FGSV-Nr. FGSV A 42
Ort Hamburg
Datum 05.05.2015
Titel Asphaltpetrologie – Einsichten in Asphalt
Autoren Dr. rer. nat. Rainer Hart
Kategorien Asphaltstraßen
Einleitung

Die Asphaltpetrologie erweitert die klassischen Analyseverfahren für Asphalt, wie sie beispielsweise in den „Technischen Prüfvorschriften Asphalt (TP Asphalt-StB)“ beschrieben sind, um Methoden zur Erfassung des Gefüges in situ sowie zur Zusammensetzung und Beschaffenheit der Komponenten. Dazu werden verschiedene analytische Verfahren der Petrologie, wie die Auflicht- und Durchlichtmikroskopie, Elektronenmikroskopie und Röntgenanalytik auf den Baustoff Asphalt und seine Komponenten adaptiert. Angepasste Präparationstechniken, EDV-gestützte bildanalytische Verfahren und die gezielte Erweiterung um multiskalierte Bildaufnahmeverfahren ermöglichen es u. a., die Verteilung und Raumlage der Asphaltkomponenten, deren Homogenität, Beschaffenheit, Integrität und Kontaktflächen zu erfassen. Sie bilden so auch Grundlagen für neue Verfahren hinsichtlich des Entwurfes von Asphaltrezepturen, der Analyse von Asphalt, notwendiger Schadensuntersuchungen und der Forschung, wie der mathematischen Modellierung von Asphalt. Beispielweise liefern die Verfahren der TP Asphalt-StB nur einen gemittelten Wert für den Hohlraumgehalt. Die asphaltpetrografische Analyse ergänzt diese Information mit der Größenverteilung und Lage der einzelnen Poren. Es wird erwartet, dass die künftige asphaltpetrologische Forschung wichtige Erkenntnisse zu Asphalteigenschaften liefern wird, zum Beispiel Parameter der Dauerhaftigkeit, der Verformung, der Haftung zwischen Bitumen und Gestein, Bitumen-Gesteinsreaktionen, Oberflächenbeschaffenheit und deren Veränderung, Wirkungsweise von Füllern, Alterung von Bitumen und zur Quellung von Asphalt infolge Wassereinwirkung. Das Erkenntnispotenzial klassischer petrologischer Analysen wird an Auflicht- und Durchlichtpräparaten ausgewählter Asphaltproben exemplarisch erläutert. So zeigen zum Beispiel Proben aus einer Bundesautobahn, wie strömendes Wasser in offenporigen Asphalten zu deren Versagen beiträgt.

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1 Einleitung

Die klassischen Analyseverfahren der Asphalttechnologie wurden in den 1930er- und 1940er- Jahren des vergangenen Jahrhunderts innerhalb weniger Jahre entwickelt und fanden bereits kurze Zeit später Eingang in internationale Normensysteme wie ASTM, DIN und BST, wobei die ASTM und BST wiederum Grundlage für zahlreiche nationale Normen bilden. So prägt der Forschungsbericht „Investigation of the Design and Control of Asphalt Paving Mixtures“ (Army Corps of Engineers, 1948) aus dem Jahr 1948 bis heute zahlreiche Aspekte unserer Vorstellung vom Baustoff Asphalt und die Analysetechnik. Die weitere Entwicklung von Prüfverfahren bezieht sich im Wesentlichen auf das mechanische Verhalten, die Bindemittel und die Beständigkeit gegen angreifende Medien.

Die Untersuchung des Asphaltgefüges, beispielsweise hinsichtlich Anordnung der Komponenten, Hohlraumverteilung, Homogenität, Dicke der Bindemittelfilme, Beschaffenheit und Integrität der Mineralstoffe hat trotz vielversprechender erster Forschungsergebnisse (u. a. Angst 1983) weder Eingang in die standardisierten Prüfverfahren noch in die tägliche Untersuchungspraxis gefunden.

Die optische Erfassung des Gefüges und der Zusammensetzung von Gesteinen bildet eine der Kernkompetenzen der Petrologie, einem Teilgebiet der Mineralogie. In dem neuen Forschungsgebiet der Asphaltpetrologie werden petrologische Methoden wie Dünn- und Anschliffanalysen mit Anwendung unterschiedlicher Lichtquellen, Röntgenanalysen und elektronenmikroskopische Verfahren gebündelt, an den Baustoff Asphalt adaptiert und unter Berücksichtigung der bisherigen Ansätze weiterentwickelt. Damit stellt sie der Forschung ein Instrumentarium zur Erfassung des Gefüges, beispielsweise als Grundlage der Modellierung von Verformungsvorgängen, Grenzflächenreaktionen innerhalb des Gefüges und Veränderungen im Gebrauch zur Verfügung. Der Praxis bietet sie bereits jetzt Verfahren an, mit denen bei der Untersuchung von Schadensfällen weitere Erkenntnisse zur Ursache gewonnen werden können.

Zur Förderung von Forschung und Fortbildung wurde am Fachgebiet für Straßenwesen an der TU Darmstadt die „International Society of Asphalt Petrology e. V.“, ein Zusammenschluss von Asphalttechnologen und Geowissenschaftlern gegründet.

2 Methoden der Asphaltpetrologie

Die Asphaltpetrologie erschließt zahlreiche petrologische Verfahren für die Asphaltanalyse. Die optische Erfassung und Digitalisierung von Proben aus Fahrbahnoberflächen in der Aufsicht mittels Mikroskop oder Scan-Technologie ermöglicht die Erfassung von Textur, Hohlräumen, Schäden sowie deren Veränderungen infolge von Verkehr und Witterung.

An geschliffenen Proben können die Verteilung der Asphaltkomponenten, bei spezieller Präparation auch die Hohlraumverteilung und Risse quantitativ in der Fläche erfasst werden. Moderne Programme zur Bildauswertung (Digital Image Processing) und leistungsfähige Hardware ermöglichen die Verarbeitung besonders hochaufgelöster und damit detailgetreuer Aufnahmen und liefern gegenüber früheren Erprobungen einen deutlich höheren Informationsgehalt. Unter UV-Licht können verschiedene Polymere, die Bitumina zur Modifizierung zugegeben wurden (Eriksen, Wegan 1993) und auch carbostämmige Bindemittel (FGSV 2000) sichtbar gemacht und so auch dokumentiert werden.

Dünnschliffe, die mit speziellen Präparationstechniken aus dem Asphalt hergestellt werden, ermöglichen es, die einzelnen Komponenten des Asphaltgefüges im Durchlicht hinsichtlich ihrer Größe, Lage, Form, Orientierung, mineralogischen Beschaffenheit, Integrität sowie die Größe und Verteilung der Hohlräume mikroskalig zu erfassen.

Mit Röntgendiffraktometeranalysen wird der Mineralbestand der Füllerfraktion bestimmt. Quellfähige Bestandteile können so quantitativ bestimmt werden (Moore, Reynolds 1989).

Weiterhin können Asphaltproben im nanoskaligen Bereich charakterisiert werden. Durch die enge Kooperation mit dem Elektronenmikroskopiezentrum Darmstadt (EZD) steht dafür eine Reihe abbildender und spektroskopischer Methoden zur Verfügung. Mittels der Rasterelektronenmikroskopie (REM) können Gesteins-Füller-Bitumeninteraktionen qualitativ und quantitativ untersucht werden (Goldstein, Newbury et al. 2009). Die Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) erlaubt den hoch aufgelösten Einblick in Phasengrenzen und dient der Phasenbestimmung (Reimer, Kohl 2008). Eine chemische Beschreibung der Asphaltkomponenten ist mittels energiedispersiver Röntgenanalyse (EDX) oder Elektronen-Energie-Verlustspektroskopie (EELS) möglich (Brydson 2011).

3 Beispiele asphaltpetrologischer Untersuchungen

3.1 Hohlraumverteilung

3.1.1 Klassische Verfahren

Das klassische Verfahren der Bestimmung des Hohlraumgehaltes, beispielsweise nach den TP Asphalt-StB, Teil 8 (FGSV 2008) erfolgt nach Bestimmung der Roh- und der Raumdichte indem die Differenz beider Werte in Bezug zur Rohdichte gestellt wird. Das Ergebnis ist ein Mittelwert ohne Information über Hohlraumgrößen und deren Verteilung. Trotzdem wird dieser unspezifische Mittelwert regelmäßig zur Beurteilung komplexer technischer Wirkzusammenhänge wie z. B. die Durchlässigkeit für Wasser bzw. Luft oder die Standfestigkeit herangezogen. Einige Autoren ziehen absolute Hohlraumgehalte auch zur Formulierung von Grenzkriterien heran, die sogar Eingang in populäre bautechnische Tabellenwerke gefunden haben. Doch die Realität zeigt sich wesentlich komplexer. So ist es doch offensichtlich, dass Lage, Größe und Geometrie von Hohlräumen in einem mehrphasigen Baustoff variabel sind und Einfluss auf seine technischen Eigenschaften nehmen müssen. Die Bedeutung der differenzierten Betrachtungsweise zeigt sich am Beispiel überverdichteter Deckschichten, deren Hohlraumgehalt durch Mörtelaufstieg oberflächennah deutlich geringer ist als im unteren Schichtbereich. Eine derartige Schicht mag die Anforderung an einen mittleren Hohlraumgehalt erfüllen, aber dennoch oberflächennah verformungsanfällig sein. Eine einzige Zahl zur Beschreibung des Hohlraumgefüges allein kann also in zahlreichen Fällen, insbesondere bei der Beurteilung von Verformungen und Wasserdurchlässigkeiten, nicht ausreichend sein.

3.1.2 Optische Verfahren der Asphaltpetrologie zur Charakterisierung des Hohlraumgefüges

An speziell mit fluoreszierenden Kunstharzen getränkten An- und Dünnschliffen wird die Hohlraumstruktur sichtbar. Der Verlauf von Hohlraumgehalten kann als Profil über die Probekörperhöhe oder -breite rekonstruiert werden. Außerdem sind Auswertungen anhand der Hohlraumgeometrien möglich, wie z. B. Ausrichtung oder Größenverteilung. Das Bild 1 zeigt eine PMA im Durchlicht mit Angabe der Verteilung des mittels bildanalytischer Verfahren rückgerechneten Hohlraumgehaltes im vertikalen Profil.

Bild 1: Vertikalprofil des bildananalytisch rückgerechneten Hohlraumgehaltes einer Probe offenporigen Gussasphaltes (PMA) (gelb: Hohlraum)

Dies Bild zeigt eindrucksvoll, dass die beim PMA angestrebte Konzentration offener und verbundener Hohlräume im oberen Teil des PMA mit einem hohlraumfreien unteren Schichtbereich bei dieser Probe nicht erreicht wurde. Die Hohlräume sind über das gesamte Schichtprofil als einzelne, aber isolierte Großporen verteilt. Der untere Teil der Schicht übernimmt in diesem Beispiel also nicht die notwendige abdichtende Funktion.

3.2 Integrität der groben Mineralstoffe

Der folgende Dünnschliff eines Splittmastixasphaltes SMA 11 DS fällt durch auffällig große Poren und zertrümmertes Größtkorn auf.

Bild 2: Dünnschliff eines Splittmastixasphaltes mit zertrümmertem Größtkorn

Derart große Poren entstehen erfahrungsgemäß infolge von Verdichtungsmängeln. Da das zertrümmerte Korn auf ausreichend eingebrachte Verdichtungsenergie schließen lässt, liegt die Vermutung nahe, dass die Verdichtung bei zu geringer Asphalttemperatur vorgenommen wurde.

3.3 Homogenität

Häufig sind Asphaltschichten wesentlich inhomogener als die klassischen Asphaltuntersuchungen, die verfahrensbedingt auf vergleichsweise großen Probemengen basieren, erwarten lassen. Das folgende Präparat eines Anschnittes (Bild 3) zeigt inhomogen verteilte Hohlräume und poröse Einschlüsse, die wahrscheinlich auf den Eintrag von erkaltetem Mischgut in den Fertigungsprozess zurückzuführen sind.

Bilder 3 und 3 a: Inhomogene Deckschicht

3.4 Risse

Risse werden in Anschnitt- und Durchlichtpräparaten gut sichtbar. Die elektronische Bildbearbeitung ermöglicht es, diese mit sogenannten Fehlfarben zu markieren, um die Geometrie und den Verlauf optisch hervorzuheben. So zeigt die folgende Darstellung des Anschnittpräparates (Bild 4), dass der Riss die Deckschicht und die Binderschicht durchschlägt, nicht aber die Tragschicht. Der Riss verläuft offensichtlich in den hohlraumreicheren Partien der jeweils betroffenen Schichten. Er durchzieht dabei primär die Bindemittelfilme und löst diese nur untergeordnet von den Mineralstoffkörnern ab. Diese Beobachtung lässt Defizite in der Affinität zwischen Bitumen und Gestein ausschließen.

Bild 4: Riss innerhalb von Deck- und Binderschicht eines Asphaltoberbaus

3.5 Offenporiger Asphalt

Das folgende Anschnittpräparat (Bild 5) eines offenporigen Asphaltes zeigt ausgeprägte Strömungskanäle. Das durchströmende Wasser hat deutliche Erosionsspuren hinterlassen, wie die geglätteten Oberflächen der Wandungen zeigen.

Bilder 5 und 5 a: Strömungskanal in offenporigem Asphalt

Weiterhin weisen freie Mineralstoffoberflächen auf selektive Stripping-Effekte hin. Der folgende Dünnschliff zeigt die sehr ungleichmäßige Verteilung des Bindemittels und starke Unterschiede der Bindemittelfilmdicken (Bild 6).

Bild 6: Dünnschliff eines genutzten offenporigen Asphaltes

Das Korngerüst ist teils an Punktkontakten, teils an Flächen verklebt. Im Dünnschliff zeigt sich auch eine beginnende Ablösung der Bindemittelfilme.

Bild 6 a: Von Mineralstoffen abgelöste Bindemittelfilme (Ausschnitt aus Bild 6)

Das Bild 6 zeigt auch eine starke Inhomogenität des Porenraumes. Innerhalb des porenreichen Grundgefüges finden sich dichte, porenarme Cluster (Bild 6 b).

Bild 6 b: Dichtes Cluster innerhalb des offenporigen Asphalts (Ausschnitt aus Bild 6)

Die benachbarten Bereiche mit stark erhöhtem Hohlraumgehalt sind als Schwächezonen für mechanische Angriffe anzusehen.

Als weitere Auffälligkeit kommen Ablagerungen von ungebundenem Feinkorn im Porenraum hinzu (Bild 6 c). Die Untersuchung des Dünnschliffs im polarisierten Durchlicht ermöglicht die exakte Bestimmung der Petrologie der verschiedenen Mineralstoff-Fraktionen.

Bild 6 c: Ablagerung feinkörniger Mineralstoffe im Porenraum

Bild 7: Dünnschliff eines genutzten offenporigen Asphaltes im polarisierten Durchlicht

Bild 8: Petrografische Charakterisierung der groben Mineralstoffe

4 Derzeitige Möglichkeiten und künftiges Potenzial der Asphaltpetrologie

Die vorstehenden Beispiele zeigen, dass die asphaltpetrologischen Methoden bereits jetzt zur Bestimmung der Raumlage der Asphaltkomponenten, deren Homogenität, Beschaffenheit, Integrität und Ausbildung der Kontaktflächen herangezogen werden können. Damit stellen sie ein wertvolles Instrumentarium für Schadensanalysen zur Verfügung.

Mit diesen Informationen können realitätsnahe Grundlagen für die numerische Modellierung geschaffen werden.

Weiterhin wird erwartet, dass die asphaltpetrologische Forschung auch unter Anwendung von röntgen- und elektronenmikroskopischen Verfahren weitere Erkenntnisse zu folgenden Aspekten der Asphalttechnologie liefert:

  • Parameter der Dauerhaftigkeit
  • Verformung (Veränderung der Raumlage der Asphaltkomponenten unter Last)
  • Haftung zwischen Bitumen und Gestein
  • Reaktionen zwischen Bitumen und Gestein
  • Oberflächeneigenschaften und deren Veränderung
  • Wirkungsweise von Füllern
  • Alterungsprozesse
  • Quellung von Asphalt in Folge von Wassereinwirkung.

Literaturverzeichnis

  1. Angst, Ch. (1983): Morphologische Beurteilung verdichteter bituminöser Mischungen, Bitumen 3/1983, Urban-Verlag, Hamburg, S. 117–126
  2. Army Corps of Engineers (1948): Investigation of the Design and Control of Asphalt Paving Mixtures, Technical Memorandum No. 3-254, Waterways Experiment Station, Vicksburg, Mississippi
  3. Brydson, R. (2011): Abberation-Corrected Analytical Transmission Electron Microscopy, S. 296, John Wiley & Sons Inc., Chichester
  4. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2008): Technische Prüfvorschriften für Asphalt im Straßenbau, Teil 8: Volumetrische Kennwerte von Asphalt-Probekörpern und Verdichtungsgrad, Köln (FGSV 756)
  5. Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2010): Prüfung von Straßenbaumaterial auf carbostämmige Bindemittel – Schnellverfahren, Köln (FGSV AP 27/2)
  6. Eriksen, K.; Wegan, V. (1993): Optical Methods for the Evaluation of Asphalt Concrete and PolymerModified Bituminous Binders – 5th Eurobitume Congress, S. 705–708, Stockholm
  7. Goldstein, J.; Newbur y, D.E.; J o y, D.C.; Ly m a n, C.E.; Echli n, P.; Sawye r, L.; Michae l, J.R. (2007): Scanning Electron Microscopy and X-ray Microanalysis, S. 689, Springer, New York
  8. Moore, D.; Reynold s, R. (1989): X-Ray Diffraction and the Identification and Analysis of clay Minerals 332 S., Oxford University Press, Oxford
  9. Reimer, L.; K o h l, H. (2008): Transmission Electron Microscopy: Physics of Image Formation, S. 590, Springer, New York