Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.
1 Einleitung
Seit den 1980er Jahren wird die Wiederverwendung von Asphalt in Heißmischgut betrieben. Während zunächst bundesländerspezifische Regelungen die maximal zulässigen Zugabemengen zu den einzelnen Asphaltschichten festlegten, ist heute im Regelwerk für den Asphaltstraßenbau die zulässige Zugabemenge von der Qualität des Asphaltgranulates sowie von den Zugabemöglichkeiten an der Asphaltmischanlage abhängig (Bild 1). Dabei sind keine starren Grenzwerte für die einzelnen Asphaltmischgutarten vorgegeben.
Bild 1: Maximal mögliche Zugabemenge an Asphaltgranulat
Eine Ausnahme bildet der Offenporige Asphalt, für den es aufgrund der bislang vorliegenden geringen Erfahrungen noch keine generelle Öffnung für die Asphaltgranulatzugabe gibt.
In Asphalttragschichten werden heute schon, je nach Region und Asphaltgranulat-Zugabeeinrichtung bis zu 80 M.-% zugegeben; in Asphaltbinderschichten und auch in Asphaltbetondeckschichten werden schon bis zu 50 M.-% realisiert. Gerade für die Wiederverwendung in den höherwertigen Asphaltdeck- und -binderschichten ist ein modernes Asphaltgranulatmanagement, beginnend bei der Gewinnung (schichtenweises Fräsen) und einer separaten Lagerung sowie Aufbereitung an der Asphaltmischanlage unerlässlich.
Neben einer Ressourcenschonung im Sinne des geltenden Kreislaufwirtschaft- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG) trägt die Wiederverwendung des Ausbauasphaltes auch zu einer langfristigen Sicherung der Asphaltbauweise bei. Neben einer Abnahme der weltweiten Ölvorräte muss auch berücksichtigt werden, dass 70 % davon heute in politisch instabilen bzw. kritischen Ländern vorhanden sind. Ziel muss es daher sein, langfristig die Wiederverwendung von Ausbauasphalt weiter nachhaltig zu steigern. Dies bedeutet, dass in der Zukunft einerseits die Zugabemengen je Asphaltsorte weiter gesteigert werden müssen und andererseits, dass auch die Ausbauasphalte, deren Bitumen schon einer starken Alterung unterliegen, für die Wiederverwendung nutzbar gemacht werden.
2 Voraussetzungen für eine möglichst hohe Rate der Wiederverwendung
Um Ausbauasphalt in hohen Zugaberaten und in den hochwertigen Asphaltdeck- und binderschichten verwerten zu können, muss schon beginnend mit der Ausschreibung geregelt werden, dass die auszubauenden Asphaltschichten möglichst sortenrein durch lagenweises Fräsen gewonnen werden. Die weitere Lagerung und Aufbereitung des Materials an der Asphaltmischanlage muss zu einer größtmöglichen Homogenität des jeweils zur Verwendung vorgesehenen Ausbauasphaltes führen. Idealerweise wird Ausbauasphalt aus einer Baumaßnahme getrennt gelagert und aufbereitet. Stehen hierfür nicht ausreichend Lagerkapazitäten zur Verfügung bzw. bei kleineren auszubauenden Asphaltschichten können auch Ausbauasphalte gleicher Asphaltmischgutart zusammen aufbereitet und gelagert werden. Hierbei ist auf eine größtmögliche Homogenität der resultierenden Asphaltgranulatmenge zu achten. Je nach Einsatzzweck sind vorab die notwendigen Asphaltgranulateigenschaften einschließlich der Bitumen- und Gesteinseigenschaften zu bestimmen.
Standard für eine möglichst hohe Zugaberate ist heute die Vorerwärmung des Asphaltgranulates in Paralleltrommeln; das heißt eine separate Erhitzung des Materials unabhängig von der Erhitzung der neu hinzuzugebenden Gesteinskörnungen. Im Vergleich zur Kaltzugabe hat dies den Vorteil, dass die neuen Gesteinskörnungen nicht übermäßig hoch erhitzt werden müssen, um die angestrebte Herstell- und Verarbeitungstemperatur des resultierenden Asphaltmischgutes zu erreichen. Aufgrund der bisherigen Konstruktionsart der Paralleltrommeln im Gleichstromprinzip, bei dem das Asphaltgranulat in der Paralleltrommel von der Flamme weggeführt wird, beträgt die Maximaltemperatur des erhitzten Asphaltgranulates in der Regel nicht mehr all 125 bis 130 °C. Höhere Temperaturen würden zu unzulässig hohen Emissionen am Abgaskamin der Asphaltmischanlage führen. Aufgrund dieser Einschränkungen ist die maximale Zugaberate vor allem bei den höherwertigen Asphaltschichten, welche in der Regel auch dünner einzubauen sind als die unteren Asphalttragschichten, auf die im Abschnitt 1 genannten Werte begrenzt.
Die Begrenzung der Zugabemenge hängt also einerseits von der Art der Zugabe (Kalt-/Warmzugabe) und der „Infrastruktur“ für die Asphaltgranulatlagerung und -zugabe sowie andererseits von der Qualität des Asphaltgranulates (Stoffliche Eignung der Gesteinskörnungen, Sieblinienband der Gesteinskörnungen, Bitumensorte, Alterungs- bzw. Oxidationseigenschaften des Bitumens) ab. Zu beiden Aspekten gibt es technische Lösungen, welche die Zugabemengen an Asphaltgranulat, gerade auch in den höherwertigen Schichten deutlich erhöhen können.
2.1 Maschinentechnischer Ansatz
Hohe Zugaberaten lassen sich nur realisieren, wenn das geeignete Asphaltgranulat separat schonend aufgeheizt wird. Um die Einschränkungen herkömmlicher Paralleltrommeln zu überwinden, wurde es erforderlich, einen anderen Ansatz zu wählen. Von der Firma Ammann wurde ein Paralleltrommelsystem entwickelt, welches neben einem separaten Heißgaserzeuger auf dem Gegenstromprinzip basiert (Bild 2). Hierdurch wird bewirkt, dass das Asphaltgranulat nicht in die Nähe der Brennerflamme kommt und schonend aufgewärmt wird. Durch das Gegenstromprinzip wird zusätzlich der Wirkungsgrad des Wärmeübergangs auf das Asphaltgranulat erhöht. Hierdurch werden Asphaltgranulattemperaturen bis zu 165 °C ermöglicht. Die indirekte Heißgaserzeugung führt weiterhin zu geringen Emissionswerten am Abgaskamin der Asphaltmischanlage, sodass auch bei der Erwärmung großer Mengen Ausbauasphalt auf Temperaturen bis 165°C die geltenden Grenzwerte der TA Luft eingehalten werden.
Eine solche Paralleltrommel wurde am Mischwerk Hamburg der DEUTAG Niederlassung Nord 2010 installiert und in Betrieb genommen (Bild 3).
Bild 2: Gegenstromparalleltrommel System Ammann
Bild 3: Installation Gegenstromparalleltrommel MW Hamburg, DEUTAG NL Nord
2.1 Stofftechnischer Ansatz
Neben den notwendigen Voruntersuchungen des zur Anwendung kommenden Asphaltgranulates, mit denen die grundsätzliche Eignung für den vorgesehenen Anwendungszweck abgeprüft werden soll, ist zu klären, ob eine Einschränkung der Zugabemenge aufgrund einer oxidativen Verhärtung des im Asphaltgranulat vorhandenen Bitumens besteht. Für diesen Fall können sogenannte „Rejuvenatoren“ bzw. „Fluxöle“ bei der Zugabe des Asphaltgranulates mit dosiert werden, welche die Viskosität des im Asphaltgranulat vorhandenen Bitumens positiv beeinflussen. Wichtig ist dabei, dass es sich dabei nicht nur um eine kurzfristige Viskositätserniedrigung handelt, sondern der „Verjüngungsprozess“ auch langfristig anhält. Auf dem deutschen Markt werden derzeit mehrere solcher Produkte angeboten. Erste positive Erfahrungen mit solchen Produkten wurden seit 2006 im Bereich der Stadt Hamburg bei mehreren Privatbaumaßnahmen gesammelt; ebenso gab es erste Tastversuche in Zusammenarbeit mit den städtischen Baubehörden, welche eine großtechnische Erprobung des Einsatzes von Rejuvenatoren als sinnvoll erachten ließen.
3 Erprobungsstrecke „100%-Recycling“ Hamburg, Pollhornweg
Gemeinsam mit der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt sowie der Hamburg Port Authority wurde eine Baumaßnahme im Hamburger Hafen ausgewählt, bei der die neue Anlagentechnik sowie die Zugabe von Verjüngungsmittel zur Erzielung einer größtmöglichen Wiederverwendungsrate erprobt werden sollte. Die Wahl fiel auf die Erneuerung der Asphaltbetondeckschicht des Pollhornweges, der durch typischen Hafenverkehr besonderen Beanspruchungen unterliegt. Durch eine Voruntersuchung anhand von Bohrkernmaterial und eines gefrästen Teilabschnittes wurden die Eigenschaften der abzufräsenden Deckschicht ermittelt. In Abhängigkeit dieser Ergebnisse wurde die Mischgutzusammensetzung des neu herzustellenden Asphaltdeckschichtasphaltes AC 11 DS gewählt. Neben dem Asphaltgranulat aus der vorhandenen Deckschicht des Pollhornweges kam ein zweites Asphaltgranulat aus Deckschichtmaterial verschiedener Baumaßnahmen aus dem Stadtgebiet Hamburg zum Einsatz. Dieses Asphaltgranulat war schon vorher durch ein in der Stadt Hamburg umgesetztes Asphaltgranulatmanagement intensiv homogenisiert, beprobt und untersucht worden. Zur Erzielung einer anforderungsgerechten Sieblinie wurde folgende Zusammensetzung gewählt:
- 63,7 M.-% Asphaltgranulat 16 RA 0/11 (HH-Pollhornweg),
- 27,3 M.-% Asphaltgranulat 11 RA 0/8 (verschiedene Baumaßnahmen HH),
- 9,0 M.-% Rhyolith 8/11 (Ergänzungskörnung).
Der Gesamtanteil an Asphaltgranulat betrug damit 91 M.-%; eine weitere Zugabe an Frischbitumen erfolgte nicht, es wurde ausschließlich ein Fluxöl der Marke Storbit zur Einstellung der resultierenden Bindemittelviskosität eingesetzt. Je 1% Fluxöl in Bezug auf den Bindemittelgehalt führt zu einer Reduzierung des Erweichungspunktes um 1 K. Insgesamt wurden 0,5 M.%, bezogen auf das Asphaltmischgut verwendet; bei einem Bindemittelgehalt aus dem Asphaltgranulat von 4,7 M.-% bedeutet dies eine Reduzierung des Erweichungspunktes Ring und Kugel von ca. 10 K.
Um den besonderen Beanspruchungen der Deckschicht durch den Schwerverkehr Rechnung zu tragen, wurden zur Standfestigkeitserhöhung zusätzlich 2 M.-% Sasobit-Wachs in Bezug auf den Bindemittelgehalt zugesetzt. Hierdurch ergab sich ein Gesamtbindemittelgehalt in der Asphaltmischung von 5,2 M.-%; ein Wert der sich in Hamburg mit den zur Anwendung kommenden Gesteinen für Asphaltbetondeckschichten für schwere Beanspruchungen bewährt hat. Mit der so konzipierten Asphaltmischgutzusammensetzung wurden Testmischungen durchgeführt und die Erstprüfung erstellt. Dabei wurden Spurbildungsversuche im Luftbad nach TP Asphalt-StB, Teil 22 sowie auch nach den früher geltenden Technischen Prüfvorschriften für Asphalt im Straßenbau, Teil Spurbildungsversuch – Bestimmung der Spurrinnentiefe im Wasserbad, durchgeführt. Die Ergebnisse der Erstprüfung sind in den Bildern 4 und 5 dargestellt.
Bild 4: Zusammenstellung des Gesteinskörnungsgemisches
Bild 5: Bindemittel- und Asphaltmischguteigenschaften
Das Bild 6 zeigt die Ergebnisse der beiden Spurbildungstest-Varianten. In beiden Versuchen wird die Standfestigkeit des AC 11 DS deutlich.
Die großtechnische Herstellung und Bauausführung erfolgte am 25. September 2010 in halbseitigem Einbau bei niederschlagsfreier Witterung. Das Asphaltmischgut wurde in einer Menge von ca. 400 t mit einer Temperatur von 150 bis 160 °C hergestellt. Im Rahmen der durchgeführten Eigenüberwachung und der Kontrollprüfungen wurden die Werte der Erstprüfung in guter Übereinstimmung bestätigt.
Bild 6: Darstellung der Ergebnisse der Spurbildungstest-Prüfungen
Untersuchungen am dosierten Asphaltgranulatgemisch vor und nach der Paralleltrommel bestätigten die schonende Erwärmung des Asphaltgranulates. Der Anstieg des Erweichungspunktes Ring und Kugel nach Durchgang des Granulates durch die Paralleltrommel betrug 1,4 °C, die Penetration lag 2/10 mm niedriger. Der Brechpunkt nach Fraaß wurde praktisch nicht verändert.
Der Einbau der 4 cm dicken Asphaltdeckschicht erfolgte problemlos. Das Mischgut machte einen sehr homogenen Eindruck und zeichnete sich durch eine hohe Standfestigkeit an der Walzenbandage aus.
4 Fazit
Die Erprobungsstrecke Hamburg, Pollhornweg, zeigt, dass ein nahezu 100 %-Asphaltrecycling möglich ist, wenn eine Anlagentechnik vorhanden ist, welche eine separate unabhängige Erwärmung des Asphaltgranulates auf Temperaturen bis zu 165 °C ermöglicht. Grundvoraussetzung ist aber eine sehr gewissenhafte Auswahl und Aufbereitung des zur Verwendung vorgesehenen Asphaltgranulates. Weiterhin muss gewährleistet sein, dass ein geeignetes „Verjüngungsmittel“ zur Verfügung steht, welches langfristig die Bitumeneigenschaften positiv beeinflusst. Mit der hier verwendeten Art des Fluxöls wurden erste Erfahrungen schon 1993, allerdings mit niedrigeren Asphaltzugabemengen in dichten Asphaltbelägen gesammelt. Gezielte Erfahrungen mit dem hier verwendeten Produkt wurden seit 2006 im Rahmen von privaten Baumaßnahmen gesammelt.
Abschließend sei erwähnt, dass schon eine flächendeckende Öffnung der Ausschreibungen für eine Asphaltgranulatzugabe in den hochwertigen Asphaltschichten dazu führt, dass die anfallenden Ausbaumassen höchstwertig wiederverwendet werden können, ohne dass ein „100 %-Asphaltrecycling“ derzeit notwendig wird. Im Sinne einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft wäre dies ein Erfolg, den nur wenige Industrien auf ihrem Produktsektor erreichen können. |