FGSV-Nr. FGSV A 41
Ort Düsseldorf
Datum 14.05.2013
Titel Haftverhalten zwischen Bitumen und Gestein – Neue Verfahren zur Beurteilung
Autoren Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. tech. Michael P. Wistuba
Kategorien Asphaltstraßen
Einleitung

Bei Straßenbauasphalten ist das Haftverhalten, also die dauerhafte Klebewirkung zwischen Gestein und Bitumen bzw. Mastix, eine wesentliche Gebrauchseigenschaft. Zur Zeit sind zielsichere Anforderungen an die Hafteigenschaften in Straßenbauasphalten weder im nationalen Regelwerk noch in der Europäischen Norm enthalten. Es fehlt trotz einer Vielzahl an vorhandenen Testmethoden ein umfassend anerkanntes Prüfverfahren, das präzise die Hafteigenschaften zwischen Bindemittel und Gestein anspricht und anhand eines physikalischen Parameters zum Ausdruck bringt. Das Institut für Straßenwesen der TU Braunschweig (ISBS) führte umfangreiche Vergleichsuntersuchungen an bekannten Prüfverfahren durch, mit dem Ziel, diese hinsichtlich ihrer Praxisadäquatheit und Aussagekraft zu beurteilen. In Anlehnung an den in Deutschland bekannten Spaltzugfestigkeitsabfall nach Wasserlagerung wurde dabei der am ISBS entwickelte Zugversuch an prismenförmigen Asphaltprobekörpern vergleichsweise mit betrachtet. Ausgehend von diesen Untersuchungen wurde ein neuer Versuchstyp entwickelt, bei dem die Zugfestigkeit eines bitumenverklebten Gesteinsstiftes vor und nach Wasserlagerung analysiert wird. Dieser Versuchstyp wird im Beitrag vorgestellt. Angestrebtes Ergebnis ist es, mit Hilfe des neuen Versuchstyps Kenngrößen ableiten zu können, mit deren Hilfe die Hafteigenschaften zwischen Gestein und Bitumen eindeutig, ausreichend präzise und laborökonomisch nachweisbar sind. Dieser Bericht gibt einen Überblick zu den gewählten Ansätzen und zum Stand der Untersuchungen. Obwohl die Entwicklung dieses Versuchstyps noch nicht abgeschlossen ist, zeichnen sich schon jetzt Vor- und Nachteile ab. Diese sind ebenso in diesem Beitrag wiedergegeben.

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1 Grundlagen

1.1 Haftverhalten Bitumen-Gestein (Adhäsion)

Das Haftverhalten im Asphalt ist bestimmt durch die wechselseitige, molekulare Anziehung (Adhäsion; lat. adhaerere für „anhaften“) zwischen Bitumen und Gestein infolge mechanischer, chemischer, physikalischer und thermodynamischer Bindungen. Folgende Adhäsionstheorien sind weit verbreitet (vgl. Hefer, 2004; Gragger, 1971; Bierhalter, 1971).

Die mechanische Adhäsion ist eine Verzahnung des Bitumenfilms in den Unebenheiten der Gesteinsoberfläche – vergleichbar mit einem Gecko, der mit den Flimmerhärchen an seinen Füßen in der Oberflächenstruktur von Wänden (unter zusätzlicher Ausnutzung von Van-der-Waals-Kräften) Halt findet. Eine raue, unregelmäßige Gesteinsoberfläche bewirkt eine bessere mechanische Adhäsion als eine glatte. Mittels elektronenmikroskopischer Techniken wie die Tieftemperatur Environmental Scanning Electron Microscopy (cryo-ESEM), bei der bitumenummantelte Gesteinskörner bei der Temperatur von flüssigem Stickstoff (@ 196°C gefroren und dann gespalten werden, kann der Bruch in der Grenzfläche zwischen Bitumen und Gestein somit die mechanische Verzahnung sichtbar gemacht werden (Bild 1).

Bild 1: Grenzfläche zwischen Bitumen und Gestein bei 8.000-facher Vergrößerung (links) und bei 10.000-facher Vergrößerung (rechts) (Quellen: TU Wien; siehe Wistuba & Grothe, 2010)

Chemische Adhäsion bezeichnet die Ausbildung von kovalenten, chemischen Bindungen, wie sie etwa in einem handelsüblichen Klebstoff vorkommen. Basische Gesteine erzeugen eine bessere chemische Bindung als saure Gesteine.

Die physikalische Adhäsion beruht auf elektrostatischen Bindungen. Die Polarität der beiden Phasen, also Ladung und Orientierung der Bitumen- und Gesteinsmoleküle und die Ausbildung von Dipolen an der Grenzfläche, bestimmt die Haftverhalten – vergleichbar mit der Wirkung eines Klebebands.

Nach der Theorie der thermodynamischen Adhäsion wird das Haftverhalten bestimmt durch unterschiedliche Oberflächenenergien von Bitumen und Gestein als Auslöser von thermodynamischen Ausgleichsprozessen.

Nach der Theorie der molekularen Orientierung streben die oberflächennahen Moleküle von basischen Gesteinen und sauren Bitumen einen ausgeglichenen Zustand an. Je saurer das Bitumen ist, beziehungsweise je größer der die sauren Eigenschaften des Bitumens hervorrufende Schwefelgehalt ist, umso größer ist das Bestreben nach einem ausgeglichenen Zustand, welches zu einem besseren Adhäsionsverhalten führt.

Das Bestreben von Bitumen und Gestein an der Grenzfläche eine dauerhafte Bindung einzugehen (Affinität) wird nebeneinander von all diesen Adhäsionsanteilen bestimmt und hängt maßgeblich von der Temperatur, der Zusammensetzung und den Eigenschaften der Komponenten ab. Beim Bitumen spielen unter anderem Provenienz, chemische Zusammensetzung, Oberflächenspannung, Viskosität und Alterungsverhalten eine wesentliche Rolle, beim Gestein unter anderem Mineralogie, chemische Zusammensetzung, Oberflächenrauigkeit und Porosität. Die Anwesenheit von Wasser verändert die Adhäsionskräfte maßgeblich. Einfluss haben unter anderem Oberflächenspannung, Polarität und pH-Wert. Gelöste Salze bestimmen das Benetzungsvermögen der Komponenten und damit die Unterwanderungsgeschwindigkeit, gelöste Gase (Sauerstoff und Kohlendioxid) das Oxidationsvermögen bzw. den pH-Wert (vgl. unter anderem Bhasin & Little (2007); Airey et al. (2007); Labib et al. (2007); Hefer et al. (2007); Majidzadeh & Brovold (1968); Thelen (1958); Riedel (1934); Wistuba & Grothe (2010)).

Die am ISBS vorliegenden Erfahrungen zur Ansprache des Haftverhaltens (mit unterschiedlichen Prüfverfahren) lassen vermuten, dass bei den heute im Asphaltstraßenbau üblichen Gesteins-Bitumen-Kombinationen die mechanisch-physikalische Verbundwirkung dominant ist.

1.2 Haftversagen

Bei mangelndem Haftvermögen im verdichteten Asphaltmischgut löst sich der Bitumenfilm vom Gestein, was eine voranschreitende Schwächung des Gefüges bedeutet und sich an der Straßenoberfläche beispielsweise in Form von Ausmagerung, Mörtelverlust, Kornausbruch, Oberflächenrissen und Schlaglöchern zeigt.

Das Haftvermögen wird im Asphalt besonders bei Einwirkung von Wasser herabgesetzt. Obwohl die Fahrbahnoberfläche im gut erhaltenen Zustand als weitgehend dicht angesehen werden kann, gelangt Wasser in den Straßenoberbau, sei es als Niederschlagswasser über Bankett, Deckenränder, Risse bzw. Fugen oder durch Einpressen bei Radüberrollung, oder es ist im Oberbau vorhanden als Kapillar- und Porenwasser oder Kondensationswasser nach Abkühlung der eingeschlossenen Luft.

Im Wasser sind Salze und Gase gelöst, die an der Grenzfläche Bitumen-Gestein chemische Reaktionen auslösen und die Bindung anlösen können. Dadurch tritt Wasser in die Grenzschicht ein und unterwandert und löst dadurch den kornumhüllenden Bitumenfilm (engl. „stripping“). Darüber hinaus können Wassermoleküle auch durch einen intakten, geschlossenen Bitumenfilm hindurch diffundieren, sodass die Ablösung folglich von innen heraus stattfinden kann (vgl. Wilhelmi & Schulze, 1955).

Gängige Versagenstheorien zur Beschreibung des Adhäsionsversagens sind (siehe Güsfeldt, (1978); Neumann, (1971); Fluss, (1970); Zenke, (1980); Wistuba & Grothe, (2010)) die Verdrängungs-, die Unterwanderungs-, die Porendruck- und die Filmbruchtheorie. Die Verdrängungstheorie beschreibt den allmählichen Ersatz von Bitumen durch Wasser durch unterschiedliche Grenzflächenspannungen. Nach der Unterwanderungstheorie unterwandern Wassermoleküle den kornumhüllenden Bitumenfilm lösen so die Bindung. Die Porendrucktheorie macht Druckspannungen zufolge Verkehrslast und Temperaturänderungen dafür verantwortlich, dass es in den Poren des Asphaltmischguts zu hohen Kapillardrücken und folglich zur mechanischen Ablösung des Bitumenfilms kommt. Ähnliche Ursachen sind die Filmbruchtheorie, der zu Folge die Druckspannungen an den Gesteinskanten einen Bruch des Bindemittelfilms verursachen, insbesondere bei dünnen Bindemittelfilmen und nach Zusammenziehen des Bindemittelfilms bei niedrigen Temperaturen. 

2 Laborprüfverfahren

2.1 Vergleichsuntersuchungen an bekannten Verfahren

Cirka 150 Laborverfahren zur Prüfung des Haftverhaltens wurden bisher zum Zweck der Materialauswahl, der Produktionskontrolle und der Prognose des Gebrauchsverhaltens entwickelt (Renken, 2003). Darunter sind einfache, empirische Tests, als auch aufwändige fundamentale Tests. Oft wird dabei ein „praktisches“ Haftvermögen bestimmt, das zusammenfassend sowohl die echte Adhäsion an der Grenzfläche, als auch die mechanische Antwort der Umgebung inklusive der Bindungskräfte innerhalb des Materials (Kohäsion) beschreibt. Eine Kategorisierung der Laborprüfverfahren kann erfolgen hinsichtlich, (Renken, (1992))

– der Art des Prüfguts: lose bitumenumhüllte Einzelkörner oder verdichtete Probekörper aus Bitumen-Füller-Mastix oder Asphalt meist in Form von Marshall-Körpern; daneben existieren Prüfverfahren, bei denen die Komponenten vor der Prüfung speziell präpariert werden, etwa zur Messung der Grenzflächenspannung, der Immersionswärme oder des Randwinkels;

– der Art der Beanspruchung: statische, dynamische oder mechanisch-dynamische Wasserlagerung;

– und der Messgröße: z. B. Farbabsorption, Reflektion von Licht oder Ultraschall, Bitumenablösung, mechanische Kennwerte.

Die Europäische Asphaltprüfnorm EN 12697 mit den Teilen 11 und 12 beschreibt Verfahren zur Beurteilung der Adhäsion am Einzelkorn und im Asphalt. Im Teil 11 sind für die Prüfung am Einzelkorn das Flaschenrollverfahren (Rolling-Bottle-Test) und die Wasserlagerung zur Prüfung der Bindemittelablösung standardisiert. Nach der DIN EN 12697-12 wird die Wasserempfindlichkeit am verdichteten Asphaltkörper anhand der Änderung der Spaltzugfestigkeit trockener gegenüber nass gelagerter Marshall-Probekörper beurteilt.

Trotz dieser genormten Verfahren besteht heute ein Mangel in der Prüftechnik zur Ansprache des Haftverhaltens Bitumen-Gestein. Vielen bekannten Prüfmethoden fehlt es an Aussagekraft, Objektivität bei der Ergebnisinterpretation, Korrelation zur Praxis und/oder Differenzierung der das Haftverhalten beeinflussenden Faktoren. Weder sind präzise Anforderungen an die Hafteigenschaften definiert, noch können mechanische, physikalische und chemische Adhäsion zwischen Gestein und Bitumen gezielt angesprochen werden. Eine allgemein anerkannte Prüfmethode gibt es nicht, wie auch in einer Stellungnahme der Europäischen Expertengruppe CEN ad-hoc Gruppe „Adhesion/Durability“ festgehalten wurde (CEN, 2009).

Am ISBS wurden die „europäischen“ Prüfverfahren zur Analyse der Hafteigenschaften von unterschiedlichen Bitumen-Gesteins-Kombinationen eingesetzt und hinsichtlich ihrer Aussagekraft und Eignung getestet, darunter

– das Flaschenrollverfahren (Rolling-Bottle-Test) gemäß EN 12697-11 (zusätzlich mit digitaler Bildauswertung (vgl. Grönniger, 2008)),

– die statische Wasserlagerung gemäß ÖNORM B 3682,

– der Schüttelabrieb an zylindrischen Probekörpern aus Sandasphalt gemäß deutscher Prüfvorschrift TP Gestein-StB, Teil 6.6.3,

– die Spaltzugfestigkeitsänderung nach Wasserlagerung gemäß EN 12697-12,

– und die Zugfestigkeitsänderung nach Wasserlagerung.

Die Zugfestigkeitsänderung nach Wasserlagerung ist ein am ISBS entwickeltes Verfahren. Bei der Zugfestigkeitsprüfung handelt es sich um einen einaxialen zentrischen Zugversuch, der an prismenförmigen Probekörpern aus walzsektorverdichteten Asphalt-Probeplatten durchgeführt wird. Für jede untersuchte Variante werden sechs Probekörper hergestellt. Drei der präparierten Probekörper werden bis zur Zugprüfung spannungsfrei bei Raumtemperatur gelagert (trockene Gruppe). Die restlichen drei Probekörper werden mit Wasser gesättigt und bei einer Temperatur von 15 °C in Wasser spannungsfrei gelagert (nasse Gruppe). Die Prismen werden bei einer Ziehgeschwindigkeit von 1,5 mm/min und konstanter Temperatur von 15 °C auf Zug belastet, bis Bruchversagen eintritt. Anhand der mittleren Zugfestigkeiten der trockenen und nassen Gruppe kann der Verhältniswert der Zugfestigkeiten vor und nach Wasserlagerung berechnet werden (Bild 2).

Bild 2: Probekörper für den zentrischen Zugversuch (mit angeklebten Adaptern)

Letztlich zeigten aber alle diese untersuchten Verfahren Nachteile in Bezug auf Aussagekraft, Differenzierung der Ergebnisse und Prüfaufwand (vgl. Wistuba et al., 2012). Bemerkenswert ist, dass in Einzelfällen auch Zugfestigkeitsanstiege anstatt Festigkeitsabnahmen nach Wasserlagerung festgestellt wurden.

Bisher nicht in die Vergleichsuntersuchungen des ISBS einbezogen wurden die sicherlich verfolgenswerten Ansätze mit dem Bitumen Bond Strength Test (Canestrari et al., 2010; Moraes et al., 2011) und dem Modified Dynamic Shear Rheometer (DSR) Strain Sweep Test (Moraes et al., 2011). Stattdessen wurde zur praxisnahen Ansprache des Haftverhaltens an der Grenzfläche Bitumen-Gestein ein neu entwickelter Ansatz mit einem bitumenverklebten Gesteinsstift entwickelt und erprobt – siehe unten.

Die Bundesanstalt für Straßenwesen hat zwei Forschungsaufträge an den Lehrstuhl für Verkehrswegebau der Ruhr Universität Bochum vergeben (FE 07.0254/2011/ERB: Kriterien für die Dauerhaftigkeit von Asphaltschichten – Untersuchungen zur Ansprache des Haftverhaltens; FE 07.0254/2011/ERB: Weiterführende Untersuchungen zur Beurteilung des Adhäsionsverhaltens zwischen Bitumen und Gestein). Hier erfolgen unter anderem Untersuchungen zum Stripping Test im Spurbildungsgerät, Schüttelabrieb an Asphaltproben und zum zentrischen Zugversuch an Asphaltproben.

2.2 Neuer Versuchstyp: Zugversuch an bitumenverklebten Gesteinsstiften

Der am ISBS neu entwickelte Versuchstyp basiert auf einem bitumenverklebten Gesteinsstift, der jeweils einem zentrischen Zugversuch vor und nach Wasserlagerung unterzogen wird. Vorgehensweise zur Probekörperpräparation, Versuchsdurchführung und Auswertung sind nachfolgend erläutert.

2.2.1 Herstellung und Konditionierung der Probekörper

Die Gewinnung der Gesteinsstifte erfolgt durch Herausbohren aus einem massivem Gesteinsblock mittels einer entsprechenden Bohrkrone (ø 13 mm). Hierbei wird auf eine ausreichende Fixierung des Gesteinsblocks und die möglichst waagerechte Ausrichtung der Oberfläche des Gesteinsblocks zur Bohrkrone geachtet. Die Vorschubgeschwindigkeit der Bohrkrone wird an die Beschaffenheit des Gesteins angepasst: An Gesteinsarten mit gleichmäßiger Struktur (Granitporhyr) lassen sich höhere Vorschubgeschwindigkeiten als an Gesteinen mit unregelmäßiger Struktur (dolomitischer Kalkstein) realisieren.

Als ausreichend haben sich Gesteinsstiftlängen zwischen 6 bis 10 cm herausgestellt. Nachdem die (ungebrochenen) Gesteinsstifte aus dem Gesteinsblock gewonnen wurden, werden die seitlichen Enden der Stifte nachbearbeitet. Durch die unregelmäßige Oberflächenstruktur der Gesteinsbrocken ergeben sich unterschiedlich geneigte Stirnflächen der Gesteinsstifte. Deshalb werden im Anschluss diese Stirnflächen mittels einer feinen Gesteinssäge möglichst planparallel geschnitten und geschliffen (Bild 3).

Die Herstellung der Bruchfläche erfolgt durch kontrolliertes Brechen mittels einer Presse (Bild 4). Hierbei wird der ungebrochene Gesteinsstift mittig über eine in der Unterlage befindliche Vertiefung gelegt und von oben durch einen gelenkig gelagerten Lasteinleitungsstreifen bis zum Bruch belastet. Die Belastung wird geregelt mit einer Vorschubgeschwindigkeit von 50 mm/min aufgebracht. In Einzelfällen kann es durch eine unregelmäßige Gesteinsstruktur zur Entstehung zu stark geneigter Bruchflächen kommen – dann ist dieser Gesteinsstift zu verwerfen.

Die Verklebung der Gesteinsstifte erfolgt ohne eine separate Erwärmung des Bitumens. Zunächst werden die beiden Bruchflächen eines Gesteinsstiftes mittels einer Heißluftpistole auf ca. 120 °C für 1 min erwärmt (Bild 5). Dies geschieht unter ständiger Bewegung der Bruchflächen im Heißluftstrom, um eine homogene Erwärmung sicherzustellen. Zum Aufbringen eines Bitumenfilms auf die erwärmten Bruchflächen werden diese direkt nach der Erwärmung im Heißluftstrom in das Bindemittel für maximal 1 min eingetaucht bzw. eingedrückt und durch Vierteldrehung der Gesteinsstifthälften eine ausreichende Benetzung der beiden Bruchflächen erreicht. Dieser Vorgang erfolgt bei Raumtemperatur. Sind beide Bruchflächen vollständig mit Bitumen benetzt, werden diese zusammengepresst und mittels einer Schraubzwinge für einen Zeitraum von 6 Stunden fixiert.

Bild 3: Gewinnung und Präparation von Gesteinsstiften

Bild 4: Brechen des Gesteinsstiftes zur Erzeugung einer Bruchfläche

Bild 5: Verkleben der beiden Hälften des gebrochenen Gesteinsstifts

Zum Einbau des bitumenverklebten Gesteinsstiftes in die Prüfeinrichtung ist dieser mit einem geeigneten Adapter zu versehen, der mittels eines Zwei-Komponentenklebers an die Stirnseiten des bitumenverklebten Gesteinsstiftes befestigt wird. Während der Aushärtungszeit des Zwei-Komponentenklebers werden die Gesteinsstifte liegend auf einer ebenen und antihaftenden Unterlage gelagert. Nach einer Aushärtungszeit von mindestens 6 Stunden können die Wasserkonditionierung und die anschließende Zugprüfung erfolgen.

Die bitumenverklebten Gesteinsstifte werden in zwei Prüfgruppen getrennt. Die „nasse Prüfgruppe“ wird zur Konditionierung für eine definierte Dauer im temperierten Wasserbad gelagert, während die „trockene Prüfgruppe“ mit derselben Dauer liegend in einer temperierten Wärmekammer aufbewahrt wird.

2.2.2 Prüfung des Haftverhaltens im direkten Zugfestigkeit

Zur Bestimmung der direkten Zugfestigkeit nach Wasserlagerung werden die präparierten Gesteinsstifte (mindestens drei der trockenen und drei der nassen Prüfgruppe) unmittelbar nacheinander auf Zug beansprucht. Dazu wird je ein Gesteinsstift in die Prüfvorrichtung eingespannt und mit einer konstanten Zuggeschwindigkeit von 1,5 mm/min zentrisch bis zum Erreichen der Höchstkraft auseinander gezogen. Der Weg- und Kraftverlauf werden dabei elektronisch aufgezeichnet (Bild 6). Die Höchstkraft wird hier als Maximum des Kraftverlaufs definiert, das sich nach Abfall der Kraft um mindestens 30 % ergibt. Die Zugfestigkeit βz wird ermittelt aus der Höchstkraft F [N] und der (Horizontalprojektion der) Querschnittsfläche des Probekörpers A [mm²].

Durch die Herstellung einer natürlichen Bruchfläche am Gesteinsstift ist eine exakte Flächenbestimmung aufgrund der von Stift zu Stift unterschiedlich ausgeprägten Bruchfläche nicht ohne Weiteres möglich. Eine exakte Flächenbestimmung wäre beispielsweise mittels Gasadsorption (BET-Methode) realisierbar. Bisher wurde eine einheitliche Bruchfläche (AE) für alle Probekörper angesetzt, abhängig vom Innendurchmesser der Bohrkrone (hier 13 mm).

Analog zum europäisch genormten Versuch „Spaltzugfestigkeitsänderung nach Wasserlagerung“ (gemäß EN 12697-12) wird aus der durchschnittlichen direkten Zugfestigkeit der nassen Probengruppe βz,n [kPa] und aus der durchschnittlichen direkten Zugfestigkeit der trockenen Probengruppe βz,tr [kPa] das Verhältnis der verbleibenden Zugfestigkeit nach Wasserlagerung βZ,R [%] bestimmt.

Bild 6: Einaxialer statischer Zugversuch am bitumenverklebten Gesteinsstift

3 Zusammenfassung

Genormte Prüfverfahren zur Beurteilung des Haftverhaltens genügen nicht. Im Laborversuch muss der Einfluss von Wasser berücksichtigt werden. Während absolute Spannungsniveaus im trockenen und nassen Zustand als wenig geeignete Kennwerte beurteilt werden, die zu einer falschen Beurteilung des Haftverhaltens führen können, wird die verbleibende Zugfestigkeit nach Wasserlagerung als ein geeigneter Kennwert angesehen und sollte weiter verfolgt werden. Die Hafteigenschaft von Gestein unterliegt einer natürlichen Schwankung, die im Laborversuch erfasst und zahlenmäßig angegeben werden sollte.

Am Institut für Straßenwesen der TU Braunschweig wurden zwei neue Laborprüfverfahren entwickelt und erprobt: die direkte Zugprüfung an prismenförmigen Asphaltprobekörpern (wird zur Zeit nicht weiter verfolgt) und die direkte Zugprüfung an bitumenverklebten Gesteinsstiften.

Der prüftechnische Ansatz in Form eines Zugversuches an bitumenverklebten Gesteinsstiften wird anhand der hier erzielten Ergebnisse als geeignet zur Ansprache des bitumen- und gesteinsspezifischen Haftverhaltens angesehen. Die Vorgehensweise bietet den Vorteil, dass das Haftverhalten direkt an der Grenzfläche Bitumen-Gestein unter einem (relativ) definierten Spannungszustand angesprochen wird. Die visuelle Begutachtung der Bruchfläche lässt eine qualitative Aussage zu.

Der Nachteil des Zugversuches an bitumenverklebten Gesteinsstiften besteht darin, dass a priori keine Unterscheidung von Ko- und Adhäsionsversagen möglich ist. Außerdem ist die Ansprache bei Gesteinsarten mit geringen Zugfestigkeiten problematisch. Eine systematische Untersuchung zur Verfahrenspräzision (Wiederhol- und Vergleichbarkeit) liegt noch nicht vor.

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