Straßenbauvorhaben sind mit Veränderungen in Gestalt oder Nutzung von Flächen verbunden, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können. Für Straßenbauvorhaben sind neben der direkten Flächeninanspruchnahme, insbesondere auch Zerschneidungs- und Immissionswirkungen auf die Tiere und Pflanzen angrenzender Lebensräume von besonderer Bedeutung.
Während Maßnahmen zum Ausgleich oder Ersatz von Beeinträchtigungen des Naturhaushalts durch Beweissicherungsverfahren und Effizienzkontrollen gut untersucht und dokumentiert sind, fehlen belastbare Untersuchungen zur Auswirkung von Zerschneidungs- und Immissionseffekten. Ein Straßenrückbau bietet die seltene Möglichkeit, durch Erfassung und Bewertung von Daten vor und nach dem Rückbau quantitative Aussagen zur Intensität betriebs- und anlagenbedingter Beeinträchtigungen sowie zur Wirkung von Vermeidungs- und Kompensationsmaßnahmen abzuleiten.
Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) hat daher 2011 im Auftrag des Bundesministers für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung das Forschungs- und Entwicklungsvorhaben „Entwicklung und Wiederbesiedlung von Lebensräumen von Flora und Fauna nach Rückbau einer vorhandenen Autobahn am Beispiel der A 4 (Wirksamkeitsuntersuchungen)“ (FE 02.0234/2003/LRB) ausgeschrieben und die Friedrich-Schiller-Universität (FSU) Jena mit der Ausführung beauftragt.
Die Aufhebung der Barrierewirkung und Habitatfragmentierungen sowie immissionsbedingter und sonstiger Randeffekte auf die angrenzenden Ökosysteme infolge des Rückbaus der Bundesautobahn 4 im Leutratal bei Jena wurden untersucht. Die quantitative Datenaufnahme (Staubimmission, Bodenwerte, Vegetation, Käfer (Coleoptera), Heuschrecken (Orthoptera), Gehäuseschnecken (Gastropoda), Brutvögel, Fledermäuse und andere Säuger) erfolgte transekt- oder biotopbezogen vor (2012/13) und nach (2016/17) Autobahnrückbau.
Während die Bodenwerte keine messbaren Unterschiede vor und nach Rückbau zeigten, war die Staubimmission stark reduziert. Die Vegetation veränderte sich nicht systematisch über den Untersuchungszeitraum. Aktivitätsdichten, Artenzahlen, Artdiversität und funktionale Diversität der Insekten veränderten sich dagegen deutlich. Quantitative Artenkompositionen der Insekten und Schnecken unterschieden sich signifikant und sequenziell zwischen den Untersuchungsjahren. Die Aktivitätsdichte der Brutvögel nahm deutlich zu, vorher bestehende distanzbezogene Gradienten verringerten sich. Die meisten Fledermausarten zeigten nach Autobahnrückbau erhöhte Aktivitäten in Trassennähe sowie eine Nutzung auch des tieferliegenden Luftraumes direkt über der ehemaligen Fahrbahn. Wildverbiss, Wildspuren und Snow tracking ergaben eine erhöhte Aktivitätsdichte größerer Säugetiere im gesamten Gebiet sowie häufige Wildwechsel auch über die ehemalige Fahrbahn.
Die Ergebnisse sind als Tendenzen zu werten. Die Komplexität der biotischen Daten sowie die stochastische Entwicklung der Umweltbedingungen (z. B. des jährlichen Witterungsverlaufs) erlauben keine statistisch gesicherte kausale Erklärung der Ergebnisse als alleinige Folge des Autobahnrückbaus. Die Untersuchung ist auch insofern von Nutzen, als methodische Empfehlungen für Nachfolgeprojekte abgeleitet werden konnten.
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