Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.
1 Einführung
Alle größeren Städte in Deutschland kämpfen mit verkehrlichen Problemen. Dies hat sich in den letzten Jahren noch dadurch verschärft, dass zusätzlich der Sanierungsstau bei der öffentlichen Infrastruktur und der Bedarf an Wohnungsbau zu erheblichen Bautätigkeiten im öffentlichen Straßenraum führt. Dies trifft insbesondere auch auf Hamburg zu. Als Metropole im Norden Deutschlands und überregionaler Verkehrsknotenpunkt ist die Verkehrsbelastung in Hamburg besonders hoch, Staus gehören zur Tagesordnung. Die Lage der Stadt, ihre Geographie, ihre Straßeninfrastruktur, ihre Bedeutung im Korridor und die Rolle als Hafenstadt führen immer wieder zu deutlichen Belastungen des Verkehrs.
Die dringend notwendige Sanierung von wichtigen kommunalen Brücken, Tunneln, Straßen und der Infrastruktur des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sowie des Leitungsbestandes führt zwangsläufig zu einer steigenden Anzahl an Maßnahmen im öffentlichen Verkehrsraum.
Diese große Anzahl von Baumaßnahmen mittel- bis langfristig zu planen und dabei die Auswirkungen auf den Straßenverkehr zu berücksichtigen, ist herausfordernd.
Konsequente Baustellenkoordination nach dem Koalitionsvertrag mit kooperativem Ansatz und ROADS.
Vor dem Hintergrund dieser Herausforderung verfolgt die Freie und Hansestadt Hamburg (FHH) deshalb das Ziel, eine moderne, nachhaltige und leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur zu entwickeln und dabei eine optimierte Baustellenkoordination als Grundlage zu etablieren.
In Hamburg gilt dabei der Grundsatz:
- Kooperation,
- Koordinierung,
- Kommunikation.
Um eine klare Verbesserung zu reichen gilt es Prozesse zu identifizieren, Synergieeffekte aufzudecken, Optimierungsbedarfe zu erforschen und Bauprogramme genauer zu betrachten. Kooperation, Koordinierung und Kommunikation sind wichtige Anforderungen, die deshalb in Hamburg konsequent auf den Weg gebracht wurden. Dafür setzen die städtischen Beteiligten – neben dem LSBG z.B. Bezirke, Behörden, Leitungsträger – seit 2017 die im LSBG entwickelte Software ROADS (Roadwork Administration and Decision System) ein [1]. Durch ROADS können Baumaßnahmen digital und kartenbasiert verortet und mit Hilfe einer visuellen Farbcodierung zeitlich eingeordnet werden. Dadurch können die Verantwortlichen Baumaßnahmen ganzheitlich betrachten und diese nachhaltig planen und koordinieren. Mit Hilfe von ROADS können die Verantwortlichen den Verkehr, der durch eine Baustelle behindert wird, optimal steuern (Verkehrsflussverbesserung). Das zu Grunde liegende Arbeitsplatzkonzept ergänzt diesen Ansatz. Es sieht verschiedene Arbeitsplätze innerhalb eines Systems vor. Dabei ist jeder Arbeitsplatz genau auf eine oder mehrere Aufgaben zugeschnitten, sodass die Menschen bei ihrer Arbeit optimal unterstützt werden. Individuelle Arbeiten, wie administrative Tätigkeiten, können alleine am Desktoparbeitsplatz erledigt werden. Kooperative Arbeiten können in Gruppen am Touchtisch erledigt werden. Die an der Koordination beteiligten Menschen arbeiten jederzeit auf Basis eines gemeinsamen Datenbestandes. Die Arbeitsweise verändert sich insofern, als dass die Menschen mehr zusammenkommen, um Probleme bei der Maßnahmenkoordinierung zu besprechen und gemeinsam Lösungen zu finden. Der Touchtisch ermöglicht gleichberechtigte Teamarbeit. Die natürliche Diskussionssituation um den Tisch befördert den Dialog zwischen allen Beteiligten. Diese gemeinsame Arbeit ist im Arbeitskontext der Koordinierung elementar. Durch die systemische Unterstützung werden die Kommunikationswege kürzer und die Menschen können effizienter kooperativ arbeiten als zuvor. Grundvoraussetzung sind hier natürlich auch wieder die passenden Prozesse.
Bild 1: Kooperative Interaktion am Arbeitsplatz (WPS)
Die Baumaßnahmenkoordinierung in Hamburg teilt sich in folgende Schritte auf. Im ersten Schritt gibt es die sogenannte Bauprogrammerstellung mit dem längerfristigen Vorlauf. Diese wird im zweiten Schritt zu einer feinteiligeren Koordinierung im kurzfristigen Bereich bei der KOST. Die eigentliche Idee der Koordinierung ist im Folgenden schematisch abgebildet:
Bild 2: Koordinierungstrichter: Vom Bedarf zur Realisierung (LSBG)
Die Baustellenkoordination lässt sich in folgende drei Zeithorizonte einteilen:
- 5 bis 20 Jahre in die Zukunft: Langfristige Koordination mit dem Ziel, eine Grobabstimmung vorzunehmen.
- 2 bis 5 Jahre in die Zukunft: Mittelfristige Koordination mit dem Ziel, einzelne Bauvorhaben unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen aufeinander abzustimmen bzw. eine rollierende Mehrjahresplanung aufzustellen.
- 0 bis 2 Jahre in die Zukunft: Kurzfristige Koordination der Baustellen, das heißt Erstellen des Realisierungsprogrammes, unter Berücksichtigung der konkreten Rahmenbedingungen.
Die meisten Kommunen in Deutschland koordinieren ihre Baumaßnahmen fast ausschließlich im kurzfristigen Horizont. Zu diesem späten Zeitpunkt können sie kaum noch aktiv gestalten, sondern nur noch reagieren und versuchen, die gravierendsten Konflikte zu entschärfen. Mit ROADS steht nun eine Lösung zur Verfügung, die es den Projektleiter des LSBG im Zusammenspiel mit den Projektleitern anderer Bedarfs- und Realisierungsträger ermöglicht, übergreifend und vorausschauend Baumaßnahmen zu koordinieren. Am Desk-Arbeitsplatz können die Bedarfe und Baumaßnahmen für einen deutlich längeren Planungshorizont als früher erfasst werden (zum Teil 5 bis 10 Jahre). Insbesondere für die langfristigen Planungen können Bedarfe mit einem Minimum an Informationen und entsprechenden „Unschärfen“ eingegeben werden, so dass sie zum frühestmöglichen Zeitpunkt in die Koordinierung einfließen können.
Besonders bei der organisationsübergreifenden Koordination müssen alternative Lösungsvorschläge für Konflikte und Synergien über eine Sitzung hinaus Bestand haben. Dazu werden sie in ROADS als Szenarien verwaltet. Innerhalb eines Szenarios können Baumaßnahmen zeitlich verschoben werden, ohne dass ihr ursprünglich geplanter Zeitraum gelöscht wird. So können die Beteiligten Überlegungen durchspielen und verschiedene Lösungsszenarien zu einem Konflikt vorschlagen. Die so gemeinsam entwickelten Szenarien können aus der Besprechung in die eigene Organisation mitgenommen und dort abschließend abgestimmt werden. Das abgestimmte Szenario kann dann in den Planungsstand übernommen werden. Mit tieferem Maßnahmenwissen werden die Daten immer exakter, die in ROADS vorgehalten werden. Entscheidend ist, dass die Bedarfe jederzeit für alle Beteiligten sichtbar sind und somit immer ins Verhältnis zueinander gesetzt werden können.
2 Organisatorische Verbesserung
2.1 Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der Koordinierung
Die in 2015 begonnene Neuausrichtung der Baustellenkoordination hat zu spürbaren Verbesserungen geführt. Bei der systematischen Befassung mit dem Thema sind jedoch Verbesserungs- bzw. Veränderungsnotwendigkeiten zu Tage getreten. Die Akteure haben das Problem erkannt und reagiert. Der Senat hat im Dezember 2018 in einer Senatsdrucksache 24
[2] Punkte beschlossen, die nochmal zu einer deutlichen Qualitätssteigerung der Baustellenkoordinierung und zu einer besseren Zusammenarbeit beigetragen haben. Hamburg nimmt hier – auch aufgrund des Handlungsdrucks durch die sehr hohe Belastung – eine Vorreiterrolle ein. Grundlage des Aktionsplanes ist das Motto „Die Stadt sind wir Alle“. In der Folge wurde ein Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht, mit dem Aufgaben gebündelt und Entscheidungswege vereinfacht wurden. Die sogenannten Baudienststellen in Hamburg und die Beteiligten Behörden wurden hierbei zusammengebracht. Zu nennen sind hier die Verkehrsbehörde mit dem Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG), die Hamburg Port Authority (HPA), die Innenbehörde mit Polizei und Feuerwehr, die Finanzbehörde mit den Bezirken sowie die Leitungsunternehmen wie Hamburg Wasser, Stromnetz, Gasnetz. Die Umsetzung der im Dezember 2018 beschlossenen 24 Punkte hat stattgefunden. Auszugsweise hier einige der 24 Punkte im Überblick:
- Baustellenkarte:
Interaktive Karte unter hamburg.de/baustellen, die durch Anklicken eines Infopunkts detailliert über einen Steckbrief Auskunft über die Baumaßnahme gibt.
- Tägliche Störungsvorhersage:
Bereits jetzt werden auf der Baustellenkarte auch Baustellen der nächsten 7 Tage dargestellt. Sogenannte Hotspots lenken zusätzlich die Aufmerksamkeit der Nutzer.
Die Koordinierungsstelle im LSBG erstellt aus diesen Hotspots außerdem werktäglich eine sogenannte Störungsvorhersage für die nächsten drei Tage, die z. B. dem Verkehrsfunk zur redaktionellen Aufbereitung zur Verfügung gestellt werden soll.
- Hotline:
Vertiefende Informationen über eine Baumaßnahme sind über die Hotline 040 42828-2020 beim Telefonischen Hamburg-Service erhältlich.
- Baustellenschild für kooperative Baumaßnahmen:
Gemeinsames Baustellenschild der städtischen Baulastträger, das Transparenz der Bauabläufe aufzeigt und den Zusammenhang erkennen lässt.
- Monatliche Regionalkonferenz:
Einmal monatlich treffen sich Bezirke, Polizei, Leitungsunternehmen, HPA und LSBG mit dem Ziel, die Informationslage zu verbessern und bei Fehlentwicklungen frühzeitig eingreifen zu können. Die Autobahn GmbH des Bundes ist ebenfalls dabei.
- Morgenrunde:
In einer täglichen Telefonkonferenz tauschen sich Polizei und Verkehrskoordinatoren über die aktuelle Situation aus.
- Verkehrskoordinatoren:
In jedem Bezirk werden künftig jeweils zwei Verkehrskoordinatoren eingesetzt. Diese verbessern die Kommunikation und bringen bezirkliche Belange in die Koordination ein.
- Baustellenüberwachung:
Der LSBG hat sogenannte Baustellenbefahrer. Diese werden von den KOST-Mitarbeitern zur Überprüfung der Anordnungen eingesetzt und melden verkehrliche Probleme. Die Straßenverkehrsbehörde kann so eingreifen.
- Personalaufbau bei der KOST:
Es wurden umgehend neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt – zuvor waren es überhaupt nur sechs. Die Sollstärke des gesamten Teams Verkehrsflussverbesserung liegt bei ca. 22 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
- BAB-Koordinierung:
Für die Hamburger Autobahnabschnitte setzt die Polizei Hamburg spezielle Autobahn- Teams ein, die ihr Hauptaugenmerk auf die Baustellenabwicklung und Gewährleistung des Verkehrsflusses richten.
- Überwachung des ruhenden Verkehrs:
An besonders kritischen Streckenabschnitten im Hamburger Straßenverkehr wurde die Überwachung des ruhenden Verkehrs noch einmal verstärkt, um Störungen des Verkehrsflusses zu verringern. Hierzu zählt insbesondere das Parken in zweiter Reihe sowie auf Radfahrstreifen.
- Prozessoptimierung zur Störungsbeseitigung:
Die Polizei Hamburg bzw. die Autobahn GmbH des Bundes befasst sich fortlaufend mit verschiedenen Aspekten zur Prozessoptimierung hinsichtlich Maßnahmen der Verkehrsunfallaufnahmen und Störungsbeseitigungen, u. a. mit dem Konzept „Abschleppen und Bergen von Liegenbleibern und Unfall-Fahrzeugen auf der BAB 7 nördlich und südlich des Elbtunnels bis zur jeweiligen Landesgrenze“.
- Verkehrsflussverbessernde Maßnahmen:
Fortlaufende wird im Einzelfall auch bei Bedarf in laufenden Baumaßnahmen eingegriffen und es werden verkehrsflussverbessernde Maßnahmen angewandt, wie etwa die verkehrslastabhängige Verkehrsführung auf der B 5 oder die geplanten innerstädtischen Querungen beim Bau des Altonaer Deckels.
2.2 Rolle des LSBG im Kontext der verbesserten Koordinierung
Der LSBG hat als großer Realisierungsträger der Stadt Hamburg eine zentrale Rolle in der Verkehrsflussoptimierung. So betreibt er das Controlling des 24-Punkte-Plans und ist bei einem Großteil der Punkte federführender Impulsgeber und treibende Kraft bei der Umsetzung. Dazu gehört auch, dass die Prozesse und digitalen Werkzeuge entsprechend weiterentwickelt werden und die Zusammenarbeit zwischen den städtischen Baulastträgern intensiviert wird. Gemeinsam stellen die Beteiligten die gemeinsam erbrachten Leistungen auch nach außen dar und informieren Bürgerinnen und Bürger über die Vorteile und Synergien der Zusammenarbeit.
Um die anspruchsvolle Aufgabe wahrnehmen zu können hat der der Fachbereich Verkehrsflussverbesserung im LSBG sein Personal entsprechend aufgestockt. Dies war notwendig um die zentrale Koordinierung für Baumaßnahmen an Bundesautobahnen und Hauptverkehrsstraßen (KOST) erbringen zu können. Der 24-Punkte-Plan sah auch einige Optimierungsmaßnahmen vor, die zum Beispiel auch die Bezirke und die Polizei gestärkt haben, um die Auslastung des Straßennetzes sowohl gesamtstädtisch als auch in den einzelnen Stadtteilen noch mehr in den Fokus der Koordinierung zu rücken. Das umfasste beispielsweise die Arbeit mit der Koordinierungssoftware ROADS und die entsprechende personelle Aufstockung der Polizeikommissariate. Auch die Zentrale Straßenverkehrsbehörde hat sich strukturell und organisatorisch besser aufgestellt.
Neben der Koordinierung von Baumaßnahmen im zeitlichen und räumlichen Kontext, legte der 24-Punkte-Plan den Fokus auf die Aufgabe, den Bauablauf und die Verkehrsführung während der Baudurchführung frühzeitig zu prüfen und zu optimieren, damit die Auswirkungen auf den Straßenverkehr so gering wie möglich ausfallen. Die Basis hierfür sind kontinuierliche Absprachen unter allen Beteiligten. Ein wichtiger Bestandteil der Koordinierung ist die monatliche Steuerungsrunde unter Leitung des Staatsrats für Verkehr und Mobilitätswende. In dieser Runde erfolgt monatlich eine intensive Diskussion der kritischen Bereiche und in denen besondere Koordinierungsbedarfe bestehen. Die Steuerungsrunde ist die höchste Entscheidungsinstanz der Koordinierung. Auf Arbeitsebene lädt die der Fachbereich Verkehrsflussverbesserung monatlich alle städtischen Baulastträger, die Polizei, den Landesbetrieb Verkehr (LBV), die Hamburger Verkehrsbetriebe und Die Autobahn GmbH des Bundes ein. Ziel ist es, frühzeitig zu erkennen, welche Koordinierungsbedarfe bestehen und die hamburgweite Zusammenarbeit der unterschiedlichen Akteure zu stärken. Zusätzlich führt die KOST zwei Mal im Jahr überregionale Koordinierungsrunden durch, die zusätzlich auch die Verkehrskoordinatoren der benachbarten Bundesländer bzw. Landkreise umfasst. Hierdurch sollen auch über die Landesgrenzen hinaus die Baustellen in der Metropolregion Hamburg aufeinander abgestimmt werden.
2.3 Kommunikation als wichtiger Baustein der verbesserten Koordination
Ein wesentlicher Punkt der Verbesserungsbemühungen bei der Koordination ist die Kommunikation. Den Bürgerinnen und Bürger steht seit Mai 2019 eine Auskunfts- und Meldestelle zur Verfügung, bei der sie sich über die Baustellen der Stadt informieren können. Die sogenannte Baustellen-Hotline wird vom telefonischen Hamburg Service betreut und steht auf allen Baustellenschildern der INFRACREW HAMBURG. In den online-basierten Steckbriefen sind die wichtigsten Informationen über eine Baustelle enthalten. Dies sind u. a. der Anlass der Maßnahme, der Veranlasser, der Umfang der Arbeiten, der Zeitraum und mögliche Verkehrseinschränkungen.
Ein weiterer Bestandteil der 24 Punkte ist die Baustellenvorhersage, die täglich an ausgewählte Medien versendet wird. Sie beinhaltet Baustellen, die die größten verkehrlichen Beeinträchtigungen in den nächsten vier Tagen in Hamburg verursachen, und informiert die Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer über entsprechende Umleitungsstrecken.
Bei Gemeinsamen Baustellen, sogenannten Kooperationsbaustellen, wird eine gemeinsame Identity genutzt, um der Öffentlichkeit Informationen aus einer Hand geben zu können. Die INFRACREW HAMBURG ist ein Zusammenschluss einiger städtischer Baulastträger. Dazu gehören die Hamburger Bezirke, die Hamburg Port Authority (HPA), Hamburg Wasser (HW), Gasnetz Hamburg (GNH), der Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) und Stromnetz Hamburg (SNH). Gemeinsam gestalten sie Hamburgs Infrastruktur.
Bild 3: INFRACREW HAMBURG – Kooperationsprojekt (LSBG)
Neben der Information aus einer Hand sorgt die INFRACREW HAMBURG für viele Synergieeffekte, zum Beispiel hinsichtlich des zeitlichen und des kostentechnischen Aufwands. Gemeinsam genutzte Leistungen, wie das Verkehrskonzept und die Verkehrslenkung, werden gemeinsam getragen. Außerdem muss die Baustelle für vier Gewerke nur einmal eingerichtet und nach Beendigung auch nur einmal wieder abgebaut werden. Diese gesamten Abläufe werden von einem gemeinsam beauftragten Unternehmer durchgeführt. Am Ende bedeutet das weniger Belastungen und Einschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger Hamburgs.
3 Digitalisierung von Prozessen
3.1 Die Projekte des DigiLab im LSBG
Die Vision einer rollierenden und agilen Planung geht über die bisher beschriebenen Ausbaustufen hinaus. Die bereits diskutierten drei Zeithorizonte der Baumaßnahmenkoordinierung sollen in Roads zu einem Kontinuum verschmelzen. In den nächsten Ausbaustufen der Organisationsentwicklung und der Erweiterung des Roads-Systems sollen die Planung, die konkreten Baumaßnahmen und archivierte Verkehrsdaten in einen gemeinsamen Rückkopplungszyklus gebracht werden.
Im Kontext der Hamburger Digitalstrategie wurde das DigiLab als Fachbereich des Landesbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG) gegründet. Der LSBG hat sich dafür entschieden, moderne und innovative Methoden anzuwenden.
Im Zuge der digitalen Transformation ändern sich Bearbeitungsweisen grundlegend. Es entsteht mit veränderten Möglichkeiten der Ingenieurarbeitsplatz der Zukunft. Nachhaltige Innovationen und neue Produkte vereinfachen zukünftig Arbeitsabläufe und schaffen benutzerfreundliche und technologisch getriebene Arbeitsplätze. Um sich kreativ diesen Herausforderungen widmen zu können arbeitet das DigiLab an einer Vielzahl verschiedener Projekte, auch im Themenfeld der Baustellenkoordinierung. Es entstehen ganzheitliche, digitale, nachhaltige Innovationen, die in der Hamburger Verwaltung Anwendungen finden können.
Bild 4: Die drei Arbeitsschwerpunkte des DigiLabs
3.2 Projekt DigITAll
Anfang 2020 hat der Hamburger Senat eine umfassende Digitalstrategie für die Stadt beschlossen. Teil dieser Strategie ist das Projekt DigITAll des Fachbereichs DigiLab im LSBG. Es zeigt beispielhaft, welche Vorteile die Digitalisierung für Wirtschaft, Verwaltung und Öffentlichkeit haben kann. Im Bereich des Tiefbaus wird DigITAll für eine vereinfachte Koordination während der Bauplanung und einen optimierten Verkehrsfluss sorgen. Das Projekt verbindet, digitalisiert und strukturiert verschiedene Anwendungen und Prozesse aus dem Themenfeld „Straßenbau in Hamburg“. So wird erstmals die Möglichkeit geschaffen, Informationen zu Bauvorhaben diverser Unternehmen und Behörden auf einen Blick vollautomatisch anzuzeigen und auf Optimierungs- und Abstimmungsbedarfe hinzuweisen bzw. diese zu unterstützen. Der zentrale Kommunikations- und Informationskanal trägt somit zu den Zielen eines besseren Verkehrsflusses sowie einer Vereinfachung der Bauplanung bei.
Bild 5: Bauweiser und seine Architektur (LSBG)
Genaugenommen geht es darum, einen vollständig digitalen Prozess (Ende-zu-Ende) für die Bearbeitung aller relevanten Tätigkeiten im Rahmen von Tiefbaumaßnahmen zu etablieren, der die Verfahren beschleunigt. Im gesamten Zyklus des Planen und Bauens werden alle Beteiligten von dem Prozess profitieren.
Hierfür wurde in DigITAll der BauWeiser entwickelt. Diese Online-Plattform verbinde die Akteure eines solchen Planungs- und Genehmigungsprozesses, also Leitungsbetreiber, Bauunternehmen, Planungsbüros und Genehmigungsbehörden.
In BauWeiser werden verschiedenen bestehende digitale Fachverfahren wie das Leitungsanfrage-Tool ELBE+ und das georeferenzierte Koordinations-Tool ROADS abgebildet. Somit entsteht ein einziger digitaler Dienst mit zentraler Datenverwaltung, der die zahlreichen bestehenden digitalen und analogen Verfahren integriert.
3.3 TRIAS/STAUPROGNONSE
Im LSBG ist eine weitere wichtige Komponente entwickelt worden. In einem gemeinsamen Projekt zwischen dem LSBNG, WPS und PTV ist TRIAS entstanden. TRIAS steht für Traffic Roadworks Impact Assessment. Hierbei werden das intuitiv bedienbare Frontend von ROADS – einer Software zur Baumaßnahmenkoordination und das Backend PTV Visum verbunden. Mithin wird die Software zur Baumaßnahmenkoordination mit einem Verkehrsnachfragemodell zur Simulation und Berechnung der verkehrlichen Wirkung von Eingriffen in den Verkehr verbunden. Damit wird die strategische Baumaßnahmenplanung auf eine operative Ebene gehoben. Die Verkehrsplaner bzw. Koordinatoren haben somit ein anwenderfreundliches Frontend zur Verfügung, mit dem Sie das leistungsstarke Backend zur einfachen verkehrlichen Bewertung unterschiedlicher Szenarien leichtgewichtig nutzen können. Die Anwender aus dem städtischen und behördlichen Umfeld können ohne vertieftes Verkehrsingenieurwissen den Verkehrseinfluss geplanter Baumaßnahmen analysieren und auf dieser Grundlage Alternativen planen und bewerten. Unterschiedliche Szenarien und deren Wirkung auf den Verkehrsfluss lassen sich damit recht einfach vergleichen. Auf Grundlage der sprechenden Ergebnisse und ihrer Bewertung können dann entsprechende Entscheidung getroffen und dokumentiert werden.
Bild 6: Systemskizze TRIAS (WPS)
Möglich sind damit Simulation der Auswirkungen der in ROADS gepflegten verkehrlichen Eingriffe (Baumaßnahmen und Veranstaltungen) auf durchschnittliche Verkehrsströme in Form der Kenngröße Kapazität, Verkehrsumlegungen, simulierte Verkehrslage und simulierte Reisezeitverzögerung. Berücksichtigt wird dabei entweder ein bestimmter Eingriff (beispielsweise eine Baumaßnahme), eine bestimmte Auswahl an Ereignissen oder alle Ereignisse in einem ausgewählten Zeitraum.
3.4 #transmove
Das Projekt #transmove zielt darauf ab, komplexe Bewegungen von Individuen vorherzusagen und daraus resultierend Entscheidungshilfen für Maßnahmen wie die Einrichtung von Pop-Up-Bike-Lanes oder Empfehlungen für Umleitungsstrecken zu liefern. #transmove vereint dabei den statischen Stauprognose-Ansatz des Hamburger Verkehrsmodells und die dynamische Simulation des Individualverhaltens anhand einer agentenbasierten Modellierung. Es wird eine Plattform geschaffen, die auf Basis von Methoden Künstlicher Intelligenz (KI) verschiedenen Nutzergruppen smarte und nachhaltige Mobilitätsprognosen zur Verfügung stellt. Verbunden werden hierbei der statische Prognose-Ansatz des Hamburger Verkehrsmodells und der Verschnitt mit der dynamischen Simulation des Individualverhaltens von Verkehrsteilnehmern auf Grundlage von agentenbasierter Modellierung. Darüber hinaus werden im sogenannte Data Lake Mobility öffentlich-zugängliche sowie lizenzierte Mobilitätsdaten der FHH zusammengefasst, aufbereitet und geeignet miteinander in Beziehung gesetzt, um einfach verständliche und schnelle Stau- und Mobilitätsprognosen zu erzeugen. Auf Basis von #transmove können zukünftig die Steuerung und Koordinierung von Baustellen sowie der entsprechende Ausweichverkehr optimiert werden. Der Fokus des Projekts liegt auf der Entwicklung einer intelligenten Mobilitätsprognose sowie von Strategien zur Reduzierung von Verkehrseinschränkungen. Mögliche zukünftige Nutzer sind dieser Baustellenkoordinatoren, Leitzentralen, Verkehrsplaner und die Öffentlichkeit. Das Projekt leistet im Rahmen des „Sofortprogramms Saubere Luft“ einen maßgeblichen Beitrag für eine Reduzierung von verkehrsinduzierten Schadstoffen.
Bild 7: Screenshot: Wetteranzeige, Verkehrslage, Kommentarfunktion für direkten Austausch zwischen Entscheidern, Referenzanzeige Baumaßnahmen, Reisezeitverzögerung, Verkehrsmengen (Stand: Q4/2022), LSBG
4 Fazit
Die konsequente Weiterentwicklung der Baustellenkoordinierung zu einem integrierten Werkzeug der Verkehrsflussverbesserung wird in Hamburg von allen Beteiligten gemeinsam verfolgt. Nach dem Motto „Besser geht immer“ wird hier die Erkenntnis zu der Notwendigkeit einer bedarfsorientierten Koordinierung in drei Zeithorizonten (kurzfristig, mittelfristig und langfristig) zu einem umfassenden organisatorischen und digitalisierten Prozess der Verkehrsflussverbesserung umgesetzt.
Die erzielten bzw. sich abzeichnenden Erfolge durch diese Vorgehensweise sind vielfältig. Gerade in Bezug auf kooperative Bearbeitung von gemeinsamen Fragestellungen können erste positive Ergebnisse verzeichnet werden. Die Baudienststellen in Hamburg sind über die Prozesse und die Digitalisierungsprojekte (z. B. DigITAll, StauPrognose, #transmove) miteinander vernetzt und betreiben die Fortentwicklung gemeinsam. Nicht zuletzt durch organisatorische Veränderungen gibt es ein verbessertes gemeinsames Denkmodell, welches für die Öffentlichkeit positive Effekte zeigt. Dies gilt innerhalb der Verwaltungsgrenzen Hamburgs als auch im Austausch mit den Nachbarländern. Hier ist es u. a. sehr hilfreich, dass der LSBG mittlerweile grobe Baustelleninformationen (Fläche, Veranlasser, Zeiten) aller Veranlasser in den Nationale Zugangspunkt für multimodale Mobilitätsdaten (MDM) ausleitet.
Die Metropolregion Hamburg (MRH) erhält auch Informationen über einen zugriffsbeschränkten Bereich der Urban Data Platform Hamburg (UDP). Die Daten beinhalten die Baumaßnahmen der FHH (LSBG, Bezirke etc.) der nächsten 5 Jahre. So wird Austausch zur Baustellenkoordination über Grenzen hinweg möglich.
Im Mittelpunkt stehen die Bürgerinnen und Bürger der Stadt bzw. des Umlandes. Ihnen sollen auch in Zukunft eine gute und nachhaltige Lebensqualität und ein attraktives Umfeld für Wirtschaft und Unternehmen geboten werden. Dazu wird stringent der Digitalstrategie für Hamburg gefolgt. Dies erfordert von allen Beteiligten den Mut zum Kulturwandel und Umdenken. All diese Bemühungen folgen den Prinzipien der Integration und Kooperation.
Literaturverzeichnis
- Heel, ; Marengwa, J.: Baustellen mit dem richtigen Touch koordinieren: Baustellenkoordination mit ROADS in Hamburg, Straßenverkehrstechnik 62 (2018) 1, S. 59-60
- Drucksache 21/15573 Verkehrsflussoptimierung durch Verbesserte Koordinierung
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