FGSV-Nr. FGSV C 15
Ort Veitshöchheim
Datum 22.03.2023
Titel Versagen der Dammkonstruktion der BAB A 20 bei Tribsees
Autoren Dr.-Ing. Maik Schüßler, Prof. Dr.-Ing. Frank Rackwitz, Prof. Dr.-Ing. Ralf Glasenapp
Kategorien Erd- und Grundbau
Einleitung

Die Bundesautobahn A 20 quert ca. 40 km östlich von Rostock das Moorgebiet der Trebelniederung. Im Oktober 2017 und im Januar/Februar 2018 kam es auf einer Länge von ca. 80 m zum grundbruchartigen Versagen der Dammkonstruktion. Im Zuge des Baus der A 20 wurden in den Jahren 2001/2002 im Bereich der Trebelniederung planmäßig ca. 80.000 CSV-Säulen (Combined soil stabilisation with vertical columns beziehungsweise Coplan Stabilisierungsverfahren) mit einer Gesamtlänge von ca. 641.000 m für die Gründung des Dammkörpers in den Untergrund eingebracht. Die vierstreifige Autobahn wurde im Jahr 2005 in diesem Bereich dem Verkehr übergeben.

Im Rahmen eines von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) initiierten Forschungsvorhabens erfolgte durch die TU Berlin eine wissenschaftliche Beurteilung des Schadenfalls.

Neben den Recherchen in der Literatur und den Unterlagen zur Planung und Ausführung der Baumaßnahme wurden zielgerichtet sowohl im Feld als auch im Labor Untersuchungen ausgeführt sowie Berechnungen durchgeführt und deren Ergebnisse mit vorliegenden Daten aus den verfügbaren Unterlagen abgeglichen. Die wesentlichen Erkenntnisse aus den Analysen zur Ermittlung der Schadensursache werden im Beitrag vorgestellt.

PDF
Volltext

Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Einleitung

Die Bundesautobahn (BAB) A 20 wurde im Rahmen der Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ als sogenannte Ostseeautobahn gebaut. Ca. 40 km östlich von Rostock quert die A 20 auf einer Länge von etwa 1,4 km das Moorgebiet der Trebelniederung mit einer 530 m langen Talbrücke und sich daran anschließenden Anschlussdämmen mit einer Gesamtlänge von 870 m (Bild 1). Die vierstreifige Autobahn wurde im Jahr 2005 in diesem Bereich dem Verkehr übergeben.

Bild 1: Übersichtsplan BAB A 20 mit eingetragenem Schadensbereich 2017/2018 (aus Hecht, 2010)

Aufgrund zuvor festgestellter und messtechnisch erfasster Vertikalverschiebungen der Fahrbahnoberfläche westlich der Trebelbrücke und daraus folgend Sperrung der linken Richtungsfahrbahn (RF Richtung Lübeck) kam es am 9. 10. 2017 auf einer Länge von ca. 40 m zum Versagen der Dammkonstruktion (siehe 1. Bruch im Bild 2). Anschließend erfolgte die Vollsperrung der Autobahn und in der Nacht vom 31. 1. 2018 auf den 1. 2. 2018 erweiterte sich der Schaden im Bereich der linken RF (siehe 2. Bruch im Bild 2) und in der Nacht vom 11. 2. 2018 zum 12. 2. 2018 kam es zum dritten Bruch im Bereich der gegenüber liegenden rechten RF (Richtung Szczecin).

Bild 2: Schadensbereiche westlich der Trebelbrücke (Norden unten) (Quelle: Mosebach, 2018)

Im Rahmen eines von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) initiierten Forschungsvorhabens sollte im Nachgang eine wissenschaftliche Beurteilung des Schadenfalls erfolgen, von denen einige Ergebnisse im Folgenden dargestellt werden. Zum Startzeitpunkt der Arbeiten durch die TU Berlin war der Anschlussdamm West (Bild 1) bereits vollständig zurückgebaut.

2 Gründungssystem

Die Beauftragung der Gründung der Dammbauwerke erfolgte auf Basis einer teilfunktionalen Leistungsbeschreibung, wobei das Gründungssystem die planfestgestellten Randbedingungen (u. a. minimale bis keine Kompression des Mooruntergrundes, kein Vollbodenaustausch) einhalten musste. Das Verfahren der Untergrundverbesserung mittels CSV-Säulen (Coplan Stabilisierungsverfahren) erfüllte diese Voraussetzungen. Jedoch wurde es in einem derartigen Umfang bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht hergestellt. Im Zuge des Baus der A 20 wurden im Bereich der Trebelquerung planmäßig ca. 80.000 CSV-Säulen mit einer Gesamtlänge von ca. 641.000 m für die Gründung des Dammkörpers in den Untergrund eingebracht. Das Prinzip der Herstellung ist im Bild 3 dargestellt.

Bild 3: Herstellung von CSV-Säulen (Prinzipdarstellung aus Hecht, 2010)

An der A 20 wurden nach dem Aufbringen einer Arbeitsebene mit konstruktiv angeordnetem Geokunststoff auf dem vorhandenen Gelände die CSV-Säulen mit einem Durchmesser ≥ 15 cm ausgeführt und in einem Viereckraster mit Kantenlängen von ca. 0,7 m bis ca. 1,2 m angeordnet. Die Länge der Säulen wurde so gewählt, dass sie auf eine tragfähige Schicht aufstehen. Über den Säulenköpfen wurde eine bindemittelverbesserte und geokunststoffbewehrte Schicht angeordnet (Bild 4). Sie dient zur Begrenzung der Horizontalverformungen infolge der an der Dammbasis auftretenden Spreizspannungen. Zur messtechnischen Überwachung der Verformungen wurden Vertikal- und Horizontalinklinometer installiert sowie geodätische Messpunkte eingerichtet.

Bild 4: Prinzipquerschnitt Dammbauwerk mit Messinstrumentierung aus Rackwitz et al. (2021)

3 Untergrundverhältnisse

3.1 Baugrundschichtung

Im Bild 5 ist auszugsweise ein Baugrundschnitt im Bereich der Schadstelle nach Eintritt des ersten Bruches dargestellt. Die tieferen Untergrundverhältnisse sind hier nicht vollständig wiedergegeben. Unter dem vorhandenen Dammkörper befindet sich auf Grund der geologischen Entstehungsgeschichte des Gebietes ein holozäner Niedermoortorfkörper. Dieser besteht überwiegend aus mäßig bis stark zersetzten Torfen mit Mächtigkeiten bis 4 m. Unter den Torfbildungen zeichnen sich größtenteils sedimentierte Mudden ab. Die bei den Untersuchungen vorgefundenen Mudden bestehen überwiegend aus Detritusmudden, Kalkmudden und vereinzelt Schluffmudden im Schadensbereich mit ca. 2 m Mächtigkeit. Auf Grund der Genese werden die Torfe und Mudden von organo-mineralischen Beckensedimenten unterlagert. Die Schluffe und Tone sind sehr unterschiedlich aufgebaut. Im Bereich der Schadstelle lässt sich feststellen, dass unter den Torfen und Mudden organogene Schluffe mit einer Mächtigkeit bis zu 2 m liegen und darunter die Tone mit bis zu 5 m Mächtigkeit folgen. Die vorgenannten Schichten werden durch pleistozäne Sande mit Einlagerungen von Geschiebemergel unterlagert.

Bild 5: Baugrundlängsschnitt im Bereich der Schadstelle (RF Richtung Szczecin) aus Rackwitz et al. (2021)

Zur Überprüfung der Untergrundverhältnisse wurden im Jahr 2019 zwei Bohrungen ca. 150 m westlich der Schadstelle ausgeführt. Die Untersuchungsergebnisse der TU Berlin sind in der Tabelle 1 aufgeführt.

Tabelle 1: Bodenmechanische Klassifikationskennwerte

Bei den untersuchten Torfen und Mudden handelt es sich um stark kriechfähige Böden, welche ein langanhaltendes Verformungsverhalten aufweisen.

Insgesamt ist festzustellen, dass die im Nachgang ermittelten Untersuchungsergebnisse der TU Berlin die Ergebnisse vorangegangener Untersuchungen des Projekts bestätigen. Lediglich bei der undrainierten Kohäsion lagen geringfügige Abweichungen zur ungünstigen Seite vor. Die ermittelten drainierten Scherparameter φꞌ und cꞌ lagen im Vergleich mit den Angaben früherer Untersuchungen auf der sicheren Seite.

3.2 Hydrogeologie

Im Hinblick auf die hydrogeologischen Verhältnisse stellt sich im Tal der Trebel wegen der Dreiteilung des Schichtenaufbaus eine Stockwerksgliederung in der Wasserführung im Trebeluntergrund ein. Der Torfkörper bildet das oberste wasserführende Stockwerk. Die unterlagernde Mudde, die organogenen Schluffe und Tone sind sehr gering grundwasserleitend beziehungsweise wasserundurchlässig und stellen eine hydraulische Sperrschicht zwischen dem Torf und den unteren Sanden dar. Die unteren Sande bilden großflächig das Hauptgrundwasserstockwerk mit einem starken Grundwassergefälle von der angrenzenden Hochfläche zur Trebelniederung. Das Grundwasser steht hier gespannt an. Im zentralen Bereich des Tals fließt die Trebel, die den Hauptvorfluter darstellt und dort den Torfkörper mit Wasser versorgt. Unmittelbar vor Ausführung der Gründung 2001 und auch 2017 wurde das Grundwasser im Bereich der Schadstelle auf Ordinaten zwischen 0,5 und 0,8 m HN (ehemalige Geländeoberkante ~1,0 m HN, Bild 5) festgestellt.

Insbesondere Moorwasser kann kalklösende Kohlensäure, freie Mineralsäuren, Huminsäuren und Sulfate enthalten, die betonangreifend wirken und das Abbindeverhalten beeinflussen können. 2019 wurde Wasser aus dem Bereich des Torfes entnommen, an die TU Berlin geliefert und chemisch analysiert. Hier wurde keine betonangreifende Wirkung festgestellt. Zur Gewässerbeschaffenheit der Trebel lagen Ergebnisse physikalisch-chemischer Untersuchungen vor. Für eine grobe Einschätzung konnte auch hier festgehalten werden, dass die Werte allesamt im nicht betonangreifenden Bereich liegen. Für die untersuchten Wässer lagen die festgestellten Parameter in einem Bereich, der für eine Betonherstellung als unkritisch zu bezeichnen ist.

4 Gründung des Dammbauwerkes

4.1 Tragelemente

Stabilisierungssäulen sind Tragglieder, die unbewehrt und schlank sind und hydraulisch abbinden. Die beim Bau der BAB A 20 ausgeführten CSV-Säulen (Combined soil stabilisation with vertical columns beziehungsweise Coplan Stabilisierungsverfahren) sind den Trockenmörtelsäulen zuzuordnen. Bei dem verwendeten Material für die CSV-Säulen handelt es sich um ein Trockengranulat bestehend aus 25 % CEM I 42,5 R und 75 % Sand der Körnung 0-4 mm. Die Zementart zeichnet sich durch eine hohe Hydratationswärme, hohe Frühfestigkeit und eine normale Nacherhärtung aus.

Zur Überprüfung der Anordnung und des Zustandes der CSV-Säulen wurde ein Baggerschurf als vorlaufende Maßnahme für einen späteren Spundwandkasten ausgeführt. Der Spundwandkasten konnte nicht planmäßig hergestellt werden, sodass die Säulen lediglich im Überbohrverfahren geborgen werden konnten (Bild 6). Mit dem Überbohrverfahren konnten die Säulen nur stückweise geborgen werden, sodass eine Aussage zur Integrität nicht möglich war.

Bild 6: Baggerschurf (westlich der Schadstelle, linkes Bild) und Säulen (geborgen im Überbohrverfahren, rechtes Bild)

Die Maßhaltigkeit der Lage der Säulen gegenüber den Planunterlagen konnte mit dem ausgeführten Baggerschurf teilweise als wenig übereinstimmend eingeschätzt werden. In den im Überbohrverfahren 2020 geborgenen Säulen erfolgte ein detailliertes geometrisches Aufmaß. Weiterhin erfolgte eine Entnahme von Säulenresten 2018 während der Herstellung der Bohrpfähle für die Behelfsbrückengründung. Der Säulendurchmesser wurde wie folgt ermittelt:

  • Arbeitsebene: M. 17,6 cm,
  • Torf: M. 22,4 cm,
  • Mudde/Ton (sehr weich): M. 20,6 cm,
  • Ton (weich bis steif): M. 16,1 cm.

Der geplante Durchmesser von mindestens 15 cm wurde demnach erreicht.

4.2 Eigenschaften der CSV-Säulen

4.2.1 Wassereindringvorgang in das Trockengranulat

Zur Untersuchung des Eindringvorganges des Wassers in das Trockengranulat und der Auswirkung eines Wasserentzugs aus dem umliegenden Boden wurden Modellversuche ausgeführt. Hierzu wurde ein Glaskasten mit den Kantenlängen 40 cm x 30 cm und einer Höhe von 30 cm verwendet. An der Glasscheibe wurde eine Halbsäule aus dem Trockengranulat mit einem Durchmesser von 150 mm eingebaut und der Kasten mit Torf aus Tribsees mit einem Wassergehalt von 750 % aufgefüllt. Der Eindringvorgang wurde fotografisch über die Zeit dokumentiert (Bild 7).

Bild 7: Modellversuch zum Eindringvorgang des Wassers aus umgebendem Torf in das Trockengranulat (t = Zeit nach Ziehen des Schutzrohres und Eindringen des Wassers in die Säule)

Nachdem das Trockengranulat bereits nach kurzer Zeit vollständig mit Wasser aus dem umgebenden Torf gesättigt war, wurden zur Untersuchung der Auswirkung einer möglichen Wassergehaltsreduzierung die Wassergehalte des Torfes bestimmt. Der ursprüngliche Wassergehalt reduzierte sich hierbei lediglich auf ca. 700 bis 735 %. Die Reduktion des Wassergehaltes ist hinsichtlich einer Verbesserung der bodenmechanischen Eigenschaften des Torfes nicht nennenswert.

4.2.2     Druckfestigkeit des Säulenmaterials

Die Bestimmung der Druckfestigkeit erfolgte an Probekörpern aus den Säulenresten und aus den geborgenen Säulen. Die Würfeldruckfestigkeiten wurden an 85 Probekörpern zwischen 20 N/mm² und 80 N/mm² im Mittel mit 46,2 N/mm² ermittelt.

Weiterhin wurden zur Untersuchung des Abbindeverhaltens und der Entwicklung der Druckfestigkeit über die Zeit Probekörper im Labor hergestellt. Als Zugabewasser wurde eine Versuchsserie mit Leitungswasser und eine Versuchsserie mit Wasser gewonnen im Bereich des Torfes der Trebelniederung verwendet. Die Versuchsergebnisse zeigten, dass nach 7-Tagen etwa 60 % der Druckfestigkeit beim Moorwasser und ca. 80 % beim Leitungswasser zur 28-Tage Druckfestigkeit erreicht sind. Über einen Zeitraum von fast einem Jahr nahm dann die Festigkeit beim Moorwasser deutlich zu und erreichte die Werte der Proben mit Leitungswasser bei 112 Tagen. Mit diesen Versuchen fanden die Ergebnisse der Versuche an den Probekörpern aus den Säulenresten und aus den geborgenen Säulen ihre Bestätigung.

4.2.3     Vertikale Tragfähigkeit der CSV-Säulen

Die vertikale Tragfähigkeit der CSV-Säulen wurde während der Bauausführung mit Gruppenprobebelastungen an einer Gruppe von jeweils vier Säulen nachgewiesen. In den Bestandsunterlagen sind insgesamt 22 Versuche dokumentiert. Die Säulengruppe wurde bis zur doppelten Gebrauchslast von 520 kN belastet. Die Setzungen unter Gebrauchslast lagen zwischen 3 und 22 mm. Mit den Gruppenprobebelastungen konnte die vertikale Tragfähigkeit der CSV-Säulen nachgewiesen werden. Anzeichen von Knicken der Säulen waren nicht zu erkennen.

5 Straßenoberbau und Unterbau

Nach Eintritt des Schadensfalles wurde entschieden, den Straßenoberbau und den Unterbau (Dammbauwerk) bis auf eine Ordinate von 2,3 m HN vollständig zurück zu bauen. Diese Rückbauarbeiten erfolgten bis Mai 2018.

5.1 Straßenoberbau

Im Bereich der Trebelquerung wurde die A 20 in Asphaltbauweise ausgeführt. Nach dem zum Zeitpunkt der Bauausführung geltenden Regelwerk wurde der Oberbau mit einer 26 cm dicken bituminösen Decke auf einer hydraulisch gebundenen Tragschicht/Verfestigung ausgeführt.

Im Jahr 2015 und 2016 wurden im Bereich der späteren Schadstelle Erhaltungsmaßnahmen am Asphaltoberbau ausgeführt. Nach den Ergebnissen von Bohrkernentnahmen wurde die Dicke der Asphaltschichten bis 35 cm (RF Richtung Szczecin) und bis 50 cm (RF Richtung Lübeck) festgestellt. Demnach wurden Vertikalverformungen bis 24 cm ausgeglichen.

5.2 Unterbau

Der Unterbau (Dammbauwerk) wurde prinzipiell zweigeteilt vorgesehen (siehe Bild 4). Der untere Bereich sollte aus erdstatischen Gründen als bindemittelverbessertes Bodenpaket hergestellt werden. Die Oberkante des bindemittelverbesserten Bodenpakets war in den Planunterlagen festgelegt. Darüber, im oberen Bereich, konnten entsprechend dem straßenbautechnischen Regelwerk anderweitige Dammschüttmaterialien eingebaut werden. Der Schichtenaufbau des Dammes wurde im Zuge des Rückbaus untersucht und ist teilweise dokumentiert. Im Bereich der Schadstelle wurde die Oberkante des bindemittelverbesserten Bodenpakets zwischen 2,1 und 3,6 m HN eingemessen. Planmäßig sollte diese hier bei 3,72 m HN liegen. Gemäß Dokumentation wurde die Schicht in diesem Bereich mit einer zu geringen Mächtigkeit eingebaut.

5.3 Ehemalige Arbeitsebene

Die Herstellung der Arbeitsebene mit einer geplanten Dicke von 0,65 m erfolgte auf dem ursprünglichen Gelände nach dem Auslegen eines Vlies- und eines Geokunststoffs, welche aus konstruktiven Gründen angeordnet wurden. Bei den sehr stark kompressiblen Torfen führt das Aufbringen einer Sandschüttung zwangsläufig zu Setzungen. Zur qualitätsgerechten Herstellung der CSV-Säulen muss die Arbeitsebene ein annähernd gleiches Niveau aufweisen. Hierzu müssen aufgetretene Setzungen ausgeglichen werden. Dies führt zu erneuten Belastungen und daraus resultierenden weiteren Setzungen. Zur Überprüfung der tatsächlichen Mächtigkeit der Arbeitsebene wurden die 2017 ausgeführten Bohrergebnisse und hier die festgestellte Oberkante des Torfes mit der ehemaligen Geländehöhe verglichen. Für die Arbeitsebene wurden Mächtigkeiten zwischen 1,5 und 2,85 m ermittelt.

6 Hydrologie

Die Hydrologie wird von dem regionalen Niederschlagsaufkommen geprägt. Für die Messstation Tribsees Süd des Deutschen Wetterdienstes (DWD) lagen die jährlichen Niederschläge für den Zeitraum von 1991 bis 2017 vor. Der mittlere jährliche Niederschlag liegt hier bei 634 mm. 2016 war mit 452 mm Niederschlag das trockenste Jahr im Messzeitraum. Im Bild 8 sind die Tagesniederschläge der Jahre 2016 und 2017 am Standort Tribsees dargestellt.

Bild 8: Tagesniederschläge 2016 und 2017 am Standort Tribsees (DWD-Datenreihe)

2017 war gegenüber 2016 ein wesentlich feuchteres Jahr. Auffallend sind hier größere Niederschläge mit über 30 mm pro Tag. Die größte Niederschlagsmenge wurde am 5. 10. 2017 mit 52 mm gemessen. Dies war nach gemessenen 64,6 mm am 29. 7. 2011 die zweitgrößte Niederschlagsmenge seit 1991. Im Zeitraum vom 4. bis 7. 10. 2017, das heißt bis zwei Tage vor dem ersten Dammbruch (Bild 2) summierte sich die Niederschlagsmenge auf 88 mm.

Das Niederschlagsangebot wirkt sich auf das oberste wasserführende Stockwerk aus. Im Zuge der Flusstalmoorrenaturierung der mittleren Trebel wurden Grundwasserpegel im Bereich der Torfe verfiltert und Messreihen für die Jahre 2013 bis 2017 aufgezeichnet. Auffallend waren in beiden Pegeln langanhaltende Tiefstände im Jahr 2016 mit einem Absinken des Grundwasserspiegels bis zu 1 m.

7 Verformungsmessungen

7.1 Allgemeines

Zur Überwachung der horizontalen und vertikalen Damm- und Untergrundbewegungen wurden im Bereich der Trebelniederung 7 Messquerschnitte in Form von Vertikal- und Horizontalinklinometern eingerichtet (Bild 4). Die Messungen begannen unmittelbar vor Beginn der Dammschüttung im Mai 2002 und wurden im November 2004 beendet. Anschließend erfolgte keine weitere Nutzung der Messeinrichtungen bis Juni 2017. Ab diesem Zeitpunkt wurden die Inklinometermessungen fortgesetzt und zusätzlich die Fahrbahnoberfläche geodätisch überwacht.

7.2 Messergebnisse bis November 2004

Die mittels Horizontalinklinometer maximal gemessenen Vertikalverformungen nach 2 Jahren Liegezeit lagen zwischen 13 und 71 mm (eine Ausnahme 162 mm). Im Bereich der Schadstelle wurden die maximalen Vertikalverformungen in Dammmitte mit 59 mm gemessen. Ein Großteil der Verformungen stellte sich unmittelbar nach Aufbringen der Dammschüttung ein. Bis zum Messende nahmen bei 4 von 7 Messstellen die Verformungen weiter zu. Dort war keine signifikant abnehmende Tendenz erkennbar.

An den Vertikalinklinometern wurden im gleichen Zeitraum maximale Kopfverformungen zwischen 29 und 100 mm gemessen. Die größten Kopfverformungen wurden am Messquerschnitt im Bereich der späteren Schadstelle registriert.

7.3 Messergebnisse im Zeitraum 2005 bis 2016

Für den Zeitraum 2005 bis 2016 liegen keine Messergebnisse vor. In den Jahren 2015 und 2016 wurden im Bereich der Schadstelle Erhaltungsmaßnahmen ausgeführt. Wurde bei den Erhaltungsmaßnahmen die planmäßige Straßenoberfläche wiederhergestellt, müssen demnach Vertikalverformungen bis ca. 240 mm ausgeglichen worden sein (siehe Abschnitt 5.1).

7.4 Messergebnisse ab 2017

Anfang des Jahres 2017 wurden wiederum Verformungen an der Fahrbahnoberfläche im Bereich der späteren Schadstelle auf der linken RF (Richtung Lübeck) festgestellt. Ab März 2017 wurden 3 Reihen mit 45 Messpunkten auf der Fahrbahn eingerichtet und regelmäßig gemessen. Die vom Bau vorhandenen Messquerschnitte wurden ab Juni 2017 (Vertikalinklinometer im Bereich der Schadstelle) und die übrigen Messquerschnitte ab November 2017 – sofern möglich – wieder gemessen.

Eine Messung der Horizontalinklinometer wurde im April 2018 ausgeführt. Zwischen 2004 und 2018 wurden außerhalb der Schadstelle Zunahmen der Vertikalverformungen zwischen 24 und 68 mm festgestellt. An den Vertikalinklinometern wurden im Zeitraum 2004 bis 2017 in Höhe der ehemaligen Arbeitsebene Zunahmen der Horizontalverformungen zwischen 58 bis 247 mm gemessen. Die größte Zunahme von 247 mm wurde kurz vor dem 1. Bruch im Bereich der Schadstelle gemessen. Die gesamten Messergebnisse dieses Vertikalinklinometers sind im Bild 9 dargestellt.

Bild 9: Vertikalinklinometer im Bereich der Schadstelle aus Rackwitz et al., 2021

Die geodätischen Höhenmessungen auf der Fahrbahn erfolgten an den jeweiligen Außenrändern des Seitenstreifens und in der Mitte des 1. Fahrstreifens im Bereich der späteren Schadstelle. Die Nullmessung fand am 22. 3. 2017 statt. Von März bis Anfang August 2017 wurden maximal 70 mm Vertikalverschiebungen an der Fahrbahnoberfläche gemessen. Im August 2017 erfolgte im Auftrag der Straßenbauverwaltung des Landes Mecklenburg-Vorpommern die Herstellung eines Baggerschurfes im Schutze von mobilen Verbauelementen im Bereich des Seitenstreifens auf einer Länge von ca. 22 m mit einer Breite von ca. 1,5 m und einer Tiefe bis zu 5 m. Danach nahmen die Vertikalverschiebungen im Bereich der Schurfmitte auf 320 mm zu. Die ungünstige Ausbildung des Schurfes parallel zur Dammschulter hat das Verformungsverhalten negativ beeinflusst beziehungsweise maßgeblich beschleunigt. Die letzte Messung der Punkte auf der Fahrbahnoberkante erfolgte am 4. 10. 2017. Zu diesem Zeitpunkt war der Schurf wieder verfüllt. Der Straßenoberbau (Asphalt) war nicht geschlossen. Ein ungehinderter Wasserzufluss zum Schurfbereich mit konzentrierter Wassereinleitung in den Damm war bei Niederschlägen demnach möglich.

8 Analytische Berechnungen

8.1 Projektstatik und vergleichende Berechnungen

Der Nachweis der Gesamtstandsicherheit für den Straßendamm wurde in der Planung für den Anfangszustand (undrainiert) und den Endzustand (drainiert) nachgewiesen. Für die mit CSV-Säulen stabilisierte Weichschicht wurden gewichtete mittlere Scherfestigkeitsparameter, bestehend aus den Kennwerten für den Torf/Mudde und den stabilisierenden CSV-Säulen, nach den Flächenverhältnissen ermittelt. Mit diesen Modellbildungen konnten ausreichende Standsicherheiten nachgewiesen werden.

Für die im Rahmen der nachträglichen Untersuchungen durchgeführten vergleichenden Berechnungen und Parametervariationen wurde die Software der Fa. GGU genutzt. Für die Betrachtungen zur Gesamtstandsicherheit kam das Programm GGU STABLITY Vers. 13.05 und für die Betrachtungen an einer Einzelsäule das Programm GGU LATPILE Vers. 8.12 zur Anwendung.

8.2 Gesamtstandsicherheit

Das Programm GGU STABLITY ermöglicht die Berechnung der Gesamtstandsicherheit unter Berücksichtigung von Stabilisierungssäulen. Das Berechnungsverfahren wurde erst in den letzten Jahren entwickelt und ist in Gömmel (2019) ausführlich beschrieben.

Ausgehend von einem Berechnungsquerschnitt im Bereich der Schadstelle wurde vergleichend ein ungeschädigter Querschnitt mit in die Betrachtungen einbezogen. Alle Berechnungen wurden für die Bemessungssituation BS-P nach EC 7 ausgeführt. Es wurden durchgehend Kreise als Bruchfiguren angenommen.

Da die Säulenanordnung über den Querschnitt und auch in Dammlängsrichtung nicht einheitlich ist, mussten hier vereinfachende Annahmen getroffen werden. Im Querschnitt wurden die Abstände im Randbereich zu 1,0 m und im Kernbereich zu 0,7 m angesetzt. Für die Dammlängsrichtung wurde einheitlich ein Abstand von 0,9 m gewählt. Der Säulendurchmesser wurde mit 0,2 m angenommen.

Die Berechnungen wurden begonnen mit einem Damm ohne CSV-Säulen. Die Berechnungen zeigen, dass ohne baugrundverbessernde Maßnahmen keine ausreichende Standsicherheit nachweisbar ist. Die Fortführung der Berechnungen erfolgt mit den eingebauten CSV-Säulen. Mit dem planmäßigen Vorhandensein der bindemittelverbesserten Schicht von 2,5 m wurde hier ein Ausnutzungsgrad von µ = 0,64 für den Endzustand errechnet.

Weitere Berechnungen wurden mit Vergrößerung der Dicke der Arbeitsebene auf 2,85 m, Absenkung des Grundwasserspiegels um 1 m sowie ohne Geogitter und keine bindemittelverbesserte Schicht durchgeführt. Der Ausnutzungsgrad lag bei diesen Berechnungen zwischen µ = 0,57 bis 0,79 für den Endzustand.

Bild 10: Gleitkreisberechnung nach Entfernung der ersten 7 Säulenreihen im Bereich der Schadstelle

Mit den ausgeführten Berechnungen wurde ausnahmslos eine ausreichende Standsicherheit mit den CSV-Säulen nachgewiesen. Da dies praktisch jedoch nicht gegeben ist, wurde eine weitere Modifikation des Berechnungsmodells vorgenommen. Hierbei wird davon ausgegangen, dass die Säulen über die Zeit, beginnend am Dammfuß hin zum Damminneren, versagt haben. Als Ursachen kommen hierfür die im Damm wirkenden Spreizkräfte und horizontale Kriechverformungen am Dammfuß in Betracht. Das Versagen der Säulen wurde simuliert, indem die Säulen aus dem Berechnungsmodell nacheinander entfernt wurden. Im Bild 10 ist das Ergebnis der Gleitkreisberechnung nach Entfernung der ersten 7 Säulenreihen dargestellt. In diesem Zustand wird der Ausnutzungsgrad µ = 1,0 überschritten und es stellt sich ein Dammfußgrundbruch ein.

8.3 Berechnungen einer horizontal gebetteten Säule

8.3.1 Allgemeines

Die Ergebnisse der Vertikalinklinometermessungen am Dammfuß (Bild 9) haben gezeigt, dass die Säulen sehr stark auf Biegung beansprucht werden. Die Verformungsfiguren ähneln hier sehr stark der Biegelinie eines elastisch gebetteten Balkens. Ein Versagen durch Verdübelung einer Gleitfuge hätte ein gänzlich anderes Bild gezeigt. Aufgrund der Vertikalbelastung der Säulen ist von einachsiger Biegung mit Längskraft auszugehen. Die Spannungen am Säulenrand können im vorliegenden Fall nach folgender Gleichung ermittelt werden:

An der Stelle des maximal auftretenden Momentes dürfen die Randspannungen die Biegezugspannungen nicht überschreiten, da ansonsten ein Versagen des unbewehrten Querschnitts eintritt (Rissmoment).

Die Normalkraft N der Säulen ergibt sich aus der zugeordneten Säuleneinzugsfläche, der Auflast auf diese und den von den Säulen übernommen Lastanteil. Bei den Säulen am Dammfuß ist die Normalkraft mit Null anzunehmen. Bei einer Dammhöhe von 6 m und einem Lastanteil von 90 % lässt sich die Normalkraft zu ca. 50 kN ermitteln.

8.3.2 Bestimmung der Biegezugfestigkeit des Säulenmaterials

Untersuchungen zur Biegezugfestigkeit des Säulenmaterials wurden mittels Dreipunktbiegeversuchen nach DIN EN 196-1:2016-11 ausgeführt. Das Verfahren ist für Mörtelprismen vorgesehen. Beim Säulenmaterial ist ein Größtkorn von 4 mm vorhanden, so dass dieses Prüfverfahren mit Probekörperabmessungen von 40/40/160 mm geeignet ist.

Bild 11: Biegezugfestigkeit in Abhängigkeit von der Rohdichte

Die Werte der festgestellten Biegezugfestigkeiten streuen sehr stark (Bild 11). Mit Werten bis 9 N/mm² wurden auch sehr hohe Werte erreicht. Eine Abhängigkeit von der Rohdichte ist erkennbar. Die im Labor hergestellten Probekörper erreichen nach 8 Tagen Biegezugfestigkeiten zwischen 2,8 N/mm² und 4,5 N/mm² und nach 28 Tagen Werte zwischen 5,0 N/mm² und 5,5 N/mm². Nach 8 Tagen sind demnach im Mittel ca. 70 % der 28-Tage-Biegezugfestigkeiten vorhanden. Auffallend im Bild 11 sind teilweise sehr niedrige Werte < 2 N/mm². Die Biegezugversuche sind sehr anfällig gegenüber Probestörungen (Mikrorisse). Derartige Probestörungen können durch das Herstellen der Probekörper durch Aussägen aus dem sehr spröden Säulenmaterial verursacht sein. Die festgestellten niedrigen Werte sind demnach nicht zwangsläufig auf das Säulenmaterial an sich zurückzuführen. Bei Berücksichtigung von 75 plausiblen Versuchsergebnissen ergab sich ein Mittelwert der Biegezugfestigkeit von 5,15 N/mm².

8.3.3 Aufnehmbares und vorhandenes Biegemoment

Für verschiedene Säulendurchmesser und Normalkräfte wurden Berechnungen zum aufnehmbaren Biegemoment ausgeführt. Das aufnehmbare Biegemoment ist sehr stark vom Säulendurchmesser abhängig. Zwischen dem planmäßigen (15 cm) und den im Mittel festgestellten Säulendurchmesser (20 cm) steigt das aufnehmbare Biegemoment auf über das Doppelte an. Bei gleicher Biegezugspannung und verschiedener Normalkraft steigt auch das aufnehmbare Biegemoment an. Bei einer Normalkraft von 50 kN kann das aufnehmbare Biegemoment auf das 1,3-fache gegenüber fehlender Normalkraft gesteigert werden.

Für die Betrachtungen an einer horizontal gebetteten Einzelsäule wurde das Programm GGU LATPILE Vers. 8.12 genutzt. Unter der vereinfachenden Annahme, dass die Messergebnisse der Vertikalinklinometer die Biegelinien der Säulen repräsentieren, wurden die gemessenen Horizontalverformungen nachvollzogen.

Die Berechnungen erfolgten durch Ansatz einer horizontalen Einzellast am Säulenkopf. Bei einer Einzellast von 2 kN ergab sich eine Kopfverformung der Säule von 53 mm. Das dazugehörige maximale Biegemoment wurde mit 5,4 kNm ermittelt. Ein Vergleich des errechneten mit dem aufnehmbaren Biegemoment zeigte, dass bereits bei den ermittelten Kopfverformungen der Säulenquerschnitt mit einem Durchmesser von 20 cm versagt. Die errechnete Kopfverformung von 53 mm war im Bereich der Schadstelle bereits zum Abschluss der Messungen 2004 überschritten (Bild 9). Auch wenn bereits 2 Jahre nach Dammfertigstellung einige Säulen im Randbereich gebrochen waren, muss dies nicht zwangsläufig zum Versagen des Gesamtdammes führen. Dies haben die Berechnungen zur Gesamtstandsicherheit gezeigt. Kritisch wird es erst, wenn eine bestimmte Anzahl an Säulen versagt.

9 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Die zur Planung des betroffenen Dammabschnitts im Trebeltal vorliegende Baugrundbeschreibung wurde hinsichtlich Baugrundschichtung, Bodenansprache und angegebener Kennwerte durch die eigenen nachträglichen Untersuchungen im Wesentlichen bestätigt. Diese Untersuchungen waren jedoch nur Außerhalb des Schadensbereiches möglich.

Die Arbeitsebene ist teilweise über 2 m mächtig. Offenbar machten größere Setzungen während der Herstellung der CSV-Säulen einen Ausgleich der Arbeitsebene erforderlich.

Die aus verschiedenen Tiefen geborgenen Säulenstücke wurden umfassend untersucht. Es konnte eine ausreichende Festigkeit des Säulenmaterials ermittelt werden. Im Bereich der organischen Schichten wiesen die Säulen einen größeren Querschnitt auf als geplant. Weiterhin wurde in einem Modellversuch der Verfestigungsvorgang der einzelnen Säulen mit Torf aus Tribsees simuliert. Die Auswertung ergab, dass eine vollständige Eindringung des Grundwassers in das Säulengranulat erfolgte. Eine nennenswerte Wassergehaltsreduzierung im Torf konnte nicht festgestellt werden.

Die bindemittelverbesserte Schicht wurde nach den Angaben in der Dokumentation zum Dammrückbau im Bereich der Schadstelle mit einer zu geringen Mächtigkeit eingebaut.

Mit den ausgeführten analytischen Berechnungen zur Gesamtstandsicherheit des Dammes wurde ausnahmslos eine ausreichende Standsicherheit mit den CSV-Säulen nachgewiesen. Da dies praktisch jedoch nicht gegeben ist, wurde eine weitere Modifikation des Berechnungsmodells dahingehend vorgenommen, dass mehrere Säulenreihen aus dem Modell entfernt wurden. Nach Entfernen der 7. Säulenreihe stellt sich ein Dammfußgrundbruch ein.

Aus der Annahme gleicher Verformungen der Säulen entsprechend den Ergebnissen der Vertikalinklinometermessungen am Dammfuß lässt sich eine sehr starke Biegebeanspruchung folgern. Nachrechnungen am Modell eines elastisch gebetteten Balkens und Spannungsermittlungen mit den aus den Versuchen ermittelten Biegezugfestigkeiten haben gezeigt, dass die auftretenden Biegemomente teilweise nicht von den Säulen aufgenommen werden können. Gemäß den Auswertungen der Vertikalinklinometermessungen trat dies bereits sehr früh ein. Ein Versagen einzelner Säulenreihen am Dammfuß führt jedoch noch nicht zum Versagen des Gesamtdammes.

Durch das Absinken des Grundwasserspiegels von bis zu einem Meter im Jahr 2016 in Verbindung mit den festgestellten überplanmäßigen Mächtigkeiten der Arbeitsebene können großflächige Zusatzbelastungen sowohl in vertikaler als auch in horizontaler Richtung auftreten. Insbesondere am Dammfuß müssen derartige horizontale Belastungen durch den anstehenden Torf aufgenommen werden. Daraus folgen jedoch zusätzliche Verformungen, welche ein Versagen der Säulen bei einem bereits kritischen Zustand nach sich ziehen können. Ein derartiges Szenario führt zu den Verformungen an der Fahrbahnoberfläche.

Nach Herstellung und Wiederverfüllung eines Baggerschurfes im Bereich der späteren Schadstelle nahmen die Vertikalverschiebungen in diesem Bereich extrem zu. Die Säulen wurden maßgeblich in vertikaler Richtung entlastet. Dies führt dazu, dass das aufnehmbare Biegemoment reduziert wird und bei Säulen im Grenzbereich ihrer Ausnutzung versagen können. Damit hat die Ausführung des Schurfes das Verformungsverhalten negativ beeinflusst und maßgeblich beschleunigt. Außerdem wurde der Asphaltoberbau nach Wiederverfüllung des Schurfes nicht geschlossen und ermöglichte somit bei Starkniederschlägen einen ungehinderten Wasserzufluss in den Damm. Infolge der Wassersättigung des Verfüllmaterials des Schurfes kann sich im Damm ein Wasserdruck aufbauen. Die Wirkung dieses Wasserdruckes hat schlussendlich zum Versagen der Dammkonstruktion geführt. Der erste Bruch ereignete sich zwei Tage nach dem Ende der Starkniederschläge am 9. 10. 2017. Der zweite und insbesondere der dritte Bruch waren dann eine Folgeerscheinung des ersten Bruchs.

Eine Anwendung des CSV-Verfahrens in Torfen und Mudden kann nicht empfohlen werden. Herkömmliche klassische Bemessungsverfahren bilden das Zusammenspiel aus sehr weichen Böden und steifen Säulen nicht realitätsnah ab. Dem Nachweis der Horizontalverformungen beziehungsweise des Horizontalkraftabtrags kommt eine besondere Bedeutung zu. Dieser Nachweis ist sehr komplex und die Ergebnisse müssen baupraktisch mit geeigneten Versuchsanordnungen überprüft werden. Eine messtechnische Überwachung während der gesamten Bau- und Nutzungszeit ist insbesondere bei stark kriechfähigen Böden unerlässlich.

Literaturverzeichnis

Gömmel, R. (2019): Berücksichtigung unbewehrter pfahlartiger Tragglieder beim Nachweis der Gesamtstandsicherheit, Dissertation TU Berlin

Hecht, T. (2010): Bauen auf organischen Böden, BTU Cottbus

Mosebach, B. (2018): ZDF, 27. Februar 2018: (Online). Available: https://www.zdf.de. (Accessed 15. Mai 2019)

Rackwitz, F.; Aubram, D.; Glasenapp, R.; Schüßler, M. (2021): Wissenschaftliche Beurteilung des Schadenfalls an der BAB A 20 bei Tribsees, Abschlussbericht, TU Berlin