FGSV-Nr. FGSV A 40
Ort Nürnberg
Datum 10.05.2011
Titel Adhäsion - Gibt es objektive Bewertungskriterien?
Autoren Priv. Doz. Dr.-Ing. habil. Peter Renken
Kategorien Asphaltstraßen
Einleitung

Die Vorgänge an der Grenzfläche Gesteinskörnung/Bitumen beschäftigt die Asphalttechnologen seit Anfang des letzten Jahrhunderts. Seit dieser Zeit sind fast 400 Veröffentlichungen zu finden, wobei immer zwischen Affinität, Adhäsion und Wasserempfindlichkeit unterschieden wurde, so dass diese Phänomene weitgehend bekannt sind. Eine Vielzahl der Arbeiten befasst sich mit Adhäsionstheorien und Versagenstheorien, die letztlich auf eine Reihe von Prüfverfahren führten.

Grundsätzlich wird zwischen Verfahren unterschieden, die einerseits an Einzelkörnungen die Interaktion zwischen Gesteinsart und Bitumen ansprechen und andererseits das Haftverhalten der asphaltbildenden Partner in einem Asphaltgemisch. Die EN 12697-11 und -12 tragen diesen Erkenntnissen Rechnung. Die DIN EN 12697-11 beschreibt Prüfverfahren am Einzelkorn, nämlich den Rolling-Bottle-Test (Verfahren A), die statische Wasserlagerung (Verfahren B) und die Ablösung in siedendem Wasser (Verfahren C). Die DIN EN 12697-12 beschreibt ein Verfahren an Asphalt-Probekörpern, die trocken und nach Wasserlagerung auf Spaltzugfestigkeit geprüft werden. Der Unterschied wird als ITSR-Wert bezeichnet und spiegelt ein Maß für die Wasserempfindlichkeit wider.

Der Rolling-Bottle-Test (RBT) stellt trotz aller Schwächen das Beste der angebotenen Verfahren am Einzelkorn dar. Die Überprüfung der Wasserempfindlichkeit am Probekörper nach DIN EN 12697-12 kämpft teilweise mit Unplausibilitäten und einer erheblichen Verfahrenspräzision. Mit einigen wenigen Ausnahmen konnte insbesondere mit dem RBT eine plausible Reihung der Ergebnisse festgestellt werden, die mit den Erfahrungen der Praxis korrespondieren. Die visuelle Auswertung des RBT kann durch die Auswertung digitaler Bilder objektiviert werden.

Genauer betrachtet sind die zur Verfügung stehenden Prüfverfahren nicht ausreichend, so dass sich eine ad-hoc Gruppe „Adhesion“ in CEN TC 227/336 intensiv mit dem Problem der Adhäsion auseinander setzte und eine große Zahl der in den CEN-Ländern existierenden Prüfverfahren kritisch beleuchtete. Der Schlussbericht vom September 2009 stellte heraus, dass praktisch kein einfaches Prüfverfahren zur Beurteilung der Adhäsion/Klebrigkeit existiert und ein absoluter Wert für die Adhäsion gefunden werden muss.

Untersuchungsmethoden, die ausschließlich einzelne Baustoffkennwerte ansprechen, sind zwar für die Auswahl der einzusetzenden Baustoffe anwendbar, das sichere Haftverhalten des Asphaltmischguts wird aber nicht zuverlässig angesprochen, da Wechselwirkungen der einzelnen Stoffe aber auch chemischer und gesteinsspezifischer Parameter vernachlässigt werden. Realistisches Verhalten kann insbesondere mit zentrischen Versuchen an realistisch verdichteten Asphalten bei realistischer Konditionierung der Probekörper erfolgen, wobei auch die Asphaltalterung einbezogen werden muss. So gesehen sind die Arbeiten zur Entwicklung eines allgemein gültigen Prüfverfahrens zur Beschreibung der Adhäsion noch nicht abgeschlossen. Forschungsaktivitäten konzentrieren sich auf zentrische Zugversuche an Asphaltprobekörpern und an Gesteinsstiften.

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1 Einleitung

Das Thema Haftverhalten/Adhäsion beschäftigt die Asphalttechnologen bereits seit fast 100 Jahren. Früh war bekannt, dass diese Asphalteigenschaft zu den wichtigen gehört, dennoch wurde sie leider in den Technischen Regelwerken nie konkret mit Anforderungen belegt.

Asphalt ist ein Gemisch aus Gesteinskörnungen, Bitumen und gegebenenfalls einigen Zusätzen, um ausgewählte Asphalteigenschaften zu verbessern. Das Bitumen hat dabei die Aufgabe, die Gesteinskörnungen dauerhaft zu verkleben. Versagt diese Verklebung, lösen sich die Gesteinskörnungen aus der Asphaltmatrix und die Gebrauchstauglichkeit ist nicht mehr gegeben.

Was sich dabei an der Grenzfläche Bitumen/Gestein ereignet, kann unterschiedliche Ursachen haben:

  • Zum einen können die Ablösungen unmittelbar an der Gesteinsoberfläche erfolgen, wobei zu klären ist, warum die Adhäsion versagt. Sind die verwendeten Stoffe nicht affin zueinander? Ist die Ursache der mangelnden Affinität die Gesteinsart oder die Art, Sorte oder Herkunft des Bindemittels?
  • Zum anderen kann die Kohäsion innerhalb der Bindemittelschicht oder des Gesteins oder der Mörtelphase unzureichend sein.

Wenn ein Versagen einer Asphaltdeckschicht bereits innerhalb der Gewährleistungsfrist in Form von Ablösungen zu beklagen ist, dann handelt es sich im Regelfall um eines dieser beiden Phänomene, wobei es dann die Schadensursachen zu klären gilt.

Handelt es sich um reine Haft- also Verklebungsprobleme, handelt es sich um eine Wasserempfindlichkeit oder handelt es sich gar um eine Empfindlichkeit gegenüber anderen Umwelteinflüssen? Zu denken ist dabei beispielsweise an die Beschaffenheit des Oberflächenwassers oder die Wirkung von Auftau- oder Enteisungsmitteln.

Systematische Untersuchungen zum Einfluss von Taumitteln wie Natriumchlorid, Kalziumchlorid oder Magnesiumchlorid in den unterschiedlichen Konzentrationen und Aggregatzuständen auf das Haftverhalten, die Wasserempfindlichkeit oder die Kohäsion existieren praktisch nicht.

2 Theorien

Die Ursachen der Versagensarten sind meist multidisziplinär, so dass die spezifische Forschung neben den klassischen Ingenieurwissenschaften von Chemikern und Physikern betrieben wird. Die unterschiedlichen Theorien zur Adhäsion und zum Versagen der Adhäsion sind hinreichend bekannt (s. Bild 1).

Bild 1: Theorien zu den Mechanismen der Haftvorgänge

Das Bild 1 (und das später gezeigte Bild 2) hat der Autor bereits 1991 anlässlich der Asphaltstraßentagung in Berlin gezeigt.

So richtig weitergekommen ist die Asphaltprüftechnik seit dieser Zeit trotz der vielen theoretischen Ansätze leider nicht; zu kompliziert sind die Vorgänge an der Grenzfläche, zu viele Einflussgrößen sind einzeln oder in Wechselwirkung aktiv, so dass sich die Frage stellt, ob es objektive Bewertungskriterien überhaupt gibt.

Eine sehr umfassende und aktuelle Arbeit ist die der amerikanischen Autoren Hefer und Little (2005), die den „State of the Art“, die Schwierigkeiten bei der Forschung und vermeintliche Widersprüche hervorragend dokumentieren. Nicht unerwähnt bleiben soll die Arbeit von Hirsch und Friemel-Göttlich (2008), die sich hierauf aufbauend im Zusammenhang mit der Randwinkelmessung intensiv mit den chemischen Vorgängen auseinandergesetzt haben.

3 Einflussgrößen

Alle Einflussgrößen zu benennen, würde selbst ein Symposium zum Thema Haftverhalten sprengen, daher seien nur einige aufgezählt (s. Bild 2) von denen angenommen werden darf, dass sie genannt werden müssen, um das Verständnis für die Komplexität des Sachverhaltes zu schärfen:

  • Organische Stoffe auf einer Oberfläche behindern grundsätzlich den Verbund mit Bitumen. Staubige Partikel sind für eine effektive Benetzung schädlich. Bei der Verarbeitung im Asphaltmischwerk können sich sogar Luftblasen einschließen und den Verbund an der Grenzfläche grundsätzlich schwächen.
  • Die Anwesenheit von Wasser mindert grundsätzlich den Verbund, wobei auch der pH-Wert in Wechselwirkung mit der Gesteinsart eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielt.
  • Polare Stoffe wie Zellulose ziehen grundsätzlich Wasser an und können schädlich sein, wenn keine Hydrophobierung durchgeführt wurde oder diese aufgrund anderer Ursachen versagt.
  • Jeon und Curtis (1990) fanden heraus, dass Gesteinsoberflächen mit hoher Porösität wie ein molekulares Sieb wirken und höher und niedriger molekulare Bitumenfraktionen separieren können. Phänomenologische Beobachtungen haben gezeigt, dass dann die an der Gesteinsoberfläche verbleibenden Bitumen hart und spröde sind. Es wird berichtet, dass bei einer so geschwächten Verbundebene mit dem aufgrund der Gesteinsart spröden Bitumen das Gestein katalytische Wirkung zeigt und die Alterung sogar noch beschleunigt.

Bild 2:Einflussgrößen auf das Haftverhalten

  • Wird die Adhäsion ausschließlich mechanisch betrachtet, so spielen die Kavernen, die Poren und die Rauigkeit der festen Phase eine entscheidende Rolle. Man muss sich zum einen eine Verankerung vorstellen und zum anderen eine Umverteilung der Spannungen. Raue Gesteinskörnungen führen auf größere spezifische Oberflächen und somit auf größere Verzahnungseffekte, wobei die Adhäsion begünstigt wird. Andererseits wird durch die rauen Oberflächen die Umhüllung, das Spreiten und die Benetzbarkeit der Gesteinskörnung erschwert; hinsichtlich der Adhäsion also ein kontraproduktiver Effekt.
  • Unter elektrostatischem Aspekt sei erwähnt, dass die meisten Gesteinsarten eine Erhöhung des pH-Wertes des kontaktierenden Wassers verursachen und zwar nicht nur an basischen Gesteinen wie Kalkstein, sondern auch an mehr sauren Gesteinen wie beispielsweise Granit.
  • Dass die Ladungsart und die mineralogische Zusammensetzung der Gesteinskörnungen und die chemische Zusammensetzung des Bitumens eine entscheidende Rolle für das Haften besitzen, ist hinreichend bekannt.
  • Masat et al. (2004) berichten über die Bestimmung spezifischer Oberflächen mittels triaxialer Versuchen mit unterschiedlichen Drücken und zeigen, dass sich der Parameter κ – ein Parameter, der die Adhäsion zwischen Bitumen und Gestein ausdrückt – mit dem Texturindex ändert. Die Autoren zeigen aber auch ein unterschiedliches Ranking der Gesteinsart bei den feinen und bei den groben Gesteinskörnungen. Feine Gesteinskörnungen besitzen eine erheblich größere spezifische Oberfläche somit eine erheblich größere Dominanz bei der Betrachtung der Wasserempfindlichkeit als oft angenommen (s. Bild 3). Feine und grobe Gesteinskörnungen sind also eigenständig zu betrachten.
  • Ausgehend von dem mechanischen Modell der guten Verzahnung spielt das Spreiten eine große Rolle, also die Fähigkeit des Bitumens, vollständig in die mikrorauen Oberflächen der Gesteine einzudringen, eine Fähigkeit, die als Kombination von Viskosität der Bitumenart/-sorte und der Verarbeitungstemperatur zu sehen ist. Welcher Asphalttechnologe weiß denn so genau, was für das Haftverhalten günstig ist? Ein „weiches“ oder ein hartes“ Bitumen, ein Straßenbaubitumen oder ein Polymermodifiziertes Bitumen? Bei den meisten Laborverfahren wird dem höher viskosen, also dem „härteren“ Bitumen gegenüber dem „weicheren“ ein günstigeres Haftverhalten beigemessen. Festgestellt wurde dies nach Ultraschallbeanspruchung, im statischen Wasserbad bei einer Lagertemperatur von 60 °C, mit dem Verfahren zur Bestimmung der Temperatur der beginnenden Ablösung (Arand et al. 1991) und auch mit dem Flaschen-Rollverfahren (s. Bild 4). Ob dieser Zusammenhang auch für eine Viskositätserhöhung durch Alterung zutrifft ist fraglich und wird durch Erfahrungen aus der Praxis zumindest nicht bestätigt.

Bild 3: Zusammenhang Korngröße/spezifische Oberfläche

Bild 4: Einfluss der Bindemittelviskosität und der Temperatur, festgestellt mit unterschiedlichen Prüfverfahren

Bereits Potschka (damals IFTA Essen) hatte in der Diskussion anlässlich der oben erwähnten Asphaltstraßentagung 1991 in Berlin zum Haftverhalten unter dem Aspekt der Haftgrenzviskosität empfohlen, die vergleichende Beurteilung der Adhäsion eines Bitumens zum Gestein im absoluten Maßstab nur bei vergleichbaren Viskositäten durch Anpassen der Prüftemperaturen vorzunehmen.

Aber ist das der richtige Weg für eine objektive Bewertung?

Die Sonne erwärmt bei gegebener Strahlungsintensität eine Asphaltdeckschicht mit vergleichbarer Zusammensetzung aber unterschiedlich viskosen Bitumen auch nicht auf unterschiedliche Temperaturen. Gleiche Hohlraumgehalte und gleiche Wärmekapazitäten der Baustoffe vorausgesetzt, wird der Asphalt unabhängig von der Bindemittelart und -sorte „hart“ oder „weich“, modifiziert oder nicht modifiziert, immer auf die gleiche Temperatur erwärmt.

4 Prüfverfahren

Mit welchen Prüfverfahren kann das Haftverhalten/die Wasserempfindlichkeit/die Kohäsion angesprochen werden?

Nach jahrzehntelangem Ringen haben sich einige wenige Prüfverfahren in der Europäischen Prüfnorm EN 12697 etablieren können, die in den Teilen 11 (Bestimmung der Affinität von Gesteinskörnungen und Bitumen) und 12 (Bestimmung der Wasserempfindlichkeit von Asphalt-Probekörpern) beschrieben sind.

Der Teil 11 schlägt für die Adhäsion an Einzelkörnungen drei Verfahren vor (s. Bild 5):

  • Verfahren A: Flaschen-Rollverfahren (Rolling-Bottle-Test)
  • Verfahren B: Statisches Prüfverfahren. Bei diesem Verfahren handelt es sich vom Grundsatz her um das aus der DIN 1996, Teil 10 (1977) in Deutschland als nicht aussagefähige bekannte und nicht favorisierte Verfahren. Bitumenumhüllte Gesteinskörnungen werden bei Raumtemperatur in Wasser gelagert und anschließend der Anteil nicht vollständig mit Bitumen umhüllter Gesteinskörner visuell geschätzt. Im konkreten Beispiel lieferte dieser Versuch erst nach Anheben der Prüftemperatur von 19 °C auf 40 °C und Anhebung der Versuchsdauer von 48 auf 72 Stunden differenzierende Ergebnisse.
  • Verfahren C: Prüfverfahren des Ablösens in siedendem Wasser. Dieses Verfahren arbeitet mit siedendem Wasser bei Verwendung von u. A. Salzsäure und Flusssäure, der Bestimmung eines Säure/Basen-Äquivalenzfaktors und einer zu schaffenden Kalibrierungskurve wobei verfahrenstechnisch zwischen kalkreichen und siliciumreichen Gesteinskörnungen unterschieden wird. Berechnet wird letztlich der Grad der verbleibenden Umhüllung mit Bitumen nach Kochen des Bitumen/Gesteinsgemisches in siedendem Wasser.

Bild 5: Prüfverfahren am Einzelkorn nach DIN EN 12697-11

Der Rolling-Bottle-Test (RBT) überbetont die mechanische Beanspruchung. So gibt es Kalksteine, die in sich zerbröseln und eine schlechte Adhäsion vortäuschen, obwohl der basische Kalkstein per se eine gute Affinität zu Bitumen aufweist. Da ist der Versuch C in siedendem Wasser etwas besser geeignet.

Die Ungenauigkeiten bei der Schätzung der verbleibenden Umhüllung im Rolling-Bottle-Test durch ungeübte Laboranten sind durch die Auswertung digitaler Bilder weitgehend beseitigt. Hierzu haben Grönniger et al. (2008) (s. Bild 6) und kürzlich auch Mulsow und Marschke (2011) – die letzteren Autoren aber mit einer anderen Technik – gearbeitet, so dass davon auszugehen ist, dass die digitale Bildauswertung des RBT Eingang in das europäische Regelwerk und in die TP Asphalt-StB finden wird.

Der Asphaltrauigkeit wird bei der Bemessung der Bindemittelmenge für den RBT-Versuch aber nicht Rechnung getragen; diese wird ausschließlich anhand des spezifischen Gewichts, also der Schwere des Gesteins, festgelegt.

Bild 6: DIN EN 12697-11 A: RBT – Digital gestützte Auswertung der verbleibenden Bitumenbedeckung der Gesteinskörner

Die Untersuchungen an den Einzelkomponenten sind zur Vorauswahl der für den Asphalt einzusetzenden Gesteinen geeignet, wobei einschränkend zu berücksichtigen ist, dass nur eine Prüfkörnung 5/8 oder 8/11 verwendet wird und nur eine einzige Prüftemperatur und nur eine einzige Prüfflüssigkeit, nämlich entmineralisiertes Wasser.

Bild 7: Ausrüstung für den Schüttelabriebversuch und Beispiel

Wegen der nicht zu unterschätzenden Bedeutung der feinen Gesteinskörnungen und des Füllers kann es sinnvoll sein, die Bestandteile der Mörtelphase eines Asphaltes, also das Füller-Bitumen-Gemisch und das Sand-Bitumen-Gemisch, wegen der gegenüber der groben Gesteinskörnung erheblich größeren spezifischen Oberfläche zusätzlich isoliert zu betrachten.

Hierzu bietet sich der Schüttelabriebversuch an (TP Gestein, Teil 6.6.3), mit welchem die Quellung und die Wasserempfindlichkeit von Fremdfüllern, Eigenfüllern und Rückgewinnungsfüllern verhältnismäßig einfach überprüft werden kann (s. Bild 7).

Die Kontaktwinkelmessungen bzw. Randwinkelmessung ist nicht Gegenstand der Asphalt- oder Bitumenprüfnorm, in einigen Forschungsstellen wird dieser Versuch aber angewendet.

Es gibt unterschiedliche Verfahren der Applikation des Tropfens, der Art des Tropfens – als Wasser, als chemische Flüssigkeit oder als Bitumen – und der Versuchsdurchführung und der Auswertung. Der Nachweis der Wirkung von Haftverbesserungen lässt sich mit diesem Verfahren leicht erbringen; der Nachweis der Hafteigenschaften über die Oberflächenspannung des Tropfens aber nicht immer plausibel, wie Untersuchungen des ISBS und auch der BASt zeigen (s. Bild 8).

Bild 8: Kontaktwinkelmessung

Die Beurteilung der Wasserempfindlichkeit von Asphalt-Probekörpern mittels Abfall der Spaltzugfestigkeit nach DIN EN 12697-12 zeigt in der praktischen Anwendung Schwächen, da es in nicht seltenen Fällen nach der Wasserbeanspruchung zu Festigkeitszuwächsen kommt und so gesehen dieses Prüfverfahren nicht unbedingt ein objektives Bewertungskriterium darstellen kann (s. Bild 9).

Bild 9: DIN EN 12697-12 (ITSR) – TP Asphalt-StB, Teil 12

5 Prüfverfahren mit objektiver Bewertung

Die europäischen Gremien kennen die Schwächen der Prüfverfahren nach EN 12697-11 und -12, so dass in CEN TC227/TC336 eine ad-hoc-Gruppe „Adhesion/Durabilty“ eingerichtet wurde, um in der Überprüfung der Adhäsion/des Haftverhaltens/der Wasserempfindlichkeit weiterzukommen.

Die Arbeit dieser ad-hoc-Gruppe hat mehrere Jahre gedauert. Innerhalb dieses Zeitraums wurden eine ganze Reihe der in den europäischen Ländern eingesetzten Prüfverfahren unter die Lupe genommen, vergleichend bewertet und die Ergebnisse auf Plausibilität überprüft. Das Resultat war wenig ermutigend: keines der in Europa angewendeten Verfahren konnte zur Gewinnung objektiver Verfahren empfohlen werden.

Dem Schlussbericht (ad-hoc Group, 2009) kann entnommen werden, dass auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass in naher Zukunft ein einfaches Prüfverfahren gefunden werden kann. Im Einzelnen wird ausgeführt:

  • Die Testverfahren sprechen meist nicht die Adhäsion an, sondern die Empfindlichkeit gegenüber Wasserzutritt und Temperatur.
  • Die Verwendung eines Verhältniswertes vor und nach Exposition ist ungeeignet.
  • Ein absoluter Wert für die Adhäsion/Klebrigkeit muss gefunden werden.
  • Eine festgelegte Prüftemperatur kann bei unterschiedlichen Bitumenviskositäten zur Fehlinterpretation führen.
  • Bei einem Vergleich von Bitumen unterschiedlicher Viskositäten ist die Äquiviskositätstemperatur (EVT) zu verwenden.
  • Die Bitumenadhäsion ist immer in Kombination mit den eizusetzenden Gesteinen zu überprüfen.

Die Empfehlung der ad-hoc-Gruppe mündet in einem Forderungskatalog. Danach soll das Prüfverfahren zur Ansprache der Adhäsion einfach sein, es soll zwischen den Bitumen differenzieren können, eine gute Verfahrenspräzision besitzen und innerhalb einer Woche durchzuführen sein. Darüber hinaus soll es die Realität in situ nachbilden, die spezifischen Alterungsvorgänge sollen berücksichtigt werden und die Probekörper müssen den Zutritt von Wasser ermöglichen.

Die Asphalttechnologen sind aufgefordert, neue Wege zu suchen.

Für die erste Bewertung der adhäsiven Eigenschaften reicht der einfache Rolling-Bottle-Test aus, wobei die oben genannten Restriktionen zu beachten sind.

Erheblich besser geeignet sind aber reine Zugversuche, die zum einen absolute Werte für Zugfestigkeit liefern und zum anderen die Änderung der Zugfestigkeit aufgrund bestimmter Konditionierungen anzeigen. Zu denken ist dabei nicht nur an die chemische Beschaffenheit des Wassers, die Prüftemperatur und die Art der mechanischen Beanspruchung – statisch oder dynamisch –, sondern auch an den Einfluss durch die Alterung des Asphaltes.

Im Rahmen von Diplomarbeiten und einem Forschungsprojekt wurden am Institut für Straßenwesen der Technischen Universität Braunschweig (ISBS) Verfahren zur Durchführung reiner statischer Zugversuche entwickelt und auf Anwendung überprüft.

Zehrt (2010) konnte in seiner Diplomarbeit die Eignung reiner Zugversuche an Gesteinsstiften nachweisen, wobei er Zugversuche vor und nach Konditionierung durchführte und die verbleibende Zugfestigkeit DTSR in Prozent berechnete (s. Bild 10).

Bild 10: Zentrischer Zugversuch an Gesteinsstiften

Renken et al. (2009) zeigte im Forschungsprojekt 7.0209 die Tauglichkeit reiner Zugversuche an prismatischen Asphalt-Probekörpern bei definierter Ziehgeschwindigkeit (s. Bild 11).

Soll ein bereits genormtes Prüfverfahren angewendet werden, so bietet sich das in der DIN EN 12697-41 beschriebene Verfahren zur Überprüfung des Widerstandes gegenüber chemischer Auftaumittel an (s. Bild 12). Das Prüfequipment ist in vielen Laboratorien vorhanden und erfüllt einige wichtige Voraussetzungen für die Versuchsdurchführung, nämlich die Realisierung eines reinen Zugbruches, eine einfache Probekörperherstellung und verhältnismäßig einfache Konditionierung der Asphalt-Probekörper. Am ISBS werden weitere Studienarbeiten durchgeführt, um die Versuchsbedingungen zu optimieren.

Bild 11: Zentrischer Zugversuch am prismatischen Asphalt-Probekörper

DIN EN 12697- 41:
Verfahren zur Prüfung des Widerstandes gegenüber chemischer Auftaumittel

Bild 12: Zentrischer Zugversuch am zylindrischen Asphalt-Probekörper nach DIN EN 12697-41

6 Zusammenfassung

Die Mechanismen der Adhäsion/Wasserempfindlichkeit sind sehr komplex. Es existiert eine Reihe von Prüfverfahren zur Bestimmung einzelner Ursachen, z. B. der chemischen Wechselwirkungen, der Oberflächenspannungen und der hydrophoben Eigenschaften. Hierbei handelt es sich sicherlich um objektive Messgrößen.

Für den Asphalttechnologen sind aber Untersuchungen an verdichteten Asphaltgemischen nötig, bei denen realistische Beanspruchungen nachgebildet werden.

Werden Zugversuche durchgeführt, die Hohlraumverhältnisse des Asphalt-Probekörpers, die Temperatur und die Art des beanspruchenden Mediums systematisch variiert und die Art der physikalischen Beanspruchung und die Änderung der Asphalteigenschaften aufgrund der Alterung berücksichtigt, dann kann man durchaus von Versuchen sprechen, die zur Gewinnung objektiver Bewertungskriterien geeignet sind.

7 Literaturverzeichnis

Arand, W.; Renken, P. (1991): Auswahl und Optimierung einer Methodik zur Prüfung des Haftverhaltens zwischen Bindemitteln und Mineralstoffen. Schlussbericht, Forschungsprojekt 7.133 G87 E i.A. des Bundesministeriums für Verkehr. Technische Universität Braunschweig, Institut für Straßenwesen (ISBS), Braunschweig

CEN/TC 227/TC336 (2009): Activity Report of the CEN ad-hoc Group „Adhesion/Durability“ Results of the Work of CEN Ad-hoc Group “Adhesion/Durability” and the Industr ad-hoc Group “Adhesion”. Final version

Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen 2008: Technische Prüfvorschriften für Gesteinskörnungen im Straßenbau (TP Gestein-StB Teil 6.6.3), Köln, FGSV 610

Grönniger, J.; Wistuba, M.; Renken, P. (2010): Adhesion in bitumen-aggregate systems – new technique for automated interpretation of Rolling Bottle Tests. Int. Journal of Road Materials and Pavement Design, Vol. 11, No. 4/2010, Lavoisier, Paris

Hefer, A.; Little, D. (2005): Adhesion in Bitumen-Aggregate Systems and Quantification of the effect of Water on the Adhesive Bond. Schlussbericht, Report No. 505-1. Hrsg.: Texas Transportation Institute, College Station, Texas

Hirsch, V.; Friemel-Göttlich, B. (2008): Bestimmung des adhäsiven Potentials von Bitumen und Gesteinsoberflächen mit Hilfe der Kontaktwinkelmessmethode. Schlussbericht, Projekt 3604001. Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt), Bergisch Gladbach

Jeon, Y.W.; Curtis, W.C. (1990): A literature review of the adsorption of asphalt functionalities and aggregate surface. Report SHRP-A/IR-90-014. Strategic Highway Research Program

Masad, E.; Tashman, L.; Little, D.N.; Zbib, H. (2004): Viscoplastic modeling of asphalt mixes with the effects of anisotropy, damage and aggregate characteristics. Submitted to the Journal of Mechanics of Materials

Mulsow, Ch.; Marschke, L. (2011): Multidirektionale Reflexionsanalyse zur Bestimmung des Umhüllungsgrades von bitumenumhüllten Gesteinskörpern. Straße und Autobahn, Heft 7, S. 465–469

Renken, P.; Wistuba, M.; Grönniger, J.; Schindler, K. (2009): Adhäsion von Bitumen am Gestein – Verfahren der quantitativen Bestimmung auf Grundlage der Europäischen Norm. Schlussbericht, Forschungsprojekt 7.0209/2005/EGB des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Technische Universität Braunschweig, Institut für Straßenwesen (ISBS), Braunschweig

Zehrt, C. (2010): Mechanismen der Adhäsion von Bitumen am Gestein – Möglichkeiten der prüftechnischen Ansprache. Diplomarbeit, Technische Universität Braunschweig, Institut für Straßenwesen (ISBS), Braunschweig