Der Fachvortrag zur Veranstaltung ist im Volltext verfügbar. Das PDF enthält alle Bilder und Formeln.
1 Performance Asphalt: Was ist das?
Der Nutzer, also der Autofahrer stellt bestimmte Anforderungen an eine Straße: Sicher soll sie sein, komfortabel und verfügbar (also nicht wegen Baustellen gesperrt) usw. Diese Nutzeranforderungen stellen die Spitze der Anforderungspyramide im Bild 1 dar.
Der Straßenbauer „übersetzt“ diese Nutzeranforderungen in funktionale Anforderungen, stellt also Anforderungen an die Griffigkeit, an die Ebenheit, an die Lärmminderung usw. Umgesetzt werden diese funktionalen Anforderungen allerdings ganz am Boden der Pyramide, bei den Anforderungen an die Baustoffe und bei der Zusammensetzung der Baustoffe. Es werden (vertragliche) Anforderungen an den PSV-Wert von Gesteinen gestellt, um Griffigkeit zu erzielen, es werden Kornformen verlangt, um Lärmminderung zu erreichen, es werden bestimmte Vorgaben an Sieblinien, Bindemittelgehalte, Hohlraumgehalte usw. gestellt, um dauerhafte und sichere Straßen zu erzielen. Bei den sogenannten Funktionsbauverträgen bleiben diese Dinge dem Auftragnehmer überlassen, er hat (nur) sicherzustellen, dass Griffigkeit, Ebenheit usw. über eine bestimmte Zeit erhalten bleiben.
Bild 1: Anforderungspyramide (Quelle: R. Bull-Wasser, BASt)
Der Performance-Ansatz ist ähnlich, indem Anforderungen an elementare Materialeigenschaften definiert werden wie an den Widerstand gegen Ermüdung, gegen Verformung, gegen Rissbildung oder an das Tieftemperaturverhalten. Wie dieses Gebrauchsverhalten (Performance) erreicht wird, bleibt auch hier dem Auftragnehmer überlassen und wird nicht Vertragsbestandteil.
Im Gegensatz zu den Funktionsbauverträgen bleibt es aber ein „normaler“ Bauvertrag, mit normalen Verjährungsfristen usw. Performance hat also nichts mit Funktionsbauverträgen und umgekehrt zu tun. Erschwert wird diese Unterscheidung allerdings dadurch, dass in einigen europäischen Ländern, z. B. im Nachbarland Niederlande, diese Vokabeln genau andersherum verwendet werden.
Unterschieden wird zwischen Performance basierten und Performance bezogenen Eigenschaften. Erstere, die Performance basierten Eigenschaften, werden durch das direkte Messen der physikalischen Größe bestimmt, bei physikalisch korrekter Nachbildung der Spannungszustände innerhalb des Probekörpers. Diese Performance basierten Eigenschaften sind z. B. die Steifigkeit, die Ermüdung, das im Triaxialversuch ermittelte Verformungsverhalten sowie das Tieftemperaturverhalten. Performance basierte Werte eignen sich in der Regel, direkt in Stoffmodelle (z. B. finite Elementmodelle) eingegeben zu werden.
Bei den performance-bezogenen Prüfungen werden die physikalischen Verhältnisse nicht exakt nachgebildet, die Werte benötigen einen gewissen Erfahrungshintergrund. Bestes Beispiel ist der Spurbildungsversuch, wo das (frühere) Hin- und Herrollen eines schmalen Stahlrades im Wasserbad direkt auf dem Asphaltbinder sicherlich nicht die Verhältnisse in der Straße simuliert. Aber ohne Kenntnis der Zusammensetzung des geprüften Asphaltbinders ergibt dieser Versuch eine gute Aussage darüber, ob dieser Asphaltbinder zu Verformungen neigt oder nicht.
2 Performance Asphalt: Warum?
Der Performance-Ansatz bietet augenscheinlich eine ganze Reihe von Vorteilen, wenn ausreichend Erfahrungen vorliegen und Verfahrenssicherheit herrscht. Das Verlassen der starren Zusammensetzungsvorgaben stärkt die Eigenverantwortung des Auftragnehmers und gibt ihm die Möglichkeit, neue Ideen zu verwirklichen. Der Auftraggeber erhält das, was ihn interessiert: eine funktionierende Straße.
Ein weiterer, immer gerne beiseitegeschobener Grund ist die Europäische Normung. Auf Grundlage der Bauproduktenrichtlinie (in Kürze: Bauproduktenverordnung) hat die EU der Europäischen Normungsorganisation CEN ein umfangreiches Mandat zur Normung von Asphalt erteilt. Dieses bedeutet den Auftrag an CEN und seine Gremien, Europäische Normen zu erarbeiten – und dabei bestimmte Vorgaben und Richtlinien zu beachten. Eine davon ist es, im Wesentlichen Performance-Kriterien in diese Normen aufzunehmen und Abschied zu nehmen von Zusammensetzungsvorgaben. Diese Forderung konnte bislang noch unter Hinweise auf die noch zu geringen Erfahrungen „umschifft“ werden. Die europäische Normung betrachtet ausschließlich Produkte, es müssen also Performance-Anforderungen für das Asphaltmischgut formuliert werden, so wie es auf dem Lkw das Asphaltmischwerk verlässt.
Ein weiterer Grund, sich mit Performance Asphalt zu beschäftigen, sind die RDO Asphalt 09, die „Richtlinien für die rechnerische Dimensionierung des Oberbaus von Verkehrsflächen mit Asphaltdeckschicht“ der FGSV. In diese rechnerische Dimensionierung gehen nämlich genau die Performance-Parameter Ermüdung, Steifigkeit und das Verformungsverhalten, untersucht mit dem Triaxialversuch, ein. Naturgemäß interessiert hier die Performance der fertigen Schicht.
In der Vertragskette (Bild 2) greift also die Europäische Normung an der Schnittstelle zwischen Asphalthersteller und -einbauer, während die rechnerische Dimensionierung die Dinge nach Beendigung des Einbaus betrachtet.
Bild 2: Bauvertragskette und unterschiedliche Performance-Ansätze in den Europäischen Normen (EU) und in der rechnerischen Dimensionierung (RDO)
Aus dem Bild 2 wird ersichtlich, wie komplex die Angelegenheit wird, wenn man neben der reinen Asphalttechnologie noch die vertraglichen Aspekte mit hineinnimmt. Die Performance-Ansätze für das Asphaltmischgut und für die fertige Schicht müssen abgestimmt sein und die einzelnen Verantwortlichkeiten müssen sauber definiert und abgegrenzt sein. Keine unmögliche, aber eine umfangreiche und aufwändige Arbeit.
3 Performance Asphalt: Wie ist der Stand?
Im Bekanntgabe-Rundschreiben der RDO Asphalt 09, dem ARS Nr. 15/2009 ist ausdrücklich erwähnt, dass die rechnerische Dimensionierung nicht nur bei Funktionsbauverträgen zugelassen ist, sondern auch bei konventionellen Bauverträgen im Rahmen von Nebenangeboten außerhalb des Wettbewerbes herangezogen werden kann. Damit dieses überhaupt erst einmal eine vertragliche Grundlage hat, wurden von der FGSV die „Empfehlungen für die Abwicklung von Bauverträgen bei Anwendung der RDO Asphalt“ Anfang 2011 veröffentlicht. Sie empfehlen, dass bei der Erstprüfung die vorgenannten Performance-Parameter bestimmt werden und damit die rechnerische Dimensionierung durchgeführt wird. Vertragsbestandteil wird aber nur die Zusammensetzung der Asphalte, die analog der Vorgaben der ZTV Asphalt-StB bezüglich Umfang und mit deren Toleranzen überprüft wird. Die Performance-Parameter werden nur zur Erfahrungssammlung geprüft und werden nicht Vertragsbestandteil.
Eine auf die Dauer nicht befriedigende Lösung. Aus diesem Grund wurde Mitte 2010 in der FGSV der Arbeitskreis „Performance basierte Vertragsbedingungen“ ins Leben gerufen mit dem Ziel, eine „ZTV Performance Asphalt-StB“ zu erarbeiten. Zurzeit diskutiert der Arbeitskreis verschiedene Modelle und Möglichkeiten, deren ein Extrem die vorgenannten „Empfehlungen“ darstellen, bis zum Extrem auf der anderen Seite, der vollständigen Übernahme des „Performance-Risikos“ durch den Auftragnehmer. Die richtige Lösung wird sich irgendwo dazwischen befinden; bis dahin sind aber noch viele Teilprobleme und Zusammenhänge zu klären.
Auf Seiten der Europäischen Normung befindet sich die Normenreihe der Asphaltproduktnormen EN 13108 in der regulären 5-Jahres-Revision bzw. -Überarbeitung. Dabei ist es in den CEN-Gremien beschlossene Sache, weitere Performance-Kriterien wie das Tieftemperaturverhalten aufzunehmen sowie auch in den Normen für Splittmastixasphalte und für Offenporigen Asphalt Performance-Ansätze aufzunehmen. Bisher war das nur bei der Norm für Asphaltbetone (EN 13108-1 AC) der Fall.
Eines der vorgenannten Abstimmungsprobleme ist, dass die Europäischen (Prüf- und Produkt-)Normen den Spaltzug-Schwellversuch, mit dem die Performance-Parameter für die rechnerische Dimensionierung ermittelt und festlegt werden, (noch) nicht kennen. Es ist aber den Kollegen gelungen, dass bei der gleichzeitig stattfindenden Überarbeitung der Prüfnorm der Spaltzug-Schwellversuch mit aufgenommen wird. Die Aufnahme entsprechender Anforderungswerte in die Produktnormen (13108-1, -5 und -7) scheint dann nur noch Formsache – ein Problem weniger.
Bei der Diskussion der Performance-Hereinnahme sind einige Fragen aufgetaucht, die zu einem Überdenken der Normstrukturen geführt haben:
- Welche Performance-Eigenschaften benötige ich für welche Schicht? (Ermüdung auch in der Deckschicht? – neben den Rollspuren treten auch Zugspannungen auf!)
- Kann ich einen SMA (nur) mit Performance beschreiben? (Antwort: nein).
- Möchte ich den Performance-Ansatz für alle Bauklassen anwenden oder nur für die „S“-Bauklassen?
Die bisherige Struktur der Europäischen Norm für Asphaltbetone 13108-1 zeigt das Bild 3. Dabei sind die Performance basierten Parameter bzw. Prüfverfahren mit A bezeichnet, die Performance bezogenen mit B und die klassischen Prüfverfahren für die Zusammensetzung (Korngrößenverteilung, Bindemittelgehalt, Hohlraumverhältnisse) mit C.
Bild 3: Struktur der Europäischen Norm EN 13108-1 für Asphaltbetone
Es werden zunächst einige Grundanforderungen an die Zusammensetzung gestellt, um sicherzustellen, dass es sich im Folgenden um Asphalt handelt und nicht z. B. ein anderes Bindemittel dominierenden Einfluss hat. Danach gabelt sich der Weg in einen Performance-Weg und einen empirischen Weg.
Beim Performance-Weg werden die Performance-Kennwerte Ermüdung, Steifigkeit und in Zukunft auch das Tieftemperaturverhalten ermittelt sowie der Triaxialversuch durchgeführt. Im Anschluss können noch weitere Performance bezogene Prüfungen wie Wasserempfindlichkeit, Bindemittelablauf, Beständigkeit gegen Treibstoff (bei Flugbetriebsflächen) usw. durchgeführt werden. Übrigens, (nur) in diesem Performance-Ast „versteckt“ sich auch der einaxiale Druckschwellversuch, der in den TP Asphalt-StB im Teil 25 beschrieben ist.
Der empirische Weg enthält die klassischen Zusammensetzungsregeln wie in den TP Asphalt-StB, ergänzt um z. B. den Spurbildungsversuch als Performance bezogene Prüfung zum Widerstand gegen Verformung und schließlich die ergänzenden Performance bezogenen Prüfungen.
Deutschland hat hieraus den empirischen Weg gewählt und daraus die TL Asphalt-StB 07 entwickelt; Österreich hat sowohl eine Norm für den empirischen Weg als auch eine für den Performance-Weg herausgegeben, beide können angewendet werden. Man muss aber feststellen, dass die ultimative Trennung der beiden Wege nur in sehr wenigen Ländern zur Anwendung von Performance geführt hat.
Die im Bild 4 mit „Parallelmodell“ bezeichnete Struktur ist da nicht viel besser: Für jede Mischgutart wird dort eine empirische Produktnorm aufgestellt mit jeweils Vorgaben zur Zusammensetzung und ergänzenden Performance bezogenen Prüfungen.
Bild 4: Drei Modelle für die mögliche Struktur der europäischen Produktnormen
Daneben wird bei diesem Modell ein neuer Normenteil 13108-10 entwickelt, der nur Performance-Kriterien enthält. Dieser noch stringentere Ansatz wird aber nicht weiter verfolgt, auch weil er durch das EU-Mandat nicht abgedeckt wird.
Verfolgt wird nun der im Bild 4 rechts dargestellte „normale Ansatz“, europäisch „normal approach“. Er beinhaltet, dass die Normenteile, die mit Performance ausgestattet werden (AC, SMA und PA), eingangs die vorne erläuterten Grundanforderungen an die Zusammensetzung erhalten und anschließend Performance basierte, Performance bezogene und Zusammensetzungs-Anforderungen gleichwertig und ohne Aufteilung aufgelistet werden. So kann jedes Mitgliedsland selbst entscheiden, ob und wie viel Performance übernommen werden soll.
Natürlich ist auch dieser Ansatz nicht ohne Probleme. Es muss nämlich sichergestellt werden, dass nicht „überspezifiziert“ werden kann. Denn es können nicht (siehe die Anforderungspyramide im Bild 1) Performance-Anforderungen gestellt werden und gleichzeitig diese Eigenschaften bestimmende Zusammensetzungsparameter vorgeschrieben werden. Hier muss also eine Art Matrix aufgestellt werden „was nicht, wenn“.
Des Weiteren muss sichergestellt werden, dass nicht gegen eine weitere Forderung der Bauproduktenrichtlinie (bzw. -verordnung) verstoßen wird: „eine Eigenschaft, ein Prüfverfahren“. Das bedeutet: Idealerweise sollte eine Eigenschaft europaweit nach einem einheitlichen Prüfverfahren geprüft werden. Wenigstens aber ist auszuschließen, dass in einem Land für eine Eigenschaft zwei Prüfverfahren zur Verfügung stehen, die nicht korrelieren.
Das reine „Zusammenschreiben“ der Anforderungen und ihrer Werte/Kategorien scheint bei dieser Herangehensweise nicht so sehr das große Problem zu sein, die letzten beiden Punkte sind dagegen eine sehr ambitionierte Herausforderung, europäisch locker als „Guidance against Over-Specification“ bezeichnet.
Wer beschäftigt sich in der FGSV mit diesen Fragen: Neben dem „Spiegelausschuss WG1“ zur Europäischen Normung und dem schon erwähnten Arbeitskreis „Performance basierte Vertragsbedingungen“ sind innerhalb der FGSV weitere Arbeitsausschüsse und Arbeitskreise in diese Arbeiten und Überlegungen involviert. Zur Koordination und Abgleichung wurde die Ad-hoc-Gruppe 7.02 „Performance Asphalt“ vor zwei Jahren ins Leben gerufen, um Doppelarbeiten, Unstimmigkeiten oder gar Versäumnisse möglichst zu vermeiden.
4 Performance Asphalt: Wann?
Einfache Antwort auf diese letzte Frage: Heute! Der Arbeitskreis „Performance basierte Vertragsbedingungen“ arbeitet stetig und mit hoher Sitzungsfrequenz an einer „ZTV Performance Asphalt“. Die überarbeiteten europäischen Asphaltnormen sollen Mitte 2013 bereits veröffentlicht sein und neue Möglichkeiten eröffnen. Performance Asphalt ist also näher als wahrscheinlich von vielen gedacht. Es ist also höchste Zeit, aufzuhören, dieses Thema nur interessiert zu beobachten, sondern es ist höchste Zeit, sich aktiv mit diesem Thema zu beschäftigen, um Erfahrungen zu sammeln, damit genügend von denen vorliegen, wenn es losgehen muss oder soll. Performance Asphalt bietet ein großes Potenzial für die Zukunft des Baustoffs Asphalt. |