FGSV-Nr. FGSV 002/132
Ort Hamburg
Datum 11.05.2022
Titel Erweiterung des OKSTRA-Standards um juristische Aspekte
Autoren Dipl.-Ing. Michael Glöckner
Kategorien OKSTRA
Einleitung

Die rechtliche Beurteilung und die umfassende Information über den rechtlichen Status einer Straße, sowie dessen Änderung, sind bedeutende Aspekte für Planung, Bau und Betrieb von Straßen im Allgemeinen und Bundesfernstraßen im Speziellen. Die exakte georeferenzierte Lage dieser rechtlichen Aspekte, wie bspw. Widmungsgrenzen, hat weitreichende Auswirkungen auf den rechtlichen Status der Straße selbst, wie auch entsprechende rechtliche Implikationen für ihre Umgebung. Dies umfasst u. a. baurechtliche oder naturschutzrechtlich Schutzzonen oder auch verkehrsrechtliche Anordnungen wie bspw. Geschwindigkeitsbegrenzungen. Die Auswirkungen betreffen einzelne Abschnitte wie auch die unmittelbare Straßenumgebung. Die Entwicklung eines detaillierten, juristischen Datentyps ermöglicht die Integration der rechtlichen Aspekte als verwaltungsrelevantes „Teilobjekt“ einer Straße im OKSTRA. Verwaltungsaufgaben im Lebenszyklus einer Straße sind auf detaillierte Informationen der Straße selbst wie auch ihrer Umgebung angewiesen. Das Verständnis der umfassenden Beschreibung einer Straße über ihre Grenzen hinaus, eingebettet in ihre Umgebung, ist naheliegend und birgt Potenziale für alle Teile ihres Lebenszyklus, insbesondere im interdisziplinären Zusammenspiel zwischen Straßenbau und Straßenverwaltung. Der Einbezug weiterer nachbarschaftlicher Objekte der Straße schafft ein umfassendes Bild über den unmittelbaren Nahbereich und schafft somit weiterhin die Möglichkeit die Straße in den baulichen Kontext ihrer Umgebung einzuordnen. Vorteile erwachsen für Verwaltungsaufgaben wie beispielsweise die anbaurechtliche Beurteilung oder die Planung eines Ausbaus des Regelquerschnitts. Informationen über die bauliche Umgebung einer Straße müssen entsprechend standardisiert ausgetauscht werden können. In Verbindung mit BIM ergeben sich hieraus Möglichkeiten von beispielsweise automatisierten Leitungsauskünften an bestehenden Straßen sowie das frühzeitige Erkennen von Konfliktpunkten bei zukünftigen Ausbauabsichten.

Die bereits existierende FeatureType-Klasse „rechtliches_Ereignis“ stellt einen ersten Ansatz zur Integration rechtlicher Aspekte dar. Er erscheint allerdings nicht ausreichend, um rechtlich komplexe Sachverhalte und vor allem die resultierenden Wirkungen und Wechselwirkungen zwischen einer Straße und ihrer Umgebung adäquat abzubilden. Das vorliegende Diskussionspapier erweitert den existierenden Ansatz um weitere FeatureType-Klassen mit juristischem Kontext und zeigt erste Relationen zu anderen bestehenden Klassen auf.

 

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1 Einleitung

Digitalisierung als Paradigma umfasst die Vernetzung von Informationen und Akteuren auf der Basis einheitlicher Datengrundlagen. Es wird durch moderne Informationstechnologie und standardisierte Datenaustauschformate ermöglicht (Urbach; Ahlemann, 2016). Im Straßen- und Verkehrswesen wird dieses Paradigma im Kontext der Begriffe Building Information Modeling (BIM) (Azhar, 2011) und digitaler Zwilling (Wedel; Opitz et al., 2022) umgesetzt. Es kann als Single Source of Truth (SSOT) und ganzheitliche Betrachtung über den gesamten Lebenszyklus (Planen, Bauen, Betreiben, Bestandsverwaltung) hinweg enorme Effizienzpotenziale heben. Dem BIM-Ansatz ist eine interdisziplinäre Herangehensweise inhärent, da er auf eine einheitliche Datenbasis von der ersten Planung über die Genehmigung bis hin zum Betrieb setzt und folglich die Belange verschiedener Fachrichtungen beinhalten und vernetzen muss. Hierbei ist auch die Verwaltung relevant, sodass neben technischen auch juristische Aspekte und rechtliche Festlegungen dargestellt werden müssen.

Die rechtliche Beurteilung und eine umfassende Information über den rechtlichen Status einer Straße sowie sich daraus ableitende Implikationen sind bedeutende Aspekte im gesamten Lebenszyklus einer Straße. Ihr verwaltungsrechtlicher Status hat Auswirkung auf ihre Umgebung, wie auch vice versa. Beispielhaft zu nennen sind baurechtliche oder naturschutzrechtlich Schutzzonen. Diese zeigen sich in rechtlichen Restriktionen bspw. auf Grundlage des Anbaurechts (Straße wirkt rechtlich auf ihre Umgebung), wie in Verkehrsrestriktionen aufgrund des Umweltschutzes (Umgebung wirkt auf die Straße). Diese juristischen und Verwaltungsaspekte können in einer ganzheitlichen Betrachtung entsprechend als „Teilobjekte“ Straße interpretiert werden.

Im Zuge standardisierten Datenaustauschs im Lebenszyklus einer Straße hat sich der Objektkatalog für das Straßen- und Verkehrswesen (OKSTRA) etabliert (BASt, 2022). Dieser modelliert und definiert die Objekte der Straße und die Beziehungen zwischen ihnen in einer datentechnischen Beschreibung (BMVBS, 2010). Die Standardisierung der Beschreibung der Objekte und Strukturen ermöglicht den Austausch der Daten zwischen verschiedenen Stakeholdern und Anwendungssystemen bzw. ein einheitliches Verständnis und gemeinsames Arbeiten auf einheitlichen Datenständen über den gesamten Lebenszyklus (Planung, Bau, Bestandsverwaltung) einer Straße hinweg.

Aktuell fokussiert sich das Beschreibungsverständnis des OKSTRA allerdings auf die Straße und ihre unmittelbaren technischen Anlagen selbst. Das Verständnis der umfassenden Beschreibung einer Straße über ihre Grenzen hinaus, eingebettet in ihre Umgebung, ist unter den zuvor genannten Gesichtspunkten des BIM naheliegend und birgt Potenziale für alle Teile ihres Lebenszyklus. Informationen über rechtliche Aspekte und die bauliche Umgebung einer Straße müssen entsprechend standardisiert ausgetauscht werden können.

Der bestehende OKSTRA-FeatureType „rechtliches_Ereignis“ erscheint nicht ausreichend, um rechtlich komplexe Sachverhalte und vor allem ihre Auswirkungen adäquat abzubilden. Ziel des Papers ist ein Vorschlag zur Entwicklung weiterer juristisch orientierter FeatureType-Klassen. Hierzu werden zunächst bestehende Beschreibungsmöglichkeiten analysiert, welche die Grundlage für die Weiterentwicklung bilden, dabei werden auch die inhärenten Potenziale diskutiert. Anschließend werden der erweiterte Ansatz beschrieben und mögliche Einsatzszenarien aufgezeigt. Eine Zusammenfassung rundet das Papier ab.

2 Grundlagen und aktuelle Beschreibungsmöglichkeiten

Zur Beschreibung juristischer Teilobjekte einer Straße müssen grundlegend die juristischen Aspekte und deren Wirkrichtung (von Umgebung auf Straße oder umgekehrt) sowie der räumliche Geltungsbereich einfließen. Neben den OKSTRA-Einträgen als datentechnische Beschreibung der Straßenobjekte sind auch deren fachliche Beschreibungen in der Anweisung Straßeninformationsbank (ASB) essentielle Aspekte, welche, soweit vorhanden, die verpflichtende Basis für den OKSTRA bilden. Zunächst werden tangierende vorhandene Pakete sowie die relevanten Klassen des OKSTRA zusammengefasst präsentiert.

2.1 OKSTRA

Paket S_Organisation

Rechtliche Ereignisse sind aktuell eine FeatureType-Klasse im Paket „S_Organisation“. Sie besitzt eine geometrische Form, ein Startdatum und ermöglicht anhand der Schlüsseltabelle „Art_rechtliches_Ereignis“ jeweils als CharakterString eine Kennung und Langtextbeschreibung. Aufgrund dieser Gestaltung gibt es keine Standardisierung und es können keine (rechtlichen) Implikationen abgeleitet, sondern lediglich per Freitext an bestehende Infrastrukturobjekte angefügt werden. Erwähnenswert ist, dass bereits eine erste Verknüpfung zwischen rechtlichen und technischen Aspekten möglich ist, aufgrund der Verknüpfug des FeatureType „rechtliches_Ereignis“ mit dem FeatureType „Infrastrukturobjekt“ aus dem Paket „S_Allgemeine_Objekte“.

Paket S_Allgemeine_Objekte

Das Paket S_Allgemeine_Objekte enthält zwei Klassen zur Charakterisierung von (straßeneigenen) Infrastrukturobjekten und (straßenfremden) Fremdobjekten. Auf diese Weise lassen sich bereits Objekte außerhalb der Straße integrieren, allerdings kann keine direkte (Wirk)-Beziehung zwischen beiden Klassen hergestellt werden.

Paket S_Administration

Die Widmung als essentielle grundlegende Allgemeinverfügung zur Definition des öffentlich-rechtlichen Status‘ einer Straße, welcher der Allgemeinheit die Nutzung gestattet, ist als FeatureType im Paket „S_Administration“ enthalten. Ihre Ausrichtung zielt allerdings lediglich auf den Teilaspekt, ob eine Straße gewidmet und somit zur Nutzung freigegeben ist. Ihr Widmungsstatus (beispielsweise Bundesautobahn, Bundes-, Landes- oder Gemeindestraße) ist nicht Teil der beschreibenden Schlüsseltabelle.

2.2 ASB

OKSTRA basiert als informationstechnische Modellierung auf der fachlichen Beschreibung der Anweisung Straßeninformationsbank (ASB). Die ASB enthält bereits diverse standardisierte Möglichkeiten der Beschreibung von Straßen, Räumlichkeiten und definierten Lageschlüsseln zur Lokalisierung von Objekten in Relation zur Straße. Aufgrund des Fokus auf die Wechselwirkung zwischen Straße und Umgebung sind vor allem die Lageschlüssel zur Beschreibung des Fahrbahnrandes von Relevanz. Die für die vorliegende Betrachtung essentiellen Segmente und die relevanten Teilaspekte sind kurz in der nachfolgenden Übersicht zusammengefasst:

  • Segment Kernsystem
    • B1 Straße
    • ● 1.1 Straßenbezeichnung (Widmungsstatus BAB, Bundesstraße)
    • ● 1.2 Stationierung
    • B4 räumliche Beschreibung
    • ● 4.1 Netzzuordnung (1) Punkt, (2) Strecke (3) Flächeneigenschaften wird in späterer Version des Kernsystems ergänzt B5 Lageschlüssel
    • ● 01 Linker Fahrbahnrand
    • ● 02 linke Fahrbahn, linker Fahrbahnrand
    • ● 08 rechte Fahrbahn, rechter Fahrbahnrand
    • ● 09 rechter Fahrbahnrand
    • ● 95 links außerhalb
    • ● 96 rechts außerhalb
    • B12 Geometrie des Netzes
    • ● 12.1 Koordinatenreferenzsysteme
    • ● 12.3 Digitalisiertes Straßennetz
  • Segment Straßenverkehr
    • B2 Ausstattung für die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs
    • ● 2.2 Beschilderung
    • ● 2.3 Verkehrseinschränkung
  • Segment Konstruktionen an der Straße
    • Bezieht sich lediglich auf straßeneigene Konstruktionen
    • Könnte gegebenenfalls erweitert werden um Konstruktionen Dritter, um die Umgebung der Straße genauer beschreiben zu können.

Zusammenfassend besitzen die beiden vorhandenen Beschreibungsmöglichkeiten (OKSTRA und ASB) einen starken Fokus auf die Straße selbst. Die vielfältigen Relationen zwischen Straße und Umgebung und die daraus resultierende gegenseitige Beeinflussung lassen sich nur unzureichend mit den vorhandenen Möglichkeiten beschreiben. Vor allem juristische Aspekte sind aufgrund der technischen Ausrichtung der beiden Ordnungssysteme nur rudimentär darstellbar. Allerdings liegt in einer genaueren juristischen Beschreibung und den daraus resultierenden Wechselwirkungen zwischen Straße und Umgebung auch im Hinblick auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit der Methode BIM hohes Potenzial für bessere Informationsverknüpfung, Effizienzen und fachübergreifende Kollaboration in allen Phasen des Lebenszyklus einer Straße.

3 Vorschlag zur Erweiterung um juristische Klassen

Juristische Aspekte stellen die Grundlage aller Phasen des Lebenszyklus einer Straße dar. Öffentliche Straßen dienen immer einem allgemeinen öffentlichen Zweck (Verbindung oder Erschließung), werden auf Grundlage von öffentlichen Bedarfen geplant (beispielsweise Bundesverkehrswegeplanung), und erlangen ihre Rechtmäßigkeit aufgrund von Verwaltungsverfahren (bspw. Planfeststellungsverfahren), welche wiederum auf juristischen Grundlagen basieren und nach gesetzlich festgelegten Regeln ablaufen. Der Betrieb und die Unterhaltung von Straßen sind ebenfalls gesetzlichen Regularien unterworfen.

Mit einer genaueren Beschreibung der juristischen Aspekte im Duktus der vorhandenen Ordnungssysteme lassen sich auch die Verknüpfungen zwischen den technischen Teilobjekten einer Straße und den als juristische Teilobjekte einer Straße interpretierbaren, rechtlichen Aspekten insbesondere im Zusammenspiel zwischen der Straße und ihrer Umgebung genauer abbilden und entsprechende Potenziale für eine interdisziplinäre Sicht- und Arbeitsweise heben.

Die genauere Darstellung von rechtlichen Sachverhalten sollte als Kette aus Ermächtigungsgrundlage, dem Verwaltungsakt als rechtlichem Ereignis an sich sowie der resultierenden Wirkungen erfolgen. Diese Verkettung bildet den zentralen Aspekt der vorliegenden Diskussionsgrundlage (siehe Bild 1). Die Erweiterung könnte im Paket S_Organisation integriert werden, da hier bereits die Klasse „rechtliches_Ereignis“ angesiedelt ist.

Bild 1: Erweiterung des Pakets S_Organisation des OKSTRA um zentrale juristische Aspekte und exemplarische Einbindung in das Gefüge vorhandener Klassen.

Über die FeatureType-Klasse der „Ermächtigungsgrundlage“ lassen sich Gesetze, Verordnungen und Richtlinien in den OKSTRA integrieren. Diese Klasse kann einen grundsätzlichen Anknüpfungspunkt und eine der Hauptschnittstellen für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen technischen und juristischen Fachbereichen bilden. Ihre Attribute entsprechen der folgenden Schlüsseltabelle „Gesetz“ (siehe Bild 2). Neben dem Namen und der geläufigen Abkürzung eines Gesetzes ist stets auch mindestens ein Paragraph anzugeben. Eine genauere Eingrenzung kann weiterhin optional über den Absatz und Satz oder Aufzählungsnummer erfolgen. Tatbestandsvoraussetzungen und Zuständigkeiten können ebenfalls in der Ermächtigungsgrundlage integriert sein und erlauben so eine detailliertere Verknüpfung mit anderen Klassen.

Bild 2: Schlüsseltabelle „Gesetz“

Die Tabelle zeigt eine beispielhafte Befüllung eines Objekts der Klasse Ermächtigungsgrundlage für eine Widmung:

Attribut

Ausprägung

Name Gesetz

Bundesfernstraßengesetz

Abkürzung des Gesetzes

FStrG

Paragraph

§ 2

Absatz

(2)

Satz/Nummer

1

Tatbestandsvoraussetzung

Voraussetzung für die Widmung ist, dass der Träger der Straßenbaulast Eigentümer des der Straße dienenden Grundstücks ist […]

Zuständigkeit

Fernstraßen-Bundesamt

Die FeatureType-Klasse „Tatbestand“ beinhaltet einen konkreten Lebenssachverhalt und Fakten, welche zwingende Voraussetzung für das Zustandekommen eines rechtlichen Ereignisses sind. Ein solcher Tatbestand kann bspw. eine bereits durchgeführte Widmung oder Umstufung einer Straße zur Bundesstraße sein. Diese Änderung des öffentlich-rechtlichen Status kann im folgenden rechtliche Wirkungen implizieren, wie beispielsweise einen eventuellen Wechsel der Straßenbaulastträgerschaft, baurechtliche Einschränkungen aufgrund des Anbaurechts oder verkehrliche Einschränkungen wie Mindest- oder Höchstgeschwindigkeiten. Sowohl materielle als auch immaterielle Fakten können Tatbestände sein. Sie stellen neben der Ermächtigungsgrundlage (rechtliche Grundlage) die essentiellen Voraussetzungen für das Zustandekommen rechtlicher Ereignisse, wie Verwaltungsakte oder Allgemeinverfügungen, dar.

Die FeatureType-Klasse „rechtliche_Wirkung“ beschreibt neben der Art der rechtlichen Wirkung auch die Wirkrichtung sowie den geographischen Wirkungsbereich. Es wird ein konkreter Einzelfall anhand abstrakt-genereller Gesetze oder Normen geregelt. Aus dieser Regelung ergibt sich eine rechtliche Wirkung auf einen Lebenssachverhalt. Die Art der Wirkung beschreibt ihren Charakter und wird in der Schlüsseltabelle exemplarisch dargestellt. Neben Geboten und Verboten der Kategorie „verfügend“, wie bspw. Verkehrs- und Vorfahrtsregeln, lassen sich auch „gestattende“ Wirkungen, wie bspw. eine baurechtliche Genehmigung oder eine Nutzungserlaubnis, beschreiben. Weiterhin ist auch eine „gestaltende“ Wirkung beschreibbar, welche eine Änderung des öffentlich-rechtlichen Status einer Planung (beispielsweise Planfeststellungsbeschluss) oder Straße (beispielsweise Widmung) realisiert.

Das Ziel einer rechtlichen Wirkung soll als Wirkrichtung die optionale Möglichkeit einer direktionalen Verbindung und zwischen zwei Objekten und deren rechtliche Abhängigkeit voneinander darstellen können (siehe Bild 4). Somit soll aufgezeigt werden können, ob beispielsweise die Straße auf ihre Umgebung wirkt oder die Umgebung auf die Straße und ihren rechtlichen Status.

Das Attribut Flächengeometrie ermöglicht die georeferenzierte exakte Lage einer rechtlichen Wirkung. Dies unterstützt die Auswertung von Verschneidungen und Kollisionsbetrachtungen zwischen verschiedenen Fachbereichen. Eine Erweiterung um Stationierungsangaben ist denkbar.

Speziell für den Anbaubereich werden zwei weitere FeatureType-Klassen entwickelt und zur Diskussion gestellt, welche die fachliche und datentechnische Beschreibung der Anbauzone an Straßen zum Ziel hat, um den baulichen Kontext im Nahbereich einer Straße konkretisieren zu können. Dies dient entsprechend als Grundlage für die datentechnische Beschreibung im OKSTRA. Neben der geometrischen und georeferenzierten Lagebestimmung ist vor allem eine Typisierung der baulichen Anlage im Anbaubereich für Auswertung, Konfliktbestimmung und Planung relevant. Eine als Hochbau definierte bauliche Anlage stellt eine spezielle FeatureType-Klasse dar, welche sowohl von „bauliche_Anlage_Anbaubereich“ als auch vom FeatureType „S_Topografie::Gebaeude“ erbt (siehe Bild 5).

Bild 3: Schlüsseltabelle „Art_rechtliche_Wirkung“

Bild 4: Schlüsseltabelle „Wirkrichtung“

Bild 5: FeatureType „bauliche_Anlage_Anbaubereich“ und „Hochbau_Anbaubereich“

Die Flächen-/Volumengeometrie einer baulichen Anlage ist essentiell für ihre Verortung im Nahbereich einer Straße. Besondere Relevanz neben Beginn und Ende der baulichen Anlage im Straßenverlauf hat der Punkt mit dem geringsten Abstand zur Fahrbahnkante (siehe Bild 6). Da es sich bei der baulichen Anlage um beispielsweise einen Masten handeln kann, sind die engste Stelle und der entsprechende Abstand an dieser Stelle mit einer Kardinalität von genau 1 angegeben.

Bild 6: Schematische Darstellung der relevanten Bezugspunkte einer baulichen Anlage

Die Typisierung von baulichen Anlagen im Nahbereich einer Straße orientiert sich sowohl an der gesetzlichen Grundlage des Anbaurechts (i.e. Hochbau, bauliche Anlage, Telekommunikationsanlage, Werbung) als auch an weiteren Kategorien aus der Verwaltungspraxis bezüglich Anlagentypen, die beispielsweise ein erhöhtes Gefährdungspotenzial für die Straße, respektive für die Verkehrsteilnehmer haben können (i.e. Photovoltaik-Anlagen, Windenergieanlagen). Eine erste erweiterbare Übersicht ist in der Schlüsseltabelle im Bild 7 zu sehen.

Bild 7: Schlüsseltabelle “Anbautypen“

4 Anwendungsszenarien

Im Folgenden werden erste Ideen für Anwendungsszenarien aufgezeigt, um die praktische Relevanz der entwickelten Konzepte zu untermauern.

Innerhalb des BIM-Ansatzes können bestimmte rechtliche Sachverhalte sowie ihre Wirkbereiche und Auswirkungen exakter dargestellt werden. Dies kann unter anderem genutzt werden für die rechtlichen Aspekte: Widmungsgrenzen, anbaurechtlich relevante Zonen, naturschutzrechtliche Zonen, Anordnung von Geschwindigkeitsbegrenzungen, Sondernutzungen. Ziel könnte beispielsweise sein, über eine Abfrage der Platzverhältnisse auf Teilstrecken zu ersten Kostenabschätzungen für einen Ausbau zu kommen, oder eine Entscheidung über Beibehalten oder linksseitiger/rechtsseitiger Verschiebung der Straßenachse zu treffen. Dies lässt sich über eine Abfrage der Anzahl und Größe von baulichen Anlagen in bestimmten Teilbereichen und nach jeweiliger Fahrbahnseite erreichen.

Im Bereich Forschung und Entwicklung (beispielsweise Verkehrssicherheit) können für erste Datenanalysen und zur Hypothesenbildung Verknüpfungen zwischen Daten der Straße und Daten ihrer Umgebung sinnvoll sein. Beispielsweise das Erkennen und Be- bzw. Widerlegen von Korrelationen hinsichtlich eines besonderen Gefährdungspotenzials durch bauliche Anlagen im Nahbereich von Bundesfernstraßen. Dies könnte u. a. durch eine Verknüpfung zwischen den Betriebskilometern Unfallhäufungen im Paket „S_Unfall“ mit der Lage vermeintlich gefährlicher Anlagen im Nahbereich eruiert werden. Dies umfasst bspw. die ablenkende Wirkung von Werbeanlagen, die Blendung durch Reflexion von Photovoltaik-Anlagen oder verkehrspsychologische Effekte von Windrädern („Disko-Effekt“, „Alleen-Effekt“ etc.).

Im Bereich allgemeiner Auswertungen und Berichtswesen der Verwaltung kommt den vorgeschlagenen Entwicklungen eine ähnliche Bedeutung zu. So können einfach Übersichten zu existierenden Geboten und Verboten zusammengestellt werden. Auch Anzahl und Art von erteilten Genehmigungen sowie die Art einer baulichen Anlage können in einen solchen Bericht einfließen. Weiterhin können bspw. Leitungsauskünfte an Dritte vereinfacht werden.

Im Zuge von Verwaltungsaufgaben entsteht durch eine effektive Nutzung der vorgeschlagenen Klassen ein hohes Potenzial für eine effiziente und moderne Verwaltung sowie für weitreichende Synergien aufgrund der Verknüpfung verschiedener Fachbereiche. Zu den prägnanten gehören hierbei: eine (teil-)automatisierte Entscheidung(sempfehlung) in anbaurechtlichen Verfahren oder in der Beurteilung von Konfliktpunkten zwischen Linienbestimmungs- und Raumordnungsverfahren.

5 Zusammenfassung und Ausblick

Zusammenfassend lässt sich großes Potenzial in der Verknüpfung von rechtlichen und technischen Aspekten einer Straße im Allgemeinen, und der Interpretation der rechtlichen Aspekte als Teilobjekt der Straße im Rahmen des OKSTRA im Speziellen, erkennen. Ziel des Papiers ist es, eine Diskussionsgrundlage zu schaffen für die grundsätzliche Integration von anderweitigen Aspekten über den technischen Fokus hinaus. Hierfür werden verschiedene FeatureType-Klassen und entsprechende Schlüsseltabellen für den OKSTRA entworfen, welche eine detailliertere Betrachtung von juristischen Aspekten zulassen. Diese werden in Kontext gesetzt mit bestehenden Klassen aus verschiedenen Paketen.

Als Ausblick für die weiteren Entwicklungen könnten die Konzepte zu juristischen Aspekte auch auf andere Bereiche übertragen werden, wie beispielsweise das Attribut „rechtliche Nutzung“ im FeatureType „S_Grunderwerb::Nutzungsartflaeche_Basis“. Eine umfassende Analyse weiterer potenzieller Verknüpfungen mit bestehenden Klassen über die bereits aufgezeigten Verbindungen hinaus erscheint sinnvoll.

Literaturverzeichnis

Azhar, S. (2011): Building Information Modeling (BIM): Trends, Benefits, Risks, and Challenges for the AEC Industry. Leadership and Management in Engineering, Vol. 11 / 3, American Society of Civil Engineers (ASCE), Reston, USA.
https://doi.org/10.1061/(ASCE)LM.1943-5630.0000127

Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) (2022): Objektkatalog für das Straßen- und Verkehrswesen (OKSTRA®). Online verfügbar unter https://www.okstra.de/

Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBS) (2010): Allgemeines Rundschreiben Straßenbau Nr. 24/2010 - Anweisung Straßeninformationsbank; Teilsysteme: Netzdaten und Bestandsdaten – Objektkatalog im Straßen- und Verkehrswesen (OKSTRA), Bonn

Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) (2018): ASB (Anweisung Straßeninformationsbank) – Segment: Kernsystem,

Urbach, N.; Ahlemann, F. (2016): IT-Management im Zeitalter der Digitalisierung – Auf dem Weg zur IT-Organisation der Zukunft. Springer-Verlag. Berlin Heidelberg.
https://doi.org/10.1007/978-3-662-52832-7

Wedel, F.; Opitz, D.; Tiedemann, C.; Meyer-Westphal, M. (2022): Das 3-D-Modell als Grundlage des digitalen Zwillings. Bautechnik – Zeitschrift für den gesamten Ingenieurbau, Vol 99 / 2, https://doi. org/10.1002/bate.202100092