FGSV-Nr. FGSV 002/131
Ort online-Konferenz
Datum 24.03.2021
Titel Innovative Lärmschutzwand zur Verbesserung der urbanen Luftqualität
Autoren Dr. Jörg Kleffmann, Peter Kölsch
Kategorien Luftqualität
Einleitung

Zusammenfassung

Es wurde ein neues Konzept einer Lärmschutzwand entwickelt, die als zusätzliche Eigenschaften auch die Konzentration von Luftschadstoffen and Partikeln reduzieren soll. Dazu kann auf Lärmschutzwänden ein sogenannter Modulfilter angebracht werden, welcher zum einen photokatalytisch Luftschadstoffe wie Stickoxide (NOx) abbauen kann, zum anderen aber auch optional mit einem Partikelfilter ausgestattet ist. In der hier vorliegenden Arbeit wird allerdings nur der Stickoxidabbau behandelt.

Die bei photokatalytischen Lärmschutzwänden auftretende Transportlimitierung der Stickoxide zu den aktiven Oberflächen führte in früheren Pilotprojekten zu nur sehr geringen bis nicht nachweisbaren NOx-Reduktionen. Dies soll bei dem hier vorgestellten Modulfilter dadurch verhindert werden, dass dieser eine zur Strömungsrichtung ausgerichtete, V-förmige, dreidimensionale Struktur besitzt, welche aus einem grob offenporigem Filtermaterial besteht, das mit einer photokatalytisch hochaktiven Farbe beschichtet ist. Dadurch ergibt sich eine sehr große aktive Oberfläche, die mit den über die Lärmschutzwand strömenden Luftmassen effizient in Kontakt kommt. Somit ist eine deutlich höhere Schadstoffreduktion als bei früheren Projekten zu erwarten.

Im Labor zeigte das offenporige Filtermaterial nach einer photochemischen Aktivierungsphase von einer Woche zum einen überragende photokatalytische Aktivitäten gegenüber Stickoxiden (z. B. ѴPhoto(NO) ≈ 3,5 cm s-1), zum anderen konnte keine signifikante Bildung schädlicher Abbauprodukte beobachtet werden. Hier ist bei anderen photokatalytischen Oberflächen die Bildung salpetriger Säure (HONO) und Formaldehyd (HCHO) ein oft unerwünschtes Problem. Bei den untersuchten hoch-aktiven Farben werden beide Schadstoffe dagegen sogar photokatalytisch abgebaut (ѴPhoto(HONO) ≈ 1,2 cm s-1; ѴPhoto(HCHO) ≈ 0,8 cm s-1). Daher sind für den Modulfilter keine signifikanten negative Auswirkungen auf die Umwelt zu erwarten.

Für eine quantitative Abschätzungen des atmosphärischen Schadstoffabbaus an Lärmschutzwänden mit Modulfiltern sind in Zukunft noch Modellrechnungen geplant.

Stichwörter: TiO2; Feinstaub; Photokatalyse; Luftreinigung; Lärmschutzwand

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Volltext

Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Einleitung

Die Verbesserung der urbanen Luftqualität ist allgemein von großem Interesse. Dazu ist es zum einen sinnvoll, direkte Emissionen ‒ z. B. aus Verbrennungsprozessen ‒ weiter zu senken, zum anderen können aber auch Schadstoffkonzentrationen durch nachgelagerte Verfahren reduziert werden. Die Photokatalyse ist ein solches nachgelagertes Verfahren und wird seit ca. drei Jahrzehnten für die Luftreinhaltung diskutiert und auch schon eingesetzt, ist aber prinzipiell schon seit fast einem Jahrhundert bekannt.[1] Hierbei können Luftschadstoffe wie Stickoxide (NOx) und Kohlenwasserstoffe (VOCs) an Photokatalysatoren (meist Titandioxid/TiO2) unter UV-Einstrahlung durch dort entstehende Radikale effizient in weniger schädliche Reaktionsprodukte wie Kohlendioxid (CO2) und Nitrat (NO3-) oxidiert werden. Der Abbau von NOx und VOCs hat zudem einen positiven Einfluss auf die Bildung sekundärer Photooxidantien, wie z. B. dem Ozon (O3) im „Sommersmog“. Da insbesondere der EU-Jahresmittelgrenzwert für NO2 von 40 µg m-3 an urbanen Messstationen immer noch teilweise überschritten wird,[2,3] könnte die Photokatalyse helfen, dieses Problem zu minimieren.

Es wurden bisher schon viele Anwendungen der Photokatalyse zur Reduktion von Stickoxiden diskutiert und erprobt. Dabei können verschiedenste urbane Oberflächen, wie z. B. Straßenoberflächen (Pflastersteine, Asphaltgranulat), Hausfassaden (Wandfarben, Fensterglas), Dächer (Dachziegel, Dachpappe) etc. photokatalytisch aktiviert werden. In bisher durchgeführten Pilotstudien in der realen Atmosphäre ergaben sich allerdings höchst kontroverse Ergebnisse zur Effizienz des photokatalytischen NOx-Abbaus. Dabei wurden teilweise unrealistisch hohe Reduktionen von bis zu 80 % angegeben,[4-9] während in anderen Studien der beobachtete Abbau unterhalb der Messgenauigkeit lag.[10-13]

Es wurden auch schon photokatalytische Lärmschutzwände zur Luftreinhaltung in Pilotstudien auf ihre Wirksamkeit hin untersucht.[10,11,14,15] Leider konnte aber an beschichteten Lärmschutzwänden keine signifikante NOx-Reduktion beobachtet werden.[10,11,15] Als wichtigste Ursache kann die Transportlimitierung gasförmiger Schadstoffe zu den photokatalytischen Oberflächen genannt werden. Daher wurde in einer früheren Pilotstudie die Luft aktiv mit einem Lüfter durch photokatalytisch beschichtete, poröse Lavasteine an einer Lärmschutzwand gesaugt und damit eine etwas höhere Effizienz erzielt.[14]

Um diesen Ansatz weiter zu optimieren, wurde in der vorliegenden Arbeit ein offenporiger Modulfilter mit großer, aktiver Oberfläche entwickelt, durch den die Luftmassen passiv strömen können. Damit ist ein deutlich erhöhter photokatalytischer Schadstoffabbau zu erwarten.

2 Experimenteller Teil

2.1 Modulfilter

Der Modulfilter besteht aus drei V-förmig angeordneten, offenporigen Schichten (s. Abb. 1), welche weiter unten genauer beschrieben werden. Das offene Ende des V-förmigen Filters wird dabei in Richtung der durch die Bewegung der Fahrzeugflotte induzierten Luftströmung ausgerichtet, sodass möglichst viel der an der Lärmschutzwand vorbeiströmenden Luft an die Oberflächen des Filtermaterials gelangt. Am anderen Ende des Modulfilters kann optional noch ein Partikelfilter installiert werden. Der Modulfilter wird an der Vorderseite bestehender Lärmschutzwände angebracht (s. Abb. 2).

Abb. 1: Modulfilter liegend bei den Schallabsorptionsmessungen.

Abb. 2: Holzlärmschutzwand mit Modulfilter nach Brandprüfung.

2.1.1 NOx-Filter

Zur Filterung gasförmiger Schadstoffe, wie z. B. den Stickoxiden (NOx), wird ein sehr grobporiges Filtermaterial aus Polypropylen (PP) verwendet, welches im Folgenden als “Wirrgelege” bezeichnet wird. Das Wirrgelege wird mit einer hoch-aktiven photokatalytischen Wandfarbe beschichtet (s. Abb. 3 und Abschnitt 2.3.1). Das Material hat dabei eine große Oberfläche, ist aber trotzdem auf Grund des niedrigen Staudrucks (s. Abschnitt 3.2.4) gut zugänglich für die anströmende Luft. Zur Vergrößerung der aktiven Oberfläche bestehen die drei Lagen des Modulfilters jeweils aus Doppelschichten des Wirrgeleges, welche in Aluminiumprofilen fixiert werden (s. Abb. 1).

2.1.2 Partikel-Filter

Da für eine effiziente Filterung feiner Partikel handelsübliche Plattenfilter verwendet werden und diese einen viel höheren Staudruck aufweisen als das oben beschriebene Wirrgelege, ist ein aktiver Partikelfilter geplant, bei dem mit drei solarbetriebenen Radiallüftern ein Teil der an der Wand vorbeiströmenden Luft aktiv durch die Plattenfilter gesaugt wird (s. Abb. 2).

2.2 Tests an der Lärmschutzwand mit vorgehängtem Modulfilter

Da der “Modulfilter zur Luftreinhaltung” eine Neuentwicklung darstellt, existieren bislang keine Normkriterien durch das DIN (Deutsches Institut für Normengebung). Aus diesem Grund wurden die wichtigsten Anforderungen nach der ZTV Lsw 06 (Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für die Ausführung von Lärmschutzwänden an Straßen) im Fraunhofer Institut für Bauphysik in Stuttgart (Schallabsorption) und in der Materialprüfanstalt der Universität Stuttgart (Brandtest und Steinschlagresistenz) geprüft und bewertet.

2.2.1 Schallabsorptionsvermögen

Der vor Lärmschutzwänden angebrachte Modulfilter darf die eigentliche schalltechnische Funktion der Lärmschutzwand nicht negativ beeinflussen. Um das Absorptionsvermögen des Modulfilters zu überprüfen, wurde ein Test nach DIN EN 1793-1 gemäß ZTV Lsw 06 durchgeführt.

2.2.2 Feuerresistenz

Der Modulfilter wurde auf Feuerresistenz gemäß ZTV Lsw 06, Abschnitt 2.5.4 nach DIN EN 1794-3 geprüft. Die Prüfung des Feuerwiderstandes gegen Unterholzbrand erfolgte in einem geschlossenen, zugfreien Raum. Zwei Drahtgestelle mit jeweils 600 g klimatisierter Holzwolle wurden gleichzeitig vor der Lärmschutzwand entzündet. Die Raumtemperatur betrug zu Beginn der Versuche ~19 °C.

2.2.3 Steinwurfresistenz

Der Modulfilter wurde auf Steinwurfresistenz gemäß ZTV Lsw 06, Abschnitt 2.5.2 bei Prüfung nach DIN EN 1794-1 Anhang C geprüft. Die Schlagbeanspruchung erfolgte an den Anprallpunkten und Flächen gemäß der Norm DIN EN 1794-1:2018, Abschnitt C.2 sowohl an der Schalung, an den Rahmenhölzern und auch am vorgehängten Modulfilter.

2.2.4 Staudruckmessung “Wirrgelege”

Die Bestimmung der Durchströmbarkeit des Wirrgeleges fand im Flachwarenprüfstand der Firma Keller Lufttechnik GmbH +Co.KG, Kirchheim u. T. statt. Für die Messungen wurde eine beschichtete Probe des Wirrgeleges mit einem Durchmesser von 200 mm verwendet.

2.3 Labormessungen Photokatalyse

2.3.1 Proben

Es wurden zwei photokatalytische Farben der Firma Griwecolor (im Folgenden Probe A/weiß und Probe B/beige) eingesetzt. In den Farben werden zwei verschiedene TiO2-Photokatalysatoren (Anatas Modifikation) der Firma Kronos verwendet. Die weiße Farbe A ist dabei nur im UV aktiv, während die Farbe B auch eine gewisse Aktivität mit sichtbarem Licht zeigt. Die Farben wurden für Vortests zunächst auf flachen PVC-Probenkörpern und dann später auf dem Wirrgelege aus Polypropylen im Format 49 mm × 99 mm aufgetragen (s. Abb. 3).

Abb. 3: Photokatalytisch beschichtete PVC-Platten (links) und Wirrgelegeproben (rechts).

Nach Trocknung wurden die Proben über Nacht (ca. 14 h, Vorversuche mit den PVC-Platten) bzw. 5 Tage lang (Wirrgelege) einer UVA Strahlung von 33 W m-2 ausgesetzt und dabei einmal (Vorversuche) bzw. mehrmals mit hochreinem Wasser (Millipore) abgespült (Spritzflasche). Diese Vorbehandlung dient dazu, mögliche organische Verunreinigungen durch die selbstreinigende Wirkung der Photokatalyse zu oxidieren, sowie die TiO2-Pigmente teilweise vom Binder zu befreien, um eine höhere Aktivität und bessere Reproduzierbarkeit zu erreichen.

Die Farben zeigen nach Trocknung eine sehr feste, elastische Verbindung zum hydrophoben PVC und Polypropylen (Wirrgelege) und eignen sich somit gut für die hier geplante Anwendung.

2.3.2 Flussreaktor

Die photokatalytische Aktivität der Proben wurde nahe an den in ISO 22197-1[16] vorgegebenen Reaktionsbedingungen (10 W m-2 UVA, 50 % relative Luftfeuchte, 20 °C) in einem temperierbaren Photoflussreaktor untersucht (s. Abb. 4).

Abb. 4: Links: Temperierter Flussreaktor zur Bestimmung der photokatalytischen Aktivität mit Anzeigegerät des Thermoelements zur Messung der Oberflächentemperatur. Rechts: Regelbares Diodenarray mit Intensitätssteuerung (QUMA-Elektronik & Analytik, Wuppertal) als UVA-Lichtquelle (lmax = 370 nm; Dl ± 20 nm).

Lediglich die Stickoxid-Konzentrationen (~50/100 ppb) lagen mit Hinblick auf typische atmosphärische Bedingungen deutlich niedriger als bei ISO vorgeschrieben (1 ppm) und es wurde neben NO auch NO2 als Reaktand verwendet. Auch der Gasfluss durch den Flussreaktor wurde von 3 L min-1 (ISO) auf 2 L min-1 reduziert. Zudem wurde der Abstand der Proben zur Glasscheibe bei den flachen PVC-Proben auf 1 mm verringert (ISO 5 mm), bzw. die Wirrgelegeproben direkt zwischen den Abstandhaltern des Reaktors (PVC) und der Glasscheibe leicht eingepresst, sodass die Gasmischungen durch das offen strukturierte Wirrgelege in Längsrichtung strömt und somit eine große Oberfläche erhalten wird. Dies sollte den späteren Gebrauch im Modulfilter simulieren, bei denen die Gasphase auch durch das Wirrgelege strömt. Als Oberfläche wurde bei beiden Proben die geometrische Oberfläche von ~50 cm2 verwendet, obwohl die wirkliche Oberfläche des Wirrgeleges wahrscheinlich etwas größer ist (s. Abb. 3). Dadurch ergeben sich bei dem Wirrgelege bei gleichen Bedingungen formal höhere Aktivitäten als bei Verwendung flacher Proben, macht aber eine einfache Extrapolation der Ergebnisse auf die reale Atmosphäre in späteren Modellrechnungen möglich.

2.3.3 Messgeräte

Zur Bestimmung der Stickoxidkonzentration (NOx = NO + NO2) wurde ein empfindliches Chemilumineszenzmessgerät (Eco-Physics CLD 899Y mit Molybdänkonverter, 25 ppt Nachweisgrenze) verwendet, welches vor jedem Experiment mit NO-Eichgasmischungen kalibriert wurde. Da das Messgerät im NOx-Kanal quantitative Interferenzen gegenüber anderen reaktiven Stickstoffverbindungen (NOy) zeigt,[17] wird die NO2-Konzentration überschätzt. Da aber bei der Photokatalyse von Stickoxiden nur salpetrige Säure (HONO) als gasförmiges NOy-Zwischenprodukt neben dem adsorbierten Endprodukt Salpetersäure/Nitrat (HNO3/NO3-) auftritt,[18] wurde die NO2-Konzentration aus der Differenz des „NO2“-Signals des Chemilumineszenzgerätes (NOy-NO) und der gemessenen HONO-Konzentration berechnet. Dazu wurde ein in der Arbeitsgruppe selbst entwickeltes, hochempfindliches und selektives HONO-LO-PAP Messgerät der Firma QUMA mit einer Nachweisgrenze von 5 ppt verwendet.[19,20] Formaldehyd wurde mit einem empfindlichen Formaldehydmonitor (AL 4021) der Firma Aero-Laser bestimmt (Nachweisgrenze 50 ppt), welches auf dem sogenannten Hantzsch-Verfahren basiert. Sowohl das Formaldehyd- als auch das HONO-Messgerät wurden regelmäßig mit Flüssigstandards kalibriert.

2.3.4 Durchführung

Bei den Proben wurden zunächst die Eigenemissionen von NO, NO2, HONO und HCHO untersucht. Dazu wurde nach täglicher Kalibrierung des NOx-Messgerätes angefeuchtete (50 % r. h.) synthetische Luft über die Proben geleitet und deren Eigenemissionen zunächst im Dunkeln, dann unter UVA-Bestrahlung (10 W m-2) und am Ende wieder im Dunkeln vermessen. Eigenemissionen des Reaktors ohne Probe wurden in separaten Experimenten überprüft, aber wegen ihrer Geringfügigkeit vernachlässigt. Danach erfolgten die Umsetzungen mit den Reaktanden (1. NO2 und 2. NO) bei jeweils zwei Konzentrationen (50/100 ppb). Eine Messung beinhaltet dabei jeweils folgende Sequenz: Zero/Bypass, NOx/Bypass, NOx/Reaktor dunkel, NOx/Reaktor UV, NOx/Reaktor dunkel, NOx/Bypass.

2.3.5 Auswertung

Details zu der von der ISO 22197-1 abweichenden kinetischen Auswertung der Experimente sind in Ifang et al.[21] und in Reinartz[22] beschrieben. Hier wird in ISO[16] (und auch in der neuen DIN[23]) zum einen eine falsche Reaktionskinetik verwendet (Auswertung einer Reaktion 1. Ordnung nach einer Kinetik 0. Ordnung), zum anderen unterschätzt man gerade bei schnellen Reaktionen auf Grund einer Diffusionslimitierung die Aktivität der Probe.

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde die sogenannte photokatalytische Depositionsgeschwindigkeit bestimmt (Kehrwert des Oberflächenwiderstandes Rc in Flussbetrachtungen[24]):

Formel siehe PDF

Hierbei stehen ct=0 und ct für die Reaktandenkonzentrationen [ppb] am Eingang und Ausgang des Reaktors, Jgas ist der Gesamtgasfluss [cm3 s-1] durch den Reaktor und S die aktive geometrische Oberfläche [cm2]. ѴPhoto wird in [cm s-1] angegeben und beinhaltet keine Transportwiderstände (Ra und Rb)[24], da zu deren Unterdrückung die Experimente im Gegensatz zur ISO-Methode unter turbulenten Strömungsbedingungen durchgeführt wurden.[21] Hier ergeben sich auch aufgrund der verwendeten Turbulenzbarriere am Reaktoreingang turbulente Strömungsbedingungen. Zudem verursacht das Wirrgelege selber hohe Turbulenzen. Der hier nicht definierte Abstand der Glasscheibe von der Probe geht dabei nicht in die Berechnung der Depositionsgeschwindigkeit nach Formel (I) ein (ausführliche Erklärung, s. Reinartz[22]). Die angegebenen Depositionsgeschwindigkeiten beziehen sich auf den Gesamtabbau der Edukte (berechnet aus den Eingangs- und Ausgangskonzentrationen des Reaktors, s. Gleichung (I)) und beinhalten auch die Dunkelreaktion (ѴDunkel). Letztere wird hier aber zur Vollständigkeit separat mit angegeben.

Die in IUPAC (International Union of Pure and Applied Chemistry) vorgeschlagenen und in der heterogenen Atmosphärenchemie üblicherweise verwendeten „Uptake-Koeffizienten“ (g)[25] konnten sich bisher leider in der angewandten Photokatalyse nicht durchsetzen und werden hier auch nicht verwendet. Für die Abreaktion von Stickoxiden an photokatalytisch aktive Proben wurde ein Grenzwert von g ≥10-5 vorgeschlagen, bei dem der Einsatz dieser Oberflächen gerade noch zu einer leichten Verbesserung der urbanen Luftqualität führt.[21] Dies entspricht einem Grenzwert der photokatalytischen Depositionsgeschwindigkeit von ≥ 0,1 cm s-1.

Neben der Kinetik wurde auch die Bildung von Zwischenprodukten untersucht und deren Ausbeuten angegeben. Die Ausbeute wird als Verhältnis des gebildeten Zwischenproduktes durch das abreagierte Edukt (in [%]) definiert.

Zudem wurden für die Proben photokatalytische Emissionsflussdichten von Formaldehyd [Moleküle cm-2 s-1]bestimmt.

Diese wurden zusammen mit dem Volumen berechnet:

Formel siehe PDF

3 Ergebnisse und Diskussion

3.1 Konzept des Modulfilters

Bei bisher durchgeführten Pilotprojekten mit photokatalytisch beschichteten einfachen Lärmschutzwänden konnte bisher keine signifikante NOx-Reduktion nachgewiesen werden.[10,11,15] Als Ursache kann die Transportlimitierung gasförmiger Schadstoffe zu den photokatalytischen Oberfläche genannt werden. Hier limitieren die Widerstände Ra und Rb für den turbulenten und diffusiven Transport gerade bei photokatalytisch hoch-aktiven Oberflächen (kleiner Oberflächenwiderstand Rc) den heterogenen Abbau von Schadstoffen an Oberflächen.[21,24] In Abb. 5 ist schematisch diese Transportlimitierung dargestellt, bei der ein großer Teil der Luftmassen nicht in Kontakt mit der Oberfläche kommt und die darin enthaltenen gasförmigen Schadstoffe somit nicht durch die heterogene Photokatalyse abgebaut werden können.

Abb. 5: Schematische Darstellung einer flachen photokatalytischen Lärmschutzwand, der Luftströmung über die Wand sowie der Transportlimitierung zur photokatalytischen Oberfläche (gelb).

Um dieses Problem zu minimieren, wurde in der vorliegenden Arbeit ein Modulfilter entwickelt, dessen NOx-Filterlagen (s. Abb. 1) aus grobmaschigem Wirrgelege bestehen (s. Abb. 3), welches keinen signifikanten Staudruck erzeugt (s. Abschnitt 3.2.4). Dadurch können die an der Lärmschutzwand vorbeiströmenden Luftmassen nahezu ungehindert durch das Wirrgelege strömen und dort die in der Luft enthaltenden Stickoxide effizient abgebaut werden (s. Abb. 6). Eine mögliche Transportlimitierung beim Durchströmen der groben Maschen des Wirrgeleges kann ausgeschlossen werden, da dies dann auch in den Labormessungen (s. Abschnitt 3.3.1) hätte auftreten müssen. Hier wird die Ausbildung möglicher Konzentrationsgradienten durch die im Wirrgelege auftretenden Turbulenzen effizient verhindert. Durch die extrem hohe photokatalytische Aktivität des Wirrgeleges (s. Abschnitt 3.3.1), die große Oberfläche, sowie die Minimierung der Transportlimitierung kann ein deutlich höherer Abbau der Stickoxide erwartet werden, als in früheren Pilotprojekten an Lärmschutzwänden.[10,11,14,15] Dies sollte zukünftig noch mit Hilfe von Modellrechnungen und bei hohem modellierten NOx-Abbau noch durch gut geplante Feldmessungen bestätigt werden.

Abb. 6: Schematische Darstellung einer Lärmschutzwand mit photokatalytischem Modulfilter sowie der Luftströmung durch den Modulfilter und über die Wand.

3.2 Tests an einer Lärmschutzwand mit vorgehängtem Modulfilter

3.2.1 Schallabsorptionsvermögen

Bei einer Terzmittenfrequenz von 50-5000 Hz weist der Modulfilter einen Schallabsorptionsgrad von DLa, NRD = 5 dB auf. Das entspricht der Absorptionsgruppe nach ZTV Lsw 06 A2. Der Modulfilter trägt somit zur besseren Schallabsorptionsleistung von Lärmschutzwänden bei.

3.2.2 Feuerresistenz

Bei dem Test zur Feuerresistenz wurden zwei Brandquellen (Holzwolle) direkt an die Lärmschutzwand gestellt, um einen bodennahen Unterholzbrand zu simulieren. Nach 5-6 Minuten erloschen die Primärflammen an beiden Holzwolle-Brandquellen und es konnten keine Sekundärflammen beobachten werden. 10 Minuten nach Verlöschen der Primärflammen der Holzwolle wurde an keiner Stelle der Lärmschutzwand und des Modulfilters ein Glimmen festgestellt. Die geprüfte Lärmschutzwand mit vorgehängtem Modulfilter erfüllt somit die Anforderungen der Klasse 1 gemäß DIN EN 1794-3: 2020, Abschnitt 5.1.2.

3.2.3 Steinwurfresistenz

Der Schlagbolzen des Prüfhammers zerstörte weder die Holzteile der Lärmschutzwand noch den vorgehängten Modulfilter. An Rahmen, Schalung und Modulfilter entstanden lediglich runde Eindruckstellen. Alle Teile des Elementes behielten ihre Sollposition.

3.2.4 Staudrucktest Wirrgelege

Aufgrund des großen Porenanteils (PPI ≥ 20) ist bei einer maximalen Anströmgeschwindigkeit von 1 m s-1 keine Darstellung einer Differenzdruckkennlinie möglich. Der Staudruck liegt bei diesen Bedingungen bei <10 Pa.

3.3 Labormessungen Photokatalyse

3.3.1 Ergebnisse zu den Stickoxiden

Es wurden zunächst Vorversuche mit den flachen PVC-Probenträgern durchgeführt, um eine Vergleichbarkeit mit ISO-Messungen von anderen Oberflächen zu gewährleisten. Hier wurde in einer früheren Arbeit eine minimale photokatalytische Depositionsgeschwindigkeit von ѴPhoto ≥0,1 cm s-1 gefordert, um noch eine signifikante Verbesserung der Luftqualität bei Einsatz photokatalytischer Oberflächen zu gewährleisten.[21] Diese minimale Grenzaktivität konnte aber z. B. in einem früheren Pilotprojekt an einer photokatalytischen Lärmschutzwand nicht erreicht werden,[15] was neben der oben schon genannten Transportlimitierung ein weiterer Grund für die beobachtete geringe NOx-Reduktion darstellt.

Bei den Vorversuchen zeigten die hier verwendeten Farben A und B im Dunkeln nur eine geringe Aktivität gegenüber NO (Ѵ(NO)Dunkel <0,1 cm s-1, s. Abb. 7, Abb. 8 und Tab. 1). Die HONO-Bildung im Dunkeln wird zum einen über heterogene Reaktionen von NO2 begründet (s.u.), welches als Verunreinigung in der verwendeten NO-Mischung vorlag. Zum anderen desorbiert die bei den vorherigen NO2-Experimenten gebildete HONO (s.u.) von der Oberfläche.

Unter UV-Bestrahlung zeigen die Proben dagegen sehr gute photokatalytische Aktivitäten (Ѵ(NO)Photo ≈ 2 cm s-1, s. Abb. 7, Abb. 8 und Tab. 1), welche deutlich größer sind als die in Ifang et al.[21] geforderte Grenzaktivität von ѴPhoto >0,1 cm s-1. Bei der Reaktion wird NO2 als Reaktionsprodukt mit einer Ausbeute von knapp 10 % (s. Tab. 4) beobachtet. Diese kann mit dem photokatalytischen Abbau von Stickoxiden über die Sequenz:

NO -> NO2 -> HNO3/Nitrat (1),

und der im Verhältnis zu NO geringeren Aktivitäten der Proben gegenüber NO2 (s.u.) erklärt werden.[18] NO2 wird als Zwischenprodukt bei der Umsetzung mit NO schnell gebildet und reagiert dann bei den kurzen Reaktionszeiten im Reaktor (~0,3 s) nicht vollständig zum Endprodukt Nitrat ab. Für die Atmosphäre ist diese NO2-Bildung solange unkritisch, wie NO2 selber eine ausreichende Aktivität aufweist, was hier gegeben ist (Ѵ(NO2)Photo ≈ 1,1 cm s-1, s. Tab. 1).

Abb. 7: Konzentrations-Zeit-Verlauf bei der Reaktion von NO2 bzw. NO mit Probe A (weiß, PVC-Probekörper). Die am oberen Rand eingezeichneten Balken geben die Zeiten für Zero (weiß), NOx-Bypass (hellgrau), Reaktor dunkel (dunkelgrau) und Reaktor+Licht (gelb) an.

Die im Dunkeln über NO2-Reaktionen gebildete HONO reagiert unter UV-Bestrahlung sehr gut photokatalytisch ab. Auch hier ergeben sich hohe Aktivitäten (Ѵ(HONO)Photo ≈ 1,3 cm s-1, s. Tab. 1), deutlich über dem oben genannten Grenzwert von 0,1 cm s-1. Dementsprechend liegen die HONO-Ausbeuten bei der photokatalytischen Umsetzung von NO (~0,3 %, s. Tab. 2) unterhalb des in Ifang et al.[21] auch geforderten Grenzwertes von φ(HONO) ≤5%.

Abb. 8: Konzentrations-Zeit-Verlauf bei der Reaktion von NO2 bzw. NO mit der Probe B (beige, PVC-Probekörper). Die am oberen Rand eingezeichneten Balken geben die Zeiten für Zero (weiß), NOx-Bypass (hellgrau), Reaktor dunkel (dunkelgrau) und Reaktor+Licht (gelb) an.

Im Vergleich zu NO kann für das oberflächenaktivere NO2 eine deutliche Dunkelreaktion beobachtet werden (Ѵ(NO2)Dunkel ≈ 0,3 cm s-1, s. Abb. 7, Abb. 8 und Tab. 1). Im Allgemeinen wird diese NO2-Reaktion über folgende heterogene Reaktion erklärt:

2 NO2 + H2O -> HONO + HNO3 (2),

was auch durch die beobachtete HONO-Bildung im Dunkeln gestützt wird. Die HONO-Ausbeute liegt allerdings nur bei ca. 22 % und somit unterhalb des theoretisch nach Reaktion (2) zu erwartenden Wertes (50 %), was über die Adsorption von HONO an der Oberfläche und dessen heterogenen Zerfall (3) erklärt werden kann (s.u.). Die Dunkelreaktion von NO2 verlangsamt sich mit der Zeit (s. z. B. Abb. 7: ca. 10:30 - 11:00 h) und ist für den Abbau von Stickoxiden in der Atmosphäre im Allgemeinen von geringer Bedeutung. Zudem findet sie auch an photokatalytisch nicht aktiven Farben statt,[18] sodass die beobachtete HONO-Bildung im Dunkeln bei Einsatz photokatalytischer Farben keine zusätzliche Belastung der Atmosphäre darstellt.

Zusätzlich zur HONO-Bildung kann eine deutliche Bildung von NO bei der Reaktion von NO2 im Dunkeln beobachtet werden (Ausbeute ~12,5 %, s. Abb. 7, Abb. 8). Diese Umwandlung von NO2 in NO wird über den heterogenen Zerfall der im Dunkeln gebildeten HONO erklärt:

2 HONO -> NO + NO2 + H2O (3).

Unter UV-Bestrahlung nimmt die NO2-Abreaktion wieder deutlich zu (Ѵ(NO2)Photo ≈ 1,15 cm s-1, s. Abb. 7, Abb. 8 und Tab. 1), sodass auch die photokatalytische Aktivität der Probe gegenüber NO2 deutlich oberhalb der Grenzaktivität von 0,1 cm s-1 liegt.[21] Die im Vergleich zum NO etwas geringere Aktivität gegenüber NO2 kann somit die beobachteten NO2-Ausbeuten beim photokatalytischen Abbau von NO qualitativ erklären (s.o.).

Tab. 1: Photokatalytische Depositionsgeschwindigkeiten (Kehrwert des Oberflächenwiderstandes Rc [cm s-1]) der untersuchten flachen Proben gegenüber NO, NO2 und HONO bei 50 % r. h. und UVA = 10 W m-2.

Tab. 2: NO2-Ausbeuten bei der Reaktion von NO, sowie HONO-Ausbeuten bei den Reaktionen von NO und NO2 [%] (PVC-Probekörper, 50 % r. h., UVA = 10 W m-2). Der in Ifang et al.[21] vorgeschlagenen Grenzwert der HONO-Ausbeute liegt bei ≤5 %.

Unter UV-Bestrahlung nimmt bei der Reaktion von NO2 die HONO-Konzentration ‒ wie schon beim NO beschrieben ‒ deutlich ab (s. Abb. 7, Abb. 8 und Tab. 1). Die HONO-Ausbeute liegt bei der Photokatalyse von NO2 mit ~0,2 % (s. Tab. 2) wieder deutlich unterhalb des in Ifang et al. geforderten Grenzwertes von φ(HONO) ≤5%[21] und stellt somit kein Problem dar.

Für beide Proben zeigen die photokatalytischen Aktivitäten von NO und NO2 keine Konzentrationsabhängigkeit, was die oben angenommene Reaktionskinetik 1. Ordnung bestätigt. Daher können die hier bestimmten Depositionsgeschwindigkeiten bei allen normalen urbanen NOx-Konzentrationen in Modellrechnungen verwendet werden.

Zusammenfassend zeigen die flachen Farbproben A und B sehr gute photokatalytische Aktivitäten beim Abbau der Stickoxide NO und NO2 und salpetriger Säure (HONO) und eignen sich somit hervorragend für die Luftreinhaltung von Stickoxiden. Die Aktivitäten liegen dabei deutlich oberhalb typischer photokatalytischer Oberflächen und sind somit als hoch-aktiv einzustufen.

Für die Messungen der analogen Wirrgelegeproben können qualitativ sehr ähnliche Ergebnisse im Vergleich zu den Proben auf den flachen PVC-Probeträgern erzielt werden (s. Tab. 3 und Tab. 4). Insbesondere aber die Aktivität gegenüber NO ist gerade bei der Farbe A überragend (Ѵ(NO)Photo = 3,8 cm s-1, s. Tab. 3), was mit der vergrößerten Oberfläche des Wirrgeleges im Vergleich zu den flachen Proben erklärt werden kann. Dabei konnte ein NO-Abbau von ~99 % im modifizierten Flachbettreaktor erzielt werden, was in normalen ISO-Reaktoren auf Grund der laminaren Strömung und der dadurch auftretenden Diffusionslimitierung unmöglich ist.[21]

Tab. 3: Photokatalytische Depositionsgeschwindigkeiten (Kehrwert des Oberflächenwiderstandes Rc [cm s-1]) der untersuchten Wirrgelegeproben gegenüber NO, NO2 und HONO bei 50 % r. h. und UVA = 10 W m-2.

Tab. 4: NO2-Ausbeuten bei der Reaktion von NO, sowie HONO-Ausbeuten bei den Reaktionen von NO und NO2 [%] (Wirrgelege, 50 % r. h., UVA = 10 W m-2). Der in Ifang et al.[21] vorgeschlagenen Grenzwert der HONO-Ausbeute liegt bei ≤5 %.

Zusammenfassend ergeben sich auch für die beiden Wirrgelegeproben sehr gute photokatalytische Aktivitäten beim Abbau der Stickoxide NO und NO2 sowie bei der salpetrigen Säure (HONO). In der Summe der Eigenschaften zeigt die Probe A (weiß) etwas bessere Werte, insbesondere beim Abbau von NO und HONO (s. Tab. 3) sowie bei den HONO-Ausbeuten (s. Tab. 4) und wird somit für den zukünftigen Einsatz empfohlen.

3.3.2 Ergebnisse zum Formaldehyd

Bei den Vorversuchen mit den flachen Farbproben, die nur einmalig über Nacht für 14 h mit UVA-Licht aktiviert wurden, traten zunächst sehr hohe Formaldehyd-Emissionen (HCHO) auf (s. Abb. 7, Abb. 8). Diese wurden schon beim Spülen des Reaktors/Probe mit feuchter synthetischer Luft im Dunkeln beobachtet, was mit der Desorption von adsorbiertem HCHO erklärt wird, welches sich bei der Vorbehandlung mit UV-Licht photokatalytisch gebildet hat. Diese Vermutung wird durch die zusätzliche HCHO-Bildung bei allen Bestrahlungen mit UV-Licht mit sehr hohen Emissionsflüssen gestützt (s. Abb. 7, Abb. 8). Eine photokatalytische HCHO-Bildung ‒ z. B. durch den photokatalytischen Abbau organischer Binder und Additive ‒ konnte auch schon in früheren Studien beobachtet werden.[26-28].

Die photokatalytischen Emissionsflussdichten der Proben waren dabei so groß (A/weiß: EHCHO = 7,4×1011 Moleküle cm-2 s-1; B/beige: EHCHO = 19×1011 Moleküle cm-2 s-1) wie der theoretisch zu erwartende NO2-Abbau bei NO2-Konzentrationen von 28/69 ppb (Farbe A/B). D. h. die Oberflächen emittieren anfangs bei normaler urbaner Stickoxidbelastung (~20 ppb) mehr Formaldehyd als sie Stickoxide abbauen. Da Formaldehyd im Verdacht steht krebserregend zu sein, während NO2 nur als Reizgas eingestuft wird, wären die Farben somit für den Einsatz in der Atmosphäre nicht zu empfehlen.

Die photokatalytischen HCHO-Emissionen nahmen aber deutlich mit der Zeit ab, sodass die hier für die Untersuchung der Stickoxide gewählten relativ kurzen Reaktionszeiten (s. Abb. 7, Abb. 8) sowie die kurzen Aktivierungszeiten (s.o. 14 h) nicht ausreichend waren, um die HCHO-Emissionen hinreichend genau zu ermitteln. Es wird vermutet, dass die Vorläufersubstanzen dieser HCHO-Bildung mit der Zeit abgebaut werden. Um dies zu bestätigen, wurden die beiden flachen Farbproben nochmal für 5 Tage mit einer UVA Strahlungsstärke von 33 W m-2 bestrahlt und dabei zwischendurch noch zweimal mit hochreinem Wasser abgespült.

Nach dieser längeren Aktivierung, welche auch von Herstellern anderer photokatalytischer Farben empfohlen wird, zeigten sich für beide Proben deutlich geringere HCHO-Emissionen. Die im Dunkeln beobachtete HCHO-Bildung wird wegen der zeitlich stark abnehmenden Konzentrationen (s. Abb. 9, Farbe A: 9:10-9:30; Farbe B: 12:30-13:30) wieder über die Desorption von adsorbiertem HCHO erklärt (s.o.). Beim Anschalten der UV-Lampe steigt HCHO dann zunächst wieder an (s. Abb. 9, A: 9:30; B: 13:30), was mit der verstärken Desorption durch Erhöhung der Oberflächentemperatur der bestrahlten Oberflächen erklärt wird. Im weiteren Verlauf, nimmt dann aber auf Grund der Photokatalyse die HCHO-Konzentration auf vernachlässigbar geringe Werte ab (s. Abb. 9, Probe A: 0,5 ppb; Probe B: 0,7 ppb). Diese Emissionen entsprechen HCHO-Emissionsflüssen von nur noch ~1×1010 Molekülen cm-2 s-1 (s. Tab. 5), welche vergleichbar mit Depositionsflüssen von NO2 sind, die sich für diese Oberflächen (Ѵ(NO2)Photo ≈ 1,1 cm s-1, s. Tab. 1) bei NO2-Konzentration von deutlich <1 ppb ergeben würden (s. Tab. 5). Dies bedeutet, dass die HCHO-Emissionen bei normalen urbanen Bedingungen, bei denen deutlich höhere NO2-Konzentrationen vorliegen, viel geringer als der photokatalytische NO2-Abbau sind. Somit sind die geringen HCHO-Emissionen für die Umwelt als unkritisch einzustufen.

Abb. 9: Konzentrations-Zeit-Verlauf von HCHO bei Verwendung der flachen, über 5 Tage mit UVA-Licht aktivierten Farbproben A (weiß) und B (beige). Die am oberen Rand eingezeichneten Balken geben die Zeiten für Zero (weiß), Reaktor dunkel (grau) und Reaktor+Licht (gelb) an.

Dies wird dadurch bestätigt, dass nach Ausschalten der Lampen die HCHO-Konzentrationen sogar wieder ansteigen (s. Abb. 9, Farbe A: 11:40; Farbe B: 15:25), die Farben also sogar in der Lage sind, HCHO photokatalytisch abzubauen. Die aus diesen Stufen ermittelten photokatalytischen Depositionsgeschwindigkeiten liegen mit Ѵ(HCHO)Photo ≈ 0,8 cm s-1 (s. Tab. 5) wie schon bei den Stickoxiden deutlich über dem Grenzwert von 0,1 cm s-1 und sind somit auch für HCHO als aktiv einzustufen.

Da die photokatalytischen HCHO-Emissionen zudem innerhalb von 5 Tagen unter UVA-Bestrahlung auf vernachlässigbar geringe Werte abgefallen sind, ist bei weiterer Bestrahlung davon auszugehen, dass dieses Problem komplett verschwindet. Die schnelle Abnahme der HCHO-Emissionen ist im Vergleich zu früheren Studien ungewöhnlich, wo die photokatalytische HCHO-Bildung aus organischen Additiven in Mörtelproben über Monate auf hohem Niveau verblieb.[28,29] Als Begründung kann zum einen das Freibrennen der TiO2-Partikel im Binder der Farbe genannt werden, sodass diese nach einiger Zeit keinen nennenswerten Kontakt zum Binder haben und dieser somit nicht mehr photokatalytisch unter Bildung von HCHO abgebaut wird. Zum zweiten, könnten bei der Farbe auch flüchtige HCHO-Vorläufersubstanzen vorliegen, die sich nach einigen Tagen UV-Bestrahlung verflüchtigen.

Tab. 5: Photokatalytischer HCHO-Emissionsfluss EHCHO [Moleküle cm-2 s-1] und Depositionsgeschwindigkeit Ѵ(HCHO)Photo [cm s-1] sowie NO2-Äquivalentkonzentration, bei der der jeweilige Depositionsfluss von NO2 (DNO2 Ѵ(NO2)Photo × [NO2]Ѵ(NO2)Photo s. Tab. 1) so groß wie der Emissionsfluss von HCHO ist. Die Angaben beziehen sich auf 5 Tage mit UVA-Licht aktivierte Proben bei einer relativen Feuchte von 50 % und einer Strahlungsstärke von 10 W m-2.

Abschließend stellen die HCHO-Emissionen nach einer UV-Bestrahlung von knapp einer Woche kein Problem mehr dar. Die Farben sind sogar in der Lage, HCHO bei niedrigen Konzentrationen effizient photokatalytisch abzubauen. Es wird hier daher eine Aktivierungsphase der photokatalytischen Farben von 150 h UVA-Bestrahlung und mehrmaliges Abspülen mit Wasser empfohlen, was aber bei einigen Wochen Bewitterung in der Atmosphäre von allein erreicht wird.

4 Zusammenfassung und Ausblick

Es konnte ein Prototyp einer mit dem neuen Modulfilter ausgestatteten Lärmschutzwand aufgebaut werden und im Labor bezüglich des Schallschutzes und möglicher Brandgefährdung getestet werden. Zudem wurde für das verwendete Wirrgelege ein nur sehr geringer Staudruck beobachtet, was für die passive Durchströmung des Modulfilters von großer Bedeutung ist. Labormessungen zur photokatalytischen Aktivität zeigen weiterhin überragende Eigenschaften der verwendeten photokatalytischen Farben auf den Wirrgelegeproben. Dabei werden die Schadstoffe NO, NO2, HONO und HCHO effizient abgebaut. Da die Farben zudem gut auf dem Wirrgelege haften, dieses ein sehr geringes Gewicht bei großer Oberfläche und geringem Staudruck aufweist, eignet sich der Modulfilter mit dem beschichteten Wirrgelege sehr gut für den effizienten Abbau von Stickoxiden aus der urbanen Atmosphäre.

Dieses Ergebnis sollten aber unbedingt noch durch zukünftige Modellrechnungen überprüft werden, in denen der photokatalytische Abbau von Stickoxiden bei früheren Pilotstudien, mit denen bei zukünftiger Verwendung der Modulfilter unter identischen meteorologischen Bedingungen verglichen wird. Obwohl Modelle natürlich auch gewisse Unsicherheiten aufweisen – gerade bei der Parametrisierung des Stofftransports zu den photokatalytischen Oberflächen, kann der hier vorgeschlagene Modellvergleich aber die relative Erhöhung des photokatalytischen Abbaus mit Hilfe des Modulfilters im Vergleich zu früheren Pilotstudien sehr gut quantifizieren. Sollte bei diesen Modellrechnungen ein mittlerer NOx-Abbau von mehr als 10 % berechnet werden, wird zudem die praktische Überprüfung in einer sorgfältig geplanten Feldmessung empfohlen. Hier sollten Messungen an zwei benachbarten Messstationen (z. B. Luv/ Lee) jeweils vor und nach Anbringen der Modulfilter durchgeführt werden. Liegen die zu erwartenden Reduktionen dagegen unter 10 %, ist eine Feldmessungen wegen der meteorologischen Variabilität im Allgemeinen nicht aussagekräftig.[13]

5 Danksagungen

Die Autoren danken der Firma Griwecolor für die Bereitstellung der photokatalytischen Farben.

6 Literatur

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