Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.
Projektbeschreibung
In diesem Projekt wurde ein berührungsloses Messverfahren zur Erfassung von Emissionen in der Abgasfahne untersucht. Die Messungen erfolgten im fließenden Verkehr, ohne die Fahrt der Fahrzeuge zu beeinflussen und ohne, dass die Fahrzeugführer die Messeinrichtung als solche erkennen und ihr Fahrverhalten anpassen, z. B. bremsen oder den Fahrstreifen wechseln.
Das angewendete Messsystem EDAR erfasste an einer deutschen Autobahn (BAB) schwerpunktmäßig bei Geschwindigkeiten zwischen 80 km/h und 100 km/h die relevanten Abgasemissionsdaten. Begleitend wurde für dieses Projekt ein Datenschutzkonzept, welches die rechtlichen Aspekte zur Kennzeichenerfassung für dieses Messverfahren beinhaltet, verfasst. Die Standortauswahl erfolgte nach systemspezifischen Kriterien. Folgend wurde ein umfangreicher Genehmigungsprozess zur Aufstellung des Messsystems erfolgreich durchlaufen. Im Anschluss wurden zwölf Tage Messungen an der BAB durchgeführt. Die gemessenen Emissionsdaten verknüpfte der Forschungsnehmer mit den passenden Motordaten und fahrzeugtechnischen Kennwerten (Schadstoffklasse, Fahrzeugtyp, Motorart etc.) aus der Datenbank des Kraftfahrtbundesamtes (KBA).
Abschließend analysierte er das Emissionsverhalten verschiedener Fahrzeuggruppen z. B. nach Fahrzeugemissionsklassen oder in- und ausländischen Fahrzeugen. Im Rahmen des Forschungsprojekts arbeitete die Fa. HEAT mit DTV-Verkehrsconsult GmbH und Prof. Dr. Borken-Kleefeld zusammen.
Ziel
Ziel des hier vorgestellten Forschungsprojektes ist es, im Rahmen einer Pilotstudie die Realisierbarkeit einer Remote Sensing Messung auf Bundesfernstraßen aufzuzeigen und diese dann auch durchzuführen. Die Messungen sollen zeigen, wo und wie die Messtechnik auf den Verkehrswegen eingesetzt werden kann, und welche Emittenten und Emissionen erfasst werden können. Weiter sollen ebenfalls die Möglichkeiten und Grenzen dieses Messsystems zur Erfassung von Abgasemissionen im Straßenverkehr auf BAB inkl. der Standortkriterien, der Genehmigungen der Standorte und Fahrzeugarten aufgezeigt werden.
Hieraus kann folgend eine fundierte Beurteilung, inwieweit sich das System für den Einsatz auf BAB geeignet ist, abgeleitet werden. Ein weiterer Schwerpunkt des Forschungsprojektes ist das Sammeln von Erfahrungen mit dem Organisationsprozess. Dazu gehören unter anderem Datenschutzanforderungen und die Ergänzung der vom KBA bereitgestellten Fahrzeugmerkmale.
Auch wenn es hier in erster Linie um die Machbar- und Durchführbarkeit der Messung ging, sollten die gewonnenen Daten in einer exemplarischen Auswertung verarbeitet werden. Diese sollte darlegen, welche Fragestellungen mit diesen Daten beantwortet werden können und in welchen Bereichen sie als Grundlage für eventuell anschließende Maßnahmen genutzt werden können. Hierzu gibt es bereits Literatur [5]. Dazu wurde auch der Kontakt zur Polizei, dem KBA und dem Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) hergestellt. Hier liegen die Aufgabenbereiche der Marktüberwachung, der Unterwegskontrolle und Manipulationsaufdeckung. Es sei hier klar zum Ausdruck gebracht, dass es sich um ein Forschungsprojekt mit den zuvor dargestellten Zielen handelte und explizit keine Maßnahme, die schon weiterführende Konsequenzen für die Halter bzw. Fahrer der gemessenen Fahrzeuge beinhalten sollte.
Messtechnische Untersuchung
Standort
Für die Messung mit dem EDAR-System müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Dazu zählen in erster Linie die generelle Aufstellmöglichkeit der Anlage neben oder über der Fahrbahn und der Zugang zu dem Aufstellort sowie die Notwendigkeit, dass die Fahrzeuge unter Motorlast fahren, damit Kraftstoff verbraucht wird und eine Abgaswolke an der Messstelle entsteht. Die Vorgabe in diesem Projekt war die Messung an Bundesfernstraßen. Dazu wurde ein umfangreicher Standortauswahlprozess durchgeführt. Es konnten aus der BISSTRA Datenbank [6] erfolgreich einige Standorte für das Messystem im Bundesfernstraßennetz ermittelt werden. Systemseitige Einschränkungen gab es durch die Notwendigkeit einer Stromversorgung, das Aufbringen und später rückstandslose Entfernen einer Reflektorleiste auf der Fahrbahnoberfläche sowie die Möglichkeit das Messsystem erschütterungsfrei aufzuhängen. Dadurch ergaben sich im Endeffekt im Verhältnis zu der Vielzahl an Autobahnkilometern nur sehr wenige geeignete Standorte auf BAB in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Die Auswahl wurde aus logistischen und organisatorischen Gründen auf diese beiden Bundesländer durch die BASt beschränkt. Ebenfalls zu beachten war die Verkehrsmenge, um sicherzustellen, dass innerhalb des Messzeitraums eine ausreichend große Stichprobe an gültigen Fahrzeug-Emissionsmessungen gesammelt werden kann. Standorte an Landstraßen waren weitaus einfacher zu lokalisieren, da u. a. die Sicherheitskriterien leichter zu erfüllen sind, die Stromversorgung öfter vorhanden ist und der Zugang zu dem Messsystem einfacher möglich ist.
Die zuvor ausgeführten Standortkriterien führten neben organisatorischen Einschränkungen durch die Pandemie und der Genehmigungsinstanzen dazu, dass lediglich ein Standort an der BAB A 61 realisiert werden konnte. Hier konnte das Messsystem mit einem Traversensystem hinter der Schutzplanke an einer Steigungsstrecke bei Betriebskilometer 187,40 (s. Bild 2) aufgestellt werden. Voraussetzung waren außerdem diverse Genehmigungen der zuständigen Verkehrsbehörden.
Bild 2: Foto vom Aufbau an der BAB A61
Datenschutz
Die ermittelten Emissionsdaten müssen für eine zielgerichtete Auswertung mit technischen Daten der gemessenen Fahrzeuge verknüpft werden. Das sind u. a.: Fahrzeugklasse, Herstellernummer, Herstellername, Typ Variante, EURO Klasse, Datum der Erstzulassung, Leistung, Höchstgeschwindigkeit, Hubraum, Kraftstoffart oder Energiequelle, Achsenanzahl, Gewicht, Leergewicht, Maximalgewicht, Kohlendioxid pro km.
Diese Daten werden aus der Datenbank des KBA zur Verfügung gestellt. Es ist dabei unvermeidbar, dass als Verknüpfungsmerkmal die Kennzeichen der Fahrzeuge dienen. Auch wenn diese nur kurzzeitig benötigt werden und die damit ebenfalls theoretisch verknüpfbaren Halterdaten hierbei keine Rolle spielen und auch nicht in den Prozess einfließen, war es aufgrund der Regelungen in der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) [7] unumgänglich ein umfangreiches Datenschutzkonzept zu erstellen.
Die Erstellung des Konzepts inklusiver aller Ergänzungen und der intensive Austausch mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) machte deutlich, dass hohe datenschutzrechtliche Anforderungen in Bezug auf die Absicherung jedes einzelnen Datenübertragungsvorgangs erfüllt werden müssen. Dieses muss system- und verfahrensbedingt für jedes Messsystem individuell bedacht und ggf. angepasst werden. Der Erstellungsprozess für das hier verwendete, individuelle Datenschutzkonzept war aufwändig und am Ende erfolgreich und es kann damit als Grundlage für ggf. weitere Einsätze des Systems in Deutschland verwendet werden. Je nach Standort ist das Datenschutzkonzept dann individuell anzupassen.
Messung
Die Messung an der BAB A61 mit dem EDAR Messaufbau an einer speziell für das System konstruierten Traverse konnte im Juni 2022 erfolgreich durchgeführt werden. Der Aufbau dauerte bei entsprechender Vorbereitung wenige Stunden.
Er ist allerdings immer mit einer Fahrstreifensperrung verbunden, zum einen für die Aufbringung des Reflektor-Streifens auf der Fahrbahn und zum anderen zur sicheren Installation des Trägersystems mit Abspannung. Es arbeitet nach der Aufstellung quasi autark, sofern eine Stromversorgung gewährleistet ist. Die Messungen konnten während der gesamten Messzeit problemlos ohne Störungen durchgeführt werden. Die Wetterlage war günstig, es gab keinen Regen in der Zeit, so dass insgesamt Datensätze von ca. 124.000 Fahrzeugen in 12 Tagen aufgenommen werden konnten. Der Abbau des EDAR Systems erfolgte in umgekehrter Reihenfolge wie der Aufbau. Auch hierfür musste ein Fahrstreifen zur Entfernung des Reflektor-Streifens und zum sicheren Abtransport des Systems gesperrt werden.
Ergebnisse
Mit 124.000 Datensätzen sind in 12 Tagen eine Vielzahl von Fahrzeugen mit deren Abgasfahnen erfasst worden. 84% waren für eine tiefergehende Auswertung verwertbar.
Wie bereits ausgeführt stand bei diesem Pilotprojekt nicht die reine Erhebung und Auswertung von Messdaten im Vordergrund, sondern die Frage der Realisierbarkeit einer Remote Sensing Messung auf deutschen Bundesfernstraßen. Nichtsdestotrotz ist es geboten, die qualitativ hochwertigen und mit großem Aufwand gewonnenen Daten unter relevanten Fragestellungen auszuwerten. An dieser Stelle und zu diesem Zeitpunkt können nur ausgewählte Ergebnisse präsentiert werden, die einen Eindruck verschaffen, was mit solchen im Realverkehr erhobenen Daten möglich ist. Das Anwendungsspektrum ist breit gefächert. Sinnvoll bei einer zukünftigen Anwendung wäre dann, sich im Vorfeld einen auf die dann im Raum stehenden Fragen Messplan auszuarbeiten. Auch hierfür können die Erkenntnisse aus diesem Projekt genutzt werden. In Bild 3 ist exemplarisch die Zahl der auswertbaren Daten für Personenkraftwagen (Pkw) von 6 unterschiedlichen Herstellern aufgetragen. Man erkennt, dass durch das Setzen der entsprechenden Filter die verwertbare Anzahl von Fahrzeugen stark unterschiedlich sein kann und für eine spezielle Fragestellung klein werden kann, so dass allgemein gültige Aussagen dann nicht mehr möglich sind. Dies lässt sich durch längere Messzeiten ausgleichen.
Bild 3 Exemplarische Darstellung der auswertbaren Fahrzeuge (Pkw) für einzelne Hersteller
Im Bild 4 sind die Ergebnisse der gemessenen Stickoxidwerte der EURO 6-Pkw eines Herstellers dargestellt. Hieraus würde man nicht schließen können, dass es bei diesem Hersteller ein grundlegendes Problem hinsichtlich der Funktion der Abgasnachbehandlung gibt. Allerdings fallen zwei Fahrzeuge als „High-Emitter“ auf.
Bild 4: Beispiel „High-Emitter“
In Bild 5 sind die Stickoxidemissionen von EURO 6 Diesel-Lkw mit inländischen Kennzeichen dargestellt. Es könnte als Grundlage für die Frage der Manipulation von SCR-Systemen bei Lkw betrachtet werden. Hier sind allerdings nur die inländischen Lkw eingetragen, weil die Daten der Lkw mit ausländischem Kennzeichen wie oben dargestellt fehlen. Vor einer Festlegung, welche Fahrzeuge als kritisch angesehen werden, muss allerdings eine tiefergehende Betrachtung der Randbedingungen und eine zu erwartende Größe der Stickoxidemissionen an dieser Messstelle getroffen werden.
Bild 5: Stickoxidemissionen inländischer Lkw
Ausblick
Das Pilotprojekt mit dem erstmaligen Einsatz eines Remote Sensing Systems auf deutschen Autobahnen konnte nach längerer Vorbereitungszeit erfolgreich abgeschlossen werden. Die dabei gesammelten Daten können unter vielfältigen Fragestellungen ausgewertet und als Grundlage für Maßnahmen verwendet werden. Insofern wäre eine Fortführung von Einzelmessungen oder auch ein permanenter Einsatz durchaus in Betracht zu ziehen. Allerdings sind die Kosten für Messungen hoch, ein Kauf dieses Systems im Moment nicht möglich und die zu beachtenden Randbedingungen beim Einsatz des Systems so einschränkend, dass ein weiterer Einsatz des Systems nur unter sehr speziellen und übergeordneten Fragestellungen denkbar ist.
Vorstellbar ist der Einsatz von Remote Sensing Einrichtungen -vergleichbar mit den Mautkontrollstellen- als eine Vorselektierung der Fahrzeuge für eine anlassbezogene PTI.
Quellenverzeichnis:
[1] Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge
[2] Verordnung (EG) Nr. 692/2008 DER KOMMISSION vom 18. Juli 2008 zur Durchführung und Änderung der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge
[3] „Potential of Remote Sensing Devices (RSDs) to screen vehicle emissions“; JRC Technical Report; ISBN 978-92-76-11820-6
[4] Final Report 7 Dec 2018; https://theicct.org/wp-content/uploads/2022/01/HEAT-Paris-Report-Final_20190904.pdf
[5] “Bestimmung der Real-Emissionen von Kraftfahrzeugen im Berliner Straßenverkehr mit Remote Sensing Detection und Vergleich mit den Emissionsfaktoren des HBEFA 4.1“; RAUTERBERG-WULFF, Schmidt, Düring, Borken-Kleefeld, Laxenburg; ISSN: 0039-2219
[6] https://www.bast.de/DE/Verkehrstechnik/Fachthemen/v2- bisstra.html?nn=1817946
[7] Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO); EU) 2016/679; https://dsgvo-gesetz.de/ |