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Die EG-Richtlinie und die Nationale Gesetzgebung
Die Gesamtheit der Lärmwirkungen an einem bestimmten Ort wird unabhängig von der Anzahl und der Art der auslösenden Lärmquellen als „Umgebungslärm“ bezeichnet. Aufgrund der mit dem Umgebungslärm verbundenen gesundheitlichen Gefährdung (z.B. cardiovaskuläre oder psychologischen Erkrankungen) beschlossen im Februar 2002 das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union die „Richtlinie über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm“ (sog. EG-Umgebungslärmrichtlinie (2002/49/EG). Darin wird eine vereinheitlichte Methode zur Lärmberechnung festgelegt und es werden die folgenden Maßnahmen von den Mitgliedsstaaten eingefordert:
- Ermittlung der Belastung durch Umgebungslärm anhand von Lärmkarten
- Information der Öffentlichkeit über den Umgebungslärm und seine Auswirkungen
- Aufstellung einer Aktionsplanung zur Verminderung der Lärmbelastung in gesundheitsgefährdeten Bereichen sowie zur Erhaltung der „zufrieden stellenden“ Bereiche
In Deutschland wurde im Juni 2005 durch ein entsprechendes nationales Gesetz die rechtliche Grundlage zur Umsetzung der EG-Richtlinie geschaffen. Die Umsetzung soll stufenweise erfolgen, wobei im Jahr 2007 alle Ballungsräume über 250.000 Einwohner und außerhalb der Ballungsräume alle Hauptverkehrsstraßen mit mehr als sechs Millionen Kraftfahrzeugen pro Jahr (entspricht etwa einem DTV über 16.400 Kfz/24) kartiert werden sollen. In einer zweiten Stufe wird der Einzugsraum für die Lärmkartierung auf Hauptverkehrsstraßen mit drei Millionen Kraftfahrzeugen pro Jahr (entspricht etwa einem DTV über 8.200 Kfz/242) ausgeweitet.
Hierbei ist zu beachten, dass der Gesetzgeber den Termin für die Erarbeitung der Lärmkarten gesetzlich auf den 30. Juni 2007 gelegt hat, was voraussichtlich nicht von allen Bundesländern eingehalten werden kann.
Aufgaben und Datengrundlage im Freistaat Bayern
Die Umsetzung des Gesetzes erfolgt in den einzelnen Bundesländern eigenständig, wobei die einzelnen Länder unterschiedliche Regelungen zur Zuständigkeit getroffen haben. Besonders intensiv wird vor allem diskutiert, ob die jeweilige Verantwortung für die Lärmkartierung bzw. für die Aktionsplanung bei den Landesbehörden oder bei den Gemeinden liegen wird. Im Freistaat Bayern liegt hierüber zum jetzigen Zeitpunkt (März 2007) noch keine endgültige, rechtlich verbindliche Entscheidung vor.
Aufgrund der engen Terminsetzung für die Erstellung der Lärmkarten hat das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) bereits frühzeitig, auch ohne Rechtsicherheit zur Zuständigkeit mit entsprechenden Arbeiten begonnen. Da die europaweit vereinheitlichten Methoden zur Lärmberechung entsprechend der EG-Richtlinie von dem bisherigen, national praktizierten Verfahren abweichen, war es notwendig, Vorbereitungen zu treffen und benötigte Daten zu beschaffen. Hierfür sollte eine Lärmdatenbank erstellt und mit Informationen zu Einwohnerzahl, Gebäudemodellen, Geländehöhen, Straßengeometrien, Verkehrsstärken, Fahrbahnbreiten, Lärmschutzeinrichtungen, Belagsarten sowie weiteren Daten gefüllt werden. Ein Großteil dieser Informationen liegt verschiedenen bayerischen Behörden bereits vor und müssen entsprechend der gesetzlichen Vorgaben kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
Einsatz des OKSTRA®
Im Vergleich zu den anderen Lärmbelastungen: Fluglärm, Industrielärm und Eisenbahnlärm ist der Straßenverkehrslärm der einflussreichste Belastungsfaktor. Dementsprechend groß ist auch die Bedeutung der straßen- und verkehrsbezogenen Daten für die Umsetzung der Kartierung. Im Freistaat Bayern sollten hierfür verschiedene Informationen durch die Autobahndirektion Südbayern (ABDSB) aus der Straßeninformationsbank bereitgestellt werden.
Vor dem Hintergrund, dass die Arbeiten zur Lärmkartierung in regelmäßigen Abständen, kontinuierlich erfolgen sollen, wurde hierfür vereinbart, ein bundesweit universelles und eindeutig definiertes Datenformat zu verwenden, welches einen routinemäßigen Datenaustausch erlaubt. Das einzige Format, welches die notwendigen Randbedingungen für einen langfristig verlässlichen Datenaustausch erfüllt, ist der OKSTRA®.
Die ABDSB konnte für dieses Vorhaben auf eine bereits bestehende OKSTRA®-XML-Schnittstelle zur Straßeninformationsbank zurückgreifen. Das Landesamt LfU musste eigens für diesen Import eine Schnittstelle entwickeln, was über eine Beauftragung der Heller Ingenieurgesellschaft erfolgte. Im Oktober 2006 wurde ein erstmaliger Datenaustausch durchgeführt und aufgrund einer späteren Datenaktualisierung im Dezember wiederholt. Der Umfang betraf jeweils die folgenden Sachdaten:
- Straßennetz mit Abschnittsfolge
- Straßengeometrie der Abschnitte und Äste
- Baulasten
- Fahrstreifenangaben
- Fahrbahnanzahl
- Baulasten
- Querschnittsstreifen
- Aufbaudaten (wegen Lärmeinfluss der Belagsart)
- Verkehrsdaten
Diese Daten wurden für die kompletten Bundesautobahnen, Bundesstraßen und Staatsstraßen des Freistaates Bayern exportiert und als OKSTRA®-XML-Datei (V.1.009) ausgelesen. Trotz der enormen Datenmengen (ca. 1 GB als OKSTRA®-XML) erfolgten die Datenausgabe aus der Straßeninformationsbank und der Einlesevorgang in die Datenbank des LfU verhältnismäßig performant.
Eine erwähnenswerte Besonderheit entstand bei der Übertragung der Verkehrsstärken einzelner Tageszeiträume. Derzeit wird im OKSTRA® (V 1.011) nur eine Unterscheidung von Stundenwerten für Tag (Kfz/h zwischen 06:00 Uhr und 22:00 Uhr) und Nacht (Kfz/h zwischen 22:00 Uhr bis 06:00 Uhr) unterstützt. Die Berechnungsmethoden der Umgebungslärmrichtlinie erfordern eine stärkere Bewertung des Lärms am Abend und daher eine Unterscheidung der Verkehrsmengen in den Tageszeiträumen „day“ (06:00 Uhr – 18:00 Uhr) und „evening“ (8:00 Uhr – 22:00 Uhr). Die Verkehrszähldaten der Straßenverkehrszählung haben auf diesen Umstand bereits Rücksicht genommen und führen die entsprechenden Zeiträume getrennt auf. Die Anpassung der OKSTRA®- Schlüsselanträge wird aber derzeit noch durch einen entsprechenden Pflegeantrag erarbeitet. Für die Transformation zwischen dem LfU und der ABDSB wurde eine entsprechende Ad-hoc-Modifikation des Schlüssels bilateral abgestimmt.
Ergebnisse
Im Rahmen der Entwicklungsarbeiten für die Lärmdatenbank erfolgte bisher die Datenübertragung zwischen den beiden Häusern bereits mehrere Male erfolgreich. Für das Auslesen der Daten (ca. 1 GB OKSTRA®-XML) werden in der ABDSB ca. 2 Stunden benötigt. Das erfahrungsgemäß wesentlich einfachere Einlesen der OKSTRA®-Datei kann von der LfU in ca. 20 Minuten abgewickelt werden. Durch diese Arbeit wurden bereits größere Teile der Lärmdatenbank im Feistaat Bayern befüllt. Die eigentliche Auswertung im Rahmen der Lärmkartierung wurde dagegen noch nicht begonnen, da die gesetzliche Zuständigkeit noch entschieden werden muss.
Unabhängig vom weiteren Zeitplan ist aber zu betonen, dass durch diese Arbeit erstmalig der OKSTRA® für eine verwaltungsübergreifende, interdisziplinäre Aufgabenstellung eingesetzt wird, die über eine prototypische Anwendung hinausgeht. Es wurde eine dauerhafte Schnittstelle für eine gesetzlich verankerte Aufgabenstellung mit hohen technischen Anforderungen geschaffen. Der Objektkatalog Straße hat sich als universeller Standard zum Austausch von Straßendaten bewährt. |