FGSV-Nr. FGSV 002/127
Ort online-Konferenz
Datum 13.04.2021
Titel Verkehrssteuerung in Netzwerken auf Grundlage dynamischer Preise
Autoren M.Sc. Daniel Wesemeyer, M.Eng. Sten Ruppe
Kategorien HEUREKA
Einleitung

In Zukunft wird ein Großteil des Verkehrs vernetzt und automatisiert sein. Durch Vehicle-to-Everything-Kommunikation (V2X) steht dem Verkehrsmanagement eine Vielzahl an dynamischen Daten zur Verfügung, die zur Optimierung des Verkehrsablaufs genutzt werden können. Zunehmende Automatisierung verringert zudem die Möglichkeiten des Nutzereingriffs und vereinfacht es Managementsystemen, Empfehlungen durchzusetzen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde ein Verkehrsmanagementsystem untersucht, das Fahrzeugrouten auf Grundlage dynamischer Kantenpreise in einem Netzwerk verteilt. Die Neuberechnung der Preise geschieht dabei auf Grundlage der durch V2X übermittelten Positionen direkt im Netz gemessenen Verkehrslage. Die Wirkungen dieses Systems wurden in der Verkehrssimulation SUMO in zwei Szenarien abgeschätzt.

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1 Einleitung

1.1 Bepreisung von Mobilität

Die Idee der Bepreisung von Verkehr wurde bereits früh geäußert (siehe Pigou 1920, [1]). Bepreisung wurde hier als Möglichkeit vorgeschlagen, externe Effekte des Verkehrs durch Nutzungsentgelte für das Befahren von Straßen zu internalisieren. In der Praxis steht eher die räumliche, zeitliche oder modale Verlagerungswirkung der Bepreisung im Vordergrund. Die Internalisierung von externen Effekten kann hierbei bei einer Zweckbindung der Einkünfte allerdings implizit enthalten sein.

In ihrer praktischen Ausgestaltung lassen sich Mautsysteme anhand einer Vielzahl unterschiedlicher Merkmale klassifizieren. Beispiele sind hierbei das übergeordnete Ziel, das mit der Bepreisung verfolgt wird, der zu bepreisende Gegenstand oder die Differenzierung der Bepreisung, beispielsweise nach zeitlichen oder räumlichen Aspekten (siehe Roth 2009, [16]). In der praktischen Anwendung haben sich hauptsächlich Systeme herausgebildet, in denen entweder ein bestimmtes Gebiet (City Maut / Kordonmaut, z.B. London , Stockholm ) oder ein bestimmtes Objekt (City Link in Melbourne , Bosporus Brücken in Istanbul) mit einem zuvor festgelegten Preis belegt wird. Eine Ausnahme stellen hierbei entfernungsabhängige Mauten (z.B. Lkw-Maut in Deutschland) dar.

In der Literatur werden hingegen auch Möglichkeiten zur Anwendung dynamischer Mauten betrachtet. So wurde beispielsweise versucht, in einer Simulation auf Grundlage von marginalen Preisen und aggregierten Verkehrsinformationen aus dem Network Fundamental Diagram (NFD), dynamisch eine Maut zu berechnen (siehe Simoni et al. 2015, [2]). Es gibt auch Ansätze, das in der Bepreisung von Straßen enthaltetene Optimierungsproblem numerisch zu lösen. Zwei Ansätze bestehen in der numerischen Lösung einer allgemeinen Form des „optimal dynamic network congestion pricing problem“ (siehe Bernstein and Muller 1993, [5]; Friesz et al. 2004, [6]), sowie des Trajektorienkontrollproblem (siehe Tan et al. 2013, [3]) durch die dynamische Berechnung von Kantenpreisen. Ein weiterer dynamischer Ansatz zur Bemautung von Straßen, der explizit die Nutzung von Fahrzeugpositionen aus V2X-Daten berücksichtigt, findet sich in der jüngeren Literatur (siehe Sharon et al. 2017, [7]). Hier wird ein Framework namens „delta toll“ vorgestellt, das auf verschiedene Arten der Reisezeitmessung angewandt wird und dynamisch die Preise im Netzwerk anpasst.

1.2 Fahrzeug-Infrastruktur-Kommunikation

Die Möglichkeiten der Nutzung von V2X-Daten für das Verkehrsmanagement werden bereits intensiv erforscht. Viele Studien konzentrieren sich hierbei mittlerweile auf urbane Gebiete, da Use Cases auf Autobahnen und außerorts oftmals bereits erschöpfend diskutiert wurden.

Von besonderem Interesse ist im innerstädtischen Kontext die Verkehrssicherheit, da hier häufig nicht-motorisierte Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger und Fahrräder an Unfällen beteiligt sind. V2X-basierte Anwendungen werden in der Literatur häufig als Enabler für eine Erhöhung der Verkehrssicherheit gesehen. Durch die Vielzahl an Daten, die von Fahrzeugen und der Infrastruktur kontinuierlich gesendet werden, ist die Entwicklung fortschrittlicher Fahrerassistenzsysteme (ADAS, advanced driver assistance systems) möglich. Dies umfasst beispielsweise die Entwicklung eines Assistenzsystems für das sichere Überholen auf zweistreifigen Straßen sowie eines Systems zur Kollisionsvermeidung, die beide auf Informationen aus V2X basieren (siehe Jiménez et al. 2016, [4]). In den EU-Projekten UnCoVerCPS und Enable-S3 wurde ein Framework für die automatische Konflikterkennung beim Linksabbiegen für automatisierte Fahrzeuge entwickelt, das für verschiedene Automatisierungslevel Anwendung finden könnte (siehe Heß et al. 2019, [12]).

Ein weiteres bedeutendes Anwendungsfeld für V2X ist die Optimierung. Hier wird beim Entwurf von Fahrzeugfunktionen häufig die gleichzeitige Automatisierung der Fahrzeuge vorausgesetzt, da die Automation Entscheidungen wesentlich schneller und objektiver treffen kann als ein menschlicher Fahrer. Dies ist insbesondere beim Platooning von Bedeutung, da die Lücke zwischen zwei aufeinanderfolgenden Fahrzeugen so klein wie möglich gehalten werden soll. Verbunden mit Geschwindigkeitsempfehlungen durch die Infrastruktur (z.B. an Lichtsignalanlagen) soll der Verkehrsfluss harmonisiert und im Fluss gehalten werden. Dadurch sollen Verlustzeiten und Emissionen deutlich reduziert werden. (siehe Schindler et al. 2016, [13]; Wan et al. 2016, [8]; Jua und Ngoduy 2016, [9])

Es gibt ebenfalls Ansätze, V2X-Daten zur Steuerung von Lichtsignalanlagen heranzuziehen. Hierbei wird die klassische Detektion von Fahrzeugen durch ortsfeste Detektoren durch V2X-Nachrichten ersetzt. Basierend auf den zur Verfügung gestellten Informationen der Fahrzeuge können komplexere Kriterien für den Abbruch oder die Auswahl von Phasen gewählt werden als bei einer herkömmlichen Zeitlückensteuerung. Simulationsstudien (siehe Erdmann 2013, [14]; Feng et al. 2015, [10]) und Feldtests (siehe Oertel et al. 2018, [11]) produzieren im Vergleich zu herkömmlichen LSA-Steuerungen deutlich reduzierte Verlustzeiten.

1.3 Übersicht

Diese Arbeit stellt eine Methodik zur dynamischen Preissetzung in Netzwerken vor. Der Terminus „dynamisch“ bezieht sich hierbei auf eine kontinuierliche Neuberechnung von Mauten, keine Festlegung von Preisen für einen fixen Horizont. Die kontinuierliche Preissetzung soll anhand der dynamischen Messung der Verkehrsnachfrage auf Grundlage von V2X-Kommunikation stattfinden. Die Grundannahme hierbei ist, dass die Verkehrslage im gesamten Netzwerk zu jedem Zeitpunkt bekannt ist, da alle Fahrzeuge kontinuierlich ihre Positionen mitteilen können. Durch die dynamische Anpassung der Preise an die aktuelle Verkehrslage soll der optimale Netzwerkpreis, der das Systemoptimum erzeugt, approximiert werden.

Im Folgenden wird im Methodik-Teil zunächst das im Rahmen dieser Arbeit entwickelte Managementsystem vorgestellt. Anschließend folgen die Ergebnisse zweier Simulationsstudien, in denen die Funktionalität des Systems und seine Auswirkungen auf Kenngrößen des Verkehrs untersucht wurden. Es folgen eine kurze Zusammenfassung sowie ein Ausblick auf zukünftige Arbeiten.

2 Methodik

Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein hochdynamisches Bepreisungssystem für automatisierte Fahrzeuge in städtischen Räumen entwickelt, das im Gegensatz zu einem herkömmlichen Mautsystem die Preise im Netzwerk kontinuierlich neu berechnet. Eine schematische Darstellung dieses Systems ist in Bild 1 zu sehen. Es wird davon ausgegangen, dass es ein übergeordnetes Verkehrsmanagement gibt, das eine hinreichend genaue Kenntnis über das Verkehrsgeschehen innerhalb einer Stadt besitzt und ebenso ein strategisches Zielsystem, anhand dessen dieser Verkehr organisiert werden soll. Strategische Ziele könnten hierbei die Ausnutzung vorhandener Kapazitäten oder die Reduktion von Schadstoff- oder Lärmemissionen sein. Dieses Verkehrsmanagement teilt dem Betreiber des hochdynamischen Bepreisungssystems seine Angebotsdaten sowie seine strategischen Ziele mit. Nutzer des Systems stellen beim Systembetreiber Anfragen hinsichtlich ihrer gewünschten Routen, woraus sich ein zukünftiges Verkehrslagebild prognostizieren lässt. Der Systembetreiber gleicht diese Routen mit den vorhandenen Kapazitäten sowie den strategischen Zielen ab und erteilt auf dieser Grundlage bspw. Fahrerlaubnisse für nicht ausgelastete Strecken, während er die Routen der neuen Fahrzeuge um überlastete Abschnitte herum führt. Somit soll ein Zusammenbruch des Verkehrs vermieden werden.

Bild 1: Schematische Darstellung des Bepreisungssystems

Der Aushandlungsprozess der Routenführung wird hierbei nicht durch den Nutzer übernommen. Die Rolle des Systemnutzers besteht lediglich darin, seinen gewünschten Zielort einzugeben und die Fahrt sowie die damit entstehenden Kosten zu bestätigen. Hintergrund dieser Überlegung ist, dass eine zunehmende Automatisierung des Verkehrs die eigentliche Fahrt für den Nutzer in den Hintergrund rücken lässt. Wichtiger als die exakte Route ist die kostengünstigste Erreichung des Ziels. Ebenso ist bei automatisiertem Verkehr die Nicht-Befolgung der zurückgegebenen Route ausgeschlossen. Demnach muss kein Bestrafungssystem entworfen werden, das Mali bei Abweichungen von der vorgegebenen Route verteilt.

Im Sinne des Verkehrsmanagements ergibt sich aus der Funktionsweise des Systems der in Bild 2 dargestellte, kontinuierlich durchlaufende Regelungskreis. Im Folgenden werden die einzelnen Bestandteile des Regelungskreises beschrieben.

Bild 2: Regelungskreis des Bepreisungssystems

2.1 Nachfrage

Voraussetzung für die Bepreisung des Netzwerks ist die Messung des aktuellen Verkehrszustands. Hierbei muss bekannt sein, auf welcher Kante im Netzwerk Fahrzeuge verortet sind. Durch die Ausnutzung von V2X-Nachrichten ist dies möglich, da Fahrzeuge über CAMs (Cooperative Awareness Message) kontinuierlich ihre Position senden. RSUs (Road Side Units) können diese Nachrichten empfangen und zu einem zentralen Server weiterleiten, damit die einzelnen Positionen dort zu einem netzweiten Bild der Nachfrage fusioniert werden.

2.2 Bepreisung

Anhand der momentanen Verkehrslage können nun die Kantenpreise gesetzt werden, um die Routen der Fahrzeuge optimal zu verteilen. Als Grundlage der Bepreisung wird in diesem Fall die Reisezeit auf der Kante genommen, es sind jedoch auch andere Parameter, wie z.B. Lärm oder Emissionen denkbar. Die Bepreisung der Kanten ist ein zweiteiliges Verfahren, in dem zunächst die aktuellen Reisezeiten der Kanten geschätzt werden und auf Grundlage der Reisezeiten wiederum Preise festgesetzt werden.

Für die Schätzung der Reisezeit auf einer Kante gibt es in der Literatur verschiedene Ansätze. Im Rahmen dieser Arbeit wird zur Schätzung der Reisezeit die Webster-Formel verwendet (Vgl. Gleichung (1)).

Gleichung (1) siehe PDF.

Zum Zeitpunkt t ergibt sich die aktuelle Reisezeit auf der Kante T(t) aus der freien Reisezeit T0 (Länge der Kante geteilt durch die maximal zulässige Geschwindigkeit) sowie der momentanen Ankunftsrate der Fahrzeuge q(t) und der Abfertigungsrate k. Dies stellt eine mit der Ankunftsrate monoton steigende Funktion dar. Die Berechnung der momentanen Reisezeit geschieht für alle Kanten im Netzwerk.

Auf Grundlage der geschätzten Reisezeiten werden nun die Kantenpreise gesetzt. Im Rahmen dieser Arbeit wurde zur Umrechnung zwischen Reisezeiten und Geldeinheiten der Zeitwert (Value of Time, VoT) verwendet. Der VoT drückt die Zahlungsbereitschaft für eine Zeitersparnis aus. Hier wurde für den VoT ein mittlerer Wert von 7,48 Euro/h angesetzt (siehe Axhausen et. Al. 2014 [17]). Der resultierende Kantenpreis ergibt aus Gleichung (2):

Gleichung (2) siehe PDF.

2.3 Routing

Im Anschluss an die Bepreisung werden die Routen der Fahrzeuge verteilt. Das Routing geschieht einmalig zu Beginn der Fahrt. Zur Bestimmung des Fahrweges muss jeder Fahrgast dem System seine mittlere Zahlungsbereitschaft mitteilen. Dies könnte beispielsweise über eine Befragung während der Registrierung geschehen. Basierend auf der Zahlungsbereit des Nutzers wird nun der kostenminimale Weg durch das Netzwerk gesucht.

2.4 Verkehrssimulation

Für die Modellierung des Netzwerks und die Simulation der Fahrzeuge wird die OpenSource-Verkehrssimulation SUMO verwendet. SUMO wird seit 2001 vom Institut für Verkehrssystemtechnik des DLR entwickelt und ist eine mikroskopische Verkehrssimulation, die für die exakte Modellierung von Verkehr in Städten konzipiert wurde. Es können verschiedenste Verkehrsmodi dargestellt werden (u.a. MIV, öffentlichen Verkehr, Radverkehr, Fußgänger, Schienenverkehr). Die eigentliche Stärke von SUMO besteht in der Programmierschnittstelle TraCI , die den Zugriff auf Simulationsobjekte (z.B. Kanten, Fahrzeuge) während der laufenden Simulation erlaubt. Dieser Zugriff besteht in der Möglichkeit, Eigenschaften von Objekten abzufragen oder bei Bedarf zu modifizieren. Über TraCI ist es zudem möglich, SUMO mit anderen Simulationsumgebunden zu koppeln.

3 Anwendungsfälle

Im Folgenden wird das eben beschriebene Bepreisungsverfahren in zwei Simulationsszenarien getestet. Die Ergebnisse beider Szenarien werden für zehn verschiedene Seeds gemittelt. Zur Festlegung der Zahlungsbereitschaft der Kunden wird jedem Fahrzeug zu Simulationsbeginn ein Value of Time zugewiesen. Diese Zeitwerte sind um den mittleren Wert von 7,48 Euro/h normalverteilt.

3.1 Szenario 1

Das erste Szenario, in dem das Verfahren getestet wird, stellt eine vereinfachte Ortsumfahrung dar (Vgl. Bild 3). Auf einer vierstreifigen Hauptstraße können ankommende Fahrzeuge zwischen zwei Routenalternativen entscheiden: Einer Ortsdurchfahrt mit geringer Kapazität (Route 1) und einer Umfahrung mit hoher Kapazität (Route 2), die allerdings einen Umweg bedeutet. Die wichtigsten Parameter beider Routenalternativen sind in Tabelle 1 dargestellt. Um auf der Ortsdurchfahrt Interaktionen mit anderen Verkehrsteilnehmern zu simulieren, befindet sich auf der Ortsdurchfahrt zusätzlich eine Lichtsignalanlage (LSA). Die LSA läuft in einem Festzeitprogramm mit einer Umlaufzeit von 60 Sekunden, wovon 40 Sekunden auf die Freigabezeit für die Fahrzeuge entfallen.

Bild 3: Netzwerk des Umfahrungs-Szenarios

Die Verkehrsnachfrage dieses Szenarios besteht aus einem Fluss von 3000 Fahrzeugen, die innerhalb einer Stunde das Netzwerk durchfahren. Im Rahmen des ersten Tests wird ein durchschnittlicher Pkw als Fahrzeugtyp angenommen.

Tabelle 1: Parameter der Routenalternativen

In Vorbereitung auf die Simulation werden die Fahrzeugrouten mit dem SUMO-Tool DUAROUTER umgelegt. Der Algorithmus verteilt bei 100 Iterationen 1265 Fahrzeuge auf Route 1 und 1735 Fahrzeuge auf Route 2. Dies entspricht einem Fahrzeuganteil für Route 1 von w1 = 0,42. Zur Überprüfung dieser Lösung wird das Nutzergleichgewicht zusätzlich analytisch bestimmt. Die Reisezeiten werden anhand der folgenden Formel berechnet:

Formel siehe PDF.

Hierbei steht li für die Länge der Route, vi für die freie Reisegeschwindigkeit, Qi für die Verkehrsstärke und Ki für die Kapazität der Route. Für die Kapazität eines Fahrstreifens wird der Durchschnittswert 1800 Fahrzeuge/h angesetzt. Für Route 1 wird die Kapazität mit dem Anteil der Freigabezeit an der Umlaufzeit multipliziert, um den Einfluss der LSA auf die Abfertigungsrate zu berücksichtigen. Setzt man für beide Routen die entsprechenden Werte ein, kann man beide Reisezeiten gleichsetzen und erhält für den Anteil der Fahrzeuge auf Route 1, wi:

Formel siehe PDF.

In Bild 4 wird dieses Ergebnis grafisch dargestellt. Trotz der geringen Abweichung zwischen simulativer und analytischer Lösung wird die Umlegung der Fahrzeuge im Rahmen dieses Szenarios als hinreichend genau erachtet.

Bild 4: Analytische Bestimmung des Nutzergleichgewichts

Das Umfahrungsszenario wird im Bestand ohne Bepreisung simuliert. Zusätzlich gibt es die beiden Bepreisungsfälle „optimale Maut“ und „dynamische Bepreisung“. Im Fall „optimale Maut“ wurde für das Netzwerk analytisch das Systemoptimum nach der folgenden Formel bestimmt:

Formel siehe PDF.

Hierbei stehen T1 und T2 für die Reisezeiten auf Route 1 bzw. Route 2, w1 und w2 für die Routenanteile der jeweiligen Route. Um diese Verlagerung zu erreichen, wurde auf Route 1 eine feste Maut in Höhe von VoT*  eingerichtet. Im zweiten Fall „dynamische Bepreisung“ wird das in dieser Arbeit vorgestellte System mit dynamischer Preissetzung angewendet.

3.1.1 Ergebnisse

Die Simulationen des Umfahrungsszenarios werden hinsichtlich durchschnittlicher Verlustzeiten sowie durchschnittlicher CO2- und NOx-Emissionen verglichen. Hinsichtlich der Verlustzeiten (Vgl. Bild 5) gibt es im Durchschnitt eine Reduktion um ca. 10 Sekunden im Vergleich zu den beiden Bepreisungsmethoden. Auffällig ist vor allem, dass die Varianz der Verlustzeiten durch die Bepreisung stark reduziert wird. Gibt es im Bestand noch Fahrzeuge mit Verlustzeiten im Bereich von bis zu anderthalb Minuten, wird durch die Bepreisung eine Reduktion auf etwa eine halbe Minute erreicht. Dies hängt zum großen Teil damit zusammen, dass vor der LSA auf der Ortsumfahrung weniger Haltevorgänge stattfinden. Positiv ist ebenfalls zu bewerten, dass das dynamische Bepreisungssystem die optimale Maut für diesen Fall relativ gut approximiert hat.

Bild 5: Verlustzeiten im Umfahrungsszenario, Boxplot mit Median (gelb), Mittelwert (grün), und Quartilen.

Für die CO2- und NOx-Emissionen (Vgl. Bild 6 und Bild 7) ist ein ähnliches Ergebnis erkennbar. Die Reduktionen der durchschnittlichen CO2-Emissionen liegen im Bereich um 10 Gramm, was an sich keine große Veränderung darstellt, allerdings wird, wie bei der Verlustzeit, durch die Anwendung einer Bepreisung die Varianz der Werte verringert. Die Ergebnisse der beiden Bepreisungsmethoden liegen in einem ähnlichen Wertebereich, beide Verfahren führen demnach im gleichen Maß zur Verringerung der Emissionen.

Bild 6: CO2-Emissionen im Umfahrungsszenario, Boxplot mit Median (gelb), Mittelwert (grün), und Quartilen.

Bild 7: NOx-Emissionen im Umfahrungsszenario, Boxplot mit Median (gelb), Mittelwert (grün), und Quartilen.

3.2 Szenario 2

Das zweite Szenario stellt einen Netzausschnitt der Stadt Bologna in Italien dar. Es wurde im Rahmen des Projekts iTETRIS erstellt und deckt einen kleinen Teil des Stadtbezirks Saragozza ab. Das Netzwerk wurde aus einem bestehenden VISSIM-Netz erstellt, die LSA-Steuerungen und die Verkehrsnachfrage wurden aus Datensätzen der Stadt erzeugt und kalibriert. Die Nachfrage besteht ausschließlich aus MIV und ÖPNV, da Daten für Radverkehr und Fußgänger nicht zur Verfügung standen. (siehe Bieker et al. 2014, [15]) Für dieses Szenario wurden die beiden Fälle „Bestand“ ohne Maut und „dynamische Preise“ simuliert. Das Systemoptimum für ein größeres Netz mit dynamischer Nachfrage analytisch zu bestimmen wurde im Rahmen dieser Arbeit als zu aufwändig betrachtet.

Bild 8: Netzwerk des Bologna-Szenarios

3.2.1 Ergebnisse

Die durchschnittlichen Verlustzeiten (Vgl. Bild 9) werden durch die dynamische Bepreisung ähnlich wie im Umfahrungsszenario drastisch reduziert. Im Durchschnitt erfahren die Fahrzeuge eine Reduktion von 25 Sekunden. Jedoch liegt der Zugewinn auch in diesem Szenario eher darin, dass große Verlustzeiten stärker reduziert werden.

Bild 9: Verlustzeiten im Bologna-Szenario, Boxplot mit Median (gelb) und Quartilen.

Hinsichtlich der CO2- und NOx-Emissionen (Vgl. Bild 10 und Bild 11) zeigt sich ebenfalls ein ähnliches Bild wie im ersten Szenario. Allerdings fällt die Reduktion der Emissionen hierbei nicht so eindeutig aus. Das mag allerdings dem Umstand geschuldet sein, dass das Umfahrungsszenario im Vergleich stark idealisiert war. Darüber hinaus haben die Fahrzeuge im Bologna-Szenario beispielsweise mehr Interaktionen miteinander und führen damit auch mehr Halte- und Anfahrvorgänge durch, die maßgeblich zu höheren Emissionen beitragen.

Bild 10: CO2-Emissionen im Bologna-Szenario, Boxplot mit Median (gelb) und Quartilen.

Bild 11: NOx-Emissionen im Bologna-Szenario, Boxplot mit Median (gelb) und Quartilen.

4 Ausblick

Das hochdynamische Bepreisungssystem, das in dieser Arbeit vorgestellt wurde, konnte in zwei Simulationsstudien erfolgreich getestet werden. Hinsichtlich Verlustzeiten und Emissionen konnten Verbesserungen im Vergleich zum Bestand erzielt werden und es wurde gezeigt, dass das dynamische Verfahren zumindest in einem einfachen Netzwerk ähnlich positive Ergebnisse wie eine optimale statische Maut erzielen kann. In folgenden Arbeiten soll auch auf die Auswirkungen der dynamischen Preise auf die Nachfrage eingegangen werden. Insbesondere soll hierbei die Moduswahl der Nutzer betrachtet werden. Ein weiter bisher ausgeklammerter Aspekt ist der Umgang mit Mischverkehr, also der Einbeziehung nicht-automatisierter Fahrzeuge. Dieser wird ebenfalls Gegenstand zukünftiger Untersuchungen sein, da auch in der Phase der Transition zwischen manuellem und automatisiertem Fahren die Funktionalität des Bepreisungssystems und die Gültigkeit der Routenempfehlungen gewährleistet sein müssen. Weiterhin wurden die Fahrzeugrouten in dieser Arbeit nur einmalig bei Fahrtantritt verteilt. Anspruch eines dynamischen Systems sollte es jedoch sein, auch auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren zu können und Fahrzeuge neu zu routen. Demnach wird auch die dynamische Anpassung der Routen Gegenstand zukünftiger Arbeiten sein. Auch die Einbeziehung von LSA-Koordinierungen in diese dynamische Anpassung ist eine denkbare Erweiterung.

5 Literatur

5.1 Bücher

1 Pigou, A. (2002). The Economics of Welfare. New York: Routledge, https://doi.org/10.4324/9781351304368

5.2 Zeitschriftenartikel

2 M.D. Simoni, A.J. Pel, R.A. Waraich, S.P. Hoogendoorn, Marginal cost congestion pricing based on the network fundamental diagram, Transportation Research Part C: Emerging Technologies, Volume 56, 2015, Pages 221-238, ISSN 0968-090X, https://doi.org/10.1016/j.trc.2015.03.034. (http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0968090X15001230)

3 Zhijia Tan, Hai Yang, Ren-Yong Guo, Dynamic congestion pricing with day-to-day flow evolution and user heterogeneity, Transportation Research Part C: Emerging Technologies, Volume 61, 2015, Pages 87-105, ISSN 0968-090X, https://doi.org/10.1016/j.trc.2015.10.013. (http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0968090X15003629)

4 Felipe Jiménez, José Eugenio Naranjo, José Javier Anaya, Fernando García, Aurelio Ponz, José María Armingol, Advanced Driver Assistance System for Road Environments to Improve Safety and Efficiency, Transportation Research Procedia, Volume 14, 2016, Pages 2245-2254, ISSN 2352-1465, https://doi.org/10.1016/j.trpro.2016.05.240. (http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2352146516302460)

5 Bernstein, D. and J. Muller. (1993). Understanding the Competing Short-Run Objectives of Peak Period Road Pricing. Transportation Research Record 1395, 122–128.

6 Friesz, Terry & Bernstein, David & Kydes, Niko. (2004). Dynamic Congestion Pricing in Disequilibrium. Networks and Spatial Economics. 4. 181-202. 10.1023/B:NETS.0000027772.43771.94.

7 Guni Sharon, Michael W. Levin, Josiah P. Hanna, Tarun Rambha, Stephen D. Boyles, Peter Stone, Network-wide adaptive tolling for connected and automated vehicles, Transportation Research Part C: Emerging Technologies, Volume 84, 2017, Pages 142-157, ISSN 0968-090X, https://doi.org/10.1016/j.trc.2017.08.019. (http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0968090X17302280)

8 N. Wan, A. Vahidi, A. Luckow, Optimal speed advisory for connected vehicles in arterial roads and the impact on mixed traffic, Transportation Research Part C: Emerging Technologies, Volume 69, 2016, Pages 548-563, ISSN 0968-090X, https://doi.org/10.1016/j.trc.2016.01.011. (http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0968090X16000292)

9 D. Jia, D. Ngoduy, Enhanced cooperative car-following traffic model with the combination of V2V and V2I communication, Transportation Research Part B: Methodological, Volume 90, 2016, Pages 172-191, ISSN 0191-2615, https://doi.org/10.1016/j.trb.2016.03.008. (http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0191261515302563)

10 Y. Feng, K. Larry Head, S. Khoshmagham, M. Zamanipour, A real-time adaptive signal control in a connected vehicle environment, Transportation Research Part C: Emerging Technologies, Volume 55, 2015, Pages 460-473, ISSN 0968-090X, https://doi.org/10.1016/j.trc.2015.01.007. (http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0968090X15000091)

11 R. Oertel, J. Erdmann, R. Markowski, W. Schmidt, J. Trumpold, P. Wagner, VITAL Verkehrsabhängig intelligente Steuerung von Lichtsignalanlagen. Straßenverkehrstechnik (09), Seiten 631-638. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen. ISSN 0039-2219

5.3 Beiträge aus Tagungsbänden

12 D. Heß, S. Lapoehn, F. Utesch, M. Fischer, J. Schindler, T. Hesse, F. Köster, Contributions of the EU Projects UnCoVerCPS and Enable-S3 to Highly Automated Driving in Conflict Situations, AAET 2019, February 5-7, Braunschweig

13 J. Schindler, R. Dariani, M. Rondinone, T. Walter, Dynamic and Flexible Platooning in Urban Areas, AAET Automatisiertes und vernetztes Fahren, March 14-15 2018, Braunschweig

14 J. Erdmann, Combining Adaptive Junction Control with Simultaneous Green-Light-OptimalSpeed-Advisory, WiVec 2013, 2.-3. Juni 2013, Dresden, Deutschland. ISBN 9781467363358

15 Bieker, Laura und Krajzewicz, Daniel und Morra, Antonio Pio und Michelacci, Carlo und Cartolano, Fabio (2014) Traffic simulation for all: a real world traffic scenario from the city of Bologna. SUMO 2014, 15.-16. Mai 2014, Berlin, Deutschland.

5.4 Schriftenreihen

16 N. Roth, Wirkungen des Mobility Pricing, in Heft V 22, Darmstadt, Schriftenreihe des Instituts für Verkehr, Fachgebiet Verkehrsplanung und Verkehrstechnik, 2009.

17  K. Axhausen, I. Ehreke, A. Glemser, S. Hess, C. Jödden, K. Nagel, A. Sauer, C. Weis, Ermittlung von Bewertungsansätzen für Reisezeiten und Zuverlässigkeit auf Basis der Schätzung eines Modells für modale Verlagerungen im nicht-gewerblichen und gewerblichen Personenverkehr für die Bundesverkehrswegeplanung, ETH Zürich Research Collection, 2014-03, https://doi.org/10.3929/ethz-b-000089615