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1 Einleitung
„Chemie bringt nichts!“ ist eine Bemerkung, die gelegentlich im Zusammenhang mit der Bewertung und der normativen Beschreibung von Bitumen geäußert wird. Tatsächlich erfolgt im Rahmen der europäischen Normung die Spezifizierung von Bitumen ausschließlich mit Hilfe von physikalischen Prüfverfahren. In der Frühzeit des Asphaltstraßenbaus wurden dagegen chemische Inhaltsstoffe, wie z. B. Schwefel, Paraffin, unlösliche organische Stoffe sowie Kennzahlen, wie die Verseifungs- und Säurezahl bestimmt [1]. Chemische Kenngrößen haben im Rahmen der europäischen Bitumen-Normung keine Bedeutung, da die Spezifizierung auf der Basis performance-orientierter Prüfverfahren erfolgen soll. Die Wirkung des Baustoffs Bitumen und dessen Beitrag zur Beständigkeit und Zuverlässigkeit des Bauwerks Asphaltstraße gilt es prüftechnisch anzusprechen und quantitativ zu spezifizieren. Dennoch ist für das Verständnis der physikalischen Eigenschaften von Bitumen, die Kenntnis der zugrundeliegenden chemischen Prozesse und Einflüsse sehr nützlich. So wird die Haltbarkeit von Asphaltbelägen maßgeblich durch die oxidative Alterung von Bitumen im Asphalt bestimmt und ist somit ein chemisch kontrollierter Prozess. Ähnliches gilt für die Haftung von Bitumen am Gestein, bei dem neben rheologischen und gesteinsmorphologischen Aspekten die physikalisch-chemischen Wechselwirkungen bestimmend sind, wie die Wirkung von haftverbessernden Additiven deutlich macht.
Die chemische Zusammensetzung von Bitumen ist keine konstante Größe, sondern durch mehrere Faktoren bestimmt:
1. Bitumen ist ein Erdölprodukt und ist nach den heutigen Erkenntnissen durch chemische Konversion von abgestorbenen tierischen und pflanzlichen Meereslebewesen unter hohem Druck, erhöhter Temperatur und unter Luftabschluss erfolgt. Der ursprünglich vorliegende biochemische Cocktail wurde unter Bedingungen in einfachere chemische Verbindungen umgewandelt. Trotz der „Vereinfachung“ weist Erdöl eine große strukturelle Vielfalt an chemischen Strukturen auf, die eine analytische Beschreibung des Stoffgemisches erheblich erschweren.
2. Das geförderte Erdöl wird in einer Raffinerie durch eine Reihe von Destillationsschritten in verschiedene Fraktionen getrennt. Üblicherweise entspricht Straßenbaubitumen dem Destillationsrückstand und enthält somit äußerst schwerflüchtige Verbindungen. Weitere Bitumenvarianten erfordern die Umsetzung in chemischen Reaktoren.
3. Ein Teil des produzierten Bitumens wird durch Zugabe von speziellen Additiven und Polymeren modifiziert, um physikalische Eigenschaften in erwünschter Weise zu beeinflussen. Die Kenntnis der chemischen Eigenschaften der Komponenten ist notwendig, um Wechselwirkungen zwischen Komponenten untereinander abschätzen zu können und negative Folgen zu vermeiden.
Trotz der komplexen chemischen Zusammensetzung von Bitumen bietet die instrumentelle analytische Chemie eine Reihe von geeigneten Untersuchungsmöglichkeiten. Grundsätzlich müssen die Verfahren folgendes leisten:
1. Das Stoffgemisch Bitumen muss nach sinnvollen und aussagekräftigen Kriterien getrennt werden.
2. Die getrennten Stoffe bzw. isolierten Stoffgruppen müssen möglichst quantitativ bestimmt werden können.
2 Analysenmethoden
2.1 Asphaltengehalt
2.1.1 Asphaltengehalt
Eine häufig angewendete Untersuchungsmethode, die mit einfachen Laborgeräten durchgeführt werden kann, ist die Bestimmung des Asphaltengehaltes. Die Bestimmung dieser wichtigen Bitumenstoffgruppe ist in der DIN 51595 [3] und in einer ASTM-Norm [4] beschrieben:
Eine vorgegebene Masse an Bitumen wird in n-Heptan bei Siedetemperatur gelöst. Nach dem Abkühlen der Lösung wird der nichtgelöste Anteil filtriert und nach dem Trocknen gewogen. Die Masse des Trockenrückstandes entspricht dem Asphaltengehalt und dieser liegt in den üblicherweise im Asphaltstraßenbau verwendeten Bitumensorten zwischen etwa 15 bis 25 M.-%.
Heptan-unlösliche Asphaltene sind schwarz gefärbt und lassen sich mit Hilfe eines Mörsers zu einem feinen Pulver vermahlen. Pentan-unlösliche Asphaltene besitzen dagegen eine Braunfärbung.
2.1.2 Asphaltenstatus
Der Asphaltengehalt bestimmt maßgeblich die physikalischen Eigenschaften von Bitumen. Deshalb führte Zenke in den 1980er Jahren den „Asphaltenstatus“ ein, um diese wichtige Stoffgruppe noch weiter zu differenzieren [5].
Zwei organische Stoffe sind nur unter bestimmten Voraussetzungen mischbar. So sind Asphaltene (A) in einem organischen Lösemittel (B) nur dann molekulardispers, homogen und beständig mischbar, wenn die molekularen Wechselwirkungskräfte zwischen AB genauso groß sind, wie zwischen AA und BB. Zur Beschreibung dieser zwischenmolekularen Wechselwirkungen wird der sogenannte eindimensionale Hildebrand’sche Löslichkeitparameter δ0 verwendet. Für die Bestimmung des Asphaltenstatus werden Cyclohexan/Iso-Octan-Mischungen im Verhältnis 1:1 und 2:8 und reines Iso-Octan verwendet. Diese Lösemittel(mischungen) entsprechen den Hildebrand’schen Löslichkeitsparameter δ0 = 15,7 14,8 und 14,0. Cyclohexan hat eine „Asphalten-lösende“ Funktion und Iso-Octan dagegen eine „fällende“ Wirkung. Aus den bei verschiedenen Hildebrand-Faktoren bestimmten Ausbeuten an unlöslichen Rückständen lassen sich die jeweiligen Anteile an leichtlöslichen, mittelschwerlöslichen und schwerlöslichen Asphaltenen berechnen. (Bild 1)
Bild 1: Asphaltenstatus nach Zenke
Zenke konnte in umfangreichen Untersuchungen von Asphaltproben belegen, dass der Asphaltenstatus durchaus von praktischer Bedeutung ist. In dem im Bild 2 dargestellten Diagramm ist der Asphaltenstatus von Bitumenproben, die aus Asphaltproben entnommen wurden, ersichtlich. Die rot markierten Punkte stammen von Asphaltproben, bei denen eine starke Rissbildung beobachtet wurde. Es wird deutlich, dass in diesen Fällen die Gehalte an schwerlöslichen Asphaltenen recht hoch sind. Das Verfahren liefert interessante Ergebnisse, ist aber zeitaufwändig und erfordert nicht automatisierbare Arbeitsschritte.
Bild 2: Asphaltenstatus und Rissbildung
2.2 Chromatographische Methoden
2.2.1 Säulenchromatographie
Im Bild 3 sind die Schritte einer Bitumenanalyse schematisch dargestellt. Durch Fällung werden die Asphaltene abgetrennt und gravimetrisch bestimmt. Im Filtrat befinden sich aber noch heptan-lösliche Bestandteile des Bitumens die sogenannten Maltene, die mit Hilfe chromatographischer Verfahren analysiert werden können. Die Maltene können mit Hilfe der Säulenchromatographie in Aliphaten, Aromaten und Polare Verbindungen getrennt werden.
Bild 3: Prinzip einer Bitumenanalyse
Die Methode der Säulenchromatographie ist schon relativ lange bekannt und einfach durchführbar [6]. Die Apparatur besteht aus einer Glassäule, die mit einem feinkörnigen adsorbierenden Feststoff, wie Kieselgel oder Aluminiumoxid gefüllt ist. Die isolierten Maltene werden am Kopf der Säule aufkonzentriert und dann durch aufeinanderfolgende Zugabe von Lösemitteln bzw. Lösemittelgemischen unterschiedlicher Polarität mobilisiert. Die mobilisierten Moleküle bleiben zeitweilig an der Festphase haften. Der Adsorptions- und Desorptionsvorgang wiederholt sich permanent. Abhängig von den Moleküleigenschaften, deren Polarität und Molmasse sind die Wechselwirkungen mit der Festphase jedoch unterschiedlich stark. Demzufolge dauert es unterschiedlich lange bis die jeweiligen Molekülgruppen die chromatographische Trennsäule durchlaufen haben. Die Fraktionen der Stoffgruppen werden aufgefangen und das Lösemittel/Lösemittelgemisch durch Destillation entfernt. Die Massen voneinander getrennten charakteristischen Stoffgruppen werden durch Wägung bestimmt.
Die isolierten Stoffgruppen besitzen charakteristische Eigenschaften. Aliphate sind fast wasserklar und niedrigviskos. Aromaten sind braun-gelb gefärbt, während polare Verbindungen eine dunkelbraune Farbe haben. Die polaren Verbindungen sind hochviskos und entsprechenden Erdölharzen.
Die isolierten Stoffgruppen können für weitere Experimente genutzt werden.
So lässt sich die Veränderung der rheologischen Eigenschaften eines Bitumens der Sorte 50/70 messen, wenn die jeweilige Konzentration durch Zugabe der zuvor aus dem gleichen Bitumen gewonnenen Stoffgruppe erhöht wird. Das Bild 4 zeigt die Nullscherviskosität in Abhängigkeit von der zugegebenen Masse. Mit zunehmendem Aliphatengehalt nimmt die Nullscherviskosität des Bitumens ab. Das gleiche gilt für die Aromatenzugabe. Die polaren Verbindungen erhöhen dagegen die Nullscherviskosität des Bitumens bereits erheblich. Ganz gravierend ist die Zunahme nach Zugabe von Asphaltenen. Asphaltene haben somit einen entscheidenden Einfluss auf die rheologischen Eigenschaften von Bitumen, da bereits geringe Massenänderungen die Viskosität verändern. Während alle anderen Stoffgruppen problemlos im Bitumen homogen verteilt werden können, kann der Asphaltengehalt nur bis zu einer bestimmten Grenze erhöht werden. Übersteigt der Gehalt diese Grenze, dann kommt es zu abrupten Änderungen der Materialeigenschaften. Dieses Ergebnis ist auch auf Asphaltbeläge übertragbar deren Gehalt an Asphaltenen infolge der oxidativen Alterung von Bitumen im Laufe der Zeit zunimmt.
Bild 4: Einfluss der Stoffgruppen auf die Nullscherviskosität eines Bitumens der Sorte 50/70
Die Glassäulenchromatographie, hat trotz ihrer unbestrittenen Vorteile auch Nachteile, wie z. B. der hohe Zeitaufwand und der hohe Verbrauch an Lösemitteln.
2.2.2 High Performance Liquid Chromatography (HPLC)
Für die Charakterisierung der Maltenanteile des Bitumens ist prinzipiell auch die Anwendung der HPLC-Methode möglich. Bei diesem automatisierbaren instrumentellen Verfahren wird über eine Injektoreinheit die Probe in einen Lösemittelstrom überführt. Durch die mit äußerst feinteiligem Adsorbermaterial gefüllte Trennsäule wird die Trennung in verschiedene Fraktionen ermöglicht. Der Nachweis erfolgt durch ständige Messung des austretenden Eluentenstroms mit Hilfe eines geeigneten Detektors. Die Vorteile der Methode sind, dass die Analysenzeit nur wenige Minuten beträgt und eine gute Trennleistung besteht. Dem stehen Nachteile gegenüber: Aliphaten können nicht detektiert werden und die Erdölharze können die Trennsäule leicht verstopfen. Die Gewinnung größerer Stoffgruppenmengen ist nur unter großem Aufwand möglich.
2.2.3 Gelpermeationschromatographie (GPC)
Die Ausstattung eines Gelpermeationschromatographen ist der einer HPLC durchaus ähnlich. Wesentliche Unterschiede bestehen in der Nutzung andersartiger Detektoren und in der Verwendung eines porösen Mikropartikelmaterials, das die Trennung der Bitumenbestandteile nach ihrer Molekülgröße ermöglicht.
Das Ergebnis einer gelpermeationschromatographischen Analyse von verschiedenen Bitumenkomponenten ist beispielhaft im Bild 5 abgebildet.
Bild 5: Molmassenverteilung der Bitumenkomponenten
2.2.4 Dünnschichtchromatographie mit Flammenionisationsdetektion (TLC-FID)
Bei diesem Verfahren handelt es sich quasi um die Umkehrung des Säulenprinzips: Man benutzt ein stabförmiges Trägermaterial, das mit der Adsorberschicht umhüllt ist. Die Bitumenprobe wird an einem Ende des Stabs (Rod) aufgetragen.
Danach wird der Stab in eine mit einem Lösemittel gefüllte Glaskammer überführt. Genauso wie im Fall der Säulenchromatographie werden die Bitumenbestandteile durch das Lösemittel mobilisiert und wandern mit dem Lösemittel nach oben. Als Ergebnis erhält man eine Auftrennung in die verschiedenen Bitumenstoffgruppen.
Zum Nachweis der getrennten Stoffgruppen wird der Stab langsam mit Hilfe einer Knallgasflamme gescannt. Durch die Flamme werden die organischen Bitumenbestandteile unter Bildung von geladenen Teilchen (Ionen) verbrannt. Die Ionen können über eine Sammelelektrode detektiert werden. Als Ergebnis erhält man ein klassisches Chromatogramm. Durch einfache Modifizierung des Verfahrens gelingt sogar der Nachweis von Paraffinen, die zur Viskositätserniedrigung von Asphalten als Additiv Verwendung finden [8].
2.2.5 Klassische Dünnschichtchromatographie (DC)
Ein weiteres chromatographisches Verfahren, das völlig zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist, ist die Dünnschicht-Chromatographie. Eine einfache Variante der Dünnschichtchromatographie wurde bereits vor vielen Jahren für die Untersuchung von Bitumen angewendet [1]. Werden winzige Bitumenmengen auf ein Filterpapier punktförmig aufgetragen und einige Tropfen eines Lösemittels aufgeträufelt, dann entstehen je nach Zustand des Bitumens unterschiedliche Muster auf dem Filterpapier (Bild 6).
Bild 6: Einfache „Tüpfelprobe“
Wegen der kurzen Analysendauer, des einfachen apparativen Aufbaus, des geringen Bedarfs an Probenmaterial und Chemikalien sowie der relativ hohen Trennleistung wird die Dünnschicht-Chromatographie zur Überwachung von Reaktionsverläufen und zur Reinheitskontrolle bevorzugt eingesetzt. In der Vergangenheit wurde diese Methode im Zusammenhang mit Straßenausbaustoffen ausschließlich zur Bestimmung von Steinkohlenteer angewendet [9, 10]
2.2.5.1 Eindimensionale Einfachentwicklung
Das in einem geeigneten Lösemittel gelöste Bitumen wird mit Hilfe einer Kapillare punkt- oder strichförmig ein feinkörniges Trägermaterial (stationäre Phase) aufgetragen, welches auf einer Glas- oder Aluminiumplatte fixiert ist (Bild 7). Die Platte wird getrocknet, um störende Lösemittelreste zu entfernen. Eine Glaskammer wird mit einem Lösemittel (mobile Phase) einige Millimeter hoch befüllt und mit einem Deckel verschlossen. Es bildet sich eine dampfgesättigte Atmosphäre aus. Die DC-Platte wird möglichst senkrecht in die Glaskammer gestellt und das Lösemittel beginnt infolge der Kapillarkräfte die Platte emporzusteigen (Bild 8).
Nach der Auftrennung der einzelnen Komponenten wird die DC-Platte getrocknet. Über die Auswahl der stationären Phase und die Festlegung der Lösemittel bzw. Lösemittelgemische können die Trennvorgänge optimiert werden.
Bild 7: Auftragung der Probe
Bild 8: Entwicklungskammer
2.2.5.2 Eindimensionale Mehrfachentwicklung
Bei Mehrkomponenten-Systemen kommt die eindimensionale Einfachentwicklung schnell an ihre Grenzen. Um trotzdem zufriedenstellende Trennungen zu erreichen, kann man durch einfache Methodenerweiterungen bessere Resultate erzielen.
Bei der eindimensionalen Mehrfachentwicklung wird die DC-Platte nach Vollendung des ersten Laufs vollständig getrocknet und anschließend in einem zweiten Lösemittel über eine andere Distanz entwickelt. Hierbei bietet es sich bei polaren stationären Phasen an, eine unpolare mobile Phase auszuwählen und die Laufstrecke etwas zu verlängern.
2.2.5.3 Zweidimensionale Mehrfachentwicklung
Hierbei wird die bereits eindimensional entwickelte und vollständig getrocknete Platte um 90° gedreht und in einer weiteren mobilen Phase chromatographiert. Die zweidimensionale Technik erlaubt die Trennung von Multikomponenten-Systemen, allerdings können keine Vergleichssubstanzen auf die Platte aufgetragen werden. Dadurch wird die Auswertung erschwert. Dennoch ergibt die Zweidimensionale Mehrfachentwicklung die aufschlussreichsten Chromatogramme des Bitumens. Das Bild 9 zeigt ein derartiges Chromatogramm mit einer ungefähren Zuordnung der Bitumenstoffgruppen.
Bild 9: Zweidimensionale Mehrfachentwicklung von Bitumen
2.2.5.4 Auswertung
Die Auswertung von Dünnschichtchromatogrammen erfolgt visuell. Im sichtbaren Licht erhält man ein braun bzw. grau getöntes Verteilungsmuster.
Bestrahlt man die DC-Platte mit langwelligem UV-Licht (λ = 366 nm), dann kommt es zur sogenannten Eigenfluoreszenz. Insbesondere aromatische Verbindungen absorbieren das UV-Licht und wandeln es in sichtbares Licht um.
Enthält die stationäre Phase einen Fluoreszenz-Indikator, der kurzwelliges UV-Licht (λ = 254 nm), absorbiert, dann leuchtet eine solche DC-Platte hellgrün. UV-aktive Komponenten absorbieren das eingestrahlte UV-Licht und schirmen die Platte und damit den Indikator davor ab. Daher heben sich die Stellen, an denen sich die Komponenten befinden, blau-violett bis schwarz von der grünen Platte ab. Dieses Phänomen wird als Fluoreszenzlöschung bezeichnet und dient dem Nachweis weiterer aromatischer Bitumenbestandteile.
Der Nachweis von weiteren charakteristischen Verbindungen, ist durch die chemische Umsetzung (Derivatisierung) der auf der DC-Platte befindlichen Komponenten mit speziellen Reagenzien möglich. Die Derivatisierung mit Reagenzlösungen erfolgt durch Eintauchen der Platten in Bäder oder durch einfaches Ansprühen. Ziel ist es, durch Auswahl von geeigneten Derivatisierungsreagenzien spezifische chemische funktionelle Gruppen sichtbar zu machen. Dies gelingt durch Herstellung von farbigen, UV-aktiven oder fluoreszierenden Derivaten.
2.2.5.5 Instrumentelle Techniken
Eine erhebliche Leistungssteigerung der Methode kann durch verschiedene Automatisierungstechniken erzielt werden. Dies betrifft besonders die gleichmäßige und reproduzierbare Auftragung der Proben durch Aufsprühen mittels Stickstoff oder Druckluft. Die Auftragungsmenge lässt sich exakt dosieren, somit ist die Möglichkeit gegeben, durch Verwendung eines Densitometers Dünnschichtchromatogramme auch quantitativ auszuwerten. Eine erhebliche Zeitersparnis kann auch durch die Automatisierung der eindimensionalen Mehrfachentwicklung erzielt werden. Derartige Geräte führen vollautomatisch die erforderlichen Lösemittelwechsel und Trockenschritte durch und überwachen kontinuierlich den Analysenlauf. Das Bild 10 zeigt ein Chromatogramm in dem simultan Bitumenstoffgruppen, sowie frische und gealterte Bitumen mit Hilfe eines automatisierten Verfahrens analysiert wurden. Die Aufnahme entstand durch rechnerische Überlagerung der beiden Fluoreszenzaufnahmen bei 254 und 366 nm.
Bild 10: Übersichtschromatogramm
3 Chemische Bitumenmodelle
Bereits 1924 entwickelte Nellensteyn [2] ein Bitumenmodell, das bis heute für die Interpretation der experimentellen Ergebnisse hilfreich ist (Bild 11). Nach diesem Modell besitzt Bitumen eine innere Struktur. Asphaltene bilden größere Aggregate, die durch adsorbierte polare Verbindungen voneinander isoliert sind und in einem Kohlenwasserstoffmedium dispergiert sind. Bitumen ist somit ein kolloidales System, in dem die wichtigsten strukturbildenden Elemente die Asphaltene sind. Mit Hilfe der Ultrafiltration, Elektronenmikroskopie und speziellen Röntgenstrahl-Streuungstechniken wurde festgestellt, dass die Größe der Asphaltenpartikel zwischen 4 bis 10 nm liegt und die der Asphaltenmicellen zwischen 15 bis 30 nm variiert.
Leontaritis und Mansoori entwickelten 1987 ein thermodynamisch-kolloidales Modell, das sogar die Vorhersage der Fällung von Asphaltenen (Flokkulation) ermöglicht [11].
Bild 11: Bitumenmodell
Bild 12: Flokkulation der Asphaltene
Niedermolekulare Asphaltene sind in der Regel gut in Bitumen löslich. Dagegen neigen höhermolekulare Asphaltene bei einem hohen Paraffingehalt zur Bildung größerer Aggregate. Polare Verbindungen haben eine deutlich geringere Tendenz zur Aggregatbildung als Asphaltene. Sie wirken auf Asphaltenkolloide sogar stabilisierend und ein Mangel an polaren Verbindungen führt zur Fällung der Asphaltene.
Diese Zusammenhänge versuchte Gaestel bereits 1974 [12] durch Einführung eines Index zu erfassen. Der Index kann für die Bewertung von Bitumen hinsichtlich der Stabilität ihres Kolloidsystems hilfreich sein.
Formel im PDF (IG = < 0,22 → weiche Beläge, IG = > 0,5 → kolloidale Instabilität)
Wenn IG ansteigt, dann nimmt die Stabilität des Kolloidsystems ab. Wird der Wert allerdings zu klein, dann ist zwar das Kolloidsystem stabil, es fehlen aber die viskositätserhöhenden Asphaltene und das Bitumen wird zu niedrigviskos. Die polaren Verbindungen spielen offensichtlich eine wichtige Rolle zur Stabilisierung der Asphaltene, indem eine Abtrennung in eine eigene Phase verhindert wird.
Auch bei der oxidativen Alterung von Bitumen spielt die Stabilität des Kolloidsystems eine entscheidende Rolle. Nicht alle Stoffgruppen des Bitumens sind gleichermaßen empfindlich gegen Alterung. Aliphaten sind relativ stabil gegen Oxidation, können aber durch langsame Verdampfung verloren gehen. Aromatische Verbindungen sind dagegen leicht oxidierbar und gehen in die Gruppe der polaren Verbindungen über und diese können wiederum zu Asphaltenen oxidiert werden. Steigt der Gehalt an Asphaltenen auf Kosten der Polaren und Aromaten, dann nimmt die Stabilität des Kolloidsystems ab, die Funktion des Bitumens im Asphalt wird geschwächt. Umgekehrt stellt der Gehalt an Polaren und Aromaten ein Reservoir dar, von dem die Lebensdauer von Bitumen abhängt. Die Stabilität des Bitumenkolloidsystems ist auch das entscheidende Kriterium bei der Anwendung von Rejuvenatoren, die eingesetzt werden, um alterungsbedingte Veränderungen im Asphalt rückgängig zu machen. Die chemische Zusammensetzung der Rejuvenatoren beeinflusst direkt das Kolloidsystem und entscheidet darüber, ob die gewünschte Wirkung erzielt wird.
Die chemisch-physikalischen Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Stoffgruppen des Bitumens sind aufgrund der supramolekularen Koordination relativ kompliziert. Für die adäquate Beschreibung von Bitumen ist deshalb eine „ganzheitliche“ Betrachtung der chemischen Analysenergebnisse vorteilhaft. Das ist zwar mühsam, aber ein besseres Verständnis der chemischen Zusammenhänge kann sich als durchaus hilfreich bei der Erklärung physikalischer Phänomene erweisen.
Literaturverzeichnis
1 Reiner, W. (1929): Handbuch der neuen Straßenbauweisen, Julius Springer Verlag
2 Nellensteyn, F. J. (1923): Bereiding en constitutie‘ van asphalt (Manufacture and constitution of asphaltic bitumen); Dissertatie Technische Hoogeschool, Delft
3 DIN 51595:2000-11 Prüfung von Mineralölerzeugnissen – Bestimmung des Gehalts an Asphaltenen – Fällung mit Heptan
4 ASTM D 6560: 2005 Standard Test Method for Determination of Asphaltenes (Heptane Insolubles) in Crude Petroleum and Petroleum Products
5 Zenke, G. (1989): Zum Löseverhalten von „Asphaltenen: Anwendung von Löslichkeitsparameter-Konzepten auf Kolloidfraktionen schwerer Erdölprodukte, Dissertationsschrift, Fakultät für Bergbau, Hüttenwesen und Maschinenbau der Technischen Universität Clausthal
6 Sebor, G.; Blazek, J.; Nemer, M. F. (1999): Optimization of the preparative separation of petroleum maltenes by liquid adsorption chromatography. In: Journal of Chromatography A, H. 847, S. 323–330
7 Wang, Sh. et al. (2010): The development of a method for the qualitative and quantitative determination of petroleum hydrocarbon components using thin-layer chromatography with flame ionization detection, In: Journal of Chromatography A, Jg. 1217, H. 3, S. 368–374, Online verfügbar unter http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0021967309016835
8 Lu, X.; Kalman, B.; Redelius, P. A. (2008): simple Test Method for Determination of Waxes in Crude Oils and Bitumens, Asphalt – Roads for Life, Destination Copenhagen, Eurasphalt & Eurobitume, 4th Congress – E&E 2008, Copenhagen, Denmark, 21–23 May 2008
9 Wichert, B. (1997): Qualitativer und halbquantitativer Nachweis von Pechanteilen in Bindemitteln und Ausbaustoffen des Straßenbaus, Bitumen 1
10 Koch, H.-K. (1992): Nachweis und mengenmäßige Bestimmung von Teeranteilen in Straßenbefestigungen, Bitumen (3)
11 Antonio, V.; Branco, M.; Mansoori, G. A.; Xavier L. C.; Park, S.J.; Manafi, H. (2001): Asphaltene flocculation and collapse from petroleum fluids, In: Journal of Petroleum Science and Engineering, Jg. 32, S. 217–230, Online verfügbar unter http://www.sciencedirect.com/ science/article/pii/S0920410501001632
12 Gaestel, C. R.; Smadja, R.; Lamminan, K. A. (1971): Contribution a la connaissance des proprietes des bitumens routiers, Revue Generale des Routes et Aerodromes, no. 466, pp. 85–94 |