FGSV-Nr. FGSV M 11
Ort Duisburg
Datum 18.04.2012
Titel Das Regelwerk richtig anwenden: Interpretationshilfen für die Praxis
Autoren Dr.-Ing. Werner Platzek
Kategorien Gesteine, Mineralstoffe
Einleitung

Mit Einführung der Euronormen gibt es eine Vielzahl verflochtener Regelwerke und eine ganze Reihe neuer Prüfvorschriften. Aufgrund der zum Teil parallelen Einführung kann es zu Ungenauigkeiten in der Abstimmung einzelner Punkte kommen. Zur Klärung der sich daraus ergebenen Fragen, wurde seitens der FGSV eine Kommentierungsgruppe ins Leben gerufen ­ ähnlich wie es eine solche Kommentierungsgruppe bereits im Bereich Asphalt gibt. Die rund zehnköpfige Gruppe befasst sich mit Fragen welche an sie herangetragen werden oder sich aus dem Alltagsleben ergeben. Ziel ist es die Fragen/Widersprüche/Lücken etc. so zu behandeln, dass es für das Verhältnis zwischen Lieferanten von Gesteinskörnungen und Kunden zu keinen Unstimmigkeiten kommt. Als wesentliche Regel ergibt sich dabei das gründliche Lesen des Regelwerkes ­ selbstverständlich des aktuellen! Anhand einiger Beispiele wird gezeigt wie sich unter sorgfältiger Einbeziehung der gültigen Regelwerke und Prüfvorschriften sinnvolle Interpretationen finden oder sich neue Erkenntnisse ins Regelwerk integrieren lassen.

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Im Zuge der Einführung der Euronormen sowie der zum Teil schnellen Überarbeitung, kam es in einer Reihe von Einzelfällen zu Überschneidungen oder Lücken zwischen den einzelnen Regelwerken. Ebenso ergaben sich neue Erkenntnisse, die in das vorhandene Regelwerk eingegliedert und bewertet werden müssen. Weiterhin zeigt es sich, dass in vielen Ausschreibungen bzw. bei der bautechnischen Umsetzung durch Unwissenheit oder übergroße Vorsicht Annahmen getroffen werden, die nicht mit dem aktuellen Regelwerk übereinstimmen. Die Klärung dieser aufgeführten Punkte ist die Aufgabe, deren sich die Kommentierungsgruppe annehmen soll. Diese ist besetzt mit verschiedenen Mitarbeitern aus der FGSV, Prüfstellenverbänden und der freien Wirtschaft. Bedarfsweise werden Kollegen der anderen Lenkungsausschüsse hinzugezogen um kritische Fragen einvernehmlich zu klären. Grundsätzliches Ziel ist es, die praktische Umsetzung in den Vordergrund zu stellen um mögliche Missverständnisse zwischen Bauherr, Baufirma und Zulieferfirma frühzeitig klären zu können. Auch wenn die Teilnehmer versuchen die Probleme und ihre Lösungen möglichst präzise zu beschreiben, so legt der Verfasser doch Wert darauf klar zu stellen, dass es nicht die Aufgabe der Kommentierungsgruppe ist eine Rechtsabteilung zu ersetzen. Ebenso sollten im Rahmen der Kommentierungsgruppe keine Individualfälle gelöst werden.

Nachfolgend schreibt der Verfasser einige Beispiele für missglückte Interaktionen zwischen einzelnen Regelwerken:

Beispiel 1
ZTV Pflaster-StB bzw. TL Pflaster-StB. Im Anhang A der TL Pflaster-StB werden die Mindestprüfhäufigkeiten der Eigenschaften von Baustoffgemischen aufgeführt. In dieser Tabelle gibt es keine Anforderung an den Schlagzertrümmerungswert. In der ZTV Pflaster-StB wird jedoch für besondere Beanspruchungsfälle ein entsprechender Wert gefordert. Da streng genommen ein Lieferant nur nach den Regeln der Technischen Lieferbedingungen zu liefern hat, besteht hier eine Diskrepanz.

Dies lässt sich jedoch in den meisten Fällen dadurch lösen, dass der Schlagzertrümmerungswert einer Gesteinskörnung aus dem gleichen Vorkommen genannt wird und dieser auch für die gemäß TL Pflaster-StB hergestellten Produkte Gültigkeit hat.

Beispiel 2
ZTV BEA-StB und TL Gestein-StB. In der ZTV BEA-StB wird unter anderem die Kornform an einer dünnen Schicht im Kalteinbau 3 (das heißt bis 3 mm Stärke) gefordert. Da eine Kornform nur bis minimal 4 mm geprüft werden kann, ist dieser Anforderungswert nicht bestimmbar.

Beispiel 3
TL Gestein-StB und ZTV Asphalt-StB. In der ZTV Asphalt-StB werden Anforderungen an Lieferkörnungen 2/3 und 2/4, die für das Abstreuen von Gussasphalt benötigt werden, beschrieben. Auch in der TL Gestein-StB (Tabelle 2) werden Hinweise für die Prüfung der oben aufgeführten Körnungen genannt. Da jedes der beiden Regelwerke keine vollständige Definition nimmt, wird im Rahmen der Kommentierungsgruppe eine Verknüpfung und damit eine präzise Regelung der Siebkurven geschaffen.

Als besonders wichtiges Element stellte der Verfasser heraus, dass das Lesen und Verstehen der Regelwerke notwendig ist. Voraussetzung ist selbstverständlich die Anwendung des aktuellen Regelwerkes, was bei der zum Teil hohen Anpassungsfrequenz der Regelwerke jedoch nicht immer einfach ist.

In vielen Fällen zeigen sich Diskrepanzen zwischen den Fakten von denen allgemein angenommen wird, dass sie im Regelwerk verankert sind und den tatsächlichen Inhalten. Wobei sich diese gelegentlich von dem tatsächlich gewünschten Ergebnis unterscheiden kann.

Der Verfasser bringt hierzu ein Beispiel;

Die Kornformbestimmung an der groben Gesteinskörnung 2/5. Definitionsgemäß kann man lediglich bei einer Korngröße größer 4 mm eine Kornform bestimmen. Es hat sich jedoch in vielen Fällen eingebürgert, die Kornform am 2/5 am Kornanteil größer 4 mm zu bestimmen und diesen Wert als Kornform ab 2/5 anzugeben. Ebenso gibt es eine Reihe von Regelwerken in denen bereits eine Kornform am 2/5 gefordert wird.

Streng genommen kann man jedoch am 2/5 keine Kornform bestimmen. Da die Kornformbestimmung keine Stellvertreterprüfung ist sondern an der genannten Kornklasse geprüft werden muss und dies für den Anteil 2/4 an der Körnung 2/5 nicht möglich ist, sind Angaben hierzu eigentlich gar nicht möglich. Der Verfasser stellte in seinem Vortrag klar, dass es bei bestimmten Baustoffgemischen sicherlich hilfreich ist eine Kornformkennzahl zu kennen. Der entsprechende Bedarf ergab sich auch in der anschließenden Diskussion, in der dieser Punkt angesprochen wurde. Insbesondere lärmoptimierte Asphalte scheinen bei einer verbesserten Kornform günstigere Lärmwerte zu liefern. Verbindliche Untersuchungen hierzu stehen jedoch aus.

Im folgenden Abschnitt wurde klargestellt, dass die Angaben, die ein Hersteller in seinem Sortenverzeichnis gemäß CE macht ausschließlich an ungebrauchten Gesteinskörnungen durchzuführen sind.

Ein weiterer Vortragspunkt war die Weitergabe von WPK Ergebnissen und Prüfzeugnissen.

Viele Kunden von Gesteinslieferanten haben im Rahmen ihrer werkseigenen Produktionskontrolle die Pflicht zur Prüfung des Wareneinganges. Es besteht jedoch die Möglichkeit auf die Daten des Vorlieferanten zuzugreifen. Diese Weitergabe von Daten des Gesteinsproduzenten an z. B. die Asphaltindustrie oder ein Betonwerk ist jedoch rein freiwillig. Verpflichtend ist lediglich die Weitergabe der Konformitätserklärung, der Nachweis der Durchführung der werkseigenen Produktionskontrolle und das Sortenverzeichnis. Eine Weitergabe von freiwillig gelieferten Daten an Dritte ist im Rahmen der CE Zertifizierung nicht vorgesehen und bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Lieferanten. Dabei ist klarzustellen, dass bei der Weitergabe von WPK Ergebnissen auch durchaus schlechte Probeergebnisse weitergeleitet werden. Der Lieferant dokumentiert dadurch lediglich dass die eigenen Prüfungen sorgfältig und ehrlich durchgeführt werden. Mögliche Reaktionen auf von den Normen abweichenden Ergebnissen sind ausschließlich zwischen Kunden und Lieferanten zu diskutieren. Genau in diesem Punkt besteht die Gefahr, wenn Prüfergebnisse an Dritte weitergegeben werden, in dem eine zuständige Baubehörde diese freiwillig herausgegebenen Werte zu Sanktionierungsmaßnahmen verwendet.

In seinem nächsten Punkt widmet sich der Verfasser dem PSV; zum einen der Bestimmung des PSV an der groben Gesteinskörnung 5/8 sowie an der Prüfung des PSV an extrahiertem Korn. Technisch machbar sind beide Prüfungen. Die Prüfung des 5/8 wurde bereits in die TP Gestein aufgenommen. Klargestellt wurde jedoch, dass eine Deklaration des Herstellers nur an der Prüfkörnung 8/10 gemäß CE erfolgen darf und insbesondere nur an ungebrauchten Gesteinskörnungen. Es steht außer Frage, dass zusätzliche Prüfungen an der Körnung 5/8 durchgeführt werden können; diese stellen jedoch keine zugesicherte Eigenschaft des Herstellers dar. Ebenso kann man Prüfungen an extrahiertem Korn vornehmen. Ein Rückschluss auf die Deklaration des Herstellers ist dadurch aber keinesfalls gegeben. Bei Streitigkeiten um den PSV-Wert des Herstellers ist es daher praktisch unvermeidbar bereits bei der Lieferung der Gesteinskörnung eine ausreichend große ungebrauchte Rückstellprobe zu nehmen.

In seinem letzten Vortragspunkt ging der Verfasser auf die Problematik ein, die sich aus der Verwendung von ,,kalkfreiem Hartgestein" oder ,,Carbonatarmen Gestein" ergibt. Diese Forderungen ergeben sich zum Teil aus dem Deponiebau und zum Teil aus der Belieferung von JGS Anlagen (Jauche-Gülle-Silage). Für diese werden entsprechend säureresistente Baustoffe benötigt. Eine verbindliche Definition gibt es jedoch hierzu nicht. Ebenso wurde klargestellt, dass es ein garantiert kalkfreies Gestein nicht geben kann. Letztlich hilft, wenn man keine genauen Kenntnisse über die auf der Baustelle anfallenden Stoffe hat, der Kontakt mit einer entsprechend qualifizierten Prüfstelle. So kann man unangenehme Überraschungen durch das unabsichtliche Liefern einer nicht geeigneten Gesteinsart vermeiden.