2 Beeinflussungsbereich

Eine Maßnahme, die auf die aktuelle Situation des Verkehrs und seines Umfelds reagiert, kann den Verkehr nur in einem beschränkten Bereich beeinflussen. So kann etwa ein Navigationsgerät nur ein Fahrzeug auf seiner Route zum Ziel beeinflussen, während ein Wechselwegweiser mit seinen Anzeigemöglichkeiten einen Teil des Fahrzeugkollektivs nur bis zu den nächsten (vielleicht übernächsten) Entscheidungspunkten führen kann. Komplexe Umleitungen über weiter entfernte Netzbereiche können im beschränkten Anzeigenbereich der Wechselwegweiser kaum angezeigt oder vermittelt werden.

2.3.3 Komplexität

Eine dynamische Netzbeeinflussungsmaßnahme muss auf die aktuelle Situation des Verkehrs und seines Umfelds im Straßennetz reagieren. Das heißt, sie muss jederzeit für jede mögliche Kombination aller Fahrbahnabschnitte des gesamten Straßennetzes mit und ohne relevante Störung eine korrekte Anzeige für die Wechselwegweisung vorhalten. Für ein Straßennetz mit n Fahrbahnabschnitten gibt es 2 n mögliche Kombinationen von Fahrbahnabschnitten mit und ohne relevante Störung (siehe Bild 2).

Bild 2: Beispiele für die Anzahl möglicher Anzeigen eines dWiSta als Reaktion auf die Situationen in unterschiedlich großen Straßennetzen

Eine nachvollziehbare und auf Korrektheit prüfbare Anzeige muss ingenieurmäßig entwickelt werden. Für ein großes Straßennetz mit n Fahrbahnabschnitten ist der Aufwand für die Festlegung von Anzeigen für 2 n mögliche Verkehrslagen nicht vertretbar. Um dennoch die Verkehrsabläufe in einem Straßennetz für jede auftretende Verkehrslage korrekt beeinflussen zu können, ist ein heuristischer Lösungsansatz notwendig. Die Lösung für die NBA in NRW wird in Abschnitt 2.5 gezeigt.

2.4 Abgleich der Maßnahmen in einer NBA

In einem Straßennetz stellt die Koordination der Anzeigen aller Wechselwegweiser und möglicherweise weiterer dynamischer Verkehrsmaßnahmen den ausschlaggebenden Einfluss auf die Wirkung der dynamischen Beeinflussung der Verkehrsabläufe im Netz dar. Die Wirkung einer Anzeige wird von der Wirkung einer anderen verstärkt, verringert oder nicht beeinflusst. Ziel des Maßnahmenabgleichs ist es, die potenziellen Anzeigen aller Wechselwegweiser so zu kombinieren, dass sie zusammen möglichst positiv auf den Verkehrsablauf im gesamten Netz wirken.

Aufgrund der hohen Komplexität in einem Straßennetz lässt sich die dynamische Beeinflussung des Verkehrs in Straßennetzen nur mit einem elektronischen System mit einem geeigneten Strategiemanagement durchführen.

Die Wirkung einer dynamischen Netzbeeinflussung ergibt sich nicht aus der Summe der Einzelmaßnahmen, sondern aus der Güte des Systems zur Steuerung der Einzelmaßnahmen.

2.5 Dynamische Netzbeeinflussung in NRW

Das Autobahnnetz in NRW mit seinen 71 Autobahnkreuzen und -dreiecken, die über 31 Bundesautobahnen mit rund 2.200 km Länge verbunden sind, führt zu einer hochkomplexen Netzbeeinflussung. Zur Entwicklung einer automatischen Steuerung der dWiSta an gut 90 Entscheidungspunkten in diesem Netz wurde daher zunächst ein Konzept für ein einheitliches Strategiemanagement mit einer umfassenden Analyse der Infrastruktur und der Möglichkeiten zur Wechselwegweisung erstellt (siehe Gerstenberger 2018, [6]). Damit stehen für jeden Entscheidungspunkt mit dWiSta einheitliche Schaltstrategien zur Reaktion auf je eine Störung bereit. Strategien zur Reaktion auf mehrere Störungen wurden in diesem Projekt diskutiert und anschließend von einer Mitarbeiterin der Verkehrszentrale NRW Entscheidungspunkt für Entscheidungspunkt festgelegt.

Dabei ergibt sich die aktuelle Verkehrslage im Autobahnnetz durch die Bestimmung der relevanten Störungen auf allen Fahrbahnabschnitten des Netzes, wie sie in den Abschnitten 2.1 und 2.2 beschrieben ist.

Zur Netzbeeinflussung stehen im nordrhein-westfälischen Autobahnnetz die in [1] beschriebenen dWiSta zur Verfügung (siehe Bild 3). Standardmäßig befinden sich zwei dWiSta im Zulauf auf ein Autobahnkreuz oder -dreieck, in einigen Fällen auch nur eins.

Bild 3: Beispiel für ein dWiSta in NRW

Um den Aufwand für die Festlegung der dWiSta-Anzeigen in einem verträglichen Rahmen zu halten (siehe Abschnitt 2.3.3), reagieren die dWiSta an einem Entscheidungspunkt nicht auf die Situation des Verkehrs und seines Umfelds im gesamten Autobahnnetz, sondern nur auf den Bereich des Netzes, den sie mit ihrer Anzeige beeinflussen können. Grundsätzlich wird die Situation auf allen Fahrbahnabschnitten in einer festgelegten Reihenfolge berücksichtigt, die zu relevanten Hauptrouten bis zu den nächsten und übernächsten Entscheidungspunkten gehören (siehe Bild 4).

Bild 4: Beispiel für den Beeinflussungsbereich eines dWiSta in NRW mit Priorisierung der Fahrbahnabschnitte zu den nächsten und übernächsten Entscheidungspunkten

Gemäß den örtlichen Gegebenheiten kann sich die Auswahl der Fahrbahnabschnitte und ihrer Priorisierungen ändern, wobei sie von einem Verkehrsingenieur unter Berücksichtigung der statischen Wegweisung und einer minimalen Komplexität des Beeinflussungsbereichs festzulegen sind.

Die dWiSta schalten bei dieser Vorgehensweise unabhängig voneinander. Es gibt jedoch auch Situationen im Netz, die eine über die lokalen Beeinflussungsbereiche der einzelnen dWiSta hinausgehende Wechselwegweisung erfordern. Derartige übergeordnete Schaltstrategien werden in einem weiteren Schritt entwickelt. Die Steuerung aller dWiSta in NRW wird mit einem regelbasierten Expertensystem automatisch durchgeführt (siehe Kapitel 4).

3 Eingangsgrößen

Die dynamische Beeinflussung der Verkehrsabläufe in einem Straßennetz muss auf die aktuelle Situation des Verkehrs und seines Umfelds im Netz reagieren. Die Reaktion ist umso wirkungsvoller, je genauer diese Situation beschrieben ist. Dies erfordert eine möglichst gute und umfassende Erfassung notwendiger Verkehrs- und Umfelddaten.

Die Erfassung durch ausreichend verdichtete stationäre Messungen mit Induktionsschleifen, Radarsensoren und Umfeldsensoren hat sich als Grundlage für eine Verkehrslageberechnung bewährt. Durch die steigende Vernetzung der Fahrzeuge sind Fahrzeugdaten (Floating Car Data, kurz FCD) eine gute Erweiterung oder Alternative für die Berechnung der Verkehrssituation geworden. Die Erfassungen lassen sich z. B. durch RDS-TMC-Meldungen, TIC-Meldungen oder Informationen der Einsatzkräfte vor Ort ergänzen.

Aus den erfassten Daten, die jeweils eine aktuelle Verkehrssituation in einem räumlich beschränkten Bereich abbilden, wird die Verkehrssituation im Netz entsprechend den Vorgaben des MARZ 2018 (siehe [1]) als schlüssige Abstimmung der zahlreichen Verkehrssituationen berechnet. Dabei ist zwingend die korrekte Zusammenführung der räumlichen und zeitlichen Gültigkeitsbereiche sowie die Korrektheit und die Aktualität der Situationen zu gewährleisten. Veraltete oder inkorrekte Eingangsgrößen können nicht für die dynamische Netzbeeinflussung verwendet werden. Die abgestimmte Verkehrssituation lässt sich insbesondere in Form von Reise- und Verlustzeiten für alle Fahrbahnabschnitte im Netz, aber auch als Restkapazitäten sowie Informationen über Arbeitsstellen und Ereignisse (Vollsperrungen, Behinderungen durch Wettereinflüsse, Veranstaltungen …) darstellen.

Für die automatische Steuerung der dWiSta in NRW werden als Eingangsgrößen Reise- und Verlustzeiten sowie zusätzlich von den Nutzern der NBA eingegebene Informationen, wie Vollsperrungen, baulastübergreifende Strategien oder Großveranstaltungen, verwendet. Restkapazitäten oder ähnliche Verkehrsgrößen werden zunächst nicht berücksichtigt, um Nachvollziehbarkeit in dem komplexen Netz zu gewährleisten.

3.1 FCD-basierende Reise- und Verlustzeiten

Die mittlere Reisezeit, die alle Fahrzeuge für das Durchqueren eines Fahrbahnabschnitts innerhalb eines Zeitintervalls benötigen, ist eine robuste Kenngröße für die Qualität des Verkehrsablaufs in diesem Bereich. Wird der Verkehrsablauf nicht gestört entspricht die mittlere Reisezeit t R der üblichen mittleren Reisezeit im freien Verkehr t R 0 und die Verlustzeit t V ist 0. In einem gestörten Verkehrsablauf übersteigt t R deutlich t R 0 und die Verlustzeit ist sehr hoch (t V >> 0).

Die mittlere Reisezeit in einem Fahrbahnabschnitt lässt sich für ein Zeitintervall aus dem räumlichen Verlauf der mittleren Geschwindigkeit einer zuvor, z. B. aus stationär erfassten Verkehrsdaten, berechneten Verkehrslage prognostizieren. Die mittlere Reisezeit kann auch aus den gemessenen Reisezeiten der FCD aller Fahrzeuge, die den Fahrbahnabschnitt im letzten Zeitintervall durchfahren haben, aggregiert werden. Obwohl diese „Messung“ mit der zuvor erläuterten „Prognose“ nur bedingt vergleichbar ist, stellen beide Kenngrößen einen guten Indikator für Störungen im Verkehrsablauf dar.

Um belastbare mittlere Reisezeiten für die Netzbeeinflussung ermitteln zu können, müssen sowohl die Erfassung der Eingangsgrößen als auch die Berechnung der Ausgangsgrößen entsprechenden Mindestanforderungen genügen.

Stationäre Erfassung: Für das rechtzeitige Erkennen eines entstehenden Staus darf der Abstand der Erfassungsquerschnitte auf einem Fahrbahnabschnitt nicht zu groß sein. Ausgehend von einer Staugeschwindigkeit von ca. 15 km/h entgegen der Fahrtrichtung ist für ein sicheres Erkennen des Staus innerhalb von ca. zehn Minuten ein Maximalabstand von 3 km notwendig. Sollen die stationär erfassten Verkehrsdaten als Grundlage für ein Verkehrsflussmodell dienen, sind sowohl die mittlere Geschwindigkeit als auch die Verkehrsstärke zu messen. Eine Messung z. B. ausschließlich der Reisezeit für einen Fahrbahnabschnitt reicht als Eingangsgröße für das Modell nicht aus.

Berechnung der Verkehrslage: Das rechtzeitige Erkennen eines Staus kann mit einem dynamischen Echtzeitverkehrsflussmodell unterstützt werden. Dazu muss das Modell das Verhalten des Verkehrs in einem Fahrbahnabschnitt bestmöglich abbilden können [2]. Die Funktionalität des Modells und die Güte seiner Ergebnisse müssen zur Berechnung der mittleren Reisezeit bekannt und für die Störungserkennung hinreichend geeignet sein.

Erfassung von FCD: FCD (Floating Car Data) sind in einem Fahrzeug oder durch Verfolgung des Fahrzeugs erfassten Daten, die üblicherweise per Funk an einen zentralen Sammelpunkt übertragen und dort weiterverarbeitet werden. Zur Erfassung der Reisezeit und Geschwindigkeit eines Fahrzeugs ist es erforderlich, den räumlich-zeitlichen Verlauf des vom Fahrzeug zurückgelegten Wegs mindestens in der von der NBA verwendeten Diskretisierung zu erfassen. Der Ablauf der Ermittlung der Reisezeit/Geschwindigkeit eines Fahrzeugs muss bekannt sein.

Berechnung der auf FCD basierenden Reisezeiten: Die Anzahl der erfassten Fahrzeuge, deren FCD für die Berechnung der mittleren Reisezeit und Geschwindigkeit in einem Fahrbahnabschnitt in einem Zeitintervall verwendet werden, muss so groß sein, dass sie den tatsächlichen Verkehrsablauf in diesem Bereich gleichwertig abbilden. Ebenso sollte die Fahrzeugklassifizierung der FCD mit der tatsächlichen Fahrzeugzusammensetzung im Fahrbahnabschnitt für jedes betrachtete Zeitintervall näherungsweise übereinstimmen. Die mittlere Reisezeit/Geschwindigkeit in einem Fahrbahnabschnitt ist grundsätzlich aus aktuell erfassten FCD und nicht aus historischen Daten zu ermitteln. Um die Korrektheit und damit auch die Aktualität der Netzbeeinflussungsmaßnahmen zu gewährleisten, sind aus historischen Daten geschätzte Werte nicht akzeptabel. In jedem Fall muss die Methodik der Ermittlung der aktuellen mittleren Reisezeiten umfänglich bekannt sein. In jedem aktuellen Zeitintervall ist für jeden Fahrbahnabschnitt des betrachteten Netzes mindestens ein Gütekriterium für die ermittelten Daten anzugeben. Die Güte sollte wenigstens Aufschluss über eine ausreichende Anzahl der erfassten Fahrzeuge und den Anteil historischer Daten geben. Die Gütekriterien sind vorab zu erläutern.

3.1.1 Anwendung in NRW

In NRW sind große Bereiche des Bundesautobahnnetzes vom westlichen Ruhrgebiet über den Düsseldorfer und Kölner Raum bis nach Bonn sehr gut mit Messquerschnitten im Abstand von meist unter drei Kilometern zur stationären Erfassung ausgestattet. In den übrigen Autobahnbereichen ist die Dichte der Erfassungsstellen geringer. Darüber hinaus entstehen durch zahlreiche Arbeitsstellen immer wieder Lücken im stationären Erfassungsnetz. Für eine einheitliche Netzbeeinflussung des Verkehrs auf dem nordrhein-westfälischen Autobahnnetz ist die Erfassungsdichte daher nicht ausreichend. Die mittleren Reisezeiten werden daher von einem Drittanbieter bezogen, der sie aus umfangreichen FCD generiert.

Die Anforderungen an die aus FCD aggregierten Verkehrsdaten umfassen die oben genannten Mindestanforderungen. So ist die Länge der Fahrbahnabschnitte durchschnittlich 500 m und liegt in jedem Fall unter 2 km. Die Aktualität der Daten ist dadurch gesichert, dass in der NBA nur Daten ohne historischen Anteil verwendet werden. Dieser Anteil lässt sich an einem Qualitätsindex zu jedem gelieferten Wert ablesen.

Die wesentlichen Werte, die innerhalb einer Minute für jeden Fahrbahnabschnitt des nordrhein-westfälischen Autobahnnetzes geliefert werden, sind die aktuelle mittlere Geschwindigkeit und Reisezeit, die mittlere Geschwindigkeit bei freiem Verkehrsfluss, die übliche Geschwindigkeit im Vergleichszeitraum, die aktuelle Verkehrslagestufe und der Qualitätsindex.

Aufgrund von Problemen beim Matching der halbjährlich aktualisierten Karte des Datenlieferanten auf die Karte der bundeseinheitlichen Rechnerzentralensoftware in der Verkehrszentrale NRW verzögerte sich die Anwendung der FCD-basierten Verkehrsdaten. Erste kleine Analysen zeigen, dass die Daten je Fahrbahnabschnitt minütlich und komplett geliefert werden. Für eine tiefgreifende Analyse dieser Daten wird derzeit ein Auswertesystem entwickelt, das eine systematische und jederzeit individuell anpassbare Untersuchung anhand von Grafiken, Tabellen und Berichten ermöglicht.

3.1.2 Nachweis der Wirksamkeit

Für einen Wirkungsnachweis der Netzbeeinflussungsmaßnahmen sind die Verkehrsströme an den Knotenpunkten des Straßennetzes als Eingangsgrößen essentiell. So konnte z. B. in einer Masterarbeit am Lehrstuhl für Verkehrstechnik der Technischen Universität München in Zusammenarbeit mit der Zentralstelle für Verkehrsmanagement in Bayern zur Analyse der Wirkung und Akzeptanz von großräumigen Wechselwegweisungen am Entscheidungspunkt auf der BAB A 3 am Autobahnkreuz Biebelried in Fahrrichtung Süd mit einem Verfahren von Wermuth und Wulff (siehe Wermuth, Wulff 2008, [3]) nachgewiesen werden, dass nur das Zusammenspiel von kollektiver Anzeige und individueller Navigation zu relevanten positiven Wirkungen führt. Der hierzu notwendige relative Befolgungsgrad der abbiegenden Fahrzeuge konnte nur anhand der Erfassung der abbiegenden Verkehrsströme berechnet werden.

Die Verkehrsströme in einem Straßennetz lassen sich derzeit ausschließlich aus der Erfassung der Verkehrsstärke auf den Rampen, Haupt- und Parallelfahrbahnen aller Knotenpunkte mittels stationärer Verkehrsdetektoren oder AMPR bestimmen, da andere Erfassungstechniken nicht die Gesamtzahl der Fahrzeuge erfassen.

3.2 Eingaben in der NBA-Bedienung

Zusätzlich zu den Reisezeiten werden von den Nutzern der NBA Informationen, wie

· Vollsperrungen,

· Arbeitsstellen,

· Ereignisse, wie Großveranstaltungen,

· baulastträgerübergreifende Strategien (z. B. im Cross Border Management (CBM) mit den Beneluxstaaten, in den Long Distance Corridors (LDC bzw. LISA) mit den Nachbarbundesländern von NRW, in dMotion mit der Landeshauptstadt Düsseldorf)

in die Bedienung der NBA als Sonderprogramme eingegeben. Diese zusätzlichen Informationen sind Eingangsgrößen, die aus RDS-TMC-, TPEG-, oder TIC-Meldungen, aber auch von Einsatzkräften der Polizei oder den Landesmeldestellen in der Verkehrszentrale eingehen. Gibt es die Möglichkeit, einige dieser Eingangsgrößen direkt in die NBA einzuspeisen, sind hierfür entsprechende Schnittstellen zu definieren und umzusetzen.

4 Regelbasierte NBA in NRW

Die regelbasierte NBA für NRW ist so konzipiert, dass eine anschauliche Übersicht über den aktuellen Zustand der dWiSta garantiert wird. Die Steuerung der dWiSta muss mit möglichst wenigen Eingaben erfolgen und jederzeit leicht verständlich sein. Im Folgenden werden die wesentlichen Bestandteile, Schaltungen und Regeln der NBA beschrieben.

4.1 Wesentliche Bestandteile der NBA 

Die NBA besteht im Wesentlichen aus

· einer einfachen Abbildung des strategischen Netzes der Verkehrszentrale NRW,

· geometrischen und funktionalen Abbildungen aller dWiSta,

· Listen aller Anzeigen, die von den dWiSta schaltbar sind, und

· Listen aller Regelsätze zur Reaktion der dWiSta auf die Eingangsgrößen.

Darüber hinaus müssen die Eingangsgrößen berücksichtigt werden.

Netz: Das Netz der NBA beschränkt sich auf einen Ausschnitt aus der Location Code List (LCL) mit Erweiterungen für spezielle Ziele, die nicht in der LCL enthalten sind. Die grafische Darstellung des Netzes in einer scroll- und zoombaren Karte dient der Identifikation, Zustandsdarstellung und Auswahl der dWiSta. Darüber hinaus wird sie zur Visualisierung der Verlustzeiten auf den Fahrbahnabschnitten sowie zur grafischen Eingabe von Vollsperrungen, Arbeitsstellen und weiteren, nicht automatisch erfassten Ereignissen genutzt.

dWiSta: In der Regel besteht die additive Wechselwegweisung an einem Entscheidungspunkt aus zwei dWiSta. Für jedes dWiSta sind die TLS-Versorgung sowie die geometrischen und funktionalen Eigenschaften aller Schilderbestandteile abgebildet. In NRW gibt es dWiSta mit zwei Anzeigenfeldern aus je drei Textzeilen und zwei Grafikfeldern (siehe [1]) und demnächst dWiSta mit einer freiprogrammierbaren LED-Rasterfläche.

Anzeigen: Für die dWiSta an jedem Entscheidungspunkt ist eine Liste aller schaltbaren Anzeigen abgelegt. Eine Anzeige beschreibt das komplette Erscheinungsbild der dWiSta, Teilbereiche sind in der Liste nicht enthalten. Auf diese Weise kann für jede vom Nutzer oder von der Automatik der NBA ausgewählte Anzeige eine ID vergeben werden. Möglich ist die Verwendung von Variablen, so dass z. B. eine Verlustzeit oder eine Anschlussstelle vor einem Stau der Anzeige übergeben werden kann.

Regeln: Den dWiSta an jedem Entscheidungspunkt ist ein Satz von Regeln zugeordnet, der ihre Reaktion auf die aktuelle Verkehrslage widerspiegelt. Die Regeln sind Bedingungen der Form „Wenn … dann … sonst …“, die aus einer bestimmten Kombination von Eingangsgrößen eine Anzeige aus der Anzeigenliste wählen. Die Regeln, die im Regelwerk der NBA ausgewertet werden, sind nicht im System gekapselt, so dass sie jederzeit von einem berechtigten Nutzer flexibel geändert und dokumentiert werden können. So wird es möglich, die zunächst lokal beschränkten Regeln regional oder global zu erweitern oder ersetzen.

Eingangsgrößen: Die Reisezeiten für alle Fahrbahnabschnitte des Netzes werden nicht innerhalb der NBA bestimmt oder geprüft. Es wird vielmehr davon ausgegangen, dass der NBA in jedem Minutenintervall aktuelle und korrekte Reisezeiten entsprechend ihren Anforderungen bereitstehen. Zusammen mit den letzten Eingaben der Nutzer werden diese Eingangsgrößen entsprechend den Regeln für die dWiSta vom Regelwerk verarbeitet.

4.2 dWiSta-Schaltungen

Zur Gewährleistung der vollen Flexibilität bei der dWiSta-Steuerung werden die Schaltungen der NBA wie bei einer SBA als Automatik-, Sonder- und Handprogramme realisiert.

Automatikschaltungen: Die dWiSta werden grundsätzlich automatisch geschaltet. Dabei wird in einem festen Intervall von einer Minute die Verkehrssituation im Einflussbereich der dWiSta an jedem Entscheidungspunkt ermittelt, mit Hilfe eines Regelwerks (siehe Abschnitt 4.3) die daraus resultierende Anzeige bestimmt und bei Bedarf auf die dWiSta geschaltet.

Sonderschaltungen: Eine Sonderschaltung entspricht einer Änderung der über die Bedienung der NBA gesetzten Eingangsgrößen. Dazu zählen z. B. die Eingabe einer Vollsperrung oder Arbeitsstelle, die Freigabe einer baulastträgerübergreifenden Strategie oder der Beginn einer Großveranstaltung. Diese Eingangsgrößen sind in den Regeln der dWiSta berücksichtigt, so dass sie in der nächsten Minute mit der entsprechenden Anzeige reagieren.

Handschaltungen: Die Handschaltung der dWiSta an einem Entscheidungspunkt muss zu jedem Zeitpunkt möglich sein. Sie setzt sämtliche Automatik- und Sonderschaltungen für diese dWiSta außer Kraft, so dass die Anzeige der dWiSta direkt geschaltet werden kann.

4.3 Regelwerk

Die automatische Steuerung der dWiSta wird als regelbasiertes Expertensystem entwickelt. Es besteht aus

· den Eingangsgrößen (Reisezeiten, Nutzereingaben wie z. B. Vollsperrungen),

· den Ausgangsgrößen (Menge von schaltbaren dWiSta-Anzeigen),

· der Regelbasis (Menge von Regeln) und

· einem Kontrollsystem mit Regelinterpreter.

Das Kontrollsystem durchläuft in jedem Minutenintervall für jeden Entscheidungspunkt mit dWiSta alle Regeln der zugehörigen Regelbasis, interpretiert die Regeln mit den aktuellen Eingangsgrößen und liefert bei Erfüllung einer Regel als Ausgangsgröße die entsprechende dWiSta-Anzeige.

Jede Regel ist eine Bedingung an die Eingangsgrößen. Ist die Bedingung erfüllt, wird am entsprechenden Entscheidungspunkt eine bestimmte Anzeige der dWiSta ausgelöst. Die Regeln müssen zwingend allgemein verständlich sein, um ihre Akzeptanz und eine Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten. Sie werden zunächst bewusst einfach formuliert und im Betrieb Schritt für Schritt den komplexen Anforderungen der Netzbeeinflussung in NRW angepasst.

Im Bild 5 ist ein Beispiel für eine Regel zur Reaktion eines dWiSta auf eine singuläre Störung in einem einfach vermaschten Beeinflussungsbereich dargestellt. Im Gegensatz zur herkömmlichen Betrachtung einer Masche werden hier die Verlustzeiten aller Abschnitte zu den Entscheidungspunkten mit zugeordneten Zielen (Abschnitte a, b, c, d, i) auf Störungen untersucht (t V i < t V i Grenz) und die Reisezeiten aller möglichen Umleitungen um die Störung verglichen (t R Alternativroute < t R Hauptroute + t S mit dem Sicherheitswert t S der Umleitung). Bei mehreren Störungen werden die Regeln entsprechend komplexer.

Bild 5: Beispiel für eine Regel (für die dWiSta bei [Symbol siehe PDF]) zur Umleitung um eine relevante Störung (auf Fahrbahnabschnitt a) mit t V i = Verlustzeit auf dem Abschnitt i, t R i = Reisezeit auf dem Abschnitt i, t S (i, j) = Sicherheitswert der Umleitung j um i

Der Vorteil der Formulierung der Schaltlogik mit einem regelbasierten System liegt gegenüber einem in die NBA integrierten Verfahren in der Flexibilität der Regeländerungen. Nur das Kontrollsystem mit dem Regelinterpreter ist in der Software der NBA integriert. So können die Regeln und dWiSta-Anzeigen jederzeit in separaten Dateien oder Datenbanken erzeugt, geändert und gelöscht werden. Auf diese Weise haben die für die NBA zuständigen Verkehrsingenieure die Möglichkeit, die Regeln der dWiSta an einem Entscheidungspunkt neuen Gegebenheiten anzupassen. Bei Bedarf könnte sogar das gesamte Steuerungskonzept der NBA oder Teile davon umgestellt werden.

Mit dem regelbasierten System lässt sich eine Zielfunktion für die gesamte Netzbeeinflussung formulieren, aber auch ein sehr heterogenes System unterschiedlicher Regeln für verschiedene Entscheidungspunkte mit unterschiedlicher Regelsystematik.

5 Fazit

Die Erfahrungen, die in der Praxis des täglichen Betriebs der Verkehrszentrale NRW mit der Beeinflussung der Verkehrsabläufe im nordrhein-westfälischen Autobahnnetz gemacht wurden, zeigen, dass eine manuelle Steuerung der Wechselwegweisung in einem großen Straßennetz ebenso ineffektiv ist wie die Einführung einer nicht allgemein verständlichen Automatikschaltung, die früher oder später nicht mehr genutzt wird. Aus diesem Grund benötigt NRW für sein komplexes Autobahnnetz eine einheitliche automatische Steuerung zur Zustandsprüfung und Schaltung seiner dWiSta, die auf einem regelbasierten System und FCD-basierten Reisezeiten basiert.

Das regelbasierte System ermöglicht mit seinem, von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verkehrszentrale NRW zugreifbaren, „Regelbaukasten“ eine äußerst flexible Anpassung der Beeinflussungs­maßnahmen an die tatsächlichen Gegebenheiten jedes einzelnen Wechselwegweisers (z. B. geänderte Eingangsgrößen, spezielle Anzeigestrategien für einzelne Standorte, neue Sonderprogramme oder neue Schaltstrategien …).

Die aus FCD generierten Reisezeiten haben sich als Eingangsgrößen in der Praxis der Netzbeeinflussung bewährt. Sie sind weitaus leichter realisierbar als etwa eine modellbasierte Lösung auf Basis von Messquerschnittsdaten. Erfassungen der Verkehrsströme an den Autobahnknoten sind allerdings für die Bestimmung der Wirksamkeit der Netzbeeinflussungsmaßnahmen unumgänglich.

6 Ausblick

Die automatische Steuerung von dWiSta ist für wenige Entscheidungspunkte im nordrhein-westfälischen Autobahnnetz eingeführt worden, um die korrekte Funktionalität der Schaltungen für eine übersichtliche Zahl von dWiSta im Betrieb nachzuweisen und insbesondere den Operatorinnen und Operatoren der Verkehrszentrale NRW einen leichten Einstieg in das Handling der NBA zu bieten und deren Verständnis und Akzeptanz der automatischen Schaltungen aufzubauen. Nun wird die automatische Steuerung schrittweise auf alle dWiSta in NRW ausgeweitet.

In der NBA sind zunächst nur Vollsperrungen als Sonderschaltungen umgesetzt. Die Abbildung mehrerer gleichzeitiger Vollsperrungen ist wenig kompliziert, da sie in der Automatiksteuerung gleichwertig nebeneinander berücksichtigt werden. Im nächsten Schritt werden die Sonderschaltungen z. B. um die Eingabe von Großveranstaltungen, Arbeitsstellen oder baulastträgerübergreifenden Strategien (z. B. CBM, LDC bzw. LISA, dMotion) erweitert. Dabei ist zu untersuchen, wie im Regelwerk der dWiSta Kombinationen mehrerer, auch konkurrierender oder sich widersprechender Sonderschaltungen abgebildet werden können.

Die Formulierung globaler, übergeordneter Strategien wird für Situationen wichtig, in denen eine Störung in einem Teil des nordrhein-westfälischen Autobahnnetzes so gravierend ist, dass sie die lokalen Störungen im Beeinflussungsgebiet entfernter dWiSta überwiegt. Hierfür ist ein Konzept zu entwickeln, das auch die Formulierung im (dezentralen) Regelwerk der NBA umfasst.

Für zahlreiche Anwendungsfälle im Straßenverkehr steht die Technologie zur bidirektionalen Fahrzeug-Fahrzeug- und Fahrzeug-Infrastruktur-Kommunikation (car2X) zur Verfügung. Mit der Übertragung der Ausgangsgrößen der Regelwerks der NBA an die Fahrzeuge ist es möglich, den Verkehr nicht mehr nur an den Standorten der stationären Wechselwegweiser, sondern an jedem Querschnitt im Autobahnnetz zu beeinflussen. Die kollektiven Strategien können im Fahrzeug für seine Navigation genutzt werden und so z. B. im Navigationssystem eines Fahrzeugs oder in der Steuerung eines automatisierten Fahrzeugs wirken. In aktuellen Forschungsprojekten, wie z. B. „Kooperative Mobilität im digitalen Testfeld Düsseldorf“ (siehe KoMoD 2019, [7]) wird u. a. die Übertragung von Wegweisungsstrategien untersucht.

Schließlich muss trotz der guten Erfahrung mit den Reisezeiten aus FCD die Datenqualität zur Steuerung der dWiSta und zum Nachweis ihrer Wirkung verbessert werden. Insbesondere für die Planung von Straßenbau- und -betriebsmaßnahmen im Bereich der Netzbeeinflussung ist die Erfassung aller Verkehrsströme in den Autobahnknotenpunkten essentiell.

7 Literatur

[1] Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.) (2005). Dynamische Wegweiser mit integrierten Stauinformationen (dWiSta): Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 924

[2] Damrath, R.; Rose, M. (2002). Dynamische Verkehrsprognosen auf der Basis makroskopischer Modellansätze: Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 854

[3] M. Wermuth, S. Wulff (2008). Erhebungskonzepte für eine Analyse der Nutzung von alternativen Routen in übergeordneten Straßennetzen: Verkehrstechnik, Heft V 169, Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), Bergisch-Gladbach

[4] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (Hrsg.) (2012). Technische Lieferbedingungen für Streckenstationen: Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), Ausgabe 2012, Bergisch-Gladbach

[5] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (Hrsg.) (2018). Merkblatt für die Ausstattung von Verkehrsrechnerzentralen und Unterzentralen: Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), Ausgabe 2018, Bergisch-Gladbach

[6] M. Gerstenberger, S. Klementz (2018). Konzeption eines einheitlichen Strategiemanagements als Grundlage für die Netzsteuerung auf Autobahnen in Nordrhein-Westfalen: Ergebnisbericht, Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen

[7] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (Hrsg.) (2019). KoMoD – Kooperative Mobilität im digitalen Testfeld Düsseldorf: Use Cases im Überblick: Landeshauptstadt Düsseldorf