Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.
Anlass
Der Verkehr ist der Hauptemittent für Stickstoffdioxid (NO2). Mit Anstieg des Verkehrsaufkommens in den letzten Jahren fühlen sich zunehmend mehr Menschen in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt. Viele Bürgerinnen und Bürger und Kommunen machen sich Sorgen, ob die Stickstoffdioxidbelastung in ihrer Stadt oder Straße gesundheitsrelevant ist, fragen nach Messungen für Stickstoffdioxid durch die LUBW Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg oder beteiligen sich an Messaktionen, die vom SWR (Südwestrundfunk) oder der DUH (Deutsche Umwelthilfe) angestoßen wurden. Gleichzeitig wurde in den letzten Jahren ein Rückgang der Stickstoffdioxidbelastung insbesondere an den verkehrsnahen Messorten festgestellt.
Um die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger auf der einen Seite und die positive Entwicklung der Belastung auf der anderen Seite aufzunehmen, wurde die LUBW im Jahr 2018 vom Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg beauftragt, an relevanten Straßenabschnitten die aktuelle Belastungssituation bezüglich des Luftschadstoffs Stickstoffdioxid mit einem Sondermessprogramm zu untersuchen.
Verkehrsnahe Sondermessungen 2019
Hierzu hat die LUBW zunächst objektive, einheitliche Auswahlkriterien erarbeitet, um aus der Fülle der Straßenabschnitte diejenigen mit einer potentiellen Überschreitung von Luftqualitätsgrenzwerten auswählen zu können. Als Kriterien wurden die Verkehrsbelastung (mind. 10.000 Kfz/Tag), die Windgeschwindigkeit (höchstens 2,4 m/s) sowie das Vorhandensein von Wohnbebauung (Betroffenheit von Anwohnerinnen und Anwohnern) festgelegt. Berücksichtigt wurden außerdem lokale Bautätigkeiten und ähnliche Einflüsse (vgl. Abbildung 1).
Anhand der Auswahlkriterien wurden für die verkehrsnahen Sondermessungen 2019 insgesamt 82 Straßenabschnitte in Baden-Württemberg geprüft. Die überprüften Standorte stammen hauptsächlich aus der LUBW-internen Prioritätenliste der Spotmessungen aus dem Jahr 2006, daneben wurden aber auch Messpunkte aus den Messaktionen der DUH und des SWR sowie Anfragen von Kommunen berücksichtigt. 39 der 82 überprüften Standorte waren für Messungen geeignet und wurden ab 01.01.2019 mit NO2-Passivsammlern für zunächst 3 Monate orientierend beprobt – das entspricht in etwa einer Verdoppelung der Anzahl verkehrsnaher Messstellen im Land. Auf Basis der auf diese Weise gewonnenen Quartalsmittelwerte der NO2-Konzentration wurden auch die entsprechenden Jahreswerte abgeschätzt.
Im Ergebnis zeigte sich, dass der Immissionsgrenzwert für NO2 in Höhe von 40 µg/m³ im Jahresmittel an 30 der 39 Sondermessstellen sicher eingehalten wird. Diese 30 Sondermessstellen wurden deshalb nicht weiter betrieben und nach einer Messzeit von 3 Monaten abgebaut. An 3 Sondermessstellen wurden NO2-Konzentrationen leicht unterhalb des Grenzwertes gefunden. Eine Grenzwertüberschreitung konnte an diesen Messstellen nicht sicher ausgeschlossen werden, so dass diese vorläufig weiter betrieben wurden. 6 Sondermessstellen zeigten eine Überschreitung des Grenzwertes und wurden deshalb bis zum Jahresende weiter betrieben, um einen im Sinne der 39. BImSchV gültigen Jahresmittelwert der NO2-Konzentration ermitteln zu können.
Zur Jahresmitte lagen die NO2-Konzentrationen an den 3 vorläufig fortgeführten Sondermessstellen bei Werten, die eine sichere Einhaltung des Grenzwertes im Jahresmittel signalisierten. Die Messungen an diesen Messstellen wurden deshalb zum 30.06.2019 beendet.
An 5 der 6 bis zum Jahresende weiter betriebenen Sondermessstellen lag die NO2-Konzentration im Jahresmittel unterhalb des Immissionsgrenzwertes. Diese 5 Sondermessstellen wurden deshalb zum Jahresende abgebaut. Lediglich der Messpunkt Stuttgart Talstraße zeigte eine NO2-Konzentration oberhalb des Grenzwertes. Diese Messstelle wurde deswegen in das reguläre Messprogramm überführt und im Jahr 2020 weiterbetrieben.
Abbildung 1: Vorgehen bei den verkehrsnahen Sondermessungen 2019
Verkehrsnahe Sondermessungen 2020
Aufgrund der Erfahrungen aus dem Vorjahr wurden die Auswahlkriterien für die verkehrsnahen Sondermessungen 2020 angepasst – infrage kommen nun nur noch Standorte mit einer Verkehrsbelastung über 15.000 Kfz/Tag. Die anderen Kriterien (Windgeschwindigkeit, Betroffenheit) wurden unverändert beibehalten.
Für die verkehrsnahen Sondermessungen 2020 waren 32 Straßenabschnitte zu prüfen. Auf Basis der angepassten Auswahlkriterien waren 9 Standorte für die Sondermessungen geeignet, so dass hier ab den 01.01.2020 für zunächst 3 Monate Messungen der NO2-Konzentration mithilfe von Passivsammlern durchgeführt wurden.
Nach Abschluss der 3-monatigen Messungen zeigte sich, dass an 4 der 9 Messstellen (auch unter Berücksichtigung der durch die Corona-Pandemie untypischen Emissionssituation) keine Grenzwertüberschreitung zu erwarten ist. Diese Messstellen wurden deshalb abgebaut. Zur Jahresmitte konnten aus dem gleichen Grund 3 weitere Messstellen abgebaut werden, so dass 3 Messstellen bis zum Jahresende weiterbetrieben wurden. Hiervon zeigten 2 Messstellen (Pforzheim St.-Georgen-Steige und Pforzheim Luisenstraße) einen NO2-Jahresmittelwert nur leicht unterhalb des Immissionsgrenzwertes – da die Immissionen im Jahr 2020 durch die pandemiebedingten Verkehrsrückgänge untypisch niedrig lagen, werden diese Messstellen im Jahr 2021 sicherheitshalber weiterbetrieben. An der verbleibenden Messstelle war keine Grenzwertüberschreitung zu erwarten, so dass diese zum Jahreswechsel abgebaut wurde.
Verkehrsnahe Sondermessungen 2021
Aufgrund des allgemeinen Immissionsrückgangs wurden die Auswahlkriterien für die verkehrsnahen Sondermessungen 2021 nochmals angepasst, indem die Schwelle für die Verkehrsbelastung auf 20.000 Kfz/Tag angehoben wurde. Die anderen Kriterien (Windgeschwindigkeit, Betroffenheit) wurden unverändert beibehalten.
Für die verkehrsnahen Sondermessungen 2020 waren der LUBW von den Kommunen und Bürger*innen im Land nur noch 11 Straßenabschnitte zur Prüfung gemeldet worden. Auf Basis der Auswahlkriterien war an keinem dieser Standorte eine Grenzwertüberschreitung im Sinne der 39. BImSchV zu erwarten, so dass im Jahr 2021 keine Sondermessungen durchgeführt werden. Gleichwohl bleibt die Möglichkeit, der LUBW Straßenabschnitte zur Prüfung und ggf. Messung zu melden, nach wie vor bestehen.
Fazit
Die verkehrsnahen Sondermessungen sind aus Sicht der LUBW ein sinnvolles Instrument, um Anregungen vonseiten der Bevölkerung, Kommunen oder Verbänden systematisch und fundiert bearbeiten zu können und sind schon deswegen ein Mehrwert. Die bisherigen Ergebnisse belegen, dass es im Land praktisch keine unentdeckten Belastungsschwerpunkte gibt. Dies ist eine gute Nachricht für alle Anwohner*innen vielbefahrener Straßen. Der Befund impliziert auch, dass die Messstrategie der LUBW (bestehend aus Luftmessnetz und Spotmessungen) erfolgreich ist. Zum anderen zeigt der durch die Sondermessungen gefundene Überschreitungspunkt Stuttgart Talstraße (sowie die beiden möglichen Überschreitungspunkte in Pforzheim) aber auch, dass es im Einzelfall durchaus Belastungspunkte gibt, die der LUBW bisher nicht bekannt waren. Insofern leisten die verkehrsnahen Sondermessungen einen wertvollen Beitrag zur Identifizierung bisher unbekannter Belastungspunkte.
Insgesamt sind die verkehrsnahen Sondermessungen aus Sicht der LUBW deshalb ein sinnvolles Mittel, um potentielle Überschreitungspunkte vergleichsweise schnell zu überprüfen und bei Bedarf in den regulären Messbetrieb zu überführen. |