FGSV-Nr. FGSV A 39
Ort Weimar
Datum 05.05.2009
Titel Prüfung des Kälteverhaltens von Straßenbaubitumen und PmB mit dem Bending Beam Rheometer
Autoren Dr.-Ing. Bernd Wallner
Kategorien Asphaltstraßen
Einleitung

Mit dem Bending Beam Rheometer (BBR) ist das Kälteverhalten von Bitumen und PmB besser zu beschreiben und zu beurteilen als mit dem Brechpunkt nach Fraaß, dessen Bestimmung mit einer ungünstigen Präzision verbunden ist. Mit diesem performance-orientierten Prüfverfahren wurde bislang in den USA und einigen europäischen Ländern gearbeitet. In der Prüfnorm EN 14771 sind eine Prüflast von 980 mN und eine Standardauswertung (Steifigkeit und m-Wert) bei 60 s Belastungszeit beschrieben. Diese Prüf- und Auswerteparameter und die bisher in Deutschland angewendete Einzelprüftemperatur von –16 °C erlauben keine umfassende Beurteilung der untersuchten Bindemittel. Im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung wurden im Rahmen einer Forschungsarbeit 19 verschiedene Sraßenbaubitumen und PmB bei vier Temperaturen (–12 °C, –16 °C, –20 °C und –24 °C) und jeweils drei Belastungen (780 mN, 980 mN und 1 230 mN) zur Optimierung der Prüfbedingungen untersucht. Die Temperaturen werden variiert, um das Kälteverhalten des untersuchten Bitumens möglichst breitbandig erfassen zu können. Die Belastungen werden variiert, um möglichst praxisrelevante Verformungen zu erzielen. Bei der Auswertung werden die Steifigkeit und der m-Wert während der gesamten Belastungszeit ermittelt. Diese Vorgehensweise verspricht eine differenziertere Beurteilung unterschiedlicher Bindemittel. Des Weiteren wird die aus dem SHRP-Programm bekannte Vorgehensweise zur Ermittlung der Temperatur für eine Steifigkeit von 300 MPa angewendet.

 

PDF
Volltext

Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.

1 Einleitung

Um das Kälteverhalten von Straßenbaubitumen und polymermodifizierten Bitumen (PmB) besser als mit dem Brechpunkt nach Fraaß beurteilen zu können, wurden national und international verschiedene Prüfverfahren entwickelt, die sich durch die Art der Belastung unterscheiden. Als Beispiel sei das Zug-Retardationsverfahren genannt, mit dem deutliche Unterschiede im Kälteverhalten von Straßenbaubitumen und PmB nachgewiesen werden konnten, auch innerhalb gleicher Penetrationsklassen. Auf europäischer Ebene hat sich neben dem Brechpunkt nach Fraaß das Bending Beam Rheometer (BBR) durchgesetzt.

Mittlerweile liegt eine Europäische Norm für die Prüfung mit dem BBR vor. Die Prüfbedingungen und die Auswertungssystematik wurden unverändert aus der amerikanischen Norm übernommen, obwohl sich das europäische Prüfkonzept grundlegend vom amerikanischen unterscheidet, da es feste Prüfbedingungen vorschreibt, während das amerikanische System auf festen Anforderungswerten bei unterschiedlichen Prüfbedingungen beruht (performancegrades).

Die festen Prüfbedingungen der Europäischen Norm lassen jedoch keine umfassende Beurteilung der Bindemittel zu, da durch die Randbedingungen weitere Eigenschaften der Bindemittel unterdrückt werden. Daher sollte das Prüfverfahren mit dem BBR zur Untersuchung des Kälteverhaltens von Straßenbaubitumen und PmB so modifiziert werden, dass eine wesentlich bessere Beurteilung der Bindemittel möglich wird.

2 Untersuchungsprogramm

Es wurden 19 Bindemittel aus vier Werken untersucht. Die Versuchsdurchführung erfolgte sowohl nach DIN EN 14771 (TL PmB) bei einer Temperatur von –16 °C und einer Belastung von (980 ± 50) mN als auch zusätzlich bei –12, –20 und –24 °C sowie bei 780 und 1 230 mN. Aus den Verformungskurven wurden Steifigkeit und m-Wert kontinuierlich berechnet und bei den Belastungszeiten 60, 120 und 240 s vergleichend ausgewertet.

3 Ergebnisse

3.1 Steifigkeit

Im Bild 1 sind die Steifigkeiten für vier Prüftemperaturen eingetragen, die Ablesung erfolgte nach 60 s. Die Steifigkeiten der verschiedenen Bitumensorten sind getrennt dargestellt.

Bild 1: Steifigkeiten: Straßenbaubitumen (links), polymermodifizierte Bitumen (mitte), höher polymermodifizierte Bitumen (rechts)

Im direkten Vergleich der unterschiedlichen Bindemittel zeigt das Straßenbaubitumen 20/30 B07 bei allen Prüftemperaturen die höchsten Steifigkeiten und somit das ungünstigste Kälteverhalten. Die Straßenbaubitumen besitzen, mit Ausnahme des Bitumens 20/30 B08, mit zunehmender Härte größere Steifigkeiten. Die Steifigkeiten der übrigen Straßenbaubitumen und der polymermodifizierten Bitumen überlagern sich in Abhängigkeit der Prüftemperatur. Die Straßenbaubitumen zeigen allerdings steilere Steifigkeitskurven als polymermodifizierte Bindemittel, das heißt ihr Kälteverhalten wird mit abnehmender Temperatur schneller ungünstig. Die höher polymermodifizierten Bitumen weisen dagegen jeweils die geringsten Steifigkeiten und somit das günstigste Kälteverhalten auf. Die Steifigkeitskurven der polymermodifizierten Bitumen spreizen sich bis –24 °C weiter auf als die Kurven der höher polymermodifizierten Bitumen. Daher können bei tieferen Temperaturen die Bindemittel durch die weitere Spreizung besser differenziert werden. Die erhaltenen Kurven lassen sich gut exponentiell beschreiben. Das Bestimmtheitsmaß der Korrelation liegt bei r²=0,98 bis r²=0,99.

3.2 m-Wert

Im Bild 2 sind die m-Werte für vier Prüftemperaturen eingetragen, die Ablesung erfolgte nach 60 s. Die m-Werte der verschiedenen Bitumensorten sind getrennt dargestellt.

Bild 2: m-Werte: Straßenbaubitumen (links), polymermodifizierte Bitumen (mitte), höher polymermodifizierte Bitumen (rechts)

Die Kurvensteigungen der Straßenbaubitumen sind annähernd gleich, ebenso bei den polymermodifizierten Bitumen, obwohl hier auch Kreuzungen der m-Wert-Geraden auftreten. Die m-Werte bleiben auch bei veränderter Prüftemperatur im Verhältnis zueinander überwiegend gleich. Die höchsten m-Werte haben die höher polymermodifizierten Bitumen, welche auch die geringsten Steifigkeiten aufweisen. Die m-Werte der Straßenbaubitumen und der polymermodifizierten Bitumen überlagern sich in Abhängigkeit der Prüftemperatur. Den geringsten m-Wert besitzt das Bitumen 20/30 B07, welches auch die größte Steifigkeit aufwies. Eine temperaturabhängige Spreizung der Ergebnisse kann hier nicht festgestellt werden. Die beiden höher polymermodifizierten Bitumen B18 und B19, welche auch ähnliche Steifigkeitskurve aufwiesen, besitzen bei –20 °C und –24 °C auch ähnliche m-Werte. Höher polymermodifizierte Bitumen weisen in Abhängigkeit der Prüftemperatur vergleichsweise die höchsten m-Werte auf. Die erhaltenen m-Wert-Kurven lassen sich mit einem Bestimmtheitsmaß um r²=0,99 sehr gut linear darstellen.

3.4 Präzision

Gemäß DIN EN 14771 dürfen die berechneten Steifigkeiten von den gemessenen Steifigkeiten um maximal ± 2 % abweichen. Andernfalls sind die Ergebnisse zweifelhaft. Bei den durchgeführten Untersuchungen zeigten sich Abweichungen über 2 % insbesondere je geringer die Belastung, je tiefer die Prüftemperatur und je früher die Ablesung der Messung gewählt wird.

Gemäß DIN EN 14771 beträgt die Wiederholpräzision für Steifigkeit 9 % vom Mittelwert, für den m-Wert 4 % vom Mittelwert zweier Ergebnisse. Bei Vergleich sämtlicher Einzelablesungen weichen 1,2 % der Steifigkeiten und 5,4 % der m-Werte von der Wiederholpräzision ab. Somit überschreiten die m-Werte die in der Norm vorgegebene Präzision leicht.

Der Ausreißertest ergab, dass sämtliche Prüfwerte verträglich sind. Ausreißer der gemessenen Steifigkeit häufen sich etwas zu tieferen Prüftemperaturen und geringen Belastungen hin, während Ausreißer der gerechneten Steifigkeit und des m-Wertes eine gleichmäßige Verteilung über die Prüfparameter aufweisen. Maßgebend nach DIN EN 14771 ist die gerechnete Steifigkeit.

3.4 Weitere Untersuchungen

3.4.1 Tieftemperaturkriterium

Die Einhaltung des Tieftemperaturkriteriums von Bitumen ist bei einer Steifigkeit < 300 MPa und einem m-Wert > 0,3 gegeben. Mit einer BBR-Messung bei zwei Temperaturen je Bindemittel lässt sich jeweils die Minimaltemperatur interpolieren, bei der die geforderte Steifigkeit bzw. der geforderte m-Wert auftreten. Dabei zeigte sich, dass verschiedene Bindemittel verschiedene Minimaltemperaturen aufweisen. Für die Bindemittelsorten können jeweils Prüftemperaturspannen angegeben werden.

Im Bild 3 sind die Steifigkeit und der m-Wert bei einer Ablesung von 60 s für ein Straßenbaubitumen 50/70 eingetragen. Für die Erfüllung des Tieftemperaturkriteriums ist der m-Wert größer 0,3 bzw. die Steifigkeit kleiner als 300 MPa relevant. Bei dem Bitumen 50/70 kann somit eine Minimaltemperatur von –18 °C abgelesen werden. Hier liegt die Steifigkeit bei 300 MPa und der m-Wert ist noch größer als 0,3.

Bild 3: Grafische Ermittlung der Minimaltemperatur für ein Straßenbaubitumen 50/70

Somit können hinsichtlich des Tieftemperaturkriteriums für jede Bindemittelsorte zwei Grenzprüftemperaturen angegeben werden, mit denen die Minimaltemperatur leicht bestimmt werden kann. Bei höher polymermodifizierten Bitumen liegt diese Temperaturspanne etwa 10 °C tiefer liegen als bei Straßenbaubitumen.

3.4.2 Multivariate Varianzanalyse

Aus Ergebnissen mit mehreren Prüfparametern werden über dieses mathematischstatistische Auswerteverfahren diejenigen Parameter bestimmt, welche den größten Einfluss auf das Ergebnis haben. Es werden damit Varianzen und Prüfgrößen errechnet, über die Gesetzmäßigkeiten hinter den Daten ermittelt werden können. Da mehrere Faktoren zur Einflussfindung ausschlaggebend sind, wird die mehrfaktorielle Varianzanalyse durchgeführt.

Die Ergebnisse der Varianzanalyse zeigen sehr deutlich, dass die Prüftemperatur nicht beliebig gewählt werden darf. Die Temperatur ist wie bisher auch vorzuschreiben. Eine Ausnahme bilden Untersuchungen, die darauf abzielen, definierte Steifigkeiten oder m-Werte zu erreichen, wie bei der Ermittlung des Tieftemperaturverhaltens. Nach der Temperatur haben das Bindemittel selbst, sowie der Ablesezeitpunkt einen annähernd gleich hohen Einfluss. Da das Bitumen nicht festgelegt werden kann, ist der Ablesezeitpunkt zu fixieren. Einzig die Prüflast ist frei wählbar und unabhängig.

4 Zusammenfassung

Zur besseren Beurteilung des Kälteverhaltens von Bitumen und PmB als bisher mit dem Brechpunkt nach Fraaß eignet sich insbesondere das Bending Beam Rheometer (BBR). Um eine weiterreichende Beschreibung der Bindemittel zu gestatten als es derzeit nach der Standardauswertung aus der Prüfnorm DIN EN 14771 möglich ist, wurden die Kennwerte Steifigkeit und m-Wert an 19 verschiedenen Bitumen und PmB mit erweiterten Versuchsbedingungen ermittelt und ausgewertet.

Die standardisierte Ermittlung der Kennwerte Steifigkeit und m-Wert wurde auf Prüfungen bei vier Prüftemperaturen und drei Prüflasten erweitert. Aus den gemessenen Verformungskurven ergeben sich die Steifigkeit und der m-Wert. Diese Kennwerte wurden statistisch untersucht und einander gegenübergestellt. Es wurden nicht nur Ergebniswerte, sondern die ganzen Ergebniskurven betrachtet.

Die gemäß DIN EN 14771 durchgeführte Untersuchung der Gültigkeit, also der Vergleich der gemessenen mit der berechneten Steifigkeit, erbrachte größere Abweichungen bei geringer Belastung und niedrigerer Prüftemperatur. Die in DIN EN 14771 angegebene Präzision wird bei der Steifigkeit eher bei geringer Prüftemperatur, beim m-Wert eher bei tiefer Prüftemperatur und geringer Belastung überschritten. Der Ausreißertest ergab keine Häufung bei Prüfparametern. Es kann festgestellt werden, dass überwiegend bessere Ergebnisse bei späterer Ablesung zustande kommen. Eine Betrachtung der Ergebnisse insgesamt zeigt, dass für eine bessere Differenzierung der Steifigkeitswerte möglichst tiefe Temperaturen erforderlich sind. Zu geringe Belastungen wie 780 mN sind hinsichtlich der Qualität der Ergebnisse zweifelhaft, so dass eine Prüfung mit höherer Belastung durchgeführt werden sollte.

Eine Auswertung mittels multivariater Varianzanalyse bestätigt dies: die Prüftemperatur hat den größten Einfluss auf das Ergebnis, gefolgt von der Ablesezeit und dem Bindemittel. Eine Änderung der Belastung wirkt sich nicht auf das Ergebnis aus. Daher sind die Temperatur und die Ablesezeit zu fixieren.

Die Betrachtung der Steifigkeiten für alle Bindemittel ergibt die geringsten Steifigkeiten für alle höher polymermodifizierten Bitumen. Straßenbaubitumen und polymermodifizierte Bitumen überschneiden sich im mittleren Prüftemperatur-Bereich, eines der beiden geprüften Straßenbaubitumen 20/30 besitzt die größte Steifigkeit, während das andere sich wie ein Bitumen 50/70 verhält. Die Ergebnisse der m-Werte liegen linear in Abhängigkeit der Prüftemperatur. Die höchsten m-Werte besitzen die höher polymermodifizierten Bitumen, die auch die geringsten Steifigkeiten aufweisen. Die m-Wertkurven der Straßenbaubitumen und polymermodifizierten Bitumen überschneiden sich auch hier. Den geringsten m-Wert hat das Bitumen 20/30 mit der höchsten Steifigkeit, während das zweite Bitumen 20/30 wieder einen mittleren m-Wert aufweist. Während die Steifigkeit für alle Bindemittel bei kälterer Prüftemperatur größer gespreizt ist und somit die Bindemittel besser differenziert werden können, liefert der m-Wert für alle Prüftemperaturen Ergebnisse auf gleichem Niveau. Alle Ergebnisse sind unabhängig von der Belastung. Die Kenntnis von Werten für Steifigkeit und m-Wert reicht also nicht aus, um zwischen Straßenbaubitumen und polymermodifizierten Bitumen zu unterscheiden.

Mittels des Tieftemperaturkriteriums (m-Wert > 0,3, Steifigkeit < 300MPa) wurde die jeweilige Minimaltemperatur ermittelt. Mit Kenntnis dieser Minimaltemperatur lassen sich für jede Bindemittelsorte Temperaturbereiche festlegen, innerhalb derer das Tieftemperaturkriterium auf jeden Fall erfüllt ist.

5 Schlussfolgerungen

Die Belastung von 980 mN und der Bestimmungszeitpunkt von 60 s können beibehalten werden.

Um die schadfrei zu ertragende Mindesttemperatur von Bindemitteln zu ermitteln, werden auf Basis der durchgeführten Untersuchungen, wie in der Tabelle 1 dargestellt, Prüftemperaturen empfohlen. Straßenbaubitumen sind bei –10 °C und –20 °C zu prüfen, da das Tieftemperaturkriterium zwischen –12 °C und –18 °C erfüllt wird. Polymermodifizierte Bitumen sind bei –12 °C und –22 °C zu prüfen und höher polymermodifizierte Bitumen bei –17 °C und –27 °C:

Tabelle 1: Ermittelte Minimaltemperaturen und Vorschlag für Prüftemperaturen

Die Präzision der neuen Prüfmethodik sollte nach Abschluss des Projektes in einem Ringversuch genau bestimmt werden. Mit diesem Schritt wären alle fachlichen Voraussetzungen für eine normative Umsetzung der Ergebnisse erfüllt.

6 Literaturverzeichnis

Wörner, TH.; Stütz; M., Wallner, B.: Forschungsbericht Nr. 5018 im Auftrag der Bundesanstalt für Straßenwesen FE 07.211/2005/EGB: Weiterentwicklung der Prüfung des Kälteverhaltens von Straßenbaubitumen und PmB mit dem Bending Beam Rheometer, Technische Universität München MPA BAU Abteilung Baustoffe, 2008